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Feminisierung des Volksschul- bzw. Grundschullehrerberufs

Geschichte und aktuelle Situation

AutorSarah Schramm
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl68 Seiten
ISBN9783640657315
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Pädagogik - Der Lehrer / Pädagoge, Note: 2,0, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Sprache: Deutsch, Abstract: Diese Arbeit bemüht sich um die Darstellung der Geschichte der Feminisierung des Volksschul- beziehungsweise Grundschullehrerberufs sowie der aktuellen Situation der (zukünftigen) Lehrerinnen in der Grundschule. Die Feminisierung dieser Schulform ist, wie im Laufe der Arbeit deutlich werden wird, kein, wie vielleicht anzunehmen, stetig ansteigender Prozess, sondern fortwährend durch Rückschritte und Stagnation geprägt. Ein historischer Überblick über die Vorgeschichte der heute zu findenden Feminisierung des Grundschullehrerberufs bildet den ersten Teil dieser Arbeit. Im zweiten Teil geht es hauptsächlich um die Frage, wie die Feminisierung des Grundschullehrerberufs aus heutiger Sicht zu bewerten ist.

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Leseprobe

3. Faktoren für die entstehende Feminisierung des bisher männerdominierten Lehrerberufes

 

Der Ausgangspunkt dieser Arbeit bildet die Fragestellung, wie es überhaupt zu so einer Entwicklung, dass heißt, einer sich im 20./21. Jahrhundert zeigenden Feminisierung des Grundschullehrerberufs kommen konnte, obwohl der gesamte Arbeitsmarkt bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts noch fast gänzlich „frauenfrei“ war. Wieso wählten die nun auch außerhäuslich erwerbstätigen Frauen verstärkt eine Anstellung im Berufszweig der Bildung und Erziehung und dann insbesondere in der Volks- beziehungsweise Grundschule, oder ist es überhaupt berechtigt, von einer Wahl zu sprechen? Zur Beantwortung dieser Fragen werden in den folgenden Abschnitten verschiedene Faktoren erörtert, dabei spielt vor allem die seit der Zeit der Aufklärung veränderte gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Situation eine Rolle und die damit verbundenen Auswirkungen sowohl auf den einzelnen Menschen, als auch auf die gesamte Gesellschaft des Deutschen Bundes, bzw. des Deutschen Kaiserreiches von 1871.

 

3.1  Zu den Anfängen der weiblichen Lehrtätigkeit im öffentlichen Schulwesen (19. Jahrhundert)

 

Auch wenn es bereits im 8. Jahrhundert nach Christus vereinzelt Lehrerinnen gab und eine Lehrtätigkeit von Frauen auch vom Mittelalter bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts nachgewiesen werden konnte[6], insbesondere durch Klosterschulen, wie zum Beispiel des Ursulinenordens, konnte eine Ausbreitung des Lehrerinnendaseins im staatlichen Schulwesen in Deutschland kontrastiv zu anderen europäischen Ländern[7] erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts festgestellt werden. Durch das „kolossale Anwachsen der großen Städte und Industriezentren“[8], die „Durchsetzung der allgemeinen Schulpflicht für die Kinder im Alter von 6 bis 14 Jahren, [die] Einschränkung der Kinderarbeit“[9]  und die zunehmende Säkularisierung des Schulwesens, stieg der Bedarf an (weltlichen) Lehrkräften und aufgrund der Tatsache, dass im 19. Jahrhundert ausschließlich männliche Lehrpersonen diesen Bedarf nicht decken konnten[10], sah man die Anstellung der Lehrerinnen „als ein wirksames Mittel zur Bekämpfung des Lehrermangels“.[11] Diese notwendige Maßnahme wurde aber seitens des Schulministeriums und der Lehrerschaft sehr argwöhnisch betrachtet und nur gezwungenermaßen durchgeführt. Die notgedrungene Einstellung von Lehrerinnen wurde als Vorzeichen einer „Verdrängung der [männlichen] Lehrerschaft“[12] erachtet. Im Folgenden sollen die einzelnen Faktoren, die zu einem Anwachsen der weiblichen Lehrtätigkeit in den Volksschulen des preußischen Staates führten, näher erläutert werden.

 

3.2  Die Industrialisierung im 19. Jahrhundert als Bedingung für  eine zunehmende außerhäusliche Tätigkeit der bürgerlichen Frauen

 

Im Zuge der im 19. Jahrhundert verorteten industriellen Revolution und der damit verbundenen Verlagerung der Produktionsstätten aus dem häuslichen Umfeld, sowie der Technisierung der Privathaushalte, konnte zunehmend eine Abwertung der Hausfrauentätigkeiten festgestellt werden.[13] Durch die Verbesserung der technischen Möglichkeiten im Haushalt, sei es zum Beispiel durch Nähmaschinen, Beleuchtungen, etc. belief sich die Haushaltstätigkeit auf nunmehr wenige Stunden am Tag und erforderte weniger Arbeitskräfte, so dass es in dieser Zeit in vielen Fällen zur „heimlichen“ Erwerbstätigkeit von bürgerlichen Frauen kam, „d.h. einer in ihren Kreisen nicht als standesgemäß angesehenen Lebens- und Haushaltsführung“.[14] Die zu dieser Zeit sowohl wirtschaftlich schlechte Lage als auch die Tatsache, dass es einen „Frauenüberschuss“ gab[15] und viele Mädchen ihre Versorgung durch eine standesgemäße Heirat gefährdet sahen, bedingten eine Forderung der Frauen nach Beschäftigung in außerhäuslichen Berufen.

 

3.3  Die bürgerliche Frauenbewegung des 19. Jahrhunderts als Bedingung für eine bessere Mädchen- bzw. Frauenbildung

 

Mit den europaweiten, revolutionären Bewegungen im ausgehenden 18., beziehungsweise beginnenden 19. Jahrhunderts, die vor allem die Weiterbildung der Menschenrechte als Grundbedürfnis hatten, entstanden seitens der bürgerlichen Frauen zunehmend auch Forderungen nach bestimmten Frauenrechten, zumal es bei den Menschenrechten faktisch nur um Männerrechte ging.[16] In diesem Zusammenhang müssen besonders Helene Lange, Luise-Otto Peters und Gertrud Bäumer hervorgehoben werden, die maßgeblich an der bürgerlichen Frauenbewegung in Deutschland sowie der Gründung der späteren Lehrerinnenvereine (Helene Lange) beteiligt waren und gemeinsam mit ihren Mitstreiterinnen neben der Befreiung der Frau zur Selbständigkeit und der Aufhebung ihrer Beschränkung auf den familiären Bereich[17], auch „den Zugang zu den Universitäten, die Beteiligung der Lehrerinnen am wissenschaftlichen Unterricht und die staatliche Anerkennung höherer Mädchenschulen“[18] einforderten. Zu erwähnen ist in diesem Kontext, dass sich die eingeforderte Selbständigkeit und Aufhebung der Beschränkung der Arbeit auf den familialen Bereich nur auf die bürgerlichen Frauen bezog, die anderen sozialen Gruppen von Frauen (in der Landwirtschaft, im Handel oder im Gewerbe tätige Frauen, Fabrikarbeiterinnen, Dienstmädchen) waren bereits erwerbstätig.[19] Ebenso zu erwähnen sind die unterschiedlichen Interessen der bürgerlichen und der proletarischen Frauenbewegungen. Während die proletarische Frauenbewegung die Frauenfrage als soziale Frage und somit eine vollständige Lösung erst durch eine Umwälzung der gesellschaftlichen Verhältnisse, zum Beispiel im Sozialismus, betrachtete, sah die bürgerliche Frauenbewegung die Frauenfrage in erster Linie als eine Geschlechterfrage und wollte dies folglich innerhalb der kapitalistischen Ordnung verwirklichen.[20] In diesem Zusammenhang ist es bedeutsam, die grundlegenden Absichten der Frauenbewegung im 19. Jahrhundert herauszustellen:

 

„In der bürgerlichen Frauenbewegung betrachteten die Frauen es als ihr höchstes Streben, ihren mütterlichen Pflichten innerhalb der Familie nachzukommen. Aber da die gesellschaftlichen Verhältnisse dieses zunehmend nicht mehr gewährleisten konnten, sahen sie sich gezwungen, außerhalb der Familie eine Existenz aufzubauen.“[21]

 

Somit kann die Frauenbewegung hauptsächlich als eine Reaktion auf die wirtschaftliche Lage in der Gesellschaft der Mitte des 19. Jahrhunderts gesehen werden und diente sozusagen als Lobby für die angehenden Volksschullehrerinnen, da mit Hilfe ihrer Unterstützung den Frauen von staatlicher Seite her die Möglichkeit eingeräumt wurde, unter anderem im öffentlichen Schulwesen Fuß zu fassen. Rosemarie Navé-Herz resümiert in dem Band: „Lehrerinnen“ folgendes:

 

„Die Geschichte des Volksschullehrerinnenberufes war gekennzeichnet durch ein Streben nach Unabhängigkeit[…][D]ieses richtete sich auf die eigene ökonomische Existenzsicherung und damit auf eine ökonomische Loslösung von der Familie und Vermeidung von Versorgungsehen, ferner auf eine Ausweitung des Aktionskreises.“[22]

 

Die bürgerliche Frauenbewegung begründete ihr Anliegen damit, und dies ein wenig diplomatisch, mit Blick auf die patriarchalisch geprägte Gesellschaft des deutschen Bundes/bzw. Kaiserreiches, dass „…die mütterlichen Eigenschaften, die in jeder Frau angelegt sind […] zum Nutzen und zur Humanisierung der Gesellschaft eingesetzt werden [müssten]“[23] und stellte somit die Unterschiedlichkeit der Geschlechter hinsichtlich einer speziell weiblichen sowie männlichen natürlichen Fähigkeit und Bestimmung nicht in Frage.

 

3.4  Die Ausbildung und Einstellung der angehenden Volksschullehrerinnen (19. Jahrhundert bis Ende des Kaiserreiches 1918)

 

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts setzte sich lediglich die katholische Kirche für die Einstellung und somit auch für die Ausbildung der angehenden Lehrerinnen ein. So durften im Jahre 1801 angehende Lehrerinnen im Hochstift Münster an den von Franz Freiherr von Fürstenberg und Bernhard Heinrich Overberg errichteten Normalschulkursen teilnehmen.[24] Dies hatte zum einen den Grund, dass Frauen, nach damaliger katholischer Ansicht,  aufgrund ihres Geschlechts geradezu prädestiniert dafür waren, junge Mädchen nach ihrem Vorbild zu unterrichten, zum anderen bescheinigte man den  Teilnehmerinnen der Normalschulkurse Tugenden wie „Reinheit, Frömmigkeit, Gehorsam, Unterordnung und Selbstlosigkeit“[25], die einen, dem katholischen Werteverständnis entsprechenden Einfluss auf die zukünftigen Schülerinnen haben sollten. Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Lehrkräften wurden in den Normalschulkursen lediglich hinsichtlich der Zölibatsverpflichtung für Lehrerinnen gemacht, ansonsten bekamen die Lehrerinnen aber eine den männlichen Lehramtskandidaten entsprechende Ausbildung sowie auch das gleiche Gehalt, sofern es sich um dieselbe...

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