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«Festgenagelt sein»

Der Prozess des Bettlägerigwerdens

AutorAngelika Zegelin
VerlagHogrefe AG
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl231 Seiten
ISBN9783456952604
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Bettlägerigkeit ist ein häufiger Umstand in Pflegezusammenhängen. Umso erstaunlicher ist es, dass über Bettlägerigkeit kaum etwas bekannt ist: Welche Ursachen gibt es, sind verschiedene Ausprägungen unterscheidbar, wie gehen Betroffene damit um? Ja, selbst der Begriff «Bettlägerigkeit» ist unklar - sind auch die Menschen als bettlägerig zu bezeichnen, die kurzfristig und mit Hilfe aufstehen können? Diese Forschungsarbeit gibt Antworten auf diese Fragen. In einer breiten Literaturrecherche wird deutlich, dass bisher vor allem die pathophysiologischen Auswirkungen von «Bettruhe», einem befristeten Zustand des Liegens, gut untersucht sind. In der vorliegenden Studie wurden 32 liegende Menschen zur Entwicklung ihrer Bettlägerigkeit befragt, die Ergebnisse wurden im Forschungsstil der «Grounded Theory» aufbereitet.
Dabei zeigte sich, dass eine Verkettung unglücklicher Umstände schließlich das Dauerliegen herbeiführt. Bettlägerigwerden ist ein Prozess, in dessen Verlauf vor allem das Phänomen der Ortsfixierung in den Vordergrund tritt. Zahlreiche Faktoren, die zum Dauerliegen führen, können beeinflusst werden. Aus den Ergebnissen der Studie lassen sich viele Hinweise entnehmen, um eine unerwünschte Bettlägerigkeit zu vermeiden. «Bettlägerigkeit ist keine medizinische Zwangsläufigkeit. Sie hängt weder mit dem Alter eines Menschen zusammen noch mit der Schwere der Krankheit, an der jemand leidet. Stattdessen ist sie meist eine Verkettung unglücklicher Umstände, die man sehr häufig vermeiden könnte.» DER SPIEGEL 52/2004
«Wer immer noch glaubt, dass die Pflegeforschung nichts für die Praxis bringt, der sollte dieses Buch unbedingt kaufen.» Prof. Dr. Ruth Schröck Frau Zegelin gelingt mit der sorgfältigen, anregenden Präsentation ihrer Untersuchung ein kleines Kunststück; sie steckt den Leser mit ihrer eigenen Neugier an und bietet der Pflegewissenschaft und der praktischen Pflege zahlreiche Aspekte und Anregungen, eigene Erfahrungen zu reflektieren, um neue Sichtweisen und Möglichkeiten für die eigene Arbeit zu entwickeln. Sabine Kalkhoff in Pflege & Gesellschaft

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Kapitelübersicht
  1. Inhalt
  2. Geleitwort/Vorwort
  3. Zusammenfassung
  4. Einleitung
  5. 1. Der Erkenntnisstand zur Bettlägerigkeit
  6. 2. Methodologie
  7. 3. Ergebnisse I: Personen und Geschichten
  8. 4. Ergebnisse II: Das Phasenmodell mit beeinflussenden Faktoren
  9. 5. Integration der Ergebnisse zur Kernkategorie
  10. 6. Diskussion und Erkenntnisgewinn
  11. 7. Methodische und inhaltliche Reflexion
  12. 8. Schlussbemerkungen
  13. 9. Ergebnisse aus Praxis-Projekten
  14. Nachwort zur 2. Auflage
  15. Verzeichnisse
Leseprobe
Einleitung

In dieser Untersuchung geht es um die Erkundung von Ursachen und Formen von Bettlägerigkeit. Bettlägerigkeit ist eines der wichtigsten und geläufigsten Phänomene in der Pflege, zugleich aber auch ein Begriff aus unserer Alltagssprache. Fast jeder Mensch kann sich unter Bettlägerigkeit etwas vorstellen; dieser Zustand ist bekannt aus der Erfahrung, aus dem eigenen Umfeld, aus Film und Fernsehen oder aus der Literatur.

Und doch gibt es kaum systematisches Wissen über Bettlägerigkeit, insbesondere die Gründe, warum und wann Menschen schließlich bettlägerig werden, sind unbekannt. Eine medizinische Diagnosestellung erklärt nicht, warum im Krankheitsfortschritt der eine Mensch bettlägerig wird und der andere nicht. Verlaufsformen, «Karrieren» des Bettlägerigwerdens mit Weichenstellungen und Schlüsselmomenten sind bisher nicht beschrieben. Untersuchungen aus medizinischer Sicht erklären wohl die Pathophysiologie des Liegens, über psychische und soziale Auswirkungen und Bewältigungsformen für Betroffene und Angehörige finden sich jedoch keine Studien.

Unklar ist auch, was Bettlägerigkeit eigentlich ausmacht. Wird unter Bettlägerigkeit striktes Liegen verstanden, oder fallen unter diese Bezeichnung auch Menschen, die mit Hilfe ganz kurze Zeit «aufstehen» können? Würden sich Menschen selbst auch als bettlägerig bezeichnen, wenn sie nicht im Bett, sondern in einem anderen Möbel den Tag liegend verbringen müssen? Sind im Rollstuhl sitzende Menschen, unfähig zu jeder Bewegung, im Grunde auch bettlägerig?

Diese Untersuchung dient also der Beschreibung eines alltäglichen Gegenstands, wobei auch auf sonst wenig Beachtetes aufmerksam gemacht werden wird und «Selbstverständlichkeiten» in Frage gestellt werden. Eine Selbstverständlichkeit ist etwa die Einleitung des Sterbens mit einer mehr oder weniger langen Phase des im Bett Liegens. In früheren Zeiten haben sich Menschen auf das «Altenlager» begeben, sie haben kaum gegessen, und irgendwann endete ihr Rückzug mit dem Tod:

[...] sich nach einem langen und arbeitsreichen Leben einfach ins Bett gelegt und aufgehört zu sprechen, aufgehört, auf das was gesprochen wurde zu reagieren. (Thorsson, 2000, S. 194) In der heutigen Zeit scheint es diese Form des Rückzugs nicht mehr zu geben, Bettlägerigkeit und mehr noch ihre Folgen werden zu medizinischen und pflegerischen Problemen. Bettlägerigkeit hat beträchtliche Auswirkungen auf die Lebensgestaltung der Betroffenen. In der Regel wird ihre Autonomie stark eingeschränkt, und sie werden oft weitgehend abhängig von helfenden Personen. Im medizinisch-pflegerischen Umfeld wird der Begriff Bettlägerigkeit oft benutzt, doch, wie es scheint, in einer recht diffusen Art.

Die vorgestellten Unklarheiten lassen sich zusammenfassen in der Frage: «Was ist Bettlägerigkeit?» Diese Frage leitet die anschließende Literaturanalyse, der eine Spezifizierung der Forschungsfrage folgt.

1. Der Erkenntnisstand zur Bettlägerigkeit

In diesem Kapitel soll der bisherige Kenntnisstand zum Thema Bettlägerigkeit referiert werden. Den Hauptteil nimmt eine umfassende Vorstellung der relevanten Literatur ein, am Ende des Kapitels werden Ergebnisse einer Befragung Pflegender zu ihrem Verständnis von Bettlägerigkeit dargestellt.

Die Darstellung der bereits bekannten und publizierten Aspekte zum Thema Bettlägerigkeit zeigt, dass der Zugang weit über eine klassische Literaturrecherche hinausgehen muss. Bettlägerigkeit im hier verstandenen Sinn, nämlich als «differenziert verursachter Daseinszustand», findet sich nicht als Stichwort oder Kategorie in der Literatur. Neben der eigentlichen Datenbanksuche werden deshalb auch andere Recherchefelder wie vorhandene Nomenklaturen im Pflegebereich, Texte über Liegemöbel oder Aussagen über Liegen als «historische» Behandlungsform eröffnet.

1.1 Bettlägerigkeit und Pflegebedürftigkeit

Bettlägerigkeit scheint eng mit Pflegebedürftigkeit verbunden. Ein bettlägeriger Mensch ist unfähig, einen normalen Tagesablauf verglichen mit dem «beweglicher» Menschen zu gestalten, er setzt sich vielen Gefahren aus und ist hilfebedürftig bei zahlreichen Aktivitäten, z. B. bei der Nahrungsaufnahme, Kommunikation, Körperpflege und Ausscheidung.

Über Pflegebedürftigkeit liegen seit Einführung der Pflegeversicherung einige Aussagen und Zahlen vor. Aus pflegewissenschaftlicher/pflegepraktischer Sicht fehlt es allerdings bis heute an einer fundierten und akzeptierten Beschreibung von Pflegebedürftigkeit; damit verbunden fehlen Aussagen zur Theorie und Praxis von Bettlägerigkeit. So wird in § 14 Sozialgesetzbuch (SGB) XI als pflegebedürftig definiert, wer wegen einer Krankheit und/oder einer Behinderung bei der Ernährung, der Mobilität, der Körperpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung auf Dauer – voraussichtlich für mindestens 6 Monate – in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedarf. Entsprechend der Art, der Häufigkeit und dem Umfang des Hilfebedarfs werden die Pflegebedürftigen einer von drei Pflegestufen zugeordnet, maßgeblich dabei sind vorgegebene Zeitwerte. Es handelt sich hierbei um einen sehr eingeschränkten Begriff von Pflegebedürftigkeit.

In den Begutachtungsrichtlinien des MDS2 wird im Kapitel «Hilfebedarf und Aktivierende Pflege» die vollständige Immobilität mit Bettlägerigkeit gleichgesetzt:…
Inhaltsverzeichnis
Inhalt6
Geleitwort/Vorwort14
Zusammenfassung18
Einleitung20
1. Der Erkenntnisstand zur Bettlägerigkeit22
1.1 Bettlägerigkeit und Pflegebedürftigkeit22
1.2 Vorkommen von Bettlägerigkeit23
1.3 Einstellung zur Bettlägerigkeit und anthropologische Grundlagen25
1.4 Definitionen in Pflegeliteratur und Lexika27
1.5 Pathophysiologische Auswirkungen von Bettlägerigkeit/Bettruhe30
1.6 Nomenklaturen, Konzepte und Theorien42
1.7 Das Bett als besonderer Ort47
1.8 Verordnetes Liegen – ein Erbe aus dem 19. Jahrhundert50
1.9 Fazit der Literaturanalyse53
1.10 Vorsensibilisierung durch die Befragung Pflegender54
2. Methodologie60
2.1 Problemstellung60
2.2 Forschungsziel und Fragestellungen60
2.3 Der qualitative Untersuchungsansatz61
2.4 Grounded Theory63
2.5 Sample und Samplingstrategien67
2.6 Datenbestand74
2.7 Datenanalyse79
2.8 Gütekriterien84
2.9 Ethische Erwägungen86
3. Ergebnisse I: Personen und Geschichten90
3.1 Herr Kampmann90
3.2 Frau Schulz92
3.3 Frau Merz94
3.4 Frau Schmidt97
3.5 Frau Winter99
3.6 Frau Meier101
3.7 Frau West105
4. Ergebnisse II: Das Phasenmodell mit beeinflussenden Faktoren108
4.1 Der erste Faktor: Individualität109
4.2 Der zweite Faktor: Liegepathologie und kognitive Einbußen111
4.3 Der dritte Faktor: Krankheitsausprägung und Komplikationen112
4.4 Der vierte Faktor: Weltsicht und Bewältigung112
4.5 Der fünfte Faktor: Die Pflegenden – Einstellung, Wissen, Möglichkeiten114
4.6 Die erste Phase: Instabilität115
4.7 Die zweite Phase: Ereignis116
4.8 Die dritte Phase: Immobilität im Raum120
4.9 Die vierte Phase: Ortsfixierung129
4.10 Die fünfte Phase: Bettlägerigkeit141
5. Integration der Ergebnisse zur Kernkategorie148
5.1 Instabilität149
5.2 Ereignis und Unterordnung150
5.3 Schicksalhafter Verlauf durch Einflussfaktoren152
5.4 Immobilität im Raum durch fehlende Mobilisierungshilfen153
5.5 Mangelnde Aktivierung trotz aktivierender Pflege155
5.6 Abnehmender Bewegungsradius157
5.7 Zentrale Kategorie: allmähliche Ortsfixierung158
6. Diskussion und Erkenntnisgewinn160
6.1 Theoretische Relevanz des Phasenmodells160
6.2 Das Konzept «Bettlägerigkeit»165
6.3 Praktische Relevanz der Untersuchung170
6.4 Erkenntnisgewinn181
7. Methodische und inhaltliche Reflexion182
7.1 Glaubwürdigkeit der Ergebnisse182
7.2 Grenzen der Studie184
7.3 Vorschläge für weitere Forschungen184
8. Schlussbemerkungen188
9. Ergebnisse aus Praxis-Projekten190
9.1 Bestätigung früherer Ergebnisse190
9.2 Orientierung der Praxisprojekte191
9.3 Ablauf der Praxisprojekte I192
9.4 Ergebnisse aus den Praxisprojekten193
9.5 Ablauf der Praxisprojekte II205
9.6 Schlussgedanken211
9.7 Anhang – Beispiel einer Fallanalyse – Frau Bayer213
Nachwort zur 2. Auflage220
Verzeichnisse222

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