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E-Book

Freundschaften sind wie Heimat

Eine Einladung

AutorOtto Betz
VerlagTopos
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl141 Seiten
ISBN9783836750417
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis6,99 EUR
Von 'Freunden' spricht man im Zeitalter der sozialen Netzwerke fast inflationär. Aber was macht eine echte Freundschaft aus? Und wie bewahrt sie sich? Otto Betz begibt sich auf Spurensuche - in der Literatur, in der Bibel und in seiner eigenen Lebensgeschichte. Und er resümiert: 'Ein Leben ohne Freundschaften, das ist wie ein Garten ohne Blumen, wie eine Welt ohne Farben, ein Jahr ohne Feste.' Denn Freundinnen und Freunde weiten die eigene Sichtweise und bereichern, ja verändern so unser Leben. Ein Buch wie ein guter Freund!

Otto Betz , geb. 1927; emeritierter Professor für Allgemeine Erziehungswissenschaft und Religionspädagogik an der Universität Hamburg; zahlreiche Veröffentlichungen zu Fragen der Anthropologie, Spiritualität und Religionspädagogik

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Leseprobe

„Freunde habe ich euch genannt“


„Nicht mehr Knechte nenne ich euch, denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Euch habe ich Freunde genannt, denn alles, was ich von meinem Vater gehört habe: euch habe ich es kundgetan“ (Joh 15,15). – Dieses Jesuswort aus den Abschiedsreden des Johannesevangeliums hat für mich in letzter Zeit eine besondere Aktualität bekommen. Warum? Jesus setzt hier offensichtlich nicht auf eine straff organisierte Bewegung mit einer klaren Hierarchie, er möchte einen Freundeskreis stiften, der sich innerlich verbunden weiß und aus einer freudigen Verbundenheit heraus wirksam werden will. Er will keine blinden Gefolgsleute, keine naiv ergebenen Handlanger, er wählt sich Freunde, damit sie seinen Geist der Freundschaft in die Welt tragen.

Erinnern wir uns, wie Jesus seinen Jüngerkreis berufen hat. Jeder Einzelne wird aus seiner bisherigen Lebenswelt herausgeholt, Jesus schaut ihn an, ruft ihn bei seinem Namen oder gibt ihm sogar einen neuen Namen. – Er nimmt seine Freunde mit auf seinen Weg, wandert mit ihnen, teilt sein Brot oder ist bereit, mit ihnen auch den Hunger durchzustehen. Er erträgt mit ihnen Hitze und Kälte, freut sich, wenn sie ein Quartier finden, und erträgt es auch, wenn sie nichts haben, worauf sie ihr Haupt legen können. – Er feiert mit ihnen Feste und freut sich mit den Freudigen, so wie er mit den Trauernden trauert. – Er vertraut ihnen seine Geheimnisse an, erwartet etwas von ihnen und schenkt ihnen sein Vertrauen. – Er redet ihnen manchmal auch ins Gewissen und macht ihnen Vorwürfe, wenn sie sich Posten erhoffen oder an ihre Karriere denken. Er will nicht, dass sie in Abhängigkeit zu ihm bleiben, deshalb sendet er sie aus, damit sie sich in der Fremde bewähren. – Manchmal nimmt er sie zu sich in die Kammer und sie dürfen ihm im vertrauten Gespräch ganz nah sein. – Er betet mit ihnen und leitet sie zum Gebet an. – Er bewahrt auch seine eigene Einsamkeit und geht manchmal allein auf den Berg, um zu beten. – Er vertraut ihnen beim Abschied sein Erbe an.

Was heißt das für uns? Ist etwas von diesem Geist einer freundschaftlichen Verbundenheit in unseren Kirchen noch lebendig geblieben? ln unseren Breiten ist die Volkskirche keine Selbstverständlichkeit mehr, wir werden immer mehr eine kleine Herde, stehen oft vereinzelt da und können nicht mehr davon ausgehen, von einer umfassenden Gemeinschaft getragen zu werden. Umso mehr kommt es darauf an, dass die Gläubigen sich finden, auch wenn sie nicht mehr in einer Gemeinde zusammenwohnen, sondern vielleicht in verschiedenen Städten ihre Heimat gefunden haben. Und weil wir eine mobile und flexible Gesellschaft geworden sind, wird von uns erwartet, ohne großen Aufwand unser Zelt abzubauen und irgendwo in der Fremde wieder heimisch zu werden. – Was nehmen wir mit? Unsere Überzeugungen, unseren Glauben. Der aber ist auf Gemeinschaft angewiesen. Wenn wir auch wieder an dem neuen Ort Menschen finden, mit denen wir uns verbunden fühlen, die uns verstehen, uns Anregungen geben können, uns aber auch in einer Krise beistehen, dann entsteht bald ein Heimatgefühl, das uns trägt.

Das Wort Jesu von unserer Berufung zur Freundschaft wird für mich durch ein anderes Jesuswort ergänzt und konkretisiert: „Wo zwei oder drei auf meinen Namen hin versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mt 18,20). Diese tröstliche Zusage ist aber auch anspruchsvoll: Wir sollen durch unser ganzes Dasein dazu beitragen, dass wir – wir zwei oder drei! – auf eine solche Art und Weise Zusammenkommen, dass sich die Gegenwart Jesu einstellen kann, durch uns nämlich, nicht aus eigenen Stücken, sondern aus Gnade, aber immerhin durch unser Personsein, durch die Präsenz unserer Eigenart, durch unsere Gaben und Talente. Wenn wir einen Bund der Freundschaft stiften, im Namen Gottes oder im Namen Jesu, dann vergegenwärtigen wir Gottes Freundschaft durch unser Dasein. Und es ist ja wirklich oft ein Wunder, einen Freund zu finden, eine Freundin, die plötzlich so mit uns einschwingen und uns ergänzen kann, dass wir nicht mehr aus dem Staunen herauskommen. Mir fällt ein Wort von Simone Weil ein: „Christus hat nicht gesagt: zweihundert, oder fünfzig, oder zehn. Er hat gesagt: zwei oder drei. Er hat genau gesagt, dass er stets der Dritte ist in der Vertraulichkeit des innigen Beisammenseins.“

Wir leben in einer Welt, in der der Geist der Freundschaft nicht das Alltägliche und Selbstverständliche ist, im Gegenteil: Rivalität und (geheime) Gegnerschaft sind oft viel auffälliger, gegenseitige Verdächtigungen sind an der Tagesordnung, deshalb besteht bei vielen vor allem die Neigung, sich zu distanzieren und trennende Zäune aufzubauen.– Eigentlich müsste ja gerade von uns Christen ein Impuls ausgehen, es viel konsequenter mit der Freundschaft zu versuchen. Das setzt voraus, zunächst einmal nicht mit Reserven und Vorurteilen auf andere zuzugehen, sondern in der Zuversicht, dass mit jedem Menschen ein Geschöpf Gottes auf uns zukommt, das nach anderen ausschaut, auf andere angewiesen ist und Sehnsucht nach menschlicher Gemeinschaft hat, letztlich nach Liebe. Und wie kann denn eine Atmosphäre der Freundschaft entstehen? Erinnern wir uns doch einmal, wie die Freundschaften, die unser Leben befruchtet und uns glücklich gemacht haben, angefangen haben. Da hat uns ein Mensch anders angeschaut als die übrigen, in seiner Stimme war ein anderer Ton, da war einer bereit, sich auf uns einzulassen, uns zuzuhören, uns zu helfen und sich helfen zu lassen. Da wurden gemeinsame Interessen entdeckt, Pläne ausgeheckt und Perspektiven entwickelt. Freundschaften haben wesentlich dazu beigetragen, dass wir die werden konnten, die wir sind, sie haben schlafende Kräfte aufgeweckt und unsere Tatkraft in Gang gesetzt. Wo Freundschaften entstehen und sich fruchtbar auswirken, da keimt Hoffnung und Zuversicht auf, es öffnet sich ein Raum der Zukunft.

Ein Blick in die Kirchengeschichte macht uns deutlich, welche Bedeutung Freundschaften und Freundeskreise für die Ausbreitung der Kirche, die Erneuerung in Krisenzeiten und die Bewältigung neuer Aufgaben gehabt haben. Wie oft waren es Freundeskreise, die – angestoßen von einer charismatischen Persönlichkeit – neue Orden gegründet haben und einen frischen Wind in eine selbstzufriedene oder müde gewordene Kirche gebracht haben. Anders kann man den freudigen Sturmlauf Bernhards von Clairvaux oder die ganze jugendliche Bewegung des Franz von Assisi gar nicht verstehen. Und auch die Begeisterung der Reformatoren ist vom gleichen Impuls erfüllt.

Wenn wir in die Gesellschaft unserer Tage schauen, dann kann uns erschrecken, wie sich überlieferte Gemeinschaftsformen auflösen: Die Familie hat immer noch eine Prägekraft, aber ihr Einfluss geht zurück. Die „Sippe“ trägt nicht mehr, wir werden in eine neue Freiheit, aber auch eine Beliebigkeit entlassen. Wie oft begegnet uns eine erschreckende Vereinsamung bei den Menschen der Gegenwart, sie fühlen sich isoliert und ausgegrenzt. Auch eine oberflächliche Geselligkeit und eine massenhaft organisierte Unterhaltung zum „Zeitvertreib“ hilft nicht zu einer Sinnfindung des eigenen Daseins. Eine Gegenbewegung ist also unabdingbar, wir brauchen neue Formen des Zusammenlebens, brauchen geistige Anregungen, ästhetisch anspruchsvolle Formen kulturellen Austauschs. Es müssten sich überall „Wahlverwandtschaften“ bilden, Gruppen von Menschen, die sich als zusammengehörig empfinden und bereit sind, sich mit einer gewissen Regelmäßigkeit zu treffen, um sich im Gespräch auszutauschen und die Aufgaben anzupacken, die sich konkret stellen. Dazu gehört durchaus auch eine spielerische Form der Geselligkeit, die aber verbunden sein muss mit der Ernsthaftigkeit einer großen Aufgabe. Ein Freundeskreis ist mehr als eine Arbeitsgemeinschaft, weil sich das Gefühl der Verbundenheit nicht nur durch das gemeinsame Tun gebildet hat, sondern auf einer seelischen Verbundenheit beruht. Siegfried Kracauer sieht den Sinn der Freundschaft „im Zusammenklang der Persönlichkeiten“, die sich ergänzen und gegenseitig fördern. Mir scheint, der „christliche“ Charakter einer Freundschaft kommt darin zum Ausdruck, dass sich Freunde nicht abschließen und sich selbst genug sind, sondern dass eine Offenheit gelebt wird und eine Bereitschaft erkennbar ist, für andere da zu sein. Wenn uns das Geschenk der Freundschaft zuteil wurde, dann ist eine Verpflichtung damit verbunden, sich für andere einzusetzen: Unsere Gemeinschaft soll abfärben und andere anstecken.

Hat das alles etwas mit unserer Kirchenkrise zu tun und mit der Frage, wie sich die Kirche weiterentwickelt und welche Perspektiven sie in die Zukunft entwirft? Wir wissen nicht, wie sich „Kirche“ in einer Generation oder in hundert Jahren darstellt und welche Formen des Miteinanders sie entwickeln wird. Es mag sein, dass der Kirchenbau und der kultische Raum künftig nicht mehr die gleiche Bedeutung haben wie in der Vergangenheit. Wo auch immer sich Christen treffen, vergegenwärtigt sich damit auch Kirche. „Warum wird die Zusammenkunft von zwei oder drei Christen in Christi Namen nicht als...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Inhalt6
Präludium8
Über sein kleines Ich hinausgehen12
„Jemanden zu wissen, mit dem wir im Innersten übereinstimmen“17
„Freunde habe ich euch genannt“32
Gibt es noch den Freundesbrief?38
„Ihr seid eingeladen“43
Kann ich auch allein sein?52
Sei mir Bruder und Freund, sei mir Schwester und Freundin57
Der Freundeskreis72
Jeder hat seine eigenen Freundschaftsgeschichten101
Postludium116

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