Sie sind hier
E-Book

Friedrich Rückert

Lebensbild und Einführung in sein Werk

AutorAnnemarie Schimmel
VerlagWallstein Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl158 Seiten
ISBN9783835328716
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Zum 150. Todestag von Friedrich Rückert am 31. Januar 2016: Die Neuausgabe von Annemarie Schimmels grundlegender Biographie. Der Dichter und Orientalist Friedrich Rückert (1788-1866) war einer der frühesten Vermittler arabischer und persischer Dichtung in Deutschland. Als Gelehrter und Übersetzer nah- und fernöstlicher Lyrik hat er der deutschen Sprache »einen Schatz geschenkt, den keine andere Sprache besitzt' (Annemarie Schimmel). Auch Rückerts eigenes poetisches Werk ist erstaunlich: Sein (aus dem Nachlass veröffentlichtes) Liedertagebuch ist das größte Poesiewerk des 19. Jahrhunderts. Gustav Mahlers Vertonung der berührenden Kindertotenlieder machte diese Gedichte zum deutschen Kulturerbe. Die Islamwissenschaftlerin Annemarie Schimmel hat die Stationen von Rückerts Lebens nachgezeichnet und sein Werk für heutige Leser erschlossen.

Rudolf Kreutner, geb. 1954, ist Historiker und Kustos des Rückert-Nachlasses in Schweinfurt sowie Geschäftsführer der Rückert-Gesellschaft. Er hat zahlreiche Beiträge zu Friedrich Rückerts Leben und Werk veröffentlicht. Annemarie Schimmel (1922-2003) war eine der bedeutendsten Islamwissenschaftlerinnen in Deutschland. Sie lehrte u. a. in Harvard, Ankara und Bonn und wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u. a. dem Friedrich Rückert Preis (1965) und dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels (1995). Veröffentlichungen u. a.: Ein Buch namens Freude. Gedichte von Frauen aus der islamischen Welt (2004); Morgenland und Abendland. Mein west-östliches Leben (2002); Sufismus. Eine Einführung in die islamische Mystik (2000).

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

Das Leben des dichtenden Gelehrten


Am 16. Mai 1788 wurde Friedrich Rückert in Schweinfurt, »der lieben Stadt mit dem garstigen Namen«, geboren – ein Jahr vor der Französischen Revolution, zwölf Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung Amerikas, zu einer Zeit, da die deutsche Literatur ihren Höhepunkt erreicht hatte, da Goethe und Schiller wirkten und Herder, »der universellste poetische Sinn für alle Welt-Poesie«, wie Rückert ihn später nennen sollte, von der Weltliteratur träumte. Neue Impulse waren aus dem Orient nach Europa gekommen; nach Jahrhunderten blinden Hasses gegen den Islam hatte die Aufklärung zur Formung eines neuen Orientbildes mitgeholfen, und die französische Übersetzung der Märchen von 1001 Nacht durch Antoine Galland zu Beginn des 18. Jahrhunderts inspirierte ungezählte Dichter, Musiker und Maler, die nun von einem romantischen Morgenland träumten. Die Arbeiten der britischen Orientalisten von Fort William in Kalkutta ebenso wie die Übersetzertätigkeit der Wiener Orientalisten und die ersten sachlichen Studien arabischer Grammatik und Literatur durch J. J. Reiske in Deutschland und Silvestre de Sacy in Frankreich veränderten die geistige Welt ähnlich wie die Revolutionen die politische Umwelt.

Friedrich Rückerts Vater war als Jurist aus dem thüringischen Hildburghausen nach Schweinfurt gekommen und hatte sich dort verheiratet; Friedrich, der älteste Sohn, erinnerte sich im Alter besonders des »wohlassortierten Spielwarenladens« nahe seinem Geburtshaus. 1792 ging sein Vater als Oberamtmann nach Oberlauringen; die Eindrücke aus jener Zeit hat Rückert 1829 in seinem Zyklus »Erinnerungen aus den Kinderjahren eines Dorfamtmannsohns« poetisch erzählt und dabei gestanden, daß er damals noch nicht Goethe und Schiller gekannt habe, sondern:

Ich kost’ im Kosegarten,

Schon matt von Matthison,

Und schwor zu Gleims Standarten …

Beim Pfarrer lernte er alte Sprachen und liebte es, seine Aufgaben in feiner Kalligraphie in selbstverfertigten bunten Farben zu schreiben: Schon hier zeigt sich jene Vorliebe für das Kalligraphische, Dekorative, das seine Dichtung der orientalischen Poesie so verwandt macht – spricht doch auch Hermann Hesse von seiner »Kalligraphie in der Poetik«. Musik und Malerei dagegen blieben ihm ziemlich fremd – nicht, daß er sie nicht gemocht hätte, aber seine musikalische Begabung sollte sich eher in Worten ausdrücken, die dann von den großen Meistern der Musik verarbeitet wurden:

Was von Musik und Malerei

Wie wenig oder viel es sei,

Mir wohnet bei,

Das steckt in meinen Liedern!

schrieb er später. – Der Vierzehnjährige wurde auf das Schweinfurter Gymnasium eingeschult, wo er sich vor allem klassischen Studien widmete, aber auch von Herders soeben erschienenem »Cid« begeistert war, jenem Cid,

Der entsprungen

Aus dem Doppelelement

Morgen-abendländischer Begeisterungen.

1805, mit siebzehn Jahren, schloß der fleißige junge Mann seine Schulzeit ab und bezog die Universität Würzburg, um dem Wunsche des Vaters entsprechend Jura zu studieren. Doch lag ihm dieses Gebiet nicht, und schon ein Jahr später findet man ihn mit dem Studium von Sprachen und Mythologie beschäftigt; er hörte ein Kolleg über Horaz, der ihm bis an sein Lebensende lieb und teuer blieb, und begann 1807 mit dem Hebräischen, das noch während seiner Würzburger Zeit im Erlernen des Syrischen und Persischen eine sinnvolle Ergänzung finden sollte – alles in allem eine solide Grundlage für seine späteren orientalistischen Studien. Da die Geisteswissenschaften in Heidelberg besser vertreten waren als in Würzburg, begab sich der Student 1808 für ein Semester dorthin, begeistert von den Vorlesungen Heinrich Vossens über griechische Metrik, »denn der Herr hört feiner als zehn Nachteulen zusammen«, wie er entzückt einem Freunde berichtet. (Viele Jahre danach sollte Rückert ein amüsantes Lobgedicht auf die Aischylos-Übersetzung seines alten Lehrers Voß verfassen.) Rückert selbst war mit einem ähnlich feinen Gefühl für Metrik begabt, und so gelang es ihm später, komplizierte arabische, persische und indische Metren zu identifizieren und auch dem Deutschen anzuverwandeln; in seinen letzten Lebensjahren widmete er sich besonders der griechischen Metrik. In Heidelberg beeindruckten auch Creuzers Vorlesungen über Mythologie den Studenten, der sich damals an ersten Gedichten versuchte. Es könnte sein, daß er in Creuzers Vorlesungen auch den mit ihm gleichaltrigen Joseph von Eichendorff getroffen hat, der in einem Altersaufsatz die romantisch-gärende Stimmung dieser Universität farbig geschildert hat und dessen Lebensweg seltsame Parallelen zu dem Rückerts zeigt – bis hin zu den späten Jahren, da beide Dichter als Geheimräte in Berlin weilten.

Nach Würzburg zurückgekehrt, setzte Rückert seine Studien fort, nahm aber auch lebhaft an den neuen politischen und philosophischen Bewegungen teil, die in Deutschland in diesen Jahren der napoleonischen Kriege erwachten. Die Lektüre von Fichte, Schleiermacher und Ernst Moritz Arndt erregte und begeisterte ihn und trug gewißlich zu seiner Formung als bewußter Deutscher bei. Gespräche mit seinem Vater, den er auf langen Spaziergängen in und um Ebern begleitete (wie Wandern, vor allem in der fränkischen Heimat, ihn bis ins Alter erfreute) mögen manche Gesichtspunkte geklärt haben. Durch Freunde wurde er mit den Freimaurern bekannt und am 3. Mai 1810 in die Loge in Hildburghausen aufgenommen.

1811 finden wir Rückert in Jena, wo er seine Dissertation »De idea philologiae« – eine in ungewöhnlich lebendigem Latein geschriebene Arbeit von 82 Seiten – verteidigte. In ihr wies er, bei aller Bewunderung für das Griechische, auf die Fähigkeit der deutschen Sprache hin, als ideales Übersetzungsmedium zu dienen. Damit sind Gedanken angeschlagen, um deren Verwirklichung Rückert sich sein ganzes Leben lang bemühte. Die gelehrten Professoren waren freilich skeptisch, die Studenten dagegen feierten den geistig so wagemutigen jungen Dozenten.

Doch verschwand dieser junge Dozent schon im Frühjahr 1812 aus Jena, nachdem er einen Kurs über Mythologie gelesen hatte, und widmete sich zunächst ganz der Dichtkunst, »darinnen alles Äußerliche, Irdische untergehen muß«. In der Tat quollen in jenem Sommer die Gedichte fast überreich: der Tod einer jungen Freundin, Agnes Müller, im Juni ergab die gut vierzig Sonette »Agnes’ Totenfeier«; aber nur wenig später verliebte der Dichter sich in die Gastwirtstochter Marie Elisabeth Geuß in Baunachgrund, deren Kosenamen Marilies er in Amaryllis umformte – in der großen Menge (mehr als 70!) von leidenschaftlichen Sonetten, die er ihr widmete, zeigt das bekannteste, das mit ihrem von amara, »bitter«, abgeleiteten poetischen Namen spielt, schon alle Eigenheiten seiner Sprachkunst:

Amara, bittre, was du tust, ist bitter …

Voraus kommt eine Bitterkeit gegangen,

Zwo Bitterkeiten gehn dir zu den Seiten,

Und eine folgt den Spuren deiner Füße.

O du mit Bitterkeiten rings umfangen,

Wer dächte, daß mit all den Bitterkeiten

Du doch mir bist im innern Kern so süße.

Freilich war sich der Dichter der geradezu absurden Situation in dieser Beziehung durchaus bewußt und schrieb im Rückblick 1827:

Aus Ginster flocht’ ich manche Palmenkrone,

Spinnwebe wob ich oft zu Zauberbanden …

Zur gleichen Zeit aber wird in vielen von Rückerts Gedichten ein volksliedhafter Ton vernehmbar, der auf seine eifrige Lektüre von »Des Knaben Wunderhorn« zurückgehen dürfte. Zu erwähnen ist hier besonders das reizende Liedchen:

Zwölf Freier möcht’ ich haben, dann hätt’ ich genug,

Wenn alle schön wären und alle nicht klug …

Auch versuchte sich Rückert 1812 erstmals am Schauspiel – sein in acht Tagen geschriebenes harmloses Stück »Der Scheintod« nimmt eines der seit dem 18. Jahrhundert so beliebten Themen vom Hofe des Kalifen Hārūn ar-Raschīd auf. Daß Bagdad dabei an den Euphrat statt an den Tigris verlegt wird, ist ein kleiner Schönheitsfehler.

Die Neigung des jungen Dichters, der in der Poesie damals seinen »eigentlichen Lebenszweck« sah, zu Verkleinerungen und verspielten Versen, wie sie auch von orientalischen Dichtern so geliebt werden, ist besonders deutlich in dem später von Carl Loewe vertonten entzückenden Gedicht »Kleiner Haushalt«, in dem das »Schätzchen Tausendschön« in seinem sonderbaren Häuslein besungen wird:

… Wasserjüngferchen das flinke,

Holt mir Wasser, das ich trinke …

Alles hat mir unbezahlt

Schmetterling mit Duft bemalt …

Schönen Wagen

Hab’ ich bestellt,

Uns zu tragen

Durch die Welt.

Vier Heupferdchen sollen ihn

Als vier Apfelschimmel ziehn …

Und wenn sie uns werfen vom Wagen herab,

So finden wir unter...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Umschlag1
Titel4
Inhalt6
Einleitung8
Das Leben des dichtenden Gelehrten12
Das Werk des gelehrten Dichters76
Bibliographische Hinweise148
Ru?ckerts Werke148
Sammlungen154
Weiterfu?hrende Literatur155
Impressum159

Weitere E-Books zum Thema: Biografie - Autobiografie

Klartext.

E-Book Klartext.
Für Deutschland Format: ePUB/PDF

Streitbarer Querulant, umstrittener Politiker, Nervensäge, wandelndes Medienereignis - all das und mehr ist Jürgen Möllemann. Nach langem Schweigen redet das Enfant terrible der deutschen Politik zum…

Klartext.

E-Book Klartext.
Für Deutschland Format: ePUB/PDF

Streitbarer Querulant, umstrittener Politiker, Nervensäge, wandelndes Medienereignis - all das und mehr ist Jürgen Möllemann. Nach langem Schweigen redet das Enfant terrible der deutschen Politik zum…

Klartext.

E-Book Klartext.
Für Deutschland Format: ePUB/PDF

Streitbarer Querulant, umstrittener Politiker, Nervensäge, wandelndes Medienereignis - all das und mehr ist Jürgen Möllemann. Nach langem Schweigen redet das Enfant terrible der deutschen Politik zum…

Klartext.

E-Book Klartext.
Für Deutschland Format: ePUB/PDF

Streitbarer Querulant, umstrittener Politiker, Nervensäge, wandelndes Medienereignis - all das und mehr ist Jürgen Möllemann. Nach langem Schweigen redet das Enfant terrible der deutschen Politik zum…

Klartext.

E-Book Klartext.
Für Deutschland Format: ePUB/PDF

Streitbarer Querulant, umstrittener Politiker, Nervensäge, wandelndes Medienereignis - all das und mehr ist Jürgen Möllemann. Nach langem Schweigen redet das Enfant terrible der deutschen Politik zum…

Klartext.

E-Book Klartext.
Für Deutschland Format: ePUB/PDF

Streitbarer Querulant, umstrittener Politiker, Nervensäge, wandelndes Medienereignis - all das und mehr ist Jürgen Möllemann. Nach langem Schweigen redet das Enfant terrible der deutschen Politik zum…

Sigmund Freud

E-Book Sigmund Freud
Format: PDF

Wer war Sigmund Freud wirklich? Wie war der Mann, der in seiner Ordination in der Wiener Berggasse der Seele des Menschen auf die Spur kam? Und welche Rolle spielte dabei die weltberühmte Couch…

Sigmund Freud

E-Book Sigmund Freud
Format: PDF

Wer war Sigmund Freud wirklich? Wie war der Mann, der in seiner Ordination in der Wiener Berggasse der Seele des Menschen auf die Spur kam? Und welche Rolle spielte dabei die weltberühmte Couch…

Sigmund Freud

E-Book Sigmund Freud
Format: PDF

Wer war Sigmund Freud wirklich? Wie war der Mann, der in seiner Ordination in der Wiener Berggasse der Seele des Menschen auf die Spur kam? Und welche Rolle spielte dabei die weltberühmte Couch…

Weitere Zeitschriften

FREIE WERKSTATT

FREIE WERKSTATT

Die Fachzeitschrift FREIE WERKSTATT berichtet seit der ersten Ausgaben 1994 über die Entwicklungen des Independent Aftermarkets (IAM). Hauptzielgruppe sind Inhaberinnen und Inhaber, Kfz-Meisterinnen ...

Courier

Courier

The Bayer CropScience Magazine for Modern AgriculturePflanzenschutzmagazin für den Landwirt, landwirtschaftlichen Berater, Händler und generell am Thema Interessierten, mit umfassender ...

küche + raum

küche + raum

Internationale Fachzeitschrift für Küchenforschung und Küchenplanung. Mit Fachinformationen für Küchenfachhändler, -spezialisten und -planer in Küchenstudios, Möbelfachgeschäften und den ...

Das Hauseigentum

Das Hauseigentum

Das Hauseigentum. Organ des Landesverbandes Haus & Grund Brandenburg. Speziell für die neuen Bundesländer, mit regionalem Schwerpunkt Brandenburg. Systematische Grundlagenvermittlung, viele ...

Demeter-Gartenrundbrief

Demeter-Gartenrundbrief

Einzige Gartenzeitung mit Anleitungen und Erfahrungsberichten zum biologisch-dynamischen Anbau im Hausgarten (Demeter-Anbau). Mit regelmäßigem Arbeitskalender, Aussaat-/Pflanzzeiten, Neuigkeiten ...

F- 40

F- 40

Die Flugzeuge der Bundeswehr, Die F-40 Reihe behandelt das eingesetzte Fluggerät der Bundeswehr seit dem Aufbau von Luftwaffe, Heer und Marine. Jede Ausgabe befasst sich mit der genaue Entwicklungs- ...