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E-Book

Frank Sinatra

und seine Zeit

AutorJohannes Kunz
VerlagLangenMüller
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl272 Seiten
ISBN9783784482378
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Ob Bob Dylan, Thomas Quasthoff oder Roger Cicero - Künstler aller Genres interpretieren im Jubiläumsjahr seine Songs und zollen so dem verehrten Frank Sinatra ihren Tribut. Mehr als 60 Jahre lang begeisterte er auf den Showbühnen der Welt ein Millionenpublikum - der vollkommenste aller Crooner, The Voice, Ol' Blue Eyes. Er war ein Meister der Nuancen - souverän, charismatisch, elegant. Doch wie wurde aus dem Sohn italienischer Einwanderer in New Jersey der Star einer Epoche? Wie prägten ihn die großen Musiker seiner Zeit, und woher rührt seine bis heute anhaltende Faszination? Johannes Kunz, ein profunder Experte wie kritischer Fan, begibt sich auf die Spuren des Phänomens Sinatra in eine unvergleichliche Musik-Geschichte.

Johannes Kunz, geboren 1947 in Wien, war ab 1968 beim ORF tätig, 1973-1980 Pressesprecher des österreichischen Bundeskanzlers Bruno Kreisky, dann Verlagsdirektor im Molden-Verlag. 1982 kehrte er zum ORF zurück, 1986-1994 war er Fernseh-Informationsintendant. Als Gründer von Vienna Entertainment veranstaltete er zahlreiche große Konzerte; von 1996-2012 leitete er den renommierten Salzburger Jazz-Herbst, bei dem u.a. Ray Charles, Sonny Rollins und Dionne Warwick auftraten. Er ist Autor zahlreicher Bücher, Radio- und TV-Sendungen. Zuletzt erschien 2014 bei Amalthea seine Autobiografie 'Licht und Schatten'.

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Leseprobe

12. Dezember 1915, Hoboken, New Jersey

In der 70 000 Einwohner zählenden Arbeiterstadt Hoboken am Hudson River gegenüber von New York wurde wenige Tage vor Weihnachten 1915, eineinhalb Jahre nachdem in Europa der Erste Weltkrieg begonnen hatte, Francis Albert Sinatra geboren. Früher galt Hoboken als Sommersitz für Mitglieder der New Yorker Society, jetzt lebten vor allem Einwanderer hier. Deutsche, Iren, Juden und Italiener. Ethnische Konflikte dieser Bevölkerungsgruppen wurden oft auf den Straßen Hobokens ausgetragen.

Frank Sinatra war ein Riesenbaby, das bei einer Zangengeburt an Ohr, Wange und Nase verletzt wurde. Die Familien beider Eltern stammten aus Italien. Die Italiener rangierten gesellschaftlich weit hinter den Deutschen, die zumeist Geschäftsleute waren und sich Villen bauten, und den Iren, die oft bei Behörden wie der Polizei oder Feuerwehr beschäftigt waren. Sinatras Mutter Natalie Catherine Garavente, die als 19-Jährige den Kosenamen Dolly bekam, wurde in Genua geboren. Vater Anthony Martin Sinatra war ein aus Catania eingewanderter Sizilianer. Die Hochzeit mit dem tätowierten Boxer hatte Dolly gegen den Willen ihrer Eltern durchgesetzt. Der Sohn eines Kesselschmieds, dessen Mutter ein kleines Lebensmittelgeschäft besaß, galt als Analphabet. Die attraktive Dolly hingegen war die Tochter eines Steinlithographen und besaß eine mittlere Schulbildung. Am 14. Februar 1914 hatte Dolly entgegen aller Bedenken ihrer Eltern Marty auf dem Standesamt von Jersey City das Jawort gegeben.

Man wohnte inmitten von Little Italy in der Monroe Street 415 in Hoboken. An Dolly hing Frank Sinatra bis zu deren tragischem Tod 1977, als sie – bereits 82 Jahre alt – mit einem Privatjet auf dem Flug nach Las Vegas zu einem Auftritt ihres Sohnes verunglückte. Dolly hat Frank von Kindheit an gefördert, aber auch stark dominiert, was nach Ansicht vieler Freunde der Familie ein Gefühlsdefizit in den ersten Lebensjahren des Jungen bewirkte. Die Familie Sinatra lebte in relativ guten wirtschaftlichen Verhältnissen, nicht zuletzt ermöglicht durch die vielfältigen Aktivitäten von Mutter Dolly. Eine gewisse Unsicherheit Frank Sinatras, die sich immer wieder im Verlaufe seines Lebens zeigte, mag mit der häufigen Abwesenheit der Mutter in seiner Kindheit zusammenhängen. Dolly war eine starke Frau, blond und blauäugig, ganz anders als die dunkelhaarigen Italiener. Im Gegensatz zu ihrem Mann war sie sehr ehrgeizig, strebte nach gesellschaftlicher Anerkennung und wollte möglichst bald in eine bessere Gegend übersiedeln. Vater Marty war ein bestenfalls mittelmäßig erfolgreicher Boxer und lungerte in italienischen Kneipen herum. Er boxte unter dem irischen Pseudonym »Marty O’Brian«, agierte gelegentlich als Statist beim Film, war Kesselschmied auf einer Werft sowie Feuerwehrmann. Die Gegensätze zwischen Dolly und Marty hätten nicht größer sein können: sie voller Ambitionen, kontaktfreudig und überaus redselig, er träge, introvertiert und schweigsam.

Der kleine Frank erlebte so manchen Streit zwischen seinen Eltern, die seine Tochter Nancy beide als »dickköpfig« beschrieb. Frank Sinatra selbst sagte über Dolly: »Meine Mutter war nicht hart und gewalttätig. Die Umgebung, in der sie lebte, die war es. Sie war einfach eine starke Persönlichkeit, die mir Sicherheit geben und einen Gentleman aus mir machen wollte. Sie hätte mir sogar Samthosen angezogen, aber in dieser Gegend wäre das tödlich gewesen.« Seinen Vater Marty beschrieb Frank Sinatra folgendermaßen: »Vater war ein liebenswerter, zurückhaltender Mann. Wenn ich etwas ausgefressen hatte, hat er nie die Hand gegen mich erhoben. Und das will für einen Profiboxer etwas heißen. Meine Mutter allerdings hat sich fit und jung erhalten, indem sie mir nachlief und mich versohlte. Aber sobald ich einen bestimmten Ausdruck in Vaters Augen sah, wusste ich, was die Stunde geschlagen hatte. Ich glaube, er konnte gerade seinen Namen schreiben, und im Lesen war er auch keine Größe. Das wussten wir und brachten ihn deshalb nie in Verlegenheit.«

Die Erziehung des kleinen Frank verlief natürlich, wie sich das für italienische Einwanderer gehört, römisch-katholisch. Die Taufe hatte am 2. April 1916 in der St. Francis-Kirche stattgefunden. Taufpate war ein Freund Martys namens Frank Garrick. Er war irischer Abstammung und vertrieb den JERSEY OBSERVER.

Als Kind erlebte Frank Sinatra, wie Mutter Dolly an Sonntagen für ihren großen Freundeskreis Pasta zubereitete. Dolly war über Little Italy hinaus in Hoboken beliebt. Sie galt als durchschlagskräftig – auch gegenüber den lokalen Behörden – und gesellig, sprach italienischen Dialekt ebenso wie englisch, beriet neue Einwanderer bei deren Eingliederung in die Gesellschaft, engagierte sich in der Demokratischen Partei und wurde Vorsteherin des Wahlkreises 3 im 9. Bezirk von Hoboken.

Frank Sinatra war gerade eineinhalb Jahre alt, da trat Amerika am 2. April 1917 in den Ersten Weltkrieg ein. Für Hoboken hatte diese Entscheidung weitreichende Konsequenzen, denn die Stadt wurde Verschiffungshafen für die amerikanischen Truppen. Einige Hundert Hafenkneipen mussten geschlossen werden; der Staat verhängte die Prohibition. Für das deutsche Viertel der Stadt galt das Kriegsrecht. Mutter Dolly wurde zur amtlichen Gerichtsdolmetscherin bestellt. Eigentlich war Dolly Hebamme, hatte daneben aber auch Gelegenheitsjobs, etwa in einem Eissalon samstags Nachmittag.

Als Vater Marty schließlich eine Anstellung bei der Feuerwehr mit festem Gehalt und Pensionsberechtigung erhielt, zog die Familie auf Betreiben von Dolly endlich in eine bessere Gegend. Die Wohnung lag in der Park Avenue 703, in der Nähe des Flusses, wo sich viele wohlhabende Bürger niedergelassen hatten. Frank Sinatra war damals zwölf Jahre alt, hatte gerade eine Blinddarmoperation hinter sich, war zaundürr und wurde von Mutter Dolly komplett neu eingekleidet. Er bekam nicht nur elegante Kleidung, sondern auch teures Spielzeug und mehrere Fahrräder. Für ihre Nachbarn galten die Sinatras, die ihre mehrwöchigen Sommerurlaube am Meer oder im Gebirge verbrachten, als reich. Frank Sinatra hatte auch immer ausreichend Taschengeld, um Mitschüler auf einen Imbiss oder ins Kino einzuladen. Sportlich aufgrund seiner körperlichen Schwäche unterbegabt, war er stets zu Lausbubenstreichen aufgelegt.

Ab 1928 besuchte Frank Sinatra die David E. Rue-Junior-High School und ab 1931 die E. J. Demarest-High School; nebenbei verdiente er sich ein bisschen Geld als Zeitungsausträger. Frank Hague, der Bürgermeister von Jersey City, weigerte sich, das Verbot alkoholischer Getränke in der Zeit der Prohibition zu kontrollieren. Diese Chance, mehr zu verdienen, erkannte die clevere Dolly Sinatra, borgte sich Geld aus und eröffnete eine Kneipe, »Bei Marty O’Brian«, benannt nach ihrem Ehemann. In katholischen Kreisen der Kleinstadt kam Dolly Sinatra nun nicht nur in Verruf, weil man von der örtlichen Hebamme erwartete, dass sie Abtreibungen vornahm, sondern auch wegen illegaler Alkoholausschank.

Frank Sinatra verließ die E. J. Demarest-High School nach nur 47 Tagen. Rektor Arthur Stover meinte dazu, der Junge habe keinerlei wie auch immer geartete Begabung gezeigt. Damals durften Schüler schon vor dem 16. Lebensjahr abgehen, vorausgesetzt, sie erhielten die Erlaubnis einer autorisierten Person. Und Rektor Stover gab diese Erlaubnis.

Um etwas Geld für die Familie zu verdienen, verdingte sich Frank Sinatra als Werftarbeiter, bei einem Verlag oder bei den United Fruit Lines im Hafen. Zu seinem 15. Geburtstag hatte er eine Ukulele geschenkt bekommen, und in seiner Freizeit hörte er Musiksendungen im Radio, zu denen getanzt wurde. Die beliebtesten Sänger waren Rudy Vallée, Russ Columbo und Bing Crosby. Mutter Dolly sang gelegentlich auch selbst, und zwar bei Kundgebungen der Demokratischen Partei. Franks Onkel Dom Garavente erkannte frühzeitig die musikalische Begabung des Jungen, der auf seiner Ukulele die italienischen Lieder begleiten konnte, die bei den Familienfesten der Sinatras gesungen wurden.

1932 wurde angesichts der »Great Depression« der Demokrat Franklin Delano Roosevelt ins Weiße Haus gewählt. Der neue Präsident verkündete den berühmten New Deal, die größte Wirtschafts- und Sozialreform in der Geschichte der USA. Aufgrund der Geschäftstüchtigkeit von Dolly und dem sicheren Arbeitsplatz des Vaters konnten sich die Sinatras trotz Wirtschaftskrise die Übersiedlung in ein eigenes Haus in der Garden Street 841 leisten. Es kostete die für damalige Verhältnisse enorme Summe von 13 400 USD. Quasi zum Einstand richtete Frank Sinatra hier eine große Silvesterparty mit Gesangsdarbietungen seiner Freundinnen Marie Roemer und Mary Scott aus, die er selbst begleitete.

Schon damals suchte Frank Sinatra den direkten Kontakt zu Musikern. Mit einer Freundin fuhr er gelegentlich zum Village Inn in New York, wo er mit der Lokalband ein paar Nummern singen durfte. Dolly kaufte ihm eine Lautsprecheranlage für 65 USD und gab ihm Geld für Notenarrangements. Später erinnerte sich Sinatra, wie er diese Arrangements gesammelt hatte, welche die Bands dringend brauchten. Seine Sammlung sei komplett und stets auf dem neuesten Stand gewesen. Und wenn eines der örtlichen Orchester seine Arrangements benutzen wollte, musste es ihn als Sänger akzeptieren. Dabei, so Sinatra, sei niemand zu kurz gekommen. Wenn er auch »nicht der beste Sänger der Welt« gewesen sei, so seien auch diese Bands nicht die besten in Amerika gewesen.

Im März 1933 besuchte der 18-jährige Frank Sinatra mit einem Mädchen namens Nancy Barbato ein Konzert von Bing Crosby im Vaudeville Theatre von Jersey City. Sinatra war beeindruckt. Crosby habe eine umwerfende Leichtigkeit...

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