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Familie. Eine Gebrauchsanweisung

Was Eltern und Kinder zusammenhält

AutorClaudia Stahl, Reinhard Winter
VerlagBeltz
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl288 Seiten
ISBN9783407222640
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis17,99 EUR
Was Kinder wirklich für's Leben stärkt, ist der Zusammenhalt in der Familie. Die beiden Autoren wissen aus ihrer langjährigen Praxis als Familienberater: Fast alle Probleme lassen sich lösen, sobald die Beziehungen nah und authentisch sind. So geben sie Anstöße zu einer von Respekt geprägten und verlässlichen Beziehungsgestaltung, zeigen Lösungswege bei Konflikten und Überforderung durch Beruf, Schule und Kita auf und regen zur Reflexion über eigene Werte im Zusammenleben an. Wie es gelingt, so zu lieben und zu leben, dass alle Familienmitglieder zu ihrem Recht kommen, darum geht es ihnen in diesem Buch. Eine einfühlsam geschriebene Gebrauchsanweisung für einen klaren und liebevollen Umgang mit Kindern und dem Partner, die Lust auf Familie macht.

Dr. Reinhard Winter ist der profilierteste Jungenexperte im deutschsprachigen Raum. Er ist Diplompädagoge und in der Leitung des Sozialwissenschaftlichen Instituts Tübingen (SOWIT). Er arbeitet in der Jungen- und Männerberatung, in der Jungenforschung sowie in der Qualifizierung von Lehrern und Fachkräften in der Sozialen Arbeit zu Jungenthemen. Claudia Stahl ist Dipl. Sozialpädagogin (FH). Sie arbeitet in freier Praxis für Psychotherapie, Supervision und Meditation, vor allem mit Frauen und Mädchen, und berät Schüler, Eltern und Lehrer. Sie ist Mutter von zwei Töchtern und zwei Söhnen, die sie über viele Jahre alleine erzogen hat, und lebt in der Nähe von Rottweil.

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Leseprobe

Jede Familie kann Beziehung lernen


Familie liebevoll zu gestalten und ihre Beziehungen gut zu entwickeln ist ein Glück und eine Herausforderung zugleich. Wer Familien mit Zusammenhalt beobachtet, findet Merkmale, die dort gehäuft vorkommen: z. B. das Interesse der Eltern am Kind, gemeinsame Mahlzeiten, Zeit miteinander verbringen oder das Vereinbaren von Regeln. Das sind gewiss wichtige Elemente, doch ihre wesentliche Qualität wird damit nicht bestimmt. Denn solche Faktoren verblassen schnell, wenn sie nicht mit Liebe verknüpft oder aufgeladen sind: Unechtes Interesse am Kind verletzt es; zusammen essen lässt sich auch sprachlos vor dem Fernseher, gemeinsame Zeit kann auch böse streitend verbracht werden; Regeln können ohne Herz verordnet und Rituale eiskalt durchgezogen werden. Ohne Liebe taugt alles wenig für den Familienzusammenhalt, oder anders gesagt: Liebe ist zwar nicht alles. Aber ohne Liebe ist alles in der Familie nicht das, was wünschenswert ist und ersehnt wird.

Kinder kommen unreif auf die Welt. Sie brauchen andere Menschen, Zuwendung, Nähe, Liebe, um sich gut entwickeln und zu sich finden zu können. Auch die beste Versorgung mit Nahrung, Kleidung, Wohnung, mit physischer Wärme, Hygiene, Bewegung und Sonnenstrahlen kann ihr Bedürfnis nach Liebe nicht ausgleichen. Diese Liebe gibt es vor allem in der Familie.

Investition ins Lebensglück


Indem Kinder geliebt werden, erfahren sie etwas Wesentliches: Jemand mag mich sehr, sorgt für mich, kümmert sich um mich. Das macht das Kind glücklich. Aber gilt der Glückseffekt auch umgekehrt? Offenbar nicht unbedingt: Bei Meinungsumfragen sind Eltern im Durchschnitt weniger glücklich als Menschen ohne Kinder. Natürlich erleben sie Glücksmomente – doch der Statistik zufolge wird bei Paaren das Gefühl der Zufriedenheit kleiner, sobald Kinder da sind.

Vor allem Kleinkinder sind es, die Eltern auch unglücklich machen. Wer Kinder hat und liebt, ist schnell damit konfrontiert, dass eigene Bedürfnisse zurückstehen müssen. Zudem sind die Anforderungen ans Elternsein gestiegen, die eigenen wie die von außen. Das mit vielen Ideen und hohen Erwartungen gestartete Projekt Familie kann leicht scheitern. Kinder strengen an. Kinder können Eltern, vor allem alleinerziehende, finanziell überfordern und ruinieren.

Bei alldem leuchtet es ein, dass dauerhaftes Glücksempfinden nicht zu erwarten ist. Das müssen Eltern erst einmal schlucken. Doch wer diese Tatsache akzeptiert, tut sich leichter. Und es hilft, sich klarzumachen: Das Blatt wendet sich, wenn die Kinder größer werden. Spätestens dann können Eltern erkennen, dass sie durch ihre Liebe zum Kind etwas anderes zurückbekommen. Sie erfahren nicht weniger als einen Sinn des Lebens: dass ihr Leben durch die Verantwortung für das Kind bereichert wird.

So lässt die Familie Menschlichkeit intensiver werden. Statt zu fragen: »Was bringt mir das?«, verlagern sich die Schlüsselfragen hin zu einem: »Was bekommt das Kind von mir?«, oder: »Was kann ich geben?« Der Sinn der Familienliebe liegt dabei quer zur nutzenorientierten Vernunft-, Geld- und Marktlogik, jenseits schneller Glücksversprechungen im Konsum. Seine Liebe und seine Kraft der Familie zu schenken ist in vielerlei Hinsicht etwas Unvernünftiges. Und dennoch: Eltern schenken Zugehörigkeit und Geborgenheit und leben darin in einer sehr langen Beziehung zum Kind. So entstehen in der Familie ein verwirklichtes, ausdrückliches Ja zu Beziehungen, zu anderen Menschen, eine Teilhabe am Lebensstrom und damit zur Verbindung mit etwas Größerem. Anderen Menschen uneigennützig etwas zu geben stiftet einen tieferen Sinn, letztendlich die wichtigste Investition ins Lebensglück.

Familie ist Raum für Beziehung.
Und Liebe.

Ein besonderer Eigensinn der Familie liegt zudem darin, dass sich die Liebe selbst erneuert. Liebe ist ja kein Reservoir, das irgendwann leer oder aufgebraucht ist. Im Gegenteil: Indem geliebt wird, stärkt sich die Liebe; sie lädt sich von selbst auf, indem sie gemacht wird, sie entfaltet sich und entwickelt sich weiter – ein fantastisches Perpetuum mobile!

Jede Familie entwickelt sich. Sobald sie sich bildet, setzt eine Entwicklung ein, die sich auch über den Zeitpunkt der Familienauflösung, z. B. durch den Tod der älteren Generation oder eine Trennung der Eltern, fortsetzt. Familie werden und sein bedeutet Lernen und Erfahrung auf diesem Weg und die Chance, ihre Potenziale zu entfalten. Diese Entwicklung ist gebunden an die Beziehungen, die in jeder Familie liebevoll gelernt und weiterentwickelt werden können.

Weil sich ihre Formen so stark verändert haben, ist genau dieses fortwährende Sichentwickeln eine Herausforderung für die meisten Familien. Über lange Zeit überlieferte Familienwerkzeuge sind stumpf geworden. Zusammenleben in der Familie heißt heute etwas anderes als noch vor ein, zwei Generationen. Eltern können sich nicht darauf verlassen, dass die Art, wie sie Familie verstehen, dieselbe ist, die sie von den eigenen Eltern oder gar Großeltern kennen. Nicht wenige Eltern sind die Ersten ihrer Generationenreihe, die sich gezielt daranmachen, eine lange Tradition oft auch liebloser Erziehung zu überwinden.

Der Blick auf die Veränderungen in den Familien hilft dabei, die für die heutige Zeit richtigen Antworten auf die Frage zu finden, wie das Prinzip Liebe in der Familie fest verankert werden kann.

Familie im Wandel der Zeiten


In früheren Zeiten wären Kinder und auch Erwachsene allein wirtschaftlich verloren gewesen. Alle waren auf den Zusammenhalt der Familien angewiesen. Das ist heute anders. Kaum noch eine Familie versteht sich als Wirtschaftsgemeinschaft, in der das Materielle zum Zusammenhalt zwingt. Ebenso wird keine Kinderschar als direkte Alterssicherung für die Eltern benötigt. Trennungen beinhalten zwar ein wirtschaftliches Risiko; das ist für die meisten aber keine Notwendigkeit fürs Zusammenbleiben. Zudem hat der Druck von außen nachgelassen, der Familien früher zusammengehalten und -gepresst hat. Der Staat als Gesetzgeber und die Kirchen als moralische Instanzen pochen nicht mehr auf unbedingten Zusammenhalt. Und auch das soziale Umfeld wurde toleranter. Wenn Familien zerbrechen, drohen viel weniger Ausgrenzung und Stigmatisierung als früher.

Ihren von äußeren Zwängen bestimmten Charakter hat die Familie also hinter sich gelassen. Mit der Befreiung davon öffnete sich die Wahrnehmung für ihr Innenleben. Hier hat sich der »alte Stil« des patriarchalischen Modells von Familie, in dem Macht und Strenge die Familie verbanden, längst überlebt. Genauso veraltet sind die standardisierten Vorstellungen der Kleinfamilie ohne Variationsmöglichkeit, also entweder Vater-Mutter-Kind oder gar keine Familie.

Die Familienmitglieder werden immer weniger durch das Muss und enge Vorstellungen verbunden. Wie in keiner Generation zuvor zählt heute die innere Motivation, das Wollen: die Erwartungen und die Bedürfnisse, die Beziehungen, Empathie und das gemeinsame Leben in der Familie. Danach richtet sich Familie aus, in ihren vielfältigen Formen, in ihrer Gestaltung und in ihrem Sinn. Mit der Entwicklung weg von Zwang und Macht haben sich die Koordinaten in Richtung Kooperation verschoben. Deshalb stellt sich die Frage nach Legitimation und Zusammenhalt der Familie neu.

In der jetzigen Elterngeneration sind die gravierenden Veränderungen der modernen Familienform angekommen. Sie schlagen auf das Familienleben in hohen Erwartungen und Herausforderungen durch. Finanzielle und organisatorische Unterstützungen, wie sie im Kindergeld oder im Ausbau der Kindertageserziehung angeboten werden, reichen nicht aus, so wichtig sie sind. Sie ermöglichen Familie, beantworten aber nicht die Fragen nach ihrem Sinn und Gehalt, die sich heute im Inneren stellen: Es geht um Geborgenheit und Akzeptanz, um die Bindungen und die Qualität der Beziehungen. Was Kinder und Eltern gleichermaßen brauchen, ist das positive Aufeinanderbezogensein in der Familie.

Die nahe und liebevolle Familie ist ein recht neues Konzept. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts war die Beziehung zwischen Eltern und Kindern noch überwiegend durch Nutzenaspekte geprägt: Kinder gab es häufig, oft in Überzahl; sie galten, solange sie nicht mitarbeiten konnten, als Kostenfaktor und danach in der familiären Produktionseinheit als billige Arbeitskräfte. Kinderarbeit war bis weit ins 19. Jahrhundert auf dem Land und in Handwerkerfamilien selbstverständlich.

Erziehung und Beziehung waren hierarchisch und machtbezogen angelegt; sie gründeten auf Härte und Strafe. »Wenn Erwachsene reden, sollen Kinder schweigen« – solche Sätze galten noch bis in die Nachkriegszeit als angemessen. Erst allmählich setzte sich das Bild des schützenswerten Kindes durch. Liebevolle Erziehungsvorstellungen gewannen nur langsam Raum: Bis in die 1970er-Jahre hinein durften Kinder noch ungestraft geprügelt werden (in der Schweiz sogar noch länger). Nicht die Beziehungen in der Familie, sondern die Bedürfnisse der Erwachsenen standen im Vordergrund. Kinder durchbringen war das Motto, damit sie mitschaffen und später die Versorgung der alten Eltern übernehmen konnten.

Mit pädagogischen Größen wie Rousseau oder Pestalozzi kam eine liebevollere Beziehung in den Blick. Später öffneten die Psychoanalyse und dann die Bindungsforschung neue Blicke auf die Beziehung zwischen Eltern und Kind. Ein breiteres Umdenken setzte im 20. Jahrhundert ein, als Folge der Demokratisierung, mit...

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