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Freiheit von Schulden - Freiheit zum Gestalten?

Die Politische Ökonomie von Haushaltsüberschüssen

AutorLukas Haffert
VerlagCampus Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl336 Seiten
ISBN9783593432762
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis46,99 EUR
In vielen Ländern ist die Staatsverschuldung in den letzten 30 Jahren erheblich gestiegen. Es gibt jedoch Ausnahmen: Demokratien wie Schweden, Dänemark oder Kanada gelang es, dauerhaft Haushaltsüberschüsse zu erwirtschaften und ihre Staatsverschuldung abzubauen. Wie haben diese Länder die Überschüsse verwendet? Lukas Haffert kommt zu dem Ergebnis, dass die Gestaltungsfähigkeit ihrer Politik, anders als häufig versprochen, äußerst begrenzt geblieben ist: Sie investierten nicht mehr in Infrastruktur, Bildung und Familien als ihre Nachbarstaaten mit Haushaltsdefiziten. Lukas Haffert wurde ausgezeichnet mit: Otto-Hahn-Medaille der Max-Planck-Gesellschaft 2015 und Deutscher Studienpreis der Körber-Stiftung 2015.

Lukas Haffert ist Oberassistent am Institut für Politikwissenschaft der Universität Zürich.

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Leseprobe
Vorwort




In den Wochen, da dieses Buch erscheint, debattiert der Deutsche Bundestag über den Bundeshaushalt 2016, der zum dritten Mal in Folge ausgeglichen sein soll. Fast haben wir uns schon an diese 'schwarze Null' gewöhnt. In der jüngeren deutschen Finanzgeschichte ist sie jedoch weiterhin etwas Besonderes: Vor 2014 hatte der Bund zuletzt 1969 einen ausgeglichenen Haushalt erzielt, noch 2010 lag das Haushaltsdefizit bei 4,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
In den mehr als vier Jahren meiner Arbeit an diesem Buch kam es deshalb zu einem häufig wiederkehrenden Dialog. Wann immer ich anderen von meinem Forschungsthema berichtete, reagierten sie nämlich mit einiger Skepsis: 'Haushaltsüberschüsse - gibt es das überhaupt?'
Ich erläuterte dann regelmäßig, dass solche Überschüsse tatsächlich verbreiteter seien, als man intuitiv annimmt. Kanada, Schweden oder Neuseeland hätten sogar für mehr als ein Jahrzehnt ununterbrochen Überschüsse erzielt. Damit war der Dialog jedoch nicht beendet. Denn meine Ausführungen lösten sogleich eine zweite Frage aus: 'Das ist ja toll - wie machen die Länder denn das?'
Diese Frage, erklärte ich dann, sei voreilig gestellt. Denn sie gehe davon aus, dass Überschüsse eine unzweifelhaft positive Sache sind, die alle Länder anstreben sollten. Das ist aber nicht zwingend der Fall. Denn nur weil Überschüsse mit einer Reihe positiver Versprechen verbunden sind, müssen sich diese nicht auch tatsächlich erfüllen. Bevor wir Überschüsse zu einem politischen Ziel ausrufen, so argumentierte ich, müssten wir erst einmal klären, ob sie tatsächlich die positiven Folgen haben, die wir ihnen zuschreiben. Genau dieser Frage ist dieses Buch gewidmet.
Es ist eine gekürzte und überarbeitete Fassung meiner am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung (MPIfG) in Köln entstandenen Dissertation. In den vier Jahren, in denen ich dort den Abbau der finanziellen Verschuldung untersuchte, habe ich selbst zahlreiche intellektuelle Schulden angehäuft. Mein größter Gläubiger war dabei Wolfgang Streeck, der mit nie nachlassendem Elan in meine Verwandlung von einem politisch interessierten Ökonomen zu einem tatsächlichen politischen Ökonomen investiert hat. Ich hoffe, dass diese Anlage noch lange Zinsen trägt.
Besonders danken möchte ich zudem meinem Zweitgutachter Martin Höpner, der das Buch bis in die letzte Überarbeitung hinein mit vielen klugen Hinweisen begleitet hat. Wichtige Anstöße habe ich darüber hinaus Marius Busemeyer, Henrik Enderlein, Sigrid Quack und Armin Schäfer zu verdanken, die mir in unterschiedlichen Phasen des Entstehungsprozesses mit Ratschlägen und Kommentaren zur Seite standen. Die finalen Überarbeitungen des Textes erfolgten in Florenz, wo Pepper Culpepper ein immer hilfreicher Mentor war.
Wie jeder politische Ökonom weiß, ist der Ertrag einer Investition stets vom sozialen Umfeld abhängig, in das sie eingebettet wird. In dieser Hinsicht hat meine Arbeit maßgeblich vom regelmäßigen Austausch mit anderen (Post-) Doktoranden am Kölner Institut profitiert. Timur Ergen, Barbara Fulda, Sebastian Kohl, Daniel Mertens und Raphael Reinke hatten mit all den Schwierigkeiten des Dissertationsprozesses zu ringen, mit denen ich auch konfrontiert war - es war großartig, sie gemeinsam mit ihnen überwinden zu können. Lea Elsässer und Philip Mehrtens haben das Manuskript zum Schluss vollständig durchgearbeitet und mit vielen scharfsinnigen Korrekturen zu seiner Verbesserung beigetragen. Großen Dank schulde ich zudem den nichtwissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Instituts - die institutionelle Unterstützung, die man am MPIfG erfährt, ist wohl einzigartig. Die vielfältigen Quellen der Inspiration dort repräsentierte schließlich niemand besser als Carolin Lange, deren unbändige Lust auf pointierte Debatten mir eine ständige Herausforderung und Freude war.
Was ich am MPIfG aber vor allem gelernt habe, ist eine bestimmte Haltung: dass nämlich sozialwissenschaftliche Forschung gerade deshalb attraktiv ist, weil sie keine endgültigen Antworten kennt. Dass es oft mehr wert ist, ein Problem präzise zu benennen, als eine scheinbare Lösung anzubieten. Und dass keine Theorie sich jemals endgültig durchsetzen und keine Theorie je vollständig zu den Akten gelegt werden kann. Diese Ambivalenz motiviert, immer noch weiter zu lesen, zu denken und zu zweifeln.

Zürich, im Oktober 2015
Lukas Haffert

Kapitel 1
Einleitung: Freiheit von Schulden - Freiheit zum Gestalten?


But now, Mr. Speaker, having done what we had to do, we can see that the worst is behind us, that brighter days lie ahead. The era of cuts is ending. The finances of the nation are finally being brought under control. We are at the point where we are now able to forge a new destiny for ourselves. (Martin 1997: 28)

Mit dieser pathetischen Formulierung präsentierte Finanzminister Paul Martin dem kanadischen Unterhaus am 18. Februar 1997 den ersten ausgeglichenen Staatshaushalt seit 1969. Damit, so seine Botschaft, ende eine Epoche, in der politische Entscheidungen immer öfter alternativlos, weil von unverrückbaren Sachzwängen getrieben gewesen seien. Die erfolgreiche Haushaltssanierung befreie die kanadische Politik aus den Fesseln dieser Alternativlosigkeit. Sie habe die Kraft zurückerlangt, Kanadas Zukunft aktiv zu gestalten.
Angesichts der noch immer spürbaren Folgen der Weltfinanzkrise von 2008 ist die Rückgewinnung politischer Entscheidungsspielräume heute, achtzehn Jahre nach dieser Rede, weltweit eine dringliche Aufgabe. Denn mit dem Diktat des Sachzwangs ist ein fundamentales Problem für die Demokratie verbunden. Demokratie setzt die Möglichkeit einer Wahl zwischen Alternativen konstitutiv voraus. Wo aber jedes Wahlergebnis zur selben Politik führt, ist dieses demokratische Grundprinzip infrage gestellt (Schäfer/Streeck 2013a). Mit gutem Grund kürte die Gesellschaft für deutsche Sprache das Wort 'alternativlos' daher zum Unwort des Jahres 2010.
Diese Arbeit untersucht eine häufig vorgeschlagene Strategie zur 'Rückgewinnung staatlicher Handlungsfähigkeit' (Wagschal/Wenzelburger 2008a): die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte und den Abbau von Staatsverschuldung. Am Beispiel Kanadas und anderer Länder mit dauerhaften Haushaltsüberschüssen wird geprüft, ob diese ihr 'Schicksal' im Sinne Martins tatsächlich zurück in die Hände der Politik legen konnten. Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass diese Strategie wenig erfolgversprechend ist. Wo fiskalische Handlungsspielräume ausgebaut werden konnten, gelang dies durch eine Be-schränkung politischer Handlungsspielräume, sodass die Handlungsfähigkeit der Politik zwar neu justiert, aber eben nicht vergrößert wurde.1


1.1 Staatliche Handlungsfähigkeit und Verschuldung
Dass die staatlichen Entscheidungsspielräume in den letzten Jahrzehnten erheblich geschrumpft sind, ist weitgehend unumstritten. Warum das aber so ist, dafür gibt es verschiedene Erklärungen. Bereits in den 1970er-Jahren sah eine breite sozialwissenschaftliche Literatur die zunehmende 'Unregierbarkeit' demokratischer Gesellschaften voraus. Von konservativer Seite wurde dafür die
'Anspruchsinflation' der Bürger, von linker Seite die permanente Notwendigkeit, ökonomische Konflikte politisch zu pazifizieren, verantwortlich gemacht (Schäfer 2008). Seit den 1980er-Jahren galt dann vor allem die Globalisierung als Ursache schrumpfender Handlungsspielräume (Scharpf 1991; Cerny 1996; Berger 2000). Die zunehmende ökonomische Integration zwinge die Staaten zu einem immer schärferen Wettbewerb um mobile Produktionsfaktoren, der zu einem Unterbietungswettkampf, etwa bei der Besteuerung, führe, in dem nationale Eigenheiten auf der Strecke blieben. Andere Autoren relativierten die Rolle der Globalisierung und betonten die vorwiegend in den Grenzen des Nationalstaats stattfindende Transformation von der Industrie- zur Dienstleistungsökonomie (Iversen/Wren 1998; Iversen 2005). Letztere leide vor allem an den geringen Produktivitätszuwächsen im Dienstleistungssektor. Das zwinge den Staat, Arbeitsplätze in diesen Sektoren immer stärker zu subventionieren und stelle ihn somit vor ein Trilemma zwischen Vollbeschäftigung, wirtschaftlicher Gleichheit und gesunden Staatsfinanzen. Ein dritter Literaturstrang verwies vor allem auf die Ausreifung des Wohlfahrtsstaats, die den Staat in Verbindung mit dem demografischen Wandel immer stärker belaste (Pierson 1998, 2001a). Wachsende Teile des Staatshaushalts müssten dafür aufgewendet werden, in der Vergangenheit geleistete Zahlungsversprechen zu erfüllen. Zudem müssten immer weniger Beitragszahler für immer mehr Beitragsempfänger aufkommen. Der Staat sei deshalb zunehmend darauf beschränkt, für Entscheidungen der Vergangenheit zu bezahlen anstatt neue, auf die Zukunft gerichtete Entscheidungen zu treffen.
In den Jahren seit dem Ausbruch der Weltfinanzkrise und befeuert durch die Eurokrise ist nun vor allem die Staatsverschuldung als Ursache staatlichen Autonomieverlusts in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. Die Diagnose eines engen Zusammenhangs zwischen staatlicher Handlungsfähigkeit und Fiskalpolitik ist allerdings deutlich älter als die aktuelle Krise. Schon Rudolf Goldscheid betrachtete diese Handlungsfähigkeit als grundsätzlich begrenzt, weil sich der Staat als 'Steuerstaat' von der Profitabilität der Privatwirtschaft abhängig gemacht habe (Goldscheid [1917]1976b). Und die Autoren, die unter der Parole 'bringing the state back in' das autonome Handlungspotenzial des Staates wieder verstärkt in den Mittelpunkt der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit rückten, legten von Anfang an ein Augenmerk auf seine Finanzbeziehungen. So argumentierte Theda Skocpol 1985:
A state's means of raising and deploying financial resources tell us more than could any other single factor about its existing (and immediately potential) capacities to create or strengthen state organizations, to employ personnel, to coopt political support, to subsidize economic enterprises, and to fund social programs. (Skocpol 1985: 17)
Im Zeitalter 'permanenter Austerität' (Pierson 1998, 2001b) hat diese abstrakte Diskussion staatlicher Handlungsfähigkeit an konkreter Brisanz gewonnen. Den Ausgangspunkt bildet eine simple Korrelation: Die Beschränkung politischer Spielräume verlief in den letzten drei Jahrzehnten parallel zu einem in Friedenszeiten nie gekannten Anstieg der Staatsverschuldung. Hatte die Verschuldungsquote in den meisten westlichen Industrieländern in den 1970er-Jahren noch bei unter 40 Prozent gelegen, stieg ihr Median bis Mitte der 1990er-Jahre auf über 70 Prozent, ehe sie durch erhebliche Konsolidierungsanstrengungen leicht zurückgeführt werden konnte. Im Gefolge der Weltfinanzkrise ab 2008 stieg die Medianverschuldung dann erneut sprunghaft an (Abbildung 1-1) - bis zum Ende des Untersuchungszeitraums 2010 auf über 80 Prozent, bis 2014 sogar auf fast 100 Prozent.
Wachsende Verschuldung beschränkt staatliche Handlungsfähigkeit in verschiedener Hinsicht. So sind ihr immer wieder negative makroökonomische Folgewirkungen zugeschrieben worden. Dabei wurde in den 1970er- und 1980er-Jahren vor allem der Zusammenhang von Staatsverschuldung und Inflation betont (Buchanan/Wagner 1977). In jüngerer Zeit sind dagegen mögliche Negativeffekte auf das Wirtschaftswachstum in das Blickfeld gerückt (vgl. zur an Reinhart/Rogoff 2010b entbrannten Kontroverse Kapitel 2). Die Verschuldung beschränkt den Spielraum der Fiskalpolitik aber auch ganz direkt: Über die zu- nehmende Zinslast bindet sie finanzielle Mittel, die sonst an anderer Stelle eingesetzt werden könnten. So lag die Zinssteuerquote, also der Anteil der Steuereinnahmen, der für Zinszahlungen aufgewendet werden muss, im deutschen Bundeshaushalt des Jahres 2005 bei immerhin 16,4 Prozent (Konrad 2007: 118) und erreichte in Kanada im Krisenjahr 1995 sogar fast 36 Prozent (Lewis 2003: 151). Darüber hinaus zwingt die Verschuldung den Staat, sich wegen der jährlich anstehenden Überwälzung eines Teils der Schulden das Wohlwollen der Finanzmärkte zu bewahren, um neue Anleihen zu möglichst günstigen Konditionen platzieren zu können. Wo sich ein Staat zudem fiskalischen Normen unterworfen hat, etwa dem Stabilitätspakt der Eurozone, hat deren Einhaltung im Zweifel Vorrang vor anderen Zielen, wenn die Verschuldungsquote sich den definierten Grenzwerten nähert. Auch das begrenzt die Handlungsfähigkeit.
Hinzu kommt, dass wachsende Staatsverschuldung in aller Regel nur ein Symptom eines tiefer gehenden Verlustes fiskalischer Handlungsspielräume ist. Schulden sind insofern bereits selbst ein Versuch, Handlungsfähigkeit zu leihen. Sie sind eine Reaktion darauf, dass immer größere Teile der Staatseinnahmen dazu verwendet werden müssen, früher geleistete Zahlungsversprechen zu erfüllen. Instruktiv ist dabei die in den USA übliche Unterscheidung zwischen mandatory spending und discretionary spending. Während Ersteres bereits durch frühere Entscheidungen determiniert ist, muss (und kann!) Letzteres vom Kongress jedes Jahr neu bewilligt werden. Der Anteil dieser jährlich disponiblen Ausgaben befindet sich jedoch in nahezu allen entwickelten Demokratien seit Jahren auf dem Rückzug. Selbst wo das Budgetvolumen gestiegen ist, hat die politische Fähigkeit, Ressourcen für neue Ziele zu mobilisieren, also abgenommen (Schick 2009). In Deutschland ist der Zuschuss zur Rentenversicherung längst der größ- te Posten im Bundeshaushalt und in den USA überstieg das mandatory spending im Krisenjahr 2009 erstmals die Staatseinnahmen. Alle neuen Politikinitiativen mussten durch Kredite finanziert werden (Steuerle 2014).
Unabhängig davon, welchem der verschiedenen theoretischen Erklärungsansätze man die größte Erklärungskraft zubilligt, stellt dieser Verlust staatlicher Handlungskapazität ein fundamentales Problem für demokratisch verfasste Gemeinwesen dar. 'Fiskalische Demokratie' ist nämlich nur gewährleistet, wenn gewählte Parlamente über diskretionäre Ausgaben verfügen können, also auch tatsächlich etwas zu entscheiden haben (Steuerle 2014; Streeck/Mertens 2010a). Die Wiedergewinnung staatlicher Handlungsfähigkeit ist daher ein enorm wichtiges Ziel. Um es zu erreichen, werden vor allem zwei Ansätze vorgeschlagen. Der erste Ansatz besteht darin, staatliche Kompetenzen auf supranationale Organisationen zu übertragen. Seine fortgeschrittenste Verwirklichung ist die Europäische Union (siehe etwa Habermas 2013). Die hinter diesem Ansatz stehende Logik ist so einfach wie bestechend: Wenn der Nationalstaat nur noch Alternativlosigkeiten administrieren kann, muss er eben durch eine größere und entsprechend handlungsfähigere Einheit ersetzt werden. Der wichtigste Alternativansatz besteht in dem Versuch, staatliche Entscheidungsspielräume auf nationaler Ebene zurückzugewinnen. Dieser Ansatz verspricht vor allem dann Erfolg, wenn das Diktat des Sachzwangs wesentlich auf fiskalischen Stress und den Verlust fiskalpolitischer Handlungsoptionen zurückzuführen ist. Seine Logik basiert in diesem Fall auf einem einfachen Umkehrschluss: Wenn steigen- de Verschuldung zu sinkender Handlungsfähigkeit führt, dann muss sinkende Verschuldung zu einem Wiederanstieg der Handlungsfähigkeit führen. Gelingt es also, fiskalische Manövriermasse zurückzugewinnen, kann auch wieder zwischen politischen Alternativen entschieden werden. Diese Logik zu hinterfragen und zu zeigen, dass ein solcher Umkehrschluss voreilig ist, bildet den Kern der vorliegenden Arbeit.


1.2 Progressive Haushaltskonsolidierungen
Am 28. November 2014 beschloss der Deutsche Bundestag den Bundeshaushalt für 2015, der erstmals seit 1969 ohne neue Schulden auskommen soll. Wenn mit dieser 'schwarzen Null' große Hoffnungen verbunden werden, dann auch deshalb, weil sie das Versprechen enthält, die Zwänge der Alternativlosigkeit zumindest abzumildern. Bevor die Überschüsse überhaupt Realität geworden waren, erhoben verschiedenste Akteure Forderungen, wie sie zu verteilen seien. Alle politischen Projekte, die seit Jahren der angespannten Haushaltslage zum Opfer gefallen waren, kamen nun wieder auf die Agenda: vom Abbau der kalten Progression in der Einkommensteuer über eine Erhöhung von Sozialleistungen bis zu höheren Investitionen in die öffentliche Infrastruktur. Zugleich, so der von allen Seiten bekundete politische Wille, sollte aber mit dem Abbau der Altverschuldung begonnen werden.
Diese Hoffnung, ausgeglichene Haushalte und sinkende Schulden könnten zu einer Wiedergewinnung staatlicher Handlungsfähigkeit führen, ist keine Besonderheit der deutschen Debatte. Vielmehr knüpft sie an eine Argumentation an, die bereits in den 1990er-Jahren vor allem unter Vertretern eines 'dritten Weges' verbreitet war (Giddens 1998; Romano 2006). Ihr prominentester Exponent war wohl Bill Clinton, dessen Regierung in den Jahren 1998 bis 2000 den US-Bundeshaushalt ausglich und prognostizierte, bis zum Jahr 2012 könnten die USA vollständig schuldenfrei sein (Congressional Budget Office 2001). Diese Überschüsse repräsentieren eine in den 1990er-Jahren weltweit voran- getriebene Politik der Haushaltskonsolidierung durch progressive Regierungen. Die liberale Regierung in Kanada, die sozialdemokratischen Regierungen in Schweden und Dänemark, und die britische New-Labour-Regierung unter Tony Blair und Gordon Brown sind andere Beispiele für eine solche progressive Konsolidierungspolitik.
Der Ansatz, den diese Regierungen verfolgten, wird im Folgenden als 'progressive Konsolidierung' bezeichnet.3 Solche Konsolidierungen müssen nicht zwangsläufig von progressiven Regierungen betrieben werden. Was sie ausmacht, ist vielmehr ihre progressive Zieldefinition. Diese könnte unter der paradoxen Überschrift 'Handlungsfähigkeit durch Austerität' zusammengefasst werden. In dieser Perspektive sind ausgeglichene Haushalte kein Zweck an sich, sondern ein Mittel zum Zweck, nämlich zur Wiedergewinnung staatlicher Gestaltungsfähigkeit. Konsolidierungen sind also nur ein erster Schritt, der die Umsetzung progressiver Politikziele überhaupt erst ermöglicht. Sie erlauben es, die nötigen Ressourcen für die eigentlichen Ziele, nämlich 'harte' und 'weiche' Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Familien aufzubringen.
Dieser enge Zusammenhang zwischen der Lage der öffentlichen Haushalte und der staatlichen Gestaltungsfähigkeit wird von den politischen Vertretern progressiver Konsolidierungen immer wieder offensiv betont. Beinahe sprich- wörtlichen Rang hat in der Staatsverschuldungsliteratur das Zitat 'Wer Schulden hat, ist nicht frei' des schwedischen Finanz- und späteren Premierministers Gör- an Persson erlangt, der sogar ein Buch mit diesem Titel veröffentlichte (Persson 1997). Während die Umkehrung, Schuldenabbau führe zu Handlungsfreiheit, bei Persson noch implizit erfolgt, machte sie sein kanadischer Amtskollege Paul Martin in der eingangs zitierten Rede explizit: 'We are at the point where we are now able to forge a new destiny for ourselves' (Martin 1997). Ganz ähnlich wurde auch im Deutschen Bundestag argumentiert, als dieser am 29. Mai 2009 eine Verfassungsänderung debattierte, mit der die sogenannte Schuldenbremse in das Grundgesetz aufgenommen wurde. So führte der damalige Finanzminister Peer Steinbrück aus:
Wenn Sie sich anschauen, wie sich die Schuldenstandquote in Deutschland, das heißt das Verhältnis der Schulden zu unserer Wirtschaftsleistung - und damit automatisch die Zins- lastquote; will sagen: der Anteil der Zinsausgaben am Bundeshaushalt -, entwickelt hat, dann werden Sie feststellen, dass der Bundeshaushalt immer weiter verkarstet und versteinert und Ihre politischen Handlungsspielräume, vor allen Dingen die der nachfolgenden Generationen von Bundestagsabgeordneten, immer geringer werden. Das ist das Problem. [...]
Wer zukünftig einen handlungsfähigen Staat will, wer die Gestaltungsfähigkeit der Politik und nachfolgender Parlamentariergenerationen erhöhen will, der muss dafür sorgen, dass Schuldenstand und Zinslast reduziert werden. Ein handlungsfähiger Staat braucht langfristig tragfähige öffentliche Finanzen. (Steinbrück 2009: 24866)
Dieses Argument stieß auf parteiübergreifende Zustimmung und wurde in fast wortgleicher Formulierung auch von Abgeordneten anderer Parteien vorgebracht. Auch in der wissenschaftlichen Literatur wird es fast wörtlich wiederholt. So betiteln Uwe Wagschal und Georg Wenzelburger einen Artikel bereits mit
'Die Rückgewinnung staatlicher Handlungsfähigkeit' und führen aus:
Wenn Regierungen sich daher über eine Ausgabenpolitik differenzieren und profilieren möchten, müssen sie diesen Handlungsspielraum - bei zu hoher Staatsverschuldung - zurückgewinnen, d. h. sie müssen ihre Haushalte konsolidieren. (Wagschal/Wenzelburger 2008a: 142)
Und der amerikanische Politikwissenschaftler Donald Taylor schreibt mit ähnlicher Stoßrichtung, aber deutlich mehr Emphase:
Progressives have more at stake in developing a long-range balanced budget than do Con- servatives precisely because we believe that government has a positive role to play in modern life. If we do not develop a path to a sustainable federal budget, there will be no room left for government to invest in new opportunities that could make people and our country better off. (Taylor 2012: ix)
Diese Interpretation von Konsolidierungen kommt in empirischen Untersuchungen auch ganz direkt zur Anwendung. Analysen, die den Einfluss von fiskalischem Stress auf die Staatstätigkeit untersuchen, operationalisieren Budgetüberschüsse in aller Regel als das Spiegelbild von Budgetdefiziten und unterstellen eine Symmetrie zwischen den beiden Phänomenen. Dann wird aus dem Befund, dass Defizite die Investitionen reduzieren, durch Umkehrschluss gefolgert, Überschüsse würden diese erhöhen - genau wie von progressiven Konsolidierern unterstellt. Ein Beispiel bietet die Studie von Boix (1997), der den Einfluss politischer Parteien auf die öffentlichen Investitionen untersucht und dabei, indem er Defizite und Überschüsse als symmetrisch betrachtet, zu folgendem Schluss gelangt:
[R]egardless of the ideological sign of the government, a budget surplus (deficit) contributes to boost (shrink) the level of public investment - each point of the budget stance changes public investment by 0.009 points of GDP. The degree of budget imbalance has, however, a particularly powerful effect on the policy decisions of a socialist cabinet. [... A] socialist cabi- net increases public investment by 0.031 percentage points of GDP more than a conservative government for each percentage point of budget surplus. Conversely, a budget deficit depresses the public investment rate under a socialist government rather rapidly.
(Boix 1997: 830f., Hervorhebung nicht im Original)
Was im Defizit schrumpft, so seine Botschaft, wird im Überschuss wieder wach- sen. Aus dieser Verknüpfung von Konsolidierungen mit dem Ziel der Handlungsfähigkeit folgt aber, dass sich der Erfolg einer progressiven Haushaltskonsolidierung nicht schon während der Konsolidierung selbst, sondern erst in ihrer Folgezeit beurteilen lässt. Ob eine Konsolidierung ihren Zweck erfüllt, zeigt sich nicht bereits an einer Reduktion der Schuldenquote. Erst wenn dieser Rückgang sich tatsächlich mit einem Wiedergewinn staatlicher Handlungsfähigkeit verbindet, ist eine progressive Konsolidierung gelungen. Ihr Erfolg kann also erst im Rückblick beurteilt werden.


1.3 Der empirische Fall: Länder mit dauerhaften Haushaltsüberschüssen
Diese Arbeit unternimmt einen solchen Rückblick mit dem Ziel, die Prognosen der progressiven Konsolidierungsthese theoretisch zu hinterfragen und empirisch zu überprüfen. Dazu analysiert sie Länder, denen es tatsächlich gelungen ist, ihre Haushalte nachhaltig zu konsolidieren und sich somit, zumindest potenziell, vom Diktat fiskalischer Sachzwänge zu befreien.
Die Studie operationalisiert dieses Kriterium über die Auswahl von Ländern mit dauerhaften Haushaltsüberschüssen. Diesen Ländern ist es nicht nur gelungen, ihre Haushalte auszugleichen und das Wachstum der Staatsverschuldung zu stoppen. Vielmehr haben sie die Verschuldung sogar deutlich zurückgeführt. Damit ist auch ihre Zinslast erheblich gesunken, wodurch sich neue fiskalische Spielräume eröffnet haben. Hinzu kommt, dass Länder mit Überschüssen in viel geringerem Maße auf das Wohlwollen der Finanzmärkte angewiesen sind. Zwar müssen sie weiterhin Altschulden refinanzieren, aber je weiter die Schuldenlast zurückgeht, desto geringer wird die Sorge um die Reaktion der Finanzmärkte. Selbstverständlich sind auch diese Länder nicht frei von Sachzwängen, aber die skizzierten Eigenschaften machen sie zu most likely cases für die optimistischen Prognosen der progressiven Konsolidierungsthese (Eckstein 1975; Collier/Seawright 2010: 339), Fällen also, in denen ein Eintreffen dieser Prognosen besonders wahrscheinlich ist.
Dennoch hat die empirische und theoretische Literatur Haushaltüberschüssen bislang wenig Beachtung geschenkt. Dieses akademische Desinteresse steht im Widerspruch zur empirischen Relevanz dieser Fälle, die weit größer ist als üblicherweise unterstellt. Denn während die Staatsverschuldung in der industriellen Welt in den vergangenen vier Jahrzehnten im Mittel stark gestiegen ist, weichen einige Länder deutlich von diesem Trend ab. Wie Tabelle 1-1 zeigt, er- zielten die traditionellen OECD-Länder (Organisation for Economic Co-operation and Development) zwischen 1980 und 2010 im Durchschnitt immerhin in mehr als einem Fünftel aller Jahre einen Haushaltsüberschuss. Allerdings ist dieser Durchschnitt wenig aussagekräftig, weil die Überschüsse sowohl zeitlich als auch räumlich sehr ungleichmäßig verteilt sind. Sie ballen sich zu einigen wenigen Zeitpunkten, die eng mit dem Verlauf der Weltkonjunktur zusammenhängen, sowie in einigen wenigen Ländern.
Ganze sieben Länder vereinen mehr als drei Viertel der Überschussjahre auf sich, nämlich Australien, Dänemark, Finnland, Irland, Kanada, Neuseeland und Schweden. Ihnen gelang es, die Überschüsse für mehr als eine Dekade zu bewahren, während diese in den anderen Ländern nur Episoden blieben, die schon bald wieder von Defiziten abgelöst wurden. In den sieben Ländern dagegen sind, wie Tabelle 1-2 zeigt, alle drei skizzierten Elemente fiskalischen Handlungsspielraums erfüllt: Sie hatten substanzielle Überschüsse zur fiskalpolitischen Verfügung, profitierten von einem erheblichen Rückgang der Zinslast und waren angesichts sehr geringer oder sogar negativer Staatsverschuldung weitgehend unabhängig vom Druck der Finanzmärkte. Wenn sich ein Wiederanstieg fiskal- politischer Handlungsfähigkeit feststellen lassen sollte, dann hier.
Die Untersuchung konzentriert sich daher auf diese Fälle. Wie die Analyse zeigen wird, unterscheiden sie sich nicht nur in der Überschussdauer von jenen Ländern, die ihren Überschuss schnell wieder verloren. Bereits die Entstehung der Überschüsse verlief vollkommen anders. Während die langfristigen Überschüsse das Ergebnis dezidierter politischer Entscheidungen sind, handelt es sich bei den kurzen Überschüssen vor allem um Nebenprodukte besonders günstiger Konjunkturlagen. Damit ist bereits die notwendige Voraussetzung für die Gültigkeit der progressiven Konsolidierungsthese, nämlich eine strukturelle Sanierung des öffentlichen Haushalts, nicht erfüllt. Die qualitative Aufarbeitung der Überschüsse beschränkt sich daher auf die in Tabelle 1-2 aufgelisteten Fälle, wobei Irland aus der Analyse ausgeklammert wird - die Gründe werden unten erläutert.



1.4 Die Fragestellung: Wie werden Überschüsse verwendet?
Die in dieser Arbeit zu untersuchenden Fragen ergeben sich unmittelbar aus dieser Exposition: Wie verwenden Staaten, die dauerhafte Haushaltsüberschüsse erzielen, diese Überschüsse? Senken sie die Steuern? Erhöhen sie die Staatsausgaben? Wenn ja, in welchen Bereichen? Oder legen sie die Überschüsse zurück und bilden staatliches Vermögen?
Diese Fragen erlauben es, die progressive Konsolidierungsthese zu prüfen, die eine Rückgewinnung fiskalpolitischer Handlungsfähigkeit vorhersagt. Um empirische Beobachtungen als Bestätigung oder Widerlegung dieser These interpretieren zu können, ist es jedoch nötig, das Konzept der fiskalpolitischen Handlungsfähigkeit genauer zu definieren. Offenbar kann schließlich nicht jede Verwendung eines Überschusses als Bestätigung der progressiven Konsolidierungsthese gelten.
Der Handlungsfähigkeitsbegriff der Arbeit orientiert sich dabei an seiner Verwendung in der fiskalpolitischen Debatte, wie sie etwa in Peer Steinbrücks Rede zur Schuldenbremse zum Ausdruck kam (ganz ähnlich Wagschal/Wenzelburger 2008a; Schäuble 2010: 5909). Noch spezifischer wurde das Motiv einer Rückgewinnung staatlicher Handlungsfähigkeit in derselben Debatte von Antje Tillmann (CDU) verwendet, die mit ihm auch eine konkrete Vorstellung verband, wie diese Handlungsfähigkeit zu nutzen sei:
Schuldenbegrenzung ist kein Selbstzweck. Wir wollen dadurch Spielräume für wichtige Zu- kunftsinvestitionen zum Beispiel in Bildung, Familie und Kultur und vielleicht auch für künf- tige Wirtschaftskrisen schaffen. (Tillmann 2009: 24859)
In dieser Zweckbestimmung kommen zwei Dimensionen von Handlungsfähigkeit zum Ausdruck. Die eine lässt sich als 'Handlungsfähigkeit als Potenzial' bezeichnen. Handlungsfähigkeit bedeutet demnach die Option etwas zu tun, in diesem Fall auf zukünftige Wirtschaftskrisen zu reagieren, etwa durch Bankenrettungen oder Konjunkturprogramme. Zugleich impliziert diese Definition aber nicht, dass diese Handlungsfähigkeit auch eingesetzt werden muss. Mit an- deren Worten: Diese Dimension des Konzepts betont die 'Fähigkeit' in Handlungsfähigkeit.
Die andere Dimension betont dagegen die 'Handlung', hier ist Handlungsfähigkeit die tatsächlich ausgeübte Kraft zur Gestaltung. 'Handlungsfähigkeit als Gestaltung' hat dabei zwei Ebenen: Sie bezieht sich einerseits auf die Gegenwart, in der staatliches Handeln mehr sein soll als die Exekution in der Vergangenheit getroffener Entscheidungen, weil bereits alle Staatseinnahmen für die Kosten früherer Zahlungsversprechen verplant sind. Daneben geht es in diesem Verständnis aber auch um die Zukunft - und um die Fähigkeit, diese aktiv zu beeinflussen. Die Politik soll in wichtige gesellschaftliche Entwicklungen ein- greifen und ihnen neue Impulse geben können, etwa indem sie Ressourcen für Investitionen in Infrastruktur sowie in Bildung, Familien und andere Elemente eines social investment welfare state zur Verfügung stellt.
Ob diese Ressourcen auch effektiv eingesetzt werden können (also mehr Geld für Bildung tatsächlich zu besserer Bildung führt), ist dabei zunächst irrelevant. Dagegen könnte man einwenden, dass die Situation der Staatsfinanzen nur für bestimmte Formen von Handlungsfähigkeit bedeutsam ist, weil die staatlichen Möglichkeiten der Regulierung oder Rechtsetzung nicht von der Haushaltslage abhängig sind. Dies weckt bisweilen die Hoffnung, der Staat könne seine Handlungsfähigkeit durch ein Ausweichen auf nicht fiskalische Instrumente der Regulierung und Gesetzgebung bewahren (IW Köln 2011). Es ist jedoch kaum anzunehmen, dass eine solche Politik erfolgreich sein kann: Wie das Beispiel Finanzmarktregulierung zeigt, ist dieser Bereich der Politik vielfach anfällig für den Einfluss globaler Märkte. Hier könnte ein Nationalstaat zwar prinzipiell strengere Regeln erlassen, würde damit aber nur bewirken, dass dieselben Geschäfte in Zukunft an anderen Finanzplätzen stattfinden. Ein finanziell starker Staat dagegen kann, wo seine Zwangsmittel versagen, auf Anreize setzen. Zudem sind bestimmte politische Probleme wie ökonomische Ungleichheit durch Regulierung nur schwer beeinflussbar.
Vor diesem Hintergrund konzentriert sich die Arbeit auf den fiskalischen Aspekt von Handlungsfähigkeit, der in 'Handlungsfähigkeit als Gestaltung' zum Ausdruck kommt und die 'Handlung' in Handlungsfähigkeit betont. Handlungsfähigkeit als Potenzial wird dagegen mit dem Begriff 'Handlungsspiel- raum' bezeichnet. Handlungsspielraum ist also eine notwendige Bedingung für Handlungsfähigkeit.
Wenn erfolgreiche Konsolidierungen mithin tatsächlich nicht nur den Zweck, sondern auch den Effekt haben, staatliche Handlungsfähigkeit zurückzugewinnen, dann muss diese Handlungsfähigkeit früher oder später im Staatshaushalt sichtbar werden - und zwar in Form von Handlung. Hier sollten dann größere Investitionen in die Gestaltung der Zukunft zu beobachten sein als in vergleichbaren Lä
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Inhalt5
Vorwort12
Kapitel 1 Einleitung: Freiheit von Schulden – Freiheit zum Gestalten?14
1.1 Staatliche Handlungsfähigkeit und Verschuldung15
1.2 Progressive Haushaltskonsolidierungen20
1.3 Der empirische Fall: Länder mit dauerhaften Haushaltsüberschüssen21
1.4 Die Fragestellung: Wie werden Überschüsse verwendet?23
1.5 Das Argument in Kürze27
Kapitel 2 Theoretische Perspektiven33
2.1 Theoretischer Kontext: Was sind die Ursachen staatlicher Verschuldung?33
2.1.1 Die Perspektive der Finanzwissenschaft35
2.1.2 Die Perspektive der Fiskalsoziologie38
2.1.3 Die Perspektive der Staatstätigkeitsforschung41
2.2 Theoretischer Kontext: Was sind die Folgen staatlicher Verschuldung?46
2.2.1 Makroökonomische Effekte46
2.2.2 Politische Effekte49
2.3 Ein verwandtes Feld: Haushaltskonsolidierungen51
2.4 Anwendbarkeit der Theorien auf Haushaltsüberschüsse55
2.4.1 Kritik der Symmetrieannahme empirischer Arbeiten58
2.4.2 Das logische Modell der Symmetrieannahme59
2.4.3 Theoretische Gründe für Asymmetrie65
Kapitel 3 Der analytische Rahmen der Arbeit69
3.1 Fiskalischer und politischer Handlungsspielraum69
3.2 Das Argument: Fiskalpolitische Regime73
3.2.1 Paul Piersons Konzept des fiskalischen Regimes75
3.2.2 Die Interaktion von Interessen, Ideen und Institutionen77
3.2.3 Stabilität und Wandel von Regimen77
3.3 Das Überschussregime als Spielart des Austeritätsregimes81
3.3.1 Definition des Überschussregimes81
3.3.2 Warum wirkt das Überschussregime als Spielart des Austeritätsregimes?91
3.4 Empirische Implikationen der Regimethese95
Kapitel 4 Methodik und Fallauswahl97
4.1 Überschüsse als most-likely cases der progressiven Konsolidierungsthese97
4.2 Zum methodischen Vorgehen99
4.3 Mögliche Einwände gegen das Forschungsdesign103
Kapitel 5 Haushaltsüberschüsse und Staatstätigkeit107
5.1 Eine kurze Geschichte von Haushaltsüberschüssen107
5.2 Zum Unterschied zwischen kurzen und langen Überschussperioden115
5.2.1 Zum makroökonomischen Umfeld der Überschussperioden117
5.2.2 Entstehung des Überschusses119
5.2.3 Verwendung des Überschusses119
5.2.4 Evidenz auf Fallebene123
5.2.5 Vergleich von Überschuss- und Defizitperioden125
5.3 Lange Überschussperioden und die progressive Konsolidierungsthese129
5.3.1 Fiskalischer Handlungsspielraum im Überschuss129
5.3.2 Zur Operationalisierung fiskalpolitischer Handlungsfähigkeit129
5.3.3 Entwicklung der Staatsausgaben im Überschuss133
5.3.4 Entwicklung der Sozialausgaben und der Staatseinnahmen im Überschuss153
5.4 Zwischenergebnis: Von Asymmetrie zum Überschussregime159
Kapitel 6 Herausbildung und Institutionalisierung eines Überschussregimes161
6.1 Institutionelle und ökonomische Voraussetzungen der Überschüsse163
6.1.1 Verworfene Erklärungen: Fiskalische Kultur und ökonomische Notwendigkeit165
6.1.2 Der Kontext: Kleine offene Volkswirtschaften167
6.2 Die Fiskalkrise der 1980er- und frühen 1990er-Jahre169
6.2.1 Die ökonomische Krise als Hintergrund der Fiskalkrise170
6.2.2 Die Fiskalkrise als Krise der Staatsfinanzen175
6.2.3 Die Fiskalkrise als politische Krise179
6.2.4 Die Fiskalkrise als psychologische Krise181
6.2.5 Ideen im Überschussregime183
6.3 Die Konsolidierung der 1990er-Jahre187
6.3.1 »Landmark budgets« und Konsolidierung auf der Ausgabenseite187
6.3.2 Konsolidierungen und die Neuerfindung des Regierens191
6.3.3 Konsolidierungen im Parteienwettbewerb194
6.3.4 Interessen im Überschussregime197
6.4 Die Entstehung von Überschüssen in der zweiten Hälfteder 1990er-Jahre203
6.4.1 Überschüsse als Moment vorsichtigen Credit Claimings203
6.4.2 Institutionelle Reformen207
6.4.3 Die Rolle von Prognosen215
6.4.4 Institutionen im Überschussregime217
6.5 Die Reaktion auf makroökonomische Schocks219
6.5.1 Die Krisen der Jahrhundertwende221
6.5.2 Fiskalpolitische Krisenreaktion221
6.5.3 Exkurs: Das Verschwinden des niederländischen Haushaltsüberschusses227
6.5.4 Die Rückkehr von Blame Avoidance als handlungsleitender Politiklogik229
6.5.5 Der Umgang mit Krisen im Überschussregime235
6.6 Das entfaltete Überschussregime: Fiskalpolitik vorder Weltfinanzkrise239
6.6.1 Überschussfonds, stille Reserven und das Verbergen von Überschüssen239
6.6.2 Steuersenkungen243
6.6.3 Öffentliche Investitionen249
6.6.4 Von fiskalpolitischen Outputs zu gesellschaftlichen Outcomes252
6.6.5 Parteienwettbewerb im Überschussregime253
6.6.6 Das Überschussregime als Zusammenspiel von Interessen, Ideenund Institutionen259
Kapitel 7Fazit: Wachsende Fähigkeitenoder sinkende Ambitionen?263
7.1 Überschussregime, Asymmetrie und das Scheiternprogressiver Konsolidierungen265
7.2 Überschüsse und die Theorie der Fiskalpolitik277
7.3 Konsolidierungen nach der Weltfinanzkrise und deutscheHaushaltsüberschüsse283
Tabellen und Abbildungen291
Anhang295
Literatur307

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