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E-Book

Feel the Change!

Wie erfolgreiche Change Manager Emotionen steuern

AutorBert Voigt, Klaus Doppler
VerlagCampus Verlag
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl288 Seiten
ISBN9783593439273
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis39,99 EUR
Mit diesem Buch erhalten Sie das E-Book inklusive! Nichts ruft bei Mitarbeitenden so starke Emotionen hervor, wie die Ankündigung großer Veränderungen. Von Angst um den Arbeitsplatz bis zynischem Fatalismus ist alles dabei. Auf die Wucht der geäußerten oder unterschwellig brodelnden Gefühle ist kein Change-Manager vorbereitet. Klaus Doppler und Bert Voigt haben das Emotionsmanagement zum Kernthema ihrer Beratungs- und Coachingarbeit gemacht. Sie geben Führungskräften Tools an die Hand, mit denen sie die Verbindlichkeit herstellen, die ihre Mitarbeitenden brauchen. Dann klappt's auch mit dem gegenseitigen Vertrauen! Jetzt neu: Angstthema 'Jobverlust durch Digitalisierung'.

Klaus Doppler ist Psychologe und Organisationsberater. Er ist der führende Experte auf dem Gebiet des Change-Managements und Autor des Standardwerks zum Thema. Bert Voigt arbeitet als Psychologe, selbstständiger Organisationsberater sowie als Trainer.

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Leseprobe
Vorwort Zum Thema Management ist wahrlich viel geschrieben worden, zu allen möglichen Aspekten wie zum Beispiel Personalführung, Kooperation, Strategie, Steuerung von Projekten, Selbstmanagement und so weiter. Auch wir selbst haben zusammen, allein oder mit Koautoren eine Reihe von Beiträgen geleistet, in den letzten Jahren speziell zum Thema Change Management. Warum jetzt noch dieses Buch? Wir sind beide Praktiker. Wir begleiten herausfordernde Change-Projekte in Unternehmen völlig unterschiedlicher Couleur, wir trainieren und coachen Manager, die solche Prozesse verantworten und gestalten, sowie Berater, die diese begleiten. Bei dieser Arbeit hat uns schon immer beschäftigt, wie es gelingen kann, strategische Konzepte in konkretes Handeln umzusetzen. Viele Projekte und Konzepte scheitern erfahrungsgemäß nicht, weil die inhaltliche Ausrichtung nicht passgenau wäre. Sie scheitern an den Menschen, die das eins zu eins umsetzen sollen, und letztlich daran, wie die Umsetzung gesteuert wird. Als Gruppendynamiker und Psychologen war uns auch schon immer klar, dass genau diese psychologischen und gruppendynamischen Aspekte zu wenig berücksichtigt werden. Wie das konkret geschehen könnte, haben wir unter anderem in dem Buch Unternehmenswandel gegen Widerstände. Change Management mit den Menschen in vielen Beispielen und methodischen Anregungen beschrieben. Trotzdem, wir spüren in der praktischen Beratung und Begleitung solcher Prozesse immer wieder, wie schwer es doch vielen fällt, sich konsequent an diese Empfehlungen zu halten. Diese Beobachtung hat uns schon länger dazu gebracht, intensiver darüber nachzudenken, was die Gründe für dieses zögerliche Verhalten sein könnten. Mittlerweile sind wir zur Erkenntnis gekommen, dass es nicht daran liegt, dass man nicht wüsste, was konkret zu tun wäre. Deshalb haben wir uns auch entschieden, nicht nochmals ein Buch darüber zu schreiben, was eigentlich zu tun wäre. Die Ursache liegt unseres Erachtens an einer tieferen Stelle. Wir haben zwar in unseren Publikationen sehr bewusst und gezielt die gruppendynamischen und damit immer auch emotionalen Prozesse beschrieben, die bei Veränderungsprozessen ablaufen, und in welcher Weise sie im Vorgehen zu berücksichtigen sind. Aber wir haben dabei eines unterschätzt: Emotionen sind bei allen Beteiligten im Spiel. Nicht nur bei den Mitarbeitern, die von der Umsetzung betroffen sind, sondern maßgeblich auch bei denen, die solche Projekte und Prozesse konzipieren und verantworten. Nicht wenige Manager und Berater erwecken den Eindruck, sich ausschließlich sachorientiert zu verhalten und sich nicht von persönlichen Emotionen beeinflussen zu lassen. In aller Regel verhalten sie sich damit auch konform zu den Erwartungen, die an sie gerichtet sind. Sie wissen allerdings, dass bei den Betroffenen viele Emotionen im Spiel sind und versuchen, diese so zu kanalisieren, dass die sachlich angestrebte Veränderung gelingt. Und exakt hier passiert der Kurzschluss. Auch Manager und Berater sind hoch emotional gesteuert. Solange sie allerdings die eigenen Emotionen nicht zulassen, sie unterdrücken und nicht bereit sind beziehungsweise sich nicht erlauben, diese genauer anzuschauen, können sie die Emotionen der anderen gar nicht wirklich verstehen, infolgedessen auch nicht berücksichtigen oder beeinflussen. Damit meinen wir keineswegs, dass Manager, statt sachorientiert zu steuern, nun ausschließlich ihren Gefühlen folgen sollen. Aber je besser jemand versteht, seine eigene Gefühlswelt zu erkunden, und erkennt, wie stark seine Gefühle und Empfindungen seine angeblich so objektive Sicht der Dinge und sein Verhalten beeinflussen, umso besser kann er auch die Emotionen der anderen erkennen, verstehen und gegebenenfalls beeinflussen. Wer diese emotionale Welt bei sich selbst verdrängt, eventuell aus dem Verständnis seiner Rolle als Manager oder Berater heraus sogar glaubt, verdrängen zu müssen, kann nicht in der Lage sein, in emotional schwierigen Zeiten andere erfolgreich zu führen oder bei Veränderungen kompetent zu begleiten. Er kann es nicht, 'weil nicht sein kann, was nicht sein darf'. Denn würde er sich nämlich ernsthaft mit den Emotionen anderer auseinandersetzen, könnte er kaum vermeiden, dass seine eigenen Emotionen sich einen Weg nach oben bahnen. Was aber nun tun, um die Ursachen für den oben geschilderten Kurzschluss zu beheben? Wir möchten in diesem Buch in erster Linie folgende Thesen genauer begründen: - Jeglicher Antrieb speist sich aus dem Energiepotenzial der Emotionen; - ohne emotionale Energie keine Entwicklung, keine Veränderung; - Change Manager und Berater können das energetische Potenzial bei den Betroffenen nur so weit erschließen, wie sie Zugang zu ihren eigenen Emotionen haben; - die innere Reife, die eigenen emotionalen Welten zu akzeptieren, ist die unbedingte Voraussetzung, Emotionen so zu steuern, dass sie nicht als unerwünschte und deshalb zu unterdrückende Störfaktoren gesehen werden, sondern als willkommene Energiefelder. Wir bleiben allerdings nicht bei theoretischen Erörterungen. Wir legen den Schwerpunkt unserer Ausführungen darauf, wie es gelingen kann, die Erkenntnisse in konkretes Handeln als Betroffener, als Manager oder als Berater umzusetzen. Wir werden bei unserer Darstellung das Geschehen in Veränderungsprozessen immer wieder vertieft aus den folgenden drei unterschiedlichen Dimensionen beziehungsweise Perspektiven anschauen: - Was passiert emotional bei denen, die von der geplanten Veränderung betroffen sind? - Welche Emotionen sind bei denen im Spiel, die Veränderungen veranlassen, begleiten und verantworten (sollen)? - Wie können diese beiden Welten offener betrachtet und so gestaltet werden, dass beide Seiten das vorhandene Energiepotenzial voll erschließen und optimal nutzen können? Der ärztliche Auftrag besteht darin, bestmöglich zur Gesundung der Patienten beizutragen. Die Kompetenz eines Arztes besteht darin, auf der Basis einer fachkundigen Anamnese und entsprechenden Untersuchungen seine Diagnose zu erstellen und daraus passende Therapieempfehlungen abzuleiten. Ein Arzt wird sich in aller Regel freuen, wenn sein Patient gesundet, wird aber im Endeffekt nicht daran gemessen. Unter Druck käme er nur, wenn ihm ärztliche Kunstfehler nachgewiesen werden könnten. Im Gegensatz dazu werden Manager immer auch am Ergebnis gemessen. Damit stehen sie unter einem deutlich höheren Druck. Und es ist durchaus nachvollziehbar, dass sich dieser Druck auf ihr Vorgehen auswirken kann. Und insofern ist es auch verständlich, wenn Manager in Drucksituationen zu Handlungsstrategien Zuflucht nehmen, bei denen sie sicheren Boden unter den Füßen zu haben glauben. Wir möchten mit diesem Buch dazu beitragen, den Zugang zu und Umgang mit Emotionen so fassbar zu machen, dass sich auch der emotionale Bereich immer mehr zum sicheren Boden entwickeln kann. Vorwort zur 2. Auflage Als wir vor sechs Jahren dieses Buch geschrieben haben, verfolgten wir drei Ziele: erstens, die fundamentale Rolle von Emotionen bei Veränderungsprozessen deutlich machen; zweitens, praktische Anleitungen geben, wie es gelingen kann, die Theorie in die Praxis umzusetzen; drittens, Emotionen herausholen aus dem Keller von Verdrängungen ('Bleiben Sie doch bitte sachlich!') oder aus dem Himmel von Glorifizierungen (Visionen von Charismatikern, die begeistern sollen). Unsere Ausführungen sind nach wie vor gültig. Aber eines hat sich geändert: Die technologischen Entwicklungen im Bereich Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, Robotik, Virtual und Augmented Reality und Ähnliches mehr haben das Thema dramatisch verschärft. Und das in mehrfacher Hinsicht: Die technologischen Entwicklungen gehen prinzipiell davon aus, dass dadurch unser Gehirn wichtige Helfer erhält, um die anstehenden Veränderungen schneller und perfekter zu managen, sachlich, geradezu mathematisch genau nachprüfbar. Die von diesen Entwicklungen Betroffenen reagieren aber bewusst oder unbewusst hoch emotional; sie fühlen sich entweder als Gewinner, weil sie geile Möglichkeiten sehen, sich neu zu profilieren. Oder sie sind verunsichert und tun sich schwer, weil sie fürchten, überflüssig zu werden. Die einen sehen sich als Gewinner, die anderen als potenzielle Verlierer. Wir beobachten, wie in der Management- und Beraterpraxis diese Entwicklungen in Bezug auf die Technologie hochgejubelt werden und, was die potenziellen Verlierer angeht, alles getan wird, ihnen die neue Welt zu erklären - und die Betroffenen bei der Stange zu halten, zumindest solange sie benötigt werden. Was die gesellschaftlichen Auswirkungen betrifft, die mit der technologischen Entwicklung einhergehen, sehen wir noch keine verlässlichen (politischen) Bemühungen, um die damit verbundenen ethischen Auswirkungen in den Griff zu bekommen. Das Thema Technikfolgenabschätzung ist mehr oder weniger ein Randthema. Die Entwicklungen werden als unabdingbar bezeichnet und unterstützt, die gesellschaftlichen Folgen werden nach dem Motto von Franz Beckenbauer 'Schaun mer mal, dann sehn mer scho' behandelt. Wir haben uns in einem neuen dritten Teil mit diesen Themen intensiv auseinandergesetzt und in den bisherigen Teilen I und II einige damit verbundene Aspekte noch schärfer herausgearbeitet. Fazit: Wer die nach wie vor substanziell notwendigen Veränderungsprozesse erfolgreich gestalten will, begeht einen schweren Fehler, wenn er sich vor allem auf die sachliche Ebene stützt und versucht, die Betroffenen auf dieser Ebene zum Mitmachen zu gewinnen. Der entscheidende Antrieb kommt aus der Gefühlsebene. Nur wer diese achtet - sowohl bei sich selbst wie bei den Betroffenen - wird die notwendige Energie freisetzen. Teil I Die Macht der Gefühle Kapitel 1 Urkraft Emotionen Das Wichtigste in Kürze Die Evolution hat uns einen Gefühlshaushalt beschert, der sich primär auf unsere Überlebens-, Reproduktions- und Expansionschancen richtet. Aus ihm speisen sich zudem Intuition und Empathie - also die Möglichkeit zu erspüren, was in anderen vorgeht, wie auch die Fähigkeit zur schnellen Bewertung, wie wir uns in besonders heiklen Situationen verhalten sollen. Nicht der Verstand, sondern die Emotionen sind die eigentliche Quelle der Energie. Ein menschliches Grundbedürfnis - das eigene Überleben sichern Alles, was lebt, ist bestrebt und ringt darum, möglichst lange am Leben zu bleiben - zumindest solange dieses Leben in Würde gelebt werden kann. Viele fürchten nicht mal den Tod. Sie sehen ihn nicht als Ende des Lebens, sondern lediglich als Übergang zu einer neuen Form des Lebens. Leben bedeutet deshalb, zugleich immer auch nach einem Umfeld suchen, welches das Überleben sichert oder zumindest wahrscheinlicher macht - durch entsprechende Gestaltung oder durch geschickte Anpassung. Und so ist, wer (über-)leben will, immer auf der Hut und bewertet sein Umfeld im Hinblick auf Chancen und Bedrohungen. Je nach Einschätzung kämpft er darum, den aktuellen Status quo beizubehalten oder Veränderungen herbeizuführen. Immer geht es darum, sein Überleben zu sichern. Dieser (Über-)Lebenstrieb und die damit verbundenen Einschätzungen der aktuellen Situation sind als permanentes natürliches Geschehen zutiefst emotional verankert. Die Emotionen - ein automatisiertes Signal- und Alarmsystem Die evolutionäre Entwicklung nicht nur des Menschen ist die Folge eines steten Anpassungsprozesses an die Welt. Und die Emotionen stellen darin ein automatisiertes, aber immer wieder angepasstes Signal- und Alarmsystem dar, das uns half und hilft zu überleben. Sie sind unsere evolutionäre Überlebenssoftware. Im Zusammenspiel mit unseren Erfahrungen geben sie uns Orientierung, aber sie aktivieren in uns gleichzeitig auch Handlungsbereitschaften, um die nötigen Anpassungs- und Adaptionsleistungen zu erbringen. Man kann die menschliche Entwicklungsgeschichte durchaus als dialektischen Prozess zwischen der Sehnsucht nach einem guten Leben und der Angst vor Bedrohungen oder Verlusten oder - in unserer Zeit - vor Migrationsströmen, Klimawandel und zusammenbrechenden staatlichen Ordnungssystemen beschreiben. Darwin hat aber auch dargelegt, dass die menschliche Emotion nicht nur evolutionäre Wurzeln hat, sondern selbst ein Produkt sehr lang währender evolutionärer Prozesse ist. Einesteils entlastet uns unser emotionales Signalsystem von aufwendigen Analyse- und Kombinationsleistungen; wir spüren intuitiv, ohne lang zu überlegen, in welche Richtung wir uns verhalten sollten. Andererseits werden unsere Emotionen auf Plausibilität, Nützlichkeit und Stimmigkeit abgecheckt. Dies allerdings nur ansatzweise und im Schnellgang. Die Herausforderung - das Zusammenleben mit anderen Menschen und Gruppen Der stärkste Entwicklungsschub bei unseren Vorfahren entstand aber nicht aus der Suche nach Nahrung und der Abwehr von Naturgewalten, sondern durch die Herausforderung, das Zusammenleben mit anderen Menschen zu bewältigen. Denn nur das Leben in sozialen Verbünden konnte das Überleben des Einzelnen, damit aber auch der Art, sichern. Zusammenhalt, Austausch und Kooperation wurden zur Existenzfrage. Die jedoch erzwang dann Rücksichtnahme, Verhandlungen und Kompromisse, aber eben auch Klärungen und Konfliktregelung, Aufgabenaufteilung, Akzeptanz von Ungleichheiten im Geben und Nehmen und auch Rangordnungskämpfe. Auf Verrat, gebrochene Versprechen, Raub oder Diebstahl folgten Streit und Gewalt, Kampf und Krieg. Und nun bedurfte es der Abwägung, was günstiger war: Verzicht und Kapitulation oder doch lieber ein Risiko einzugehen. Wenn-dann-Überlegungen und erste Ansätze von strategischem und politischem Denken waren gefragt. Diese Gegebenheiten haben sich im Laufe der Jahrtausende zu einem komplizierten und differenzierten System von Regelungen und komplexen sozialen Interaktionen entwickelt. Die Fähigkeit, sich darin erfolgreich zu bewegen, ob nun als Machiavelli oder Gandhi, basiert auf dem Vermögen, sich in die Motive und Absichten anderer einzufühlen, zu erkennen, wie eigene Handlungen und eigenes Verhalten von anderen aufgenommen und erlebt werden, und dann dies alles in die eigene Verhaltensstrategie einzubeziehen, und zwar unter Berücksichtigung auch der eigenen sozio-emotionalen Lage. Das notwendige Zusammenspiel von Gefühlen und Verstand Es brauchte viel Zeit, um in zahllosen kleinen evolutionären Schritten die Bereitschaft zu Zusammenhalt und Kooperation, aber auch die Fähigkeit zu tragfähiger Konfliktbewältigung auszubilden, was wir heute als emotionale Intelligenz und Empathie bezeichnen. Dazu bedurfte es eines differenzierten Wahrnehmungs- und Signalsystems, das uns Informationen über den jeweiligen Stand unserer sozialen Beziehungen vermittelt und uns über unseren Gemütszustand und dessen Veränderungen unterrichtet. Gleichzeitig muss dieses System aber auch von unserer Vernunft geprüft werden, damit Risiken, Optionen und Konsequenzen mitbedacht und taktische oder zielbezogene Schlussfolgerungen gezogen werden können. Ein hoch komplexer und anstrengender Prozess, der sinnvollerweise nur in Teilen zu automatisieren ist und deshalb auch gezielte Selbst- und Fremdbeobachtung und bewusste Reflektion erfordert. Die Evolution hat uns diesen Gefühlshaushalt so beschert, und wir können davon ausgehen, dass er seinen Zweck erfüllt. Einen Zweck, der sich zwar primär auf die Überlebens-, Reproduktions- und Expansionschancen der Art, also des Menschen, richtet, aber dies tut, indem er uns auch bei der täglichen Lebensbewältigung unterstützt. Aus ihm speisen sich zudem Intuition und Empathie - also die Möglichkeit zu erspüren, was in anderen vorgeht - wie eben auch die Fähigkeit zur schnellen situativen Einordnung von sozialen Vorgängen und Ereignissen. Es geht also nicht nur darum, wie Emotionen zustande kommen und wie sie sich differenzieren, sondern es geht um ihren Wert und ihre Bedeutung bei der Lebensbewältigung, auch unter wechselnden, widrigen und unsicheren Bedingungen. Es handelt sich also um ein intuitives Aufmerksamkeits- und Bewertungssystem, das das Umfeld gleichsam automatisch auf relevante Bedeutungen hin abprüft. Das Ganze ist ein intuitiver, automatisch und blitzschnell ablaufender Prozess, der im Verlauf der evolutionären Geschichte durchaus unterschiedliche Nutzen und Vorteile schaffen konnte, zum Beispiel mitten im Kampf, wenn der Schmerz einer Verletzung bewusst kaum gespürt wird. Aber dieser Mechanismus hat auch manchen Nachteil bewirkt, zum Beispiel Nichtbeachtung oder Verzögerung, wo die kognitive Erkenntnis unmittelbares Handeln geboten hätte, oder impulsiv affektgesteuerte, spontane Aktion, wo Zurückhaltung, Abwarten und Zu-Ende-Denken nützlicher gewesen wären. Dies entspricht allerdings nicht einem im vorigen Jahrhundert häufig vertretenen Postulat, dass die Evolution die jeweils Stärksten bevorzugt, also jene, denen es gelingt, sich ob ihrer körperlichen Stärke brutal durchzusetzen oder ob ihrer Intelligenz die anderen geschickt auszuspielen. Die Evolution gibt darauf eine andere Antwort: Siege sind gefährlich! Siege erzeugen langfristig neue Kriege. Der Besiegte fügt sich nicht in die ihm zugedachte Rolle. Das Selbstwertgefühl ist verletzt. Bewusst oder auch unbewusst baut sich die Bestrebung auf, die Scharte auszuwetzen. Das Risiko des Sieges - und die häufige Folge - sind dann eben Bemühungen, das verletzte Selbstwertgefühl wiederherzustellen, die Niederlage nachträglich zu relativieren oder teilweise zu korrigieren. Und im schlimmsten Fall bleibt Feindschaft oder - auf Organisationsebene - Widerstand, vielleicht auch Intrige gegen die Veränderung. Die Abwertung von Emotionen in der westlichen Kultur und im Management Emotion und Intuition gelten in unserem aufgeklärten Jahrhundert als zwielichtige Gesellen. Über sie in der Arbeitswelt zu sprechen, sie offen auszudrücken, sich auf sie zu beziehen, um etwas zu begründen, fällt eher schwer. Insbesondere Männer neigen dazu, eher mit objektiven Fakten, harten Daten und logischen Schlussfolgerungen zu argumentieren und die meist ebenfalls vorhandenen Bauchgefühle und emotionalen Anmutungen zu verbergen. Als attraktiv gilt, zumindest in unserem Kulturkreis, ganz im Gefolge der Aufklärung und des Siegeszuges naturwissenschaftlichen Denkens, ein rational geprägter Habitus, eben cool und sachlich. Unangefochten von irrationalen, diffusen Gefühlsregungen und Befindlichkeiten. Was bei diesem Beiseiteschieben allerdings ebenfalls abhandenkommen kann, ist die aufmerksame Wahrnehmung und achtsame Berücksichtigung von Impulsen und das Leitbild der Gelassenheit jenes differenzierten und hoch entwickelten emotionalen Signalsystems. Oder dessen Reduzierung auf das egozentrische Spannungsfeld zwischen 'wie ich mich fühle' und 'wie ich wirke', das wir gerne bedeckt halten, das aber auch Teil unserer Persönlichkeit ist. Allerdings: Diese Bedeutung widerspricht unserer aufgeklärt-rationalen Sicht der Welt. Unsere eigenen Gefühle erscheinen uns deshalb bisweilen wie Schmuddelkinder, zu denen man sich besser nicht bekennt. Neid, Missgunst, Eifersucht und Rachebedürfnis sind zum Beispiel Affekte, die uns zwar antreiben, die wir aber sogar uns selbst gegenüber besser verleugnen. Sie passen nicht in den Kulturkreis oder genügen nicht der offiziellen Moral und dem so genannten Zeitgeist. Wenn wir sie verspüren, mühen wir uns, sie zu unterdrücken, zu verbergen oder zu ignorieren. Denn wir haben gelernt und meist auch schon erfahren, dass Gefühle und deren Ausdruck sozial missbilligt und als eine erkennbare Schwäche markiert werden, die wir nicht im Griff haben. Zudem haben wir vielfach erkannt, dass unser Gefühlsleben auch mit Mängeln behaftet ist, dass es manchmal unsere Wahrnehmung verzerrt, unser Wollen dominiert, unsere Interessen und unser Handeln zu sehr mitbestimmt. Wir wünschen uns deshalb manchmal, davon weniger beeinflusst zu werden, vernünftiger, sachlicher und rationaler zu sein. Dennoch: Jedes Gefühl, das wir empfinden, gibt uns ein Signal, verweist uns auf unsere Bedürfnisse, deren mangelnde oder geglückte Befriedigung. Auch und gerade unangenehme, störende oder schmerzhafte Emotionen zeigen uns auf, was uns wichtig ist, was wir eigentlich wollen. Und was wir brauchen! Gleichzeitig übernehmen sie eine Signalfunktion, wenn aktuell Probleme vorhanden sind: in uns selbst, zwischen uns und anderen oder im Umfeld. Diese Probleme und ihr Konfliktpotenzial bleiben bestehen, selbst wenn wir die 'Alarmglocke' ignorieren. Emotionen - die unverzichtbare Quelle der Energie Moderne Organisationskonzepte wie auch Teams, Start-ups und Joint Ventures generieren bisweilen Situationen, in denen ein tragfähiges gemeinsames Zielbild noch fehlt, die Verantwortung, das Zusammenwirken und das Rollengefüge noch nicht geklärt sind, sondern sich erst durch das gemeinsame Tun entwickeln. Solch komplexe Situationen in sinnvoller Weise zu beeinflussen und möglichst erfolgversprechend zu gestalten, ist ohne Einfühlung, ohne emotionales Verstehen kaum möglich. Auch für das Gewinnen von Einfluss auf andere - also von Macht -, etwa um die gemeinsame, solidarische und kooperierende Durchsetzung von Anliegen, Vorhaben oder Interessen zu bewirken, bedarf es der Fähigkeit, sich auf die Bedürfnisse und Befindlichkeit anderer einzustellen. Ohne diese Fähigkeit kann man zwar vielleicht aufsteigen, sich aber kaum auf längere Sicht oben halten. Ähnliches gilt für Change Manager. Veränderungen sind eben - auch in technischen, wirtschaftlichen oder administrativ geprägten Unternehmen - Eingriffe in nicht immer logisch und rational gewachsene, sozio-emotionale Systeme. Veränderungen können noch so sach-logisch perfekt ausgerichtet sein, sie können nur gelingen, wenn die Energie und die Kräfte, die in den (Arbeits-)Beziehungen und dem Zusammenwirken der beteiligten Menschen schlummern, mobilisiert werden. Ohne eine hohe Empfangsleistung der emotionalen Antennen, ein Hineindenken in Sichtweisen, Interessen und Bedürfnisse der Beteiligten wird das nicht gelingen.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Inhalt6
Vorwort8
Vorwort zur 2. Auflage12
Teil I: Die Macht der Gefühle14
Teil II: Aus der Praxis fu?r die Praxis – Beispiele, Konzepte, Werkzeuge112
Kapitel 1: Feel the Change! – Ein Masterplan fu?r Sozialarchitektur113
Kapitel 2: Organisationsdiagnose – Design for Change und Anstoß zu Veränderungen137
Kapitel 3: Anfangssituationen149
Kapitel 4: Energien erschließen157
Kapitel 5: Persönliches Navigationssystem – mentale Modelle, Grundwerte und innere Anker163
Kapitel 6: Emotionales Konfliktmuster166
Kapitel 7: Mein emotionales Antriebssystem179
Kapitel 8: Umgang mit Macht und Mächtigen187
Kapitel 9: Der Konfliktmanager als Ringrichterund Vermittler195
Kapitel 10: Fu?hrung – auf die Wirkung kommt es an!203
Kapitel 11: Analyse der Kraftfelder – Antrieb und Widerstand209
Kapitel 12: Emotion-Gate oder: Drum pru?fe, wer sich ewig bindet …219
Kapitel 13: Die Change-Story227
Kapitel 14: Die Energie im Projekt233
Kapitel 15: Change Manager und die Gefu?hle – eine Checkliste239
Teil III: Emotionenund die digitale Logik oder:Technikfolgenabschätzung242
Literatur zur Vertiefung286
Register287

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