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E-Book

Faltenweise

Lesben und Alter

AutorTraude Bührmann
VerlagVerlag Krug & Schadenberg
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl244 Seiten
ISBN9783959172080
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
»Wenn du Glück hast, kannst du dich mit 90 noch verlieben.« - Trotz fliegender Hitze erforschen sie die Vulkanlandschaft Hawaiis, erkunden Kleopatras Ägypten und streifen in Cowboystiefeln durch den Grand Canyon. Sie lernen im Rentenalter Klavierspielen, besuchen Philosophievorlesungen und unterweisen Lesben im Paartantra und Clowntheater. Sie wollen auch künftig das weite Feld der Sexualität erforschen und gedenken durchaus, sich mit 90 noch zu verlieben. Sie nehmen sich Zeit und tun, was sie wollen. Heiter und gelassen. »Falten? Große Trauertage hab ich deswegen nicht eingelegt.« Traude Bührmann hat acht lesbische Frauen zwischen 48 und 81 Jahren zu ihren Erfahrungen mit dem Älterwerden befragt und porträtiert.

Traude Bührmann, geboren 1942, lebt als Autorin, Herausgeberin und Übersetzerin in Berlin und Paris. Mit dem Porträtband »Faltenweise« hat sie das erste Buch zum Thema Lesben und Alter/n verfasst. Darüber hinaus hat sie im Verlag Krug & Schadenberg zu dem Band »Verwandlungen - Lesben und die Wechseljahre« beigetragen sowie zu der Erotik-Anthologie »Augenblicke« und dem Band »Fein & gemein - Rachegeschichten«. Zu ihren weiteren Veröffentlichungen zählen u.a. die Romane »Mohnrot« (unter dem Namen Olga Linz) und »Die Straßensängerin«, die Erzählung »Flüge über Moabiter Mauern« und die Reiseerzählungen »Die Staubstraße nach Matala«. Neben der Anthologie »Sie ist gegangen. Geschichten vom Abschied für immer« und den Stadtbegleiterinnen »Lesbisches Berlin« und »Lesbisches Paris« hat sie gemeinsam mit Laura Méritt und Nadja Schefzig den Band »Mehr als eine Liebe - Polyamouröse Beziehungen« herausgegeben. Traude Bührmanns letzte Veröffentlichungen drehen sich um Leben und Tod, so ihre Erzählungen »Nachtcafé«, der Kurzroman »durchatmen« und die Novelle »Cocktailstunde«. Zur Zeit arbeitet sie an einem Foto-Text-Buch »Unterwegs - die Erde unter meinen Füßen ist mein Land«.

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Leseprobe

Die beste Möglichkeit, Träume zu verwirklichen, ist aufzuwachen


Inge Krause, 59 Jahre, Krankenschwester, Altenpflegerin


So kann es nicht weitergehen, denkt Inge Krause, du bist jetzt einundfünfzig. Wenn das alles gewesen sein soll, kannst du Schluss machen. Abschließen mit dem Leben. Damit meint sie nicht, sich das Leben zu nehmen, sondern ihre Lebensvorstellungen zu begraben. Das ist dasselbe. Fast. Sie verkümmert in ihrer Ehe. Ändert sie nichts, wird sich ihre Tochter Bettina zurückziehen. Sie kann sich das Elend nicht länger mit ansehen, versteht auch nicht, wieso ihre Mutter, die sonst so aktiv ist, die überall ihre Meinung vertritt, in ihrem Arbeitsleben immer entscheidungsfreudig ist und nicht so vermuffelt wie die Verwandtschaft, wieso sie an diesem Punkt stehenbleibt und eingeht wie eine Primel.

An Trennung denkt Inge Krause nicht. Doch: Ich gehe weg. Und überlegt, was ihr dieses Zuhause wert ist, Haus und Garten in Berlin-Hellersdorf, ihr herzkranker Mann, ihr Sohn im schwierigen Pubertätsalter. Die Heirat, das war sowieso ein Fehler gewesen. Als sie vor dem Altar ja sagte, hatte sie es gewusst. Wegen ihrer Tochter hatte sie eingewilligt, wollte der Kleinen einen Vater geben, die alle Männer auf der Straße mit Vati ansprach.

Mit achtzehn brachte Bettina ihr vorsichtig bei, dass sie sich nichts aus Männern mache. Sie interessiere sich für Frauen. Inge Krause, zweiundvierzig, fiel nicht aus allen Wolken, nein, diese Worte waren der Auslöser, darüber nachzudenken, wofür sie sich eigentlich interessierte, warum sie mit ihrer Ehe, ihrem Leben nicht zufrieden war.

Schwule und lesbische Paare waren ihr nichts Neues, unter ihren Arbeitskolleginnen und Kollegen im Krankenhaus gab es einige, doch sie lebten ihre Beziehung nicht offen. Alle anderen dachten, na, die haben wohl was miteinander, und damit war es erledigt. Inge Krause guckte manchmal erstaunt hoch: „Ja, diese Lebensform wäre vielleicht auch möglich.“ Sie fühlte sich in Gesellschaft von Frauen wohler, ging aber gelegentlichen Annäherungsversuchen in ihrem Berufsleben aus dem Weg. Nur keine Komplikationen in ihrer Ehe! „Diesen Stress machst du dir nicht.“

Zum zwanzigsten Hochzeitstag schenkt Bettina ihr fünf Tage „Kreativsein“ auf einem Frauenhof. Inge Krause ist begeistert über die Aussicht, nach Jahren endlich mal etwas allein zu machen. Malen, Musik hören, wandern, über Probleme reden, sich in der Natur erholen, unter Frauen sein. Das klingt verlockend. Doch zwei Tage vor Kursbeginn gerät sie ins Schwanken: Was mag dort aufgebrochen werden, was mag ihr entgleiten? Ob das wohl was bringt? Am liebsten würde sie absagen, doch sie tut es nicht bei dem Gedanken an den Wäscheberg, der sie während dieser Urlaubswoche zu Hause erwarten würde, an das tägliche Mittagessenkochen und Abwaschen … Sie packt ihre Sachen. Zwiespältig. Ihre innere Stimme setzt sich durch: „Wenn du das jetzt nicht machst, verpasst du die Chance deines Lebens, etwas Neues zu beginnen.“

Wortlos fährt ihr Mann sie zum Frauenhof. Ihr Sohn sitzt hinten im Auto. Je näher sie kommen, desto leichter wird es Inge Krause. Eine wunderschöne Strecke.

„Wir kamen an dem Tor an. Der Hof völlig verwildert, noch dieses Kopfsteinpflaster, dieses verbrannte Grün, die Scheune, alles sah wirklich urwüchsig aus. Und plötzlich läuft da ’ne nackte Frau mit zwei Eimern quer über den Hof. Hier willst du bleiben? sagte mein Mann, aber in einem Ton! Und ich: Ja, hier möchte ich bleiben. Mein Sohn grinste nur.“

Alle Zweifel sind wie weggeblasen. Wobei Inge Krause nun nicht gedenkt, fünf Tage lang nackt durch die Gegend zu laufen. Vom ersten Augenblick an fühlt sie sich wohl. Ist nicht gehemmt wie sonst, wenn sie in eine ungewohnte Umgebung kommt. Malen, spazieren gehen, abends mit den fünf anderen Teilnehmerinnen und zwei Kursleiterinnen in der Runde sitzen, sich kennenlernen, anfreunden, endlose Gespräche, eine ganz neue Erfahrung. Der Lebensstil eine Offenbarung: „Bei mir ging alles nach der Uhr, schon durch den Krankenhausbetrieb, sämtliche Tassen im Schrank mit dem Henkel nach rechts, und die Kannen mit dem Henkel nach links – sagenhaft, was man so entwickeln kann; ein Funktionalismus, der überhaupt keinen Sinn hat. Und hier das absolute Chaos. Kein Wasser zum Duschen, die Toilette wurde mit unserem Waschwasser oder dem Abwaschwasser gespült; der Brunnen hatte versagt.“ Inge Krause kann sich mit dieser ihr ungewohnten Lebensform völlig identifizieren, spürt, das ist, was sie eigentlich immer wollte und was sie bis dato versäumt hat. Es ist wunderschön. Manchmal allerdings sitzt sie auf ihrem Bett und denkt, wenn du jetzt weitergehst, verlierst du dich. Aber die Betreuerinnen achten darauf, dass es nicht so weit kommt, dass niemand ausrastet und damit allein nach Hause fährt.

Inge Krause fragt sich: Was habe ich überhaupt die ganzen Jahre mit mir gemacht? Meine Bedürfnisse immer wieder in eine Schublade gepackt, sie fest verschlossen und gedacht, was nicht sein kann, darf nicht sein, gibt es nicht. Und hätte sie den Fehler auf dem Standesamt nicht gemacht – vielleicht war es auch nur ein schlechter Griff –, wäre alles anders geworden, wäre sie vielleicht viel eher darauf gekommen, dass sie, wenn sie A sagt, nicht auch B sagen muss. Dieses verdammte Verantwortungsgefühl durch Erziehung und Beruf: Das ziehst du durch.

Anscheinend hat ihre Tochter sie richtig eingeschätzt. Inge Krause fühlt sich so wohl unter den Frauen, dass sie überlegt, ob Bettina erblich belastet ist oder ob sie durch ihre Tochter „drauf gekommen ist“. Am Ende der fünf Tage verabschieden sich alle: Bis nächstes Jahr auf dem Frauenhof!

Wieder zu Hause beginnt Inge Krause zu lesen, kauft sich alle empfohlenen Bücher, fasst ihrem Mann und ihrer Verwandtschaft gegenüber ihre Bedürfnisse verstärkt in Worte, sagt vor allem, was sie nicht mehr will. Schon immer galt sie in der Krause-Verwandtschaft als Exotin und aufsässig, wenn sie ihrem Humor freien Lauf ließ. Und noch dazu mit einem unehelichen Kind. „Bei denen muss nach außen stimmen, was innen nicht stimmt.“ Ihr Mann akzeptierte das Kind, versuchte, Bettina ein guter Vater zu sein – sonst hätte er bei Inge Krause auch keine Chance gehabt –, wollte aber, wie er später zugab, in erster Linie die Krankenschwester haben, die außerdem gut kochen und einwecken kann, mit der er ein Haus bauen kann. Nicht selten kontrollierte die Schwiegermutter, was in den Töpfen war: „Was? Du kannst doch dem armen Mann, der schwer gearbeitet hat, heute keinen Eintopf anbieten – der braucht Fleisch, ein richtiges Kotelett.“

Dieses, ihr zweiundfünfzigstes Jahr, wird Inge Krauses Überbrückungsjahr. Sie schlägt eine Brücke zwischen ihrem alten und ihrem neuen Leben, zwischen jener und dieser Welt. Überdenkt nicht nur ihre heikle Familiensituation mit krankem Mann, schwierigem Sohn, immer fordernder werdender alter Mutter, sondern auch ihre materielle Lage mit allem Wenn und Aber. Sie weiß, dass sie völlig mittellos sein wird, wenn sie geht; dass sie nichts mitnehmen kann, es auch gar nicht will. Sie ist eine „Pragmatische“, muss immer alles vorher klären. Sie springt nicht gern ins kalte Wasser. Man würde es in ihrer Verwandtschaft auch nicht verstehen. Aber ihre Tochter wird es verstehen. Inge Krause hat keine Freundinnen oder Bekannten, mit denen sie über diesen Schritt und die Konsequenzen reden könnte. Aber den Frauenhof. Im August.

Sie fiebert dem sommerlichen Treffen entgegen. Fühlt sich wie siebzehn. Schweigend sitzt ihr Mann wieder hinter dem Steuer. Eine wunderschöne Landschaft. Inge Krause ist fröhlich und gelöst. Sie weiß, dieses Treffen bringt die Entscheidung. Sie will mit dem für sie charakteristischen „analytischen Denken“ aufhören und die Dinge laufen lassen. „Es wird sich schon regeln.“

Auf dem Hof sind schließlich andere Frauen als im Vorjahr – jüngere. Inge Krause ist die Älteste in der Gruppe und empfindet ihr Alter zunächst als Handikap: „Hoffentlich denken die nicht: Ogottogott, die Alte – jetzt kommt die in unseren Kreis.“ Dabei ist sie viel lieber mit Jüngeren zusammen. Die Jungen haben eine andere Art, miteinander umzugehen, und andere Themen als Krankheit und Tod, Medikamente und Arztbesuche. Alles, was älter ist als sie: nein, danke. Es sei denn, es sind interessante Frauen, die „das gewisse Etwas haben, die frei von alten Zöpfen sind, die zuhören, die lustig sein und sich mit sich selbst beschäftigen können, die mit Leichtigkeit leben.“ Dann kann Inge Krause uralte Frauen mit vielen Falten schön finden. Auf die Ausstrahlung kommt es ihr an. Eine einzige gute Freundin hatte sie, die über siebzig war. „Die war jung geblieben.“

Vielleicht ist sie auch durch ihre Arbeit in der Altenpflege vorbelastet. „Die Alten sind so verbittert, so störrisch, so fordernd, nehmen alles nur persönlich.“ Kurz vor der Wende...

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