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Freiheit im Haus des Herrn

Vom Ende der klerikalen Weltkirche

AutorHermann Häring
VerlagGütersloher Verlagshaus
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl200 Seiten
ISBN9783641065874
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Warum sich die Kirche mit der Gegenwart versöhnen muss
- Eine Streitschrift wider Rückständigkeit und Unfehlbarkeitswahn und für eine moderne, offene Kirche
- Ein Appell an die Kirchen, einen neuen, weltethisch fundierten Weg einzuschlagen

Wer soll uns auf das aufmerksam machen, was zum Himmel schreit, wenn nicht die Kirchen? Als weltweit agierende Repräsentanten des Christentums fällt den Kirchen für das 21. Jahrhundert eine eminent kulturelle und hochpolitische Aufgabe zu. Allerdings dürfen sie ihre moralischen Absichtserklärungen nicht mehr von ihrem Verhalten abspalten. Sie werden so wirken, wie sie faktisch sind. Sie sind glaubwürdig oder sie werden entlarvt. Denn im interreligiösen und interkulturellen Vergleich bleibt ihnen nur noch ein unverstellter Ausgangspunkt. Der säkulare und kritische Diskurs einer weltweiten Zukunft lässt keine schlechten Beteuerungen und Inszenierungen mehr zu. Dieses Buch zieht daraus besonders für die katholische Kirche die fälligen Konsequenzen.

Hermann Häring, geboren 1937,Prof. em., war 1970-1980 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für ökumenische Forschung Tübingen unter Leitung von Hans Küng. Danach Professor für Systematische Theologie an der Universität Nijmegen (Niederlande), wo er 1999 Professor für Wissenschaftstheorie und Theologie wurde und das interdisziplinäre Institut für Theologie, Wissenschaft und Kultur aufbaute. Sein aktuelles Forschungsinteresse gilt besonders Fragen des ökumenischen und interreligiösen Dialogs. Zudem ist er wissenschaftlicher Berater beim »Projekt Weltethos«.

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Leseprobe
Kapitel 4 »Mir ist alle Gewalt gegeben« Vielfalt und katholischer Herrschaftsanspruch (S. 113-114)

Vom Petersplatz in Rom aus sah man am 10. Oktober 2010 zum Mittagsgebet unter dem päpstlichen Fenster ein neu gestaltetes, auf Samt gesticktes Papstwappen, jetzt wieder geschmückt mit einer prangenden Tiara, die von einer Weltkugel mit Kreuz überragt wird. Viele, die den Symbolwechsel entdeckten, reagierten erschrocken: Angesichts der Armen der Welt hatte Paul VI. seine Tiara für immer abgesetzt, verkaufen lassen und gleichartige Prachtstücke in die päpstliche Asservatenkammer verbannt. Will der gegenwärtige Papst in Zukunft wieder die Tiara tragen, also auch in seiner Symbolwelt hinter die Amtsführung seiner Vorgänger zurück?

Wenige Tage später dementiert das Pressebüro eine jede Änderungsabsicht; bei dem neuen gestickten Papstwappen habe es sich um ein Geschenk gehandelt. Doch hatte man wohl übersehen: In Erinnerung an die drei Kronreifen der Tiara ist auch die bescheidene Papstmitra des offiziellen Wappens mit drei goldenen Bändern geschmückt. Von den alten Herrschaftsansprüchen hat sich das Papsttum also noch nicht ganz verabschiedet. Für das römische Klerikalsystem ist es offensichtlich schwer, sich konsequent aus alten Verstrickungen und Ansprüchen zu lösen:

»Vater der Fürsten und Könige, Haupt der Welt, Statthalter Jesu Christi.« Dieser Glanz erleuchtet noch immer Kurie, Kardinäle und bischöfliche Ämter. Auch prägt er, wenngleich oft unbewusst, das offiziell katholische Verhalten gegenüber anderen christlichen Kirchen, dessen Bereinigung das 2. Vatikanische Konzil ebenso offiziell auf die Tagesordnung setzte. Wie sich in den ersten Kapiteln dieses Buches schon zeigte, blieb ein Großteil dieser Aufgabe noch unerledigt.

1. Geschichte der Konfrontationen


Diese Reminiszenz kann auch daran erinnern: Gewollt oder nicht, von Anfang an war der Glaube an Jesus, aus monotheistischen Ansprüchen lebend, in Forderungen und Konfrontationen verstrickt. Seine Beanspruchung des Messiastitels für Jesus von Nazareth stempelte diese neue Bewegung schon früh zur häretischen Sekte. Die paulinische Gesetzeskritik und wohl andere Dissense führten zu Zerreißproben innerhalb der Gemeinschaft und gegenüber den jüdischen Hütern der Thora. Den sozialen Folgen entkam die junge, in sich noch spontane Gemeinschaft mit ihren flachen, noch nicht vereinheitlichten Autoritätsprofilen, indem sie ihren Schwerpunkt bald in den Raum des römischen Imperiums verlagerte.

Dort wuchs sie zu einem verzweigten Netzwerk heran, das von jüdisch orthodoxen Erwartungen entlastet war. Sie folgte den Handelswegen im Mittelmeerraum und stand bald einer ganz anderen, der »heidnischen« Götterwelt gegenüber. Notfalls verteidigte sie ihre Überzeugungen unter Gefahr von Leib und Leben und erwarb sich durch dieses »Zeugnis« (griechisch: martyrion) bei vielen höchste Autorität. Lehre und Autorität Allerdings, während des 3. Jahrhunderts – meist unterschätzt man die Zeitdauer des offenen charismatischen Beginns – begann sich die Stimmung zu ändern, die so lange auf die Alternative »Untergang oder Sieg« (besser gesagt: auf »Untergang und Auferstehung«) gestimmt war.

Jetzt verklärte sich die Vergangenheit zur heroischen Erinnerung, die den ersten Keim eines gefährlichen Überlegenheitsbewusstseins enthielt. Im Westen wie im Osten des römischen Großreichs standen die Zeichen auf Expansion, auf Verdrängung des Judentums, das man zu »substituieren« glaubte, auf Versöhnung mit der hellenistischen Kultur, auch auf Inanspruchnahme imperialer Legitimität. Schon gegen Ende des 4. Jahrhunderts war Augustinus der Überzeugung, jetzt sei die christliche Lehre allen Menschen bekannt.
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