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E-Book

Filmwissen: Abenteuer

Grundlagen des populären Films

AutorGeorg Seeßlen
VerlagSchüren Verlag
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl368 Seiten
ISBN9783894727055
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis18,99 EUR
Die Faszination des Genres ist ungebrochen - von den Klassikern des Hollywood-Sandalenfilms, über Ritter und Piratenfilme bis hin zu modernen Abenteurern wie Indiana Jones: Der Abenteurer lebt von Traum und Phantasie, von Eleganz und Stil, und was er erlebt, ist geprägt von seiner Lust an der Welt. Der Abenteurer ist der romantische Held, der sich über Unfreiheit und Tragödie behende hinwegsetzt. In den letzten Jahren bereicherten Elemente der Karikatur und des Exotismus das Genre, etwa in den Piraten der Karibik-Sequels und den Martial Arts-Filmen. Aus dem Inhalt Sandalen und Muskeln: Der Antikfilm Schwerter und Magie: Der Ritterfilm Totenkopf und weiße Segel: Der Piratenfilm En garde! Der Mantel & Degen-Film Die letzten Abenteurer Die Erbschaft des Kolonialismus 1975-1995: Wiedergeburt aus dem Geist der Postmoderne Indiana Jones und die Suche nach der verlorenen Unschuld

Georg Seeßlen, geb. 1948, studierte Malerei, Kunstgeschichte und Semiologie. Er war Dozent an verschiedenen Hochschulen im In- und Ausland und schreibt als freier Autor (u.a. in Die Zeit, konkret, epdFilm) über Kino und Film und andere Aspekte der populären Kultur.

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Leseprobe

Klassiker des frühen Hollywood-Sandalenfilms

Ein Schlüsselwerk des frühen Monumentalfilms ist sicher der nach dem Roman von Lewis Wallace entstandene Film Ben Hur ( Ben Hur ; 1924/26, Regie: Fred Niblo), der mit rund sechs Millionen Dollar Produktionskosten der teuerste Film der Stummfilmzeit ist. (Er wurde zugleich zum erfolgreichsten.) Die Geschichte des Erfolgs dieses Films setzt die des Romans fort; schon 1899 war eine dramatisierte Form des 1880 erschienenen und sensationell erfolgreichen Romans herausgebracht worden.

In der von Montana Heiss und Alexander Marinoff herausgegebenen Broschüre Der Spielfilm im ZDF 1/1982 heißt es zur weiteren Produktionsgeschichte des Stoffes:

«1907 drehten Sidney Oleott und Frank Oakes Rose eine rund fünfzehnminütige Filmversion und führten damit die Gesellschaft Kalem in den ersten Urheberrechtsprozess der Filmgeschichte, der den Wallace-Erben 25 . 000 Dollar einbrachte. Abraham Erlanger, der die Bühnenrechte besaß, gründete 1921 eigens die Firma CCC (Classical Cinematograph Corporation), um für 600 . 000 Dollar die Filmrechte zu erwerben und sie für eine Million an den Produzenten Samuel Goldwyn wieder zu verkaufen. Ein Geschäft auf Gewinnbeteiligungsbasis kam schließlich zustande, in das später der Firmenzusammenschluss MGM (Metro-Goldwyn-Mayer) eintrat, dem Goldwyn selbst nicht mehr angehörte. Diese wechselvollen Verhandlungen wirkten sich natürlich auch auf die Dreharbeiten aus, die dann drei Jahre währen sollten. Die Regisseure Rex Ingram und George Brabin wurden nacheinander ebenso entlassen wie der Star George Walsh; alles bisher gedrehte Material wurde vernichtet. MGM übertrug die Hauptregie nun Fred Niblo (Federico Nobile, 1874–1948). Und mit dem Mexikaner Ramon Novarro (Ramon Samaniegos, 1899–1968) wollte man dem Paramount-Star Rudolph Valentino ein anderes romantisches Idol entgegensetzen.

Gedreht wurde zunächst in Italien, wo man auf dem Gebiet des historischen Monumentalfilms große Erfahrung hatte. Nun betrieben die Amerikaner hier mit viel Geld ein Unternehmen, das die italienische Filmproduktion inmitten politischer Wirren total ruinierte. Man okkupierte fast alle Produktionsstätten und verdarb mit Höchstgagen die Preise.

Die große Seeschlacht wurde bei Livorno gedreht. Dazu hatte man anderthalb Jahre lang eine römische Flotte und Golthars Piratengaleeren – 100 Triremen mit Segeln und dreifachen Ruderbänken – nachbauen lassen, um sie dann mit Hilfe von hochbezahlten Matrosenstatisten wirkungsvoll brennend zu vernichten. Die teils farbigen Massenszenen in Jerusalem, Antiochia und in der Wüste entstanden in der Nähe von Rom. Tragische Unglücksfälle und ein sich zu schnell erschöpfender Etat bewogen MGM zum Abbruch der Dreharbeiten in Italien. Man war überzeugt, in Los Angeles billiger arbeiten zu können, und ließ den gigantischen Circus Maximus von Antiochia noch einmal unter der Leitung des Architekten und Archäologen Horace Jackson nachbauen, und zwar so, dass die Arena durch eine exzellente Tricktechnik sogar noch größer wirken konnte.

Ohne Tricks inszenierte dagegen B. Reeves Eason (1886–1956) in prunkvoller Ausstattung (Cedric Gibbons) mit 12.000 Statisten und zwölf Quadrigen das im wahrsten Sinn des Wortes mörderische Wagenrennen über sieben Runden und ließ es von 42 Kameras – aus eingebauten Unterständen, auf Automobilen und von einem Flugzeug aus – verfolgen, bis hin zum unvorhergesehenen Sturz des korinthischen Wagens, durch den vier Pferde starben und andere Quadrigen ebenfalls verunglückten. Ein Wettkampf von gigantischen Ausmaßen auf 16.000 Meter Film. Selbst das mit modernsten Techniken gedrehte Wagenrennen in der Neuverfilmung von 1959 reicht in vielen Details kaum an dieses Stummfilmereignis heran.»

Ben Hur enthielt 15 Minuten Film in Farbe, und das übrige Material hatte man monochromatisch viragiert (in dieser, der ursprünglichen Intention entsprechenden Form musste der Film von der ZDF-Filmredaktion erst in mühsamer Arbeit und nach Recherchen in allen Filmarchiven der Welt rekonstruiert werden). Der Monumentalfilm trägt diese Bezeichnung zu Recht also nicht nur wegen der Monumentalität dessen, was er abbildet: eine antike Welt, deren Glanz, deren gigantische Technik und Organisation sich entfaltet, ohne in jedem Fall sich ganz auf rationale Beweggründe zurückführen zu lassen. Die Abenteuerlichkeit des Monumentalfilms entsteht auch aus dem «Überfluss», den die antike Kultur nach Meinung der Autoren und Regisseure zur Schau stellt; schon weil alles größer und beladener ist, als es eigentlich sein müsste, wird sich hier das Abenteuer ereignen.

Die Handlung des Films hält sich ziemlich genau an die literarische Vorlage: Es ist die Zeit, da sich die Kunde vom Wirken Christi in den von den Römern besetzten Gebieten um Palästina verbreitet. In Jerusalem wird dem Prokurator Gratus ein triumphaler Empfang bereitet. Juda Ben Hur (Ramon Novarro) begrüßt aus seinem Gefolge als alten Freund den römischen Hauptmann Messala (Francis X. Bushman) in seinem Haus; es stellt sieh jedoch heraus, dass diesem die Zugehörigkeit zur römischen Macht mehr bedeutet als die Freundschaft. Bei dem großen Triumphzug löst sich vom Haus der Familie Hur ein Ziegel und trifft Gratus. Messala deutet dies als Attentat und lässt die Witwe Hur sowie die Tochter Tirzah in den Kerker sperren. Ben Hur wird auf eine römische Galeere gebracht, wo er mit vielen anderen als Rudersklave dient. Was ihn trotz aller Qualen und Entbehrungen am Leben erhält, ist der Hass auf Messala und sein Wunsch nach Rache. Nachdem die Galeere bei einem Kampf mit Piraten versenkt worden ist, rettet Ben Hur dem römischen Admiral Arrius (Frank Currier) das Leben, da dieser als einziger ihn menschlich behandelt hat. Arrius nimmt ihn, nachdem andere römische Schiffe sie aufgenommen und nach Italien gebracht haben, an Sohnes statt an. Juda Ben Hur wird zum geehrten und gefeierten Wagenlenker bei den berühmten Kampf-spielen.

In seine Heimat zurückgekehrt, springt Ben Hur für einen getöteten Wagenlenker ein, als er hört, dass Messala an dem angesetzten Rennen teilnehmen wird. Messala versucht mit allen Mitteln in einem auf Leben und Tod ausgetragenen Rennen seinen Widersacher zu bezwingen, doch am Ende ist er es, der aus der Kampfbahn getragen wird.

Ben Hur sammelt eine Armee, um dem «König der Juden», von dem er gehört hat, im Kampf gegen die römische Besatzung beizustehen. Er begegnet Jesus jedoch erst auf dessen Weg zur Kreuzigung, und dieser lehnt jede Hilfe ab. Doch er zeigt seine Macht, indem er die als Aussätzige aus dem Kerker entlassene Mutter und seine Schwester von ihrer Krankheit heilt.

Siegfried Kracauer hat den Film (und ein wenig wohl auch das ganze Genre) durch einen Vergleich mit Sergej Eisensteins Bronenosec Potemkin ( Panzerkreuzer Potemkin ; 1925) auf seinen Grundwiderspruch zwischen der Gigantomanie der Abbildung und der letztlichen Bedeutungslosigkeit der erzählten Geschichte hin kritisiert:

«Der Roman, der den Anstoß zu den Massenbildern gab, gehört zu jenen mittelmäßigen Werken, die durch ihr stark aufgelegtes Kolorit breite Schichten bewegen. Gerade noch durch den Aufwand mochte es gelingen, die Handlung für den Film zu retten. Eine geringere Quantität der Mittel, und man hätte eine der üblichen historischen Verfilmungen erhalten, die irgendein gleichgültiges Einzelschicksal in veralteten Trachten aufrollen. Durch den Zahlenrekord ist immerhin eine Prunkoper entstanden, die der Schaulust Genüge tut. Die Unzulänglichkeit des Gehalts legt einen Abgrund zwischen ‹ Ben Hur › und den ‹Potemkin -Film. Hier geht es um die Wirklichkeit, die im ästhetischen Medium des Films getroffen wird, dort ist auf dem Grund eines welthistorischen Stoffes eine kleine Privatangelegenheit groß gemalt

Freilich entwirft Ben Hur , wie viele Antikfilme, doch auch neben dem Geschichtsbild ein politisches: Der Held ist das Gegenteil eines Revolutionärs, seine Motive bestehen zunächst aus nichts als persönlicher Rache, und so führt ihn sein Lebensweg wie die nahezu aller amerikanischen Helden eigentlich nur am Rande der Weltgeschichte entlang. Wo er sich einmal als historisches Subjekt erweisen will, da hindert ihn eine Wendung der Handlung daran. Und doch klärt er für sich die Fronten.

Aber Ben Hur ist auch der unbeugsame Individualist, der sich von Geschichte nicht korrumpieren lassen will, der sich dennoch zur politischen Tat durchringt, bevor er von Christus selbst davon entbunden wird. So ist Ben Hur im Kern das Drama des Bürgers, der nicht zur Geschichte kommen kann. Die Motive der Handlung heben sich beständig gewissermaßen gegenseitig auf und machen eine historische, politische Parteilichkeit unmöglich. Und doch erlauben sie ein sehr amerikanisches Ideal von der Beziehung zwischen Individuum und Geschichte zu entwerfen, nach dem Geschichte und Moral sich auf zwei verschiedenen Ebenen abspielen. So überlagern sich Geschichte und persönliches Schicksal zwar, bedingen sich aber nur bis zu einem gewissen Grad; das Abenteuer führt den Helden weg vom historischen Zusammenhang und nur zur eigenen Ganzheit. Das Glück liegt außerhalb der Geschichte, und auch die Religion wird in erster Linie als «Erlösung von Geschichte» begriffen. Zugleich versöhnt das Abenteuer (wenn es auch von tragischen Elementen durchzogen ist) den Helden (und das Publikum) mit der vom Christentum geforderten Passivität. Ganz folgerichtig steht am Ende nicht Triumph und Sieg, sondern die Wiedervereinigung der Familie....

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