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E-Book

Fototherapie

Kreative Fotoarbeiten mit Jugendlichen, Erwachsenen und alten Menschen

AutorClaire Craig
VerlagHogrefe AG
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl209 Seiten
ISBN9783456750958
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis26,99 EUR
Die Fotografie lehrt uns, Dinge aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten und über uns selbst nachzudenken, zu kommunizieren und uns selbst ohne Worte auszudrücken. Die kreativen und introspektiven Qualitäten dieser leicht zugänglichen Technik machen die Fotografie zu einem idealen Medium in der therapeutischen Arbeit. In diesem Praxishandbuch zeigt/untersucht die britische Ergo- und Aktivierungstherapeutin Claire Craig, wie in der professionellen Arbeit mit Gruppen die Fotografie eingesetzt werden kann, um sich selbst besser kennenzulernen und zu verändern. Sie erläutert, wie die Technik funktioniert, wem sie helfen kann und wie man eine Gruppe zur Fototherapie ins Laufen bringen kann. Jedes Kapitel widmet sich einem zentralen Thema persönlicher Entwicklung, wie Kommunikation, Reflexion, Beziehungsaufbau, Selbstwert, und beinhaltet Aktivitäten, die dem Können und den Kenntnissen der meisten Altersstufen entsprechen. Für jede Aktivität werden die notwendigen Materialien beschrieben sowie Einstiege und Vertiefungsmöglichkeiten dargestellt. Inspirierende exemplarische Fotoarbeiten zu einzelnen Themen regen zu eigenem Schaffen an. Das praktische Handbuch kann zur Arbeit mit Gruppen in verschiedenen Settings eingesetzt werden, die von der Schule und Hochschule über Jugendgruppen, Gemeindearbeit, Altenarbeit und Tageskliniken reichen. Fototherapie kann von Ergotherapeuten, Kunsttherapeuten, Sozialarbeitern, psychiatrisch Pflegenden, Altenarbeitern und Lehrern eingesetzt werden, um die Entwicklung ihrer Klienten kreativ mit Mitteln der Fotografie zu fördern. Aus dem Inhalt · Welche Vorteile bietet die Fotografie? · Welche Möglichkeiten bietet die Fotografie? · Aufbau und Begleitung einer Gruppe · Bilder als Einstiege und Starter · Bilder als Tor zum Reich der Fantasie · Bilder als Kommunikationsmittel · Bilder als Chance, Kontakte zu knüpfen · Bilder als Anregung zur Reflexion · Bilder und Ich-Identität · Bilder als Agenten des Wandels · Beenden von Gruppen · Schnittstellen zwischen persönlichem und professionellem Bereich.

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Leseprobe

1 Welche Vorteile bietet die Fotografie?


Es gibt immer mehr Daten, die den Nutzen des Einsatzes der Fotografie und des Fotografierens in den Bereichen Selbsterforschung, Kommunikation, kreativer Ausdruck und persönliche Entwicklung bestätigen, und es spricht für die Flexibilität dieses Mediums, dass die anwendungsbezogene Forschung sich nicht nur auf die Bereiche Gesundheit, soziale Betreuung und Community Arts beschränkt, sondern auch die Arbeit mit Menschen aller Altersgruppen, von Kindern bis hin zu älteren Menschen, sowie die Arbeit mit Menschen mit sozialen und emotionalen Bedürfnissen und mit Demenz einbezieht. Es ist ein Medium, das sowohl Teenager (Wilson et al. 2007) als auch Menschen von 90 Jahren und älter (Wang et al. 2004) anspricht, was bedeutet, dass die Fotografie für generationsübergreifende Aktivitäten optimal geeignet ist.

Es macht Spaß. Man kann sich damit beschäftigen, wenn man Langeweile hat, und es ist eine gute Möglichkeit für mich, alles über Fotografie zu lernen und unserer Klassengemeinschaft zu helfen. (Mädchen, 5. Klasse)

(Wilson et al. 2007, S. 259)

Es war für mich seit sehr langer Zeit der beste Tag. (Ältere Person mit ­Demenz)

(Mitchell 2005, S. 20)

Daraus folgt, dass dieses Medium von Gruppen in unterschiedlichen Bereichen genutzt werden kann: Schulen, Colleges, Jugendgruppen, Kirchen sowie auf Gemeinde-Ebene, stationäre Pflege, stationäre und ambulante Krankenhäuser.

Ein Foto zu machen ist vergleichbar mit einer Reise: Das endgültige Bild ist eine Art Treffpunkt, der sowohl Ziel als auch Ausgangspunkt sein kann. Die Selbsterforschung kann zu jedem Zeitpunkt des Prozesses beginnen: am Anfang, wenn es darum geht, zu überlegen und zu entscheiden, was man fotografieren möchte (der Grund für die Entscheidung), während der Suche nach einem Objekt, bei der Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Fotos, während man das Bild anderen zeigt oder die Situation und den Kontext erklärt, in dem es entstanden ist. Die Möglichkeiten sind damit noch nicht ausgeschöpft. Ein Foto kann dem Betrachter jedes Mal, wenn er es anschaut, neue Erkenntnisse vermitteln. Das ist so, weil der Inhalt des Bildes sich nicht verändert, wohl aber der Betrachter. Die Bedeutung des Fotos ist nichts Endgültiges oder Absolutes, sondern sie wird von der Erfahrung und den Sichtweisen der Betrachter geformt.

Dies gilt nicht nur für die Fotos, die wir selber machen. Auch die Bilder von anderen können einen solchen Treffpunkt darstellen, an dem dieser Prozess stattfindet. Wenn wir ein Foto betrachten, wollen wir uns automatisch einen Reim darauf machen können. Wir betrachten das Bild und versuchen, etwas über die Geschichte zu erfahren, die es erzählt, und die Bedeutung, die es vermittelt. Doch dabei betrachten wir das Bild durch den Filter unseres eigenen Lebens, aus unserem ganz einzigartigen, persönlichen Blickwinkel und überlagern es mit all unseren Erfahrungen, Befürchtungen, Hoffnungen und Wertvorstellungen. Darin besteht die Stärke des Fotos als Medium der Persönlichkeitsforschung.

Die Möglichkeiten der Fotografie sind breit gefächert, und viele Menschen könnten davon profitieren. Fotografieren ist weder auf eine bestimmte Gruppe beschränkt noch abhängig vom Alter und von gesundheitlichen Beeinträchtigungen, wie die Fotoausstellung «Beyond Sight» belegt, in der Künstler mit unterschiedlich ausgeprägten Sehbehinderungen ihre Arbeiten präsentiert haben. Für Menschen, die Schwierigkeiten haben, den Auslöser zu betätigen oder die Kamera zu halten, gibt es Lösungen: Stative, um die Auswirkungen eines Tremors zu minimieren, oder Auslöser, die Menschen mit Arthritis den Umgang mit der Kamera erleichtern. Die Suche nach Mitteln und Wegen, das Vorgehen zu erleichtern und die Übung anzupassen, erfordert Fantasie und Kreativität, aber es ist möglich, und der mögliche Nutzen ist weitreichend.

Sie müssen zwar kein Fotoexperte sein oder besondere technische Fähigkeiten besitzen, um Gruppen zu begleiten, die sich mit dem Fotografieren beschäftigen, aber Sie sollten die Möglichkeiten dieses Mediums genau kennen, um die beschriebenen Übungen angemessen präsentieren und das Beste aus ihnen herausholen zu können. Dann können Sie den Bedürfnissen der Menschen, mit denen Sie arbeiten, gerecht werden und echte, dauerhafte Veränderungen in die Wege leiten.

Die Fotografie ist ein sehr leicht zugängliches Medium. Die meisten Menschen haben irgendwann schon einmal Fotos gemacht und werden Zugang zu einer Kamera haben. Bereits im Jahre 1990 hat die Kodacolour-Gold-Studie festgestellt, dass 80 % aller Haushalte im Vereinigten Königreich über eine Kamera verfügten. Der Wolfman-Report kam zu dem Schluss, dass in den USA im Jahre 1993 allein 17,2 Milliarden Fotos gemacht wurden, fast viermal mehr als 1967 (Cronin 1998, S. 69–70). Da der Zugang zu digitalen Medien für immer mehr Menschen möglich und erschwinglich ist, dürfte diese Zahl heute deutlich höher liegen und sogar noch weiter ansteigen, denn für die junge Generation ist die Aufzeichnung alltäglicher Ereignisse mit dem Handy und die Verbreitung von Videos via YouTube und andere soziale Netzwerke etwas völlig Normales.

Aufgrund der Vertrautheit mit diesem Medium ist für viele Menschen das Fotografieren vermutlich weniger bedrohlich als andere kreative Übungen, wie etwa ein Bild zu malen oder ein Instrument zu spielen, Tätigkeiten, die sie scheinbar weniger gut beherrschen und deren Ergebnisse sie weniger zuversichtlich präsentieren, besonders wenn sie an formalen und ästhetischen «Standards» gemessen werden. Die Menschen in den Gruppen, die ich geleitet habe, wissen denn auch zu berichten, dass ihre künstlerischen Aktivitäten in der Schule mit «gut» oder «schlecht» bewertet wurden und dass es vor allem diese Bewertung war, die sie von der Beschäftigung mit derlei Aktivitäten abgehalten hat.

Interessanterweise war in diesen Gruppen die Fotografie nicht von solchen Erinnerungen belastet. Ein nicht gelungenes Foto ist offenbar mit weniger negativen Emotionen verbunden. Dies hat verschiedene Gründe. Im Zeitalter der digitalen Fotografie können Bilder, die den Teilnehmern nicht gefallen, relativ einfach gelöscht werden. Das Malen eines Bildes erfordert Zeit und Gefühl. Die Elemente einer fotografischen Komposition zusammenzustellen, erfordert zwar Zeit, aber die Aufnahme des Bildes an sich kostet so gut wie keine Zeit, und wem das Ergebnis nicht gefällt, der hat nicht das Gefühl, viel Zeit «verschwendet» zu haben.

Aus dem gleichen Grund verträgt sich die Fotografie ganz gut mit anderen Kunstformen; sie lässt sich daher mit Malen, Dichten, Schreiben und dem Theaterspiel kombinieren und bietet dem Einzelnen die Chance, sich in künstlerischen Tätigkeiten zu versuchen. Die Freiheit, die das Fotografieren gewährt, die Wahlmöglichkeiten des Sujets und die unendlich vielen Arten, ein Bild zu betrachten, machen die Fotografie zu einem idealen Medium, das hilft, Kreativität sowie Selbstvertrauen im Umgang mit kreativen Medien zu entwickeln. Ein Kapitel des Buches soll zeigen, wie der fotografische Prozess andere Kunstformen ergänzen und den Zugang zur Fantasie eröffnen kann.

Menschen, für die die praktische Beschäftigung mit kreativen Tätigkeiten zu schwierig ist, erscheint der Gedanke, Fotos zu machen, unmöglich. Aber bloß weil ihnen der Umgang mit der Kamera oder das Fotografieren zu schwierig erscheint, müssen sie nicht von der Teilnahme an der Gruppe ausgeschlossen werden. Sie können stattdessen Anweisungen während des Prozesses geben und anderen sagen, welcher Teil der Landschaft fotografiert oder wie das Bild arrangiert werden soll. Ein viereckiges Stück Karton mit einem Loch, das als Sucher fungiert, kann dabei helfen. Aber es ist auch genauso reizvoll und aufschlussreich, wenn sie Bilder aus Büchern, Zeitungen und Zeitschriften auswählen anstatt sie selber aufzunehmen.

Das Entscheidende sowohl bei diesen beiden Übungen als auch im direkten Umgang mit der Kamera ist das Gefühl, alles unter Kontrolle zu haben. Menschen, die Anleitungen für das Fotografieren geben oder selbst fotografieren, haben eine interne Kontrollüberzeugung (engl.: locus of control). Sie entscheiden, welche Gegenstände, Ansichten oder Menschen sie fotografieren, welche Bilder sie verwerfen und ob sie ihre Bilder kommentieren oder nicht. Für Menschen, die im Allgemeinen nicht das Gefühl haben, sie hätten die Dinge unter Kontrolle, ist dies ein guter Ansatz. Kontrolle über die Dinge zu haben, stärkt das Gefühl der Selbstwirksamkeit und unterstützt die Entscheidungskompetenz, so dass sich das neu gewonnene Selbstvertrauen mit der Zeit auch auf andere Lebensbereiche überträgt. Die Literatur enthält eine Fülle von Beispielen, die zeigen, wie dies stattfindet und wie dieser Prozess unterstützt werden kann. Frith und Harcourt (2007) bestätigen diesen Zusammenhang in ihrem Bericht über ihre Arbeit mit Frauen, die wegen Brustkrebs behandelt wurden:

Die Frauen hatten in dieser Zeit das Gefühl, keine Kontrolle über ihre äußere Erscheinung, ihre Privatsphäre und ihren Tagesablauf zu haben. Deshalb erschien es uns wichtig, den Frauen die Entscheidung zu überlassen, welche Bilder und wie viele sie zu welchem Zeitpunkt machen wollten.

(Frith und Harcourt 2007, S. 1346)

Dazu tragen sowohl die unterschiedlichen Ebenen bei, auf denen die Fotografie sich auswirkt, als auch ihre Flexibilität; denn jeder Einzelne kann für sich selbst entscheiden, wie sehr er sich auf den Prozess einlassen will. Die Fotografie kann beispielsweise eine...

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