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E-Book

Frauengeschichten

Was ich von starken Frauen gelernt habe

AutorHubertus Meyer-Burckhardt
VerlagGütersloher Verlagshaus
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783641219178
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
»?Meine? Frauen werden nicht in Würde alt, sie bleiben in Würde jung.« (Hubertus Meyer-Burckhardt)
Als Gastgeber einer der erfolgreichsten Talkshows im Fernsehen hat Hubertus Meyer-Burckhardt eine Erfahrung gemacht: Frauen werden im Alter eher anarchisch, Männer im Alter eher bedeutungsschwanger.
Was bleibt von der Person ohne die Funktion? Eine Frage, der sich Frauen mit Vergnügen, Männer mit Sorge stellen. Frauen brechen auf, wenn das Leben die Verabredung nicht einhält, Männer ein. Hätte Mutter Erde ein Weltkulturerbe zu vergeben, dann wären das die Frauen. Diese Frauen sind - stellvertretend für alle anderen: Doris Dörrie, Veronica Ferres, Elke Heidenreich, Leslie Malton, Ina Müller, Ulrike Murmann, Erika Pluhar, Marianne Sägebrecht, Barbara Schöneberger und Christine Westermann.
Über Meyer-Burckhardts in diesem höchst unterhaltsamen Buch versammelten Frauengeschichten steht ein Satz wie eine Überschrift: er stammt von Barbara Schöneberger: »Ich empfehle zu leben.«
  • Diese Frauen haben etwas zu sagen
  • Weisheit und Lebenserfahrung von: Doris Dörrie, Veronica Ferres, Elke Heidenreich, Leslie Malton, Ina Müller, Ulrike Murmann, Erika Pluhar, Marianne Sägebrecht, Barbara Schöneberger und Christine Westermann
  • »Meyer-Burckhardts Frauengeschichten« - vom Talk zum Buch


Hubertus Meyer-Burckhardt, geb. 1956, ist ein preisgekrönter Film- und TV-Produzent, Journalist, Manager in der Medienbranche, Schriftsteller und seit mehr als 15 Jahren Moderator der 'NDR Talk Show'. Beim Hörfunksender NDR Info hat Hubertus Meyer-Burckhardt seinen eigenen Talk. Er lebt in Hamburg.

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Leseprobe

»ICH KANN SCHWER IMMER NUR AN EINEM ORT SITZEN. ICH MUSS IMMER UNTERWEGS SEIN

Meine Damen und Herren, ich freue mich sehr über unseren Gast heute. Es ist die große Autorin und Regisseurin Doris Dörrie. Und ich freue mich, dass Sie Ihren Weg ins Studio zu mir gefunden haben. Herzlich willkommen!

Danke! Es war nicht so schwierig, ist ja meine Stadt: München.

Es gibt ein Haiku – Haiku ist die kürzeste japanische Gedichtform, die kürzeste, die es auf der Welt gibt –, mit dem Sie einmal einem Interviewpartner auf seine Frage: »Können Sie auch einfach mal gar nichts machen?«, geantwortet haben: »Still sitzen, nichts tun, der Frühling kommt, und das Gras wächst von alleine.«

Ist Ihnen die Ruhe gegeben, oder mussten Sie sich die Ruhe erarbeiten?

Das ist gemischt. Für mich ist es schon sehr schwierig, still zu sitzen. Gleichzeitig bin ich ein sehr fauler Mensch, deshalb fällt es mir phasenweise auch wieder sehr leicht. Aber dann muss ich wieder losrennen. Und ich kann schwer immer nur an einem Ort sitzen, ich muss eigentlich immer unterwegs sein. Und dann sitze ich gerne wieder irgendwo rum auf der Welt.

Dazu kommen wir gleich. Auf die Frage, was Ihr größtes Talent sei, haben Sie bescheiden gesagt, Ihr größtes Talent sei Schlafen. Und jetzt kommt der wichtige Zusatz: Aber das Talent kommt mir langsam abhanden.

Ja, ich bin leider relativ schlaflos geworden, das hat wohl einfach mit dem zunehmenden Alter zu tun und mit Vererbung. Mein Vater ist ein sehr schlafloser Mensch. Aber ich bemühe mich weiter.

Sie sprechen von Ihrem Vater … Sie sind 1955 in Hannover geboren, Tochter eines Arztes, Ihr Onkel war Altphilologe Heinrich Dörrie, der sich – soviel ich weiß – sehr mit Platon beschäftigt hat. War das ein intellektuelles Elternhaus?

Gemischt, glaube ich. Es war natürlich sehr praktisch, weil mein Vater Arzt war. Meine Mutter auch, und Ärzte sind ja bis zu einem gewissen Grad Handwerker, und gleichzeitig gab es eben diese große Liebe zur Literatur und wirklich auch dieses klassische Bildungsideal, humanistische Bildung. Mein Vater hat mich schon sehr geschubst, Griechisch in der Schule zu wählen, was ich eigentlich gar nicht wollte, wofür ich ihm aber dann doch immer sehr dankbar gewesen bin.

Später sind Sie aufgebrochen nach New York und hatten offensichtlich wenig Geld, aber dazu kommen wir später. Was war das für ein Haushalt, wo man gesagt hat, man hält die Kinder kurz, aber Geld für Bücher und Theater gibt es immer?

Geld für Bücher gab es wirklich immer. Aber wir waren halt vier Geschwister, und es war vollkommen klar, dass das Geld nicht für vier ausreicht, wenn jeder endlos lange studiert oder ohne Unterstützung ins Ausland geht. Das ging einfach nicht. Man musste halt darauf achten, dass es gerecht verteilt blieb, und jeder musste schauen, dass er auch relativ schnell mit dem Studium fertig wurde und sein eigenes Geld verdiente.

Sie erwähnen Ihre Geschwister. Als Sie drei Jahre alt waren, bekam Ihre Mutter Zwillinge. Und Sie haben sehr früh angefangen, diese jüngeren Geschwister zu inszenieren. Wie mir scheint, auch sehr brachial oder sagen wir autoritär.

Na klar, ich war sechs, und die waren drei.

Na ja, Sie haben das mal so beschrieben: Ich sagte meinen Geschwistern, Zitat Doris Dörrie: »Ich sage jetzt, ach hätten wir doch ein Kind. Aber sie waren so verschüchtert, dass sie immer genau meine Worte wiederholten und sagten, ich sage jetzt, ach hätten wir doch ein Kind.« Und dann haben Sie sie einfach geprügelt, sie weinten, und das Weinen haben Sie gebraucht für Ihre Inszenierung.

Ja, da habe ich gemerkt, wie man das so macht mit der Regie. Ohrfeigen helfen. Nein, ich habe das neulich noch mal beschrieben, als ich in Leipzig eine Poetik-Vorlesung hielt, dass es schon für mich der Grund für das Erzählen war, verstoßen worden zu sein. Natürlich nicht wirklich von meiner Mutter verstoßen, aber ich fühlte mich so. Daraus strickte ich mir dann als Geschichte, wie ja jeder seine Lebensgeschichte strickt, dass ich von diesem Zeitpunkt an eben ein bisschen außen vor war. Ich war plötzlich Beobachter und konnte diesen kleinen Geschwistern zuschauen, die aus meiner Sicht natürlich wahnsinnig jung waren, weil sie noch nicht sprechen und spielen konnten und man eigentlich gar nichts mit ihnen machen konnte. Aber sie waren süß, und alle Leute fanden sie hinreißend, weil es eben wirklich wunderhübsche Zwillinge waren. Diese Position, ob man beobachtet oder zufrieden mittendrin ist, legt sich schon relativ früh fest. Und zufrieden mittendrin war ich eigentlich nie, sondern wie gesagt, immer eher die Beobachterin. Und ich habe großen Spaß entwickelt, und das ist – glaube ich – inzwischen mein Haupttalent, nicht mehr zu schlafen, sondern zu flanieren. Ja, ich betrachte mich heute mehr als Flaneuse denn als Schläferin.

Der große, leider verstorbene Schauspieler Wolfgang Kieling und die wunderbare Elke Heidenreich haben eine Sache gemeinsam: Sie haben die Literatur über die Buchstabensuppe entdeckt. Und mein Eindruck ist, dass die Literatur für Sie sehr früh – nicht über eine Buchstabensuppe und über Russischbrot entdeckt – eine Fluchtburg oder ein Fluchtpunkt war. Beobachte ich das richtig?

Ja, sicherlich, aber es war eben auch dieses Wunder, als ich gemerkt habe, dass man mit diesen sechsundzwanzig Buchstaben tatsächlich Welten entstehen lassen und sich genauso in diese Welten durch die Literatur hineinbegeben kann. Und wir hatten keinen Fernseher; ich glaube, das ist auch sehr wichtig. Abends wurde gelesen, die ganze Familie hat abends gelesen.

Aber wir sprechen dann doch über ein intellektuelles Elternhaus?

Ja. Ich wehre mich ein bisschen gegen diesen Begriff, ›intellektuell‹, weil ich bis heute nicht so genau weiß, was das eigentlich sein soll. Gebildet, ja, intellektuell ist noch mal was anderes. Also das ist auch, finde ich, zum großen Teil das Angeben damit, dass man etwas begrifflich fasst. Das meine ich überhaupt nicht, sondern es war einfach dieser große Genuss, den meine Eltern uns Kindern schon sehr früh vermittelt haben, durch die Literatur in andere Welten zu gelangen und damit auch die Menschheitsgeschichte durch die Literatur begreifen zu können. Das haben sie uns sehr klar beigebracht.

Sie hatten keinen Fernseher als Kind, aber Ihr Traummann war Pierre Brice. Das setzt aber voraus, dass man Ihnen das Kino erlaubt hat.

Ja klar. Meine Eltern gingen wenig ins Kino, weil sie so wenig Zeit hatten mit vier Kindern und ihren Berufen. Aber ich durfte mit meinem Vater zum Beispiel in »Winnetou« gehen, und das war für mich wirklich ein irrsinniges Erlebnis, weil das Kino auch noch in einem Hochhaus in Hannover ganz oben in den Wolken war. Ich glaube, dieses Haus hatte sechs Stockwerke, das war irrsinnig hoch. Und das hat mich tief beeindruckt. Schließlich aber auch die Fernseherlebnisse bei einer Tante, die wir alle drei, vier Wochen besuchten. Tante Hildchen. Da lief zwar immer nur »Der Blaue Bock«, aber auch das fand ich als Kind faszinierend.

Heinz Schenk hatte eine späte Karriere als ganz ordentlicher Schauspieler.

… und einen tollen Film mit Hape Kerkeling gemacht.

Sprechen wir über Heimat. Sie haben bereits an anderer Stelle öffentlich über Heimat gesprochen und gesagt, die Fußgängerzone in Hannover sei deutsche Realität per Definition. Kröpcke heißt sie.

Na ja, es ist seltsamerweise etwas, das ich überall in Japan wiederentdeckt habe, was dann auch ein seltsames Heimatgefühl auslöste. Es hat natürlich sehr stark mit den Zerstörungen durch den Zweiten Weltkrieg und diesem schnellen Wiederaufbau zu tun, wobei auf Schönheit nicht so viel Rücksicht genommen werden konnte. Und was auch eine gewisse Zerrissenheit ausdrückt, dieser Beton und dieses Zerrissensein zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Tradition und Moderne, das ist in Hannover genauso zu spüren wie z. B. in Fukuoka.

Sie haben seit dem vierten Lebensjahr gewusst, dass Sie sterben werden.

Ja, an diesen Moment kann ich mich sehr genau erinnern: Ich wachte eines Nachmittags aus dem Mittagsschlaf auf, den ich anscheinend mit vier Jahren noch gemacht habe, und begriff plötzlich, wie Tod sein muss. Und davon habe ich mich nie wieder erholt.

Das heißt, Sie wissen um die Kostbarkeit des Lebens?

Ja, das hat natürlich auch mit meinem Elternhaus zu tun, mit dieser Nähe zu Krankheit und Tod, wenn die Eltern Ärzte sind. Das begreift man schon sehr genau als Kind. Und sich davon auch bedroht zu fühlen, dieses Gefühl hatte ich sehr früh, weil es natürlich in den Gesprächen zwischen den Eltern sehr oft um lebensbedrohliche Situationen von Patienten ging.

Wenn ein Kind Angst hat, sucht es Heimat. Sie haben einmal gesagt, dass für Sie die deutsche Sprache Heimat sei. Gibt es einen Zusammenhang, dass Sie die Furcht vor dem Tod auf der einen Seite kompensiert haben mit einer Flucht oder – vielleicht weniger pathetisch –...

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