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Franziskus - Führen und entscheiden

Was wir vom Papst lernen können

AutorChris Lowney
VerlagVerlag Herder GmbH
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl192 Seiten
ISBN9783451805202
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Franziskus kommt an. Er wird für seinen Stil geliebt, obwohl er es nicht jedem Recht machen will und klare Entscheidungen nicht scheut. Chris Lowney zeigt, weshalb der Papst so erfolgreich ist und erklärt, wie seine Spiritualität auch für uns hilfreich sein kann. Der Autor zeigt, dass Franziskus ein Vorbild in Sachen Entscheidungsfindung und moderner Menschenführung ist. Wertvoll nicht nur für Manager, sondern auch für Lehrer oder Eltern. Also für jeden, der Verantwortung trägt.

Chris Lowney, geb. 1958 in New York, war in einem Jesuiten-Seminar und später für mehr als 15 Jahre Topmanager bei JP Morgan. Heute arbeitet er bei einer großen Gesundheits-NonProfit-Organisation und als Autor und Redner. Sein Buch »Heroic Leadership« war in den USA ein Bestseller.

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Leseprobe

1.
Was wir brauchen:
Eine neue Führung


»Die Welt von heute bedarf dringend der Zeugen. Nicht so sehr der Lehrer, als vielmehr der Zeugen. Nicht so viel reden, sondern mit dem ganzen Leben sprechen.«1

Papst Franziskus, Ansprache auf dem Petersplatz am 18. Mai 2013

Es gibt keine Führungsseminare für werdende Päpste. Und es gab auch keinen Vatikan-Funktionär, der Kardinal Jorge Mario Bergoglio das Handbuch Papst sein für Dummies in die Hand gedrückt hätte, als der weiße Rauch in den römischen Himmel stieg und der Welt sein Pontifikat als Papst Franziskus verkündete. Soweit wir als Außenstehende wissen, war es vielmehr so: Nach seiner Wahl am 13. März 2013 klatschten ihm die anderen Kardinäle Beifall, kleideten ihn in Weiß, ließen ihn für ein Weilchen allein, damit er sich im Gebet sammeln konnte, und dann schubsten (oder sagen wir: begleiteten) sie ihn auf die Loggia des Petersdoms, wo er die Führung von 1,2 Milliarden Katholiken übernehmen sollte.

Was er unmittelbar danach tat, bezeichnete der Herausgeber des Osservatore Romano, der halboffiziellen Tageszeitung des Vatikan, durchaus freundlich als »beispiellos und schockierend«.2 Ein anderer Vatikanberichterstatter begrüßte die päpstliche Initiative als »Epochenwechsel, als Revolution«.3 Und selbst jetzt noch hat Papst Franziskus Zustimmungswerte, um die ihn die meisten anderen Führungspersönlichkeiten auf der Welt beneiden würden.4

Wo hat er diesen Führungsstil gelernt? Woher stammt seine Vision? Und was können wir alle von ihm lernen? Darum geht es in diesem Buch.

Wie wird man ein guter Leader?


Wir alle kennen Situationen, in denen wir ähnlich wie der Papst auf den Balkon, vielleicht in unserem Fall auch nur ein metaphorischer, geschubst werden: Tritt vor, es ist Zeit, diese Abteilung zu leiten, deine Familie, eine Schulklasse oder eben womöglich die ganze katholische Kirche.

Manche Leute ergreifen solche Gelegenheiten in dem Wissen beim Schopf, dass sie hervorragend auf ihre Führungsrolle vorbereitet sind, und dieses unerschütterliche Selbstvertrauen bleibt ihnen Tag für Tag erhalten. Solche Leute nennen wir Narzissten. Oft bringen sie ihre Organisation irgendwann in Schwierigkeiten, weil sie sich von ihrer eigenen vermeintlichen Größe blenden lassen und nicht sehen, wie viel Schaden sie anrichten und wie viel Unglück sie über andere bringen.

Auf der anderen Seite gibt es diejenigen unter uns, die einen Funken Selbstwahrnehmung besitzen. Sie erkennen schnell, dass niemand uns wirklich auf die Leitungsaufgaben vorbereitet hat, die wir übernehmen müssen. Zu Beginn meiner eigenen Karriere bei J.P. Morgan brachte man mir bei, Unternehmensbilanzen zu sezieren. Ich wäre auch in der Lage gewesen, Firmen aufzuspüren, die ihre Bilanzen schönten, indem sie LIFO-Lager auflösten. Und ich hatte gelernt, Firmenkunden dazu zu überreden, ein paar Basispunkte zu sparen, indem sie unsere eigenen Eurobonds nutzten und keine variablen US-Bonds.

Ich weiß nicht mehr genau, ob ich irgendetwas davon jemals gebraucht habe, und ich habe die technischen Feinheiten auch längst vergessen. Nach ein paar Jahren bei Morgan wurde ich Leiter des Büros in Tokio, danach zog ich weiter nach Singapur, London und New York. Das Problem der LIFO-Lager ist mir in dieser Zeit nie begegnet. Und ich entdeckte schnell, dass die meisten Probleme der Erwachsenenwelt nicht mit denselben Schwarz-Weiß-Antworten zu lösen sind wie die Gleichungen der Wirtschaftsmathematik.

Stattdessen musste ich der Firma helfen, eine erhebliche Verkleinerung des Londoner Büros zu verkraften, und ich musste lernen, unzufriedene Mitarbeiter zu motivieren. Inzwischen ist es eine Weile her, dass ich Morgan verlassen habe, und ich habe einige Jahre als Vorstandsvorsitzender einer der größten amerikanischen Gesundheits- und Krankenhausgesellschaften hinter mir. Gelegentlich muss ich dabei in möglichst bescheidener Weise Rat und Aufsicht anbieten. Unser großartiges Management steuert das Unternehmen durch ein Gesundheitssystem, das sich rasant verändert: neue Gesetze, neue Technologien, ethische Zweifelsfragen und Dutzende von weiteren, ähnlich komplizierten Herausforderungen.

Die Fähigkeiten, die ich dabei am meisten brauche, sind nicht technischer Art, sondern breiter, umfassender: Es geht um Entscheidungsfindung in komplizierten Fällen, wenn die Fakten mit meinen Wertvorstellungen kollidieren. Es geht um Prioritätensetzung, wenn vor dem Mittagessen noch fünfzehn Dinge erledigt werden müssen. Es geht um die Frage, wann man auf Sicherheit spielt und wann man größere Risiken eingeht. Und letztlich geht es darum, herauszufinden, was im Leben wirklich zählt.

Wir brauchen echte Führung


Die komplizierten Fragen wurden mehr, die Zeitfenster kleiner, die ethischen Zweifelsfragen komplexer und niemand hat mich je auf ein Führungsseminar geschickt, auf dem solche Dinge besprochen wurden. Mein Führungsseminar ist das Leben. Ob ich die Lektionen meines Lebens wirklich gelernt habe, müssen meine Kollegen entscheiden – die früheren bei Morgan und die jetzigen im Gesundheitswesen. Allerdings hoffe ich inständig, dass sie mir bessere Noten geben würden als dem Durchschnitt, denn um die durchschnittliche Wahrnehmung von Führungsqualitäten in Amerika ist es wirklich schlimm bestellt. Vor Kurzem wurden die Ergebnisse einer großen Untersuchung veröffentlicht, bei der die Amerikaner befragt worden waren, ob sie Vertrauen in ihre Führer setzen: in Politik, Religion, Wirtschaft und im Bildungssystem. Und die Antwort war in allen Fällen Nein. Keine einzige der vier genannten Gruppen – und wir sprechen hier von den Grundpfeilern unserer Gesellschaft – genießt auch nur das »mäßige Vertrauen« der Amerikaner.5 In Deutschland ist die Situation nicht viel anders, eine Umfrage des Statistischen Bundesamtes im Herbst 2014 ergab, dass 71 Prozent aller Befragten den Politikern ihrer Regierung nicht vertrauen. 71 Prozent.

Sicher, Führungskräfte haben heutzutage einen unglaublich harten Job. Sie verfügen nicht über die nötigen Mittel, arbeiten unter enormem Zeitdruck, müssen mit ständigen Veränderungen zurechtkommen und haben permanent den Druck von Überwachung und hohen Erwartungen im Nacken. Sie müssen Mitarbeiter und Stakeholder motivieren, die oft jeder Autorität skeptisch gegenüberstehen. All das macht Führung ungeheuer schwierig.

Aber unsere Enttäuschung und unsere Abneigung gegen so viele Führungskräfte hat tiefere Gründe: Allzu oft sind diese Leute lediglich mit ihrem eigenen Status oder Einkommen beschäftigt. Sie sind nicht in der Lage, uns zu inspirieren oder zu einen; sie besitzen nicht die Phantasie, um die unerträglichen Probleme zu lösen, die uns quälen; sie haben Angst vor harten Entscheidungen und davor, uns in die Augen zu sehen; und sie besitzen nicht den Mut, uns durch Herausforderungen und notwendige Veränderungen zu führen.

So einfach es klingt: Da stimmt etwas nicht mehr. Wir brauchen neue Bilder von Führung und bessere Ansätze, um uns und andere darauf vorzubereiten.

Was ist so anders an einem Jesuiten als Papst?


Und an dieser Stelle kommt Franziskus ins Spiel: der Jesuit als Papst. Schon darin liegt ein Paradox. Die Jesuiten sind eine katholische Ordensgemeinschaft aus Priestern und Laienbrüdern, gegründet von Ignatius von Loyola und seinen Gefährten im Jahr 1540. Im Laufe ihrer unglaublichen Geschichte haben die Jesuiten an der Gründung einer der größten Städte der Welt mitgewirkt (São Paulo in Brasilien), an der Entwicklung des vietnamesischen Alphabets und am gregorianischen Kalender, der heute auf der ganzen Welt in Gebrauch ist. Sie bilden die weltweit größte Ordensgemeinschaft unter einem gemeinsamen Oberhaupt: Heute arbeiten mehr als 17.000 Jesuiten in mehr als hundert Ländern dieser Erde.

Wo liegt also angesichts dieser Zahlen und dieser globalen Vernetzung das Paradox? Ganz einfach: Der Gründer der Jesuiten hegte eine tiefe Abneigung gegen anmaßenden persönlichen Ehrgeiz. Die Ordensregel oder Satzung der Jesuiten, zusammengefasst in dem Buch Constitutiones, bezeichnet übermäßigen persönlichen Ehrgeiz als »die Mutter aller Übel in jeder Gemeinschaft oder Bruderschaft«.6 Und Ignatius wies die Jesuiten an, »Gott unserem Herrn zu versprechen«, dass sie niemals ein hohes kirchliches Amt anstreben würden – mehr noch: »jeden anzuzeigen, bei dem sie beobachten, dass er versucht«, ein höheres Amt zu erlangen.7 Starke Worte. Stellen Sie sich einmal vor, was passieren würde, wenn in sämtlichen Organisationen Deutschlands jeder verpflichtet wäre, ehrgeizige Kollegen anzuzeigen. Die bloße Menge dieser Anzeigen würde verhindern, dass überhaupt noch jemand arbeitete.

Ignatius verlangte Demut von seinen Jesuiten, weil Jesus, ihr großes Vorbild, demütig gewesen war. Aber Ignatius wusste auch, dass Ehrgeiz und innere Konflikte den Geist jeder Organisation zerstören können (kommt Ihnen das bekannt vor, liebe Kollegen?). Deshalb versuchte er, die menschliche Neigung einzudämmen, das eigene Ego zu streicheln, indem man nach Status, Macht und persönlichem Erfolg strebt.

Kardinal Bergoglio ist ganz offensichtlich ein treuer Sohn seines geistlichen Vaters Ignatius. Nachdem er beim Konklave 2005, bei dem Papst Benedikt XVI. gewählt wurde, wohl als Zweiter durchs Ziel gegangen war, blieb er nicht in Rom, um an seinem Netzwerk oder seinen Chancen für die nächste Wahl zu basteln. Stattdessen reiste er bald wieder zurück nach Argentinien, mied fortan das Rampenlicht und widmete den größten...

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