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E-Book

Von Fesseln befreit

Wie mir mein Glaube innere Freiheit schenkt

AutorMajella Lenzen
VerlagGütersloher Verlagshaus
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl192 Seiten
ISBN9783641166328
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Das aufrichtige Resümee eines mutigen Lebens
»Folge der Stimme deines Herzens«, so lautet die Devise von Majella Lenzen. Nicht nach starren Regeln, sondern nach den Ansprüchen ihres Herzens will sie leben. 20 Jahre nach ihrem Austritt aus dem Kloster macht Majella Lenzen eine Bestandsaufnahme, betrachtet ihr »neues« Leben ohne äußere Verpflichtungen, aber mit Eigenverantwortung und vor allem einer ungebrochenen tiefen Liebe zu Gott. Gleichzeitig schickt sie eine mahnende Botschaft an die Kirche, vielen schönen und klangvollen Worten endlich auch Taten folgen zu lassen.

Majella Lenzen wurde 1938 in Aachen geboren, 1959 legte sie ihre Gelübde ab. Im selben Jahr begann ihr Einsatz als Missionarin in Afrika. 18 Jahre lang leitete sie das Turiani Hospital in Tansania. 1982 übernahm sie die Leitung der Ordensprovinz in Simbabwe. Ab 1990 koordinierte sie die katholische Aidsarbeit in der Diözese Moshi am Kilimandscharo. Dabei kam es zu einem Konflikt mit der Kirche, so dass sie 1995 von ihren Gelübden entbunden wurde und aus dem Orden austrat (Verhütungs- und Kondomverbot). Bereits 2009 und 2012 schrieb die Bestsellerautorin zwei Bücher. Vor 20 Jahren kam sie aus Afrika zurück zu ihrer erkrankten Mutter nach Düren.

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Leseprobe

Eine Frage der Berufung

Unterschwellig setze ich mich weiter mit dem Thema des Berufes oder der Berufung auseinander. Zum einen, weil ich während meines aktiven Berufslebens in Afrika als Krankenschwester die Leitung eines Missionskrankenhauses in Tansania übernommen hatte, aber ebenso, weil ich als Ordensfrau die Leitung einer Ordensprovinz in Simbabwe ausübte. Als wir während eines Gottesdienstes dazu eingeladen wurden, das »Testament Christi« anzunehmen und uns von den Worten Jesu »liebet einander wie ich euch geliebt habe, ... um so Zeugnis von der göttlichen Liebe zu geben« berühren zu lassen, horchte ich neu auf. Diese Einladung geht an alle Christen und es gilt für uns alle, dieses »Testament« in unserem Alltagsleben umzusetzen, als ein Zeichen der gegenseitigen Wertschätzung. Indem ich durch den Respekt, den ich meinem Gegenüber entgegenbringe, zeige, dass ich es annehme, ihm gut sein möchte, kann das wie ein Stück »vorweggenommenem Himmel« erlebt werden. Dadurch entsteht eine Art Zweisamkeit, die beiden Seiten ermöglicht, im Austausch miteinander zu wachsen.

Dazu fällt mir eine Seniorin »aus meinem früheren Leben« ein, die als Patientin bei uns im Buschhospital in Tansania weilte, bevor sie nach Europa in Heimaturlaub fuhr. Sie genoss die Gesprächsrunden nach den Abendmahlzeiten, wenn wir uns Zeit nahmen, den Erinnerungen aus ihrem Missionsleben zuzuhören. Sie erzählte humorvoll und mit wachem Geist, wie sie z. B. mühsam die Sprache der »Eingeborenen« lernte, indem diese etwas vorsprachen und gleichzeitig demonstrierten. Dadurch sprang sie über einen kleinen Bach, weil »ruka« die Aufforderung zum Springen und nicht das Swahili-Wort für Bach war. Wir lachten herzlich über diese »jugendlichen« Anfänge, die uns erspart geblieben waren. Unsere Pionierin nahm ebenso gerne an unseren Sorgen teil, die vom schwülheißen Alltagsstress eines Krankenhausbetriebes geprägt waren. Wir fühlten uns verbunden, gegenseitig angenommen, ja getragen. Sie meinte deshalb: »Das ist ja wie eine Vorahnung des Himmels«. Zurück in Europa tat sie dann diesen weiteren letzten Schritt – der endgültigen Umwandlung – in die Ewige Heimat und starb.

Wenn so die Berufung aussieht, die an alle Christen, ja an alle »Menschen guten Willens« geht, wie steht es dann mit denen, die im kirchlichen Sinne »von Gott berufen« sind? Dazu sagt eine Broschüre aus dem Bistum Aachen: »Beim Ordensstand handelt es sich im eigentlichen Sinne nicht um einen Beruf, sondern um eine Berufung. Frauen und Männer, die dem Beispiel Jesu als Ordensleute in einem gottgeweihten Leben folgen, leben arm, ehelos und gehorsam. Zu dieser Lebensweise verpflichten sie sich in den Gelübden und geben ... Zeugnis für ein radikales Leben nach dem Evangelium, für eine tiefe persönliche Beziehung zu Christus, für ein Leben in Gemeinschaft und für den Dienst in der Kirche.« Was für eine Herausforderung. Da tun die unterstützenden Worte des Psalmisten gut:

»Höre, Tochter, sieh her und neige dein Ohr,

vergiss dein Volk und dein Vaterhaus!

Der König verlangt nach deiner Schönheit;

Er ist ja dein Herr, verneig dich vor ihm.

Die Königstochter ist herrlich geschmückt,

ihr Gewand ist durchwirkt mit Gold und Perlen.

Man geleitet sie mit Freude und Jubel,

sie ziehen ein in den Palast des Königs.«

(Psalm 45,11-12,14-16)

Oder:

»So spricht der Herr: Freut euch und jubelt!

Euer Lohn im Himmel wird groß sein.«

(Lukas 6, 23)

Das klingt verlockend. Und in manch schwerer Stunde haben sich die »Bräute Christi« sicher an diesen kunstvoll trostreichen Versprechungen aufgerichtet. Aber wie sieht die gelebte Realität aus? Könnten wir einen flüchtigen Blick hinter die Klostermauern einer noch zahlenstarken Gemeinschaft werfen, sagen wir mit zirka 50 Mitgliedern, so wäre die Mehrzahl dieser Schwestern um 70 und 80. Alle, die es irgendwie können, nehmen regelmäßig an den Gebetszeiten und ebenso an den Mahlzeiten teil und fühlen sich nicht nur verpflichtet, überall wo nötig, mit- oder auszuhelfen, sondern sie werden auch tatsächlich in der Waschküche und beim Bügeln eingesetzt. Bei größeren häuslichen Betrieben mit Landwirtschaft und Klostergärtnerei oder Gaststätte sind diese verpachtet und werden jetzt nicht mehr von Schwestern, sondern einem Verwalter beaufsichtigt. Meistens hat die Hausoberin auch nicht genügend Kenntnisse, sodass die finanzielle Aufsicht in den Händen der Laien ist. Denn die wenigsten Schwestern sind für die administrativen Aufgaben, die sie irgendwann übernommen haben, auch ausgebildet worden. Wenn sie sich nicht klug beraten ließen, ist es unumgänglich, dass das Ganze aus dem Ruder läuft, zum Schmerz der wenigen verkannten Seniorinnen, die reiche Erfahrung erworben haben und diese talentiert einzusetzen wussten. Doch wurden sie ständig von der lautstarken Gruppe der »Ja–Sager« verdrängt. Manche tun weiter so, als sei alles gut, grämen sich aber im Stillen. Andere wehren sich innerlich, fühlen sich aber im System gefangen. Wenn es, wie ich hörte, z. B. offensichtlich ist, dass den Schwestern täglich ein mageres Essen als Kost vorgesetzt wird und dazu noch gesagt wird, dass nicht mehr Geld zur Verfügung steht, dann ist das in meinen Augen ein erbärmliches Armutszeugnis. Hier in der freien Wirtschaft wehrt sich vielleicht einmal ein Angehöriger, wenn Ähnliches in einem Seniorenheim passiert. Im Kloster dagegen sind die Schwestern »dazu bestimmt zu sühnen!« (denn so wurde es uns einmal im Noviziat beigebracht). Die wenigsten wagen hinzuschauen.

Bei einem Tebartz-van Elst heißt es bis heute, dass doch irgendjemand das mitbekommen haben müsste. Stimmt das? Wenn ja, dann hatte dieser Jemand keine Macht und Möglichkeit, etwas dagegen zu tun. So läuft das im System – so kann es unter dem Deckmantel der Berufung versteckt werden, weil die Parameter, mit denen gemessen wird, anders aussehen.

Eine weitere Feststellung kam mir durch das Buch und den gleichnamigen Film von Martin Sixsmith mit dem Titel »Philomena«. Auch hier brachten mir die Parallelen zum Thema der Berufung im Ordensleben diese auf beklemmende Weise nochmals nahe. Ich erschrak. Das hatte ich früher gar nicht zu denken gewagt. Zum Beispiel horchte ich auf, als es hieß, dass die Nonnen sich der unehelich geborenen Kinder ihrer Schützlinge bemächtigten und diese ungefragt zur Adoption in ein fremdes Land freigaben. In meinen Augen kam das einer Enteignung gleich. Denn ihr eigentlicher Name (der der leiblichen Mutter) wurde verheimlicht, um ihre Identität zu verbergen. Sie wurden frisch eingekleidet und hatten sich in allem der neuen Familie in einem unbekannten Land anzupassen. Sie bekamen einen neuen Vater und eine neue Mutter. Und das Wesentliche – das wahre Selbst, das aus der Wurzel der Ursprungfamilie erwächst – wurde dadurch unkenntlich gemacht.

Es bedurfte des Anstoßes anderer Ehemaliger, dass ich die Parallelen wahrnehmen konnte. Ich war so erschrocken, dass es mich schmerzte. Im Kloster war es wohl unmöglich gewesen, ja fast verboten, solchen Gedankengängen nachzugehen. Jetzt wollte und konnte ich mich ihnen stellen. Denn beim Eintritt in den Orden wurde auch uns der »weltliche« Name genommen. Der Ordensname und das Ordenskleid sollten symbolisieren, dass ein neuer Mensch – in Christus – angelegt worden war. Dennoch kam es einer Enteignung gleich, weil ein Mensch nicht »ausgelöscht« werden kann, indem ihm der Name genommen und er durch eine uniformierte Kleidung mit allen anderen seiner Gemeinschaft gleichgestellt wird. Aber noch schlimmer war die Negierung des eigenen Ich, indem immer nur in der Wir-Form gesprochen werden durfte. Nicht ich besaß etwas, sondern fragte meine Nachbarin nach »unserem« Bleistift! »Unser« Kleid war schmutzig geworden und musste in die Wäsche etc. Dieses Kollektiv im Ausdruck verstärkte die Enteignung in einem Maße, das die eigene Identität auszulöschen drohte. Dass dieses bewusst geschah, wage ich nicht zu behaupten, möglich wäre es jedoch. Ein provokanter Denkanstoß?

Der Kontakt zur Herkunftsfamilie wurde auf ein Minimum reduziert und gleichzeitig durch Briefzensur kontrolliert. Kein Wort durfte aus dem Kloster dringen, das nicht vorher geprüft wurde. Nichts Negatives sollte an die Öffentlichkeit dringen. Es sollte kein Schaden genommen werden, auch wenn die Einzelne darunter litt, weil sie sich verstellen musste, weil sie früh lernte, nicht die »ganze Wahrheit« auszusprechen und somit dazu beitrug, »das Heilige« der Institution aufrechtzuhalten. Der äußere Schein wurde gewahrt, und – so wage ich es zu sagen – das bis heute. Auch hier gilt – wie in der altbekannten Operette von Franz Lehar: »Doch wie’s drinnen aussieht, das geht keinen was an!« Gefühle wurden unterdrückt, der wahre Mensch oder das echte Menschsein blieb auf der Strecke.

Auch wenn sich im Laufe der Zeit einiges geändert hat und heute wahrscheinlich der Besitz von Handys (wegen der Erreichbarkeit etc.) hilft, diese Art von Kontrolle zu durchbrechen, so bleibt die ursprüngliche Idee der Enteignung bestehen. Denn dem einzelnen Mitglied wird die ureigene Identifikation mit sich selbst genommen. Die Eigenwertschätzung wird durch vielfältige »Schikane« heruntergesetzt. Alles darf nur der Ehre Gottes dienen. Eitelkeit und Eigenlob werden so stark verpönt, dass ein gesundes Maß an Selbstwert erst gar nicht aufgebaut werden kann. Lebendige Kreativität wird...

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