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Fritz Leonhardt 1909–1999. Die Kunst des Konstruierens/ The Art of Engineering

VerlagEdition Axel Menges
Erscheinungsjahr2001
Seitenanzahl216 Seiten
ISBN9783936681284
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis54,99 EUR
Leonhardt war nie ein lupenreiner Ingenieur, sondern er war auch immer auf anderen Wegen und stets auf der Suche nach einer neuen Art des Humanismus, in dem Ästhetik und Ethik in eins fallen. Er bezeichnete sich selbst als »Baumeister«, vermied also sowohl den Begriff des Architekten als auch den des Ingenieurs. Die Verpflichtung, zum Wohle der Menschheit zu wirken, verband er mit der Verpflichtung zum Schönen, und dieses Schöne suchte er – hier wieder ganz Ingenieur – durch Regeln zu fassen. Zweckerfüllung, Proportionen, Ordnung, Verfeinerung der Form, Einpassung in die Umwelt, Oberflächentextur, Farben, Charakter, Komplexität und Einbeziehen der Natur sind die Schlagworte Leonhardts. Natürlich war er sich bewußt, daß es durch die Befolgung von Regeln beim Entwerfen noch lange nicht zu schönen Bauwerken kommen müsse. »Phantasie, Intuition, Formgefühl und Gefühl für Schönheit« müßten hinzukommen. »Der künstlerisch Begabte« könne zwar intuitiv »Meisterwerke der Schönheit« hervorbringen, »die vielen funktionalen Anforderungen an heutige Bauwerke bedingen jedoch, daß zu einem guten Teil strenges, vernunftmäßiges Denken, also die Ratio, beteiligt werden muß«.

Leonhardt never was a pure engineer, he always tried several ways, he always was in search of a new kind of humanism, which would unite aesthetics and ethics. He called himself a “master builder”, avoiding the terms architect or engineer. He combined the duty of contributing to mankind’s well-being with a commitment to beauty and – as an engineer – for this beauty he tried to find rules. To serve its purpose, proportions, order, refinement of form, fitting the environment, surface texture, colors, character, complexity, and integration with nature are Leonhardt’s catchwords. Of course he knew that the application of design rules will not directly lead to beautiful buildings. “Phantasy, intuition, a feeling for form and beauty” must be added. “The artistically gifted” might create “masterworks of beauty” by intuition, but as “the many functional demands on presentday buildings stipulate the inclusion of strict, intelligent thought, our ratio must be involved”.

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Leseprobe
Alfred Pauser

Die Netzwerke Fritz Leonhardts in Österreich (S. 66-68)

Leonhardts Verbindung mit Österreich datiert aus der Zeit vor 1955, als der Osten Österreichs noch eine russisch besetzte Zone war und die Zensur Kontakte mit der übrigen Welt sehr erschwerte. Eine noch aus gemeinsamen Kriegstagen herrührende Verbindung mit Direktor R. Riedl der Bauunternehmung Ing. C. Auteried &, Co. sollte nicht nur zu einer ersten Anwendung der Spannbetonbauweise im Zuge der Wiedererrichtung der Schwedenbrücke über den Donaukanal in Wien am geschichtsträchtigsten Ort der Stadt führen, sondern auch zum Taktschiebeverfahren als gleichwertiger Alternative zu den Vorbaumethoden unter Verwendung einer Vorschubrüstung.

Der 1953 von der Stadt Wien ausgeschriebene Ideenwettbewerb mit genauer Kostenaufgliederung stellte zur Bedingung, daß die alte Fundierung der ursprünglich nicht nur schmäleren, sondern auch wesentlich leichteren Brücke unverändert zu erhalten war. Ungünstige Anlageverhältnisse mit dem Zwang zur Ausbildung kleiner Randfelder über den Kais gaben einen Zweigelenkrahmen mit Ausleger vor, der bei äußerster Randlage der Fußpunkte über den Senkkästen und unter Verwendung schief gestellter Stahlgußpendel die dauernd erforderliche konstante Neigung der Kämpferkraft von 60 Grad zur Erreichung einer gleichmäßigen Sohlpressung gewährleisten sollte. Die schweren Ankerblöcke der zur Vorspannung der Brücke gewählten konzentrierten Spannglieder des Systems Baur-Leonhardt waren hierbei ebenfalls von Vorteil (Abb. 1).

Durch das steife Randfeld und die Pendel erzwungene Vertikalbewegungen am Brückenende mußten jedoch durch Zwischenschaltung einer Koppelplatte – bei gleichzeitiger Verlagerung des Dehnungsausgleichs auf das Tragwerk – gemildert werden. Die den drei 4,5 m breiten, miteinander nur durch die Fahrbahnplatte (B = 27,32 m) verbundenen Kastentragwerken zugeordneten Rahmenstiele sind in eine Druck- und eine vorgespannte Zugwand aufgelöst und weisen eine stirnseitige Abdeckung auf (Abb. 2).

Mit dem 1956 für die Bauunternehmung Ingenieure Mayreder, Kraus &, Co. verfaßten Wahlentwurf für die Traunbrücke des Autobahnzubringers Linz wurde, damals noch unbewußt, der Grundstein für das später bei über tausend Anwendungen bewährte Taktschiebeverfahren gelegt. Das auf Autobahnbreite konzipierte, ungefähr 356 m lange, fünffeldrige Tragwerk mit einer größten Spannweite von 93 m sollte über einem aus der Reichsautobahn-Zeit stammenden, für ein Stahltragwerk ausgelegten Unterbau errichtet werden (Abb. 3). Zur allgemeinen Verwunderung war der Spannbetonentwurf in einer Masse sparenden Ausbildung um 13 Prozent billiger als die nächstgereihte Alternative in Stahlbauweise. Die Einsparung sollte durch die Beschränkung der Lehrgerüstbreite auf nur einen der vier bewußt schmal gehaltenen Kasten erzielt werden. Konzentrierte Spannglieder machten jedoch die Fertigstellung der Brücke vor Eintragung der Vorspannung zur Bedingung. Es war daher naheliegend, die hängewerkartige Führung des Spannglieds mit ihren konzentrierten Umlenkpunkten zu nutzen, um das Tragwerk in Teilabschnitte zu gliedern. Der nachträglich in den Fugenspalt eingebrachte Be- ton sollte sowohl den Stoß der schlaffen Bewehrung als auch die Ausbildung von Querrahmen zur Aufnahme der Umlenkdrücke aus den Spannkabelumlenkungen ermöglichen.

Dieser Arbeitsablauf brachte nicht nur eine bedeutende Minderung der Schwind- und Kriecheinflüsse, sondern ließ auch die Taktarbeit mit allen ihren Vorteilen zu, wie den kontinuierlichen Einsatz kleiner, gut eingearbeiteter Arbeitsgruppen, die weitestgehende Wiederverwendung der Schalungseinheiten und die Gewährleistung einer hohen, gleichbleibenden Qualität.

Die einzelnen Arbeitsschritte seien kurz aufgelistet:

a) Herstellen eines nach oben noch offenen Kastens (Trogquerschnitt) mit, wegen außenliegender Spannkanäle, sehr schlanken Stegen bei guter Betonierbarkeit (Abb. 4),

b) Auslegen der 9-mm-Litzen aus St 165/185 auf einer provisorischen Unterlage unter Zuhilfenahme eines zwischen den Stegen fahrenden Jeeps, auf dem zwei Seilrollen montiert waren, mit denen die Litzen abgerollt wurden
Inhaltsverzeichnis
Inhalt Contents5
Fritz Leonhardt im Südwestdeutschen Archiv für Architektur und Ingenieurbau6
Fritz Leonhardt in the Südwestdeutsches Archiv für Architektur und Ingenieurwesen7
Einführung8
Introduction9
Der Niet als Ornament. Der »Baumeister« Fritz Leonhardt12
Rivets as ornament. “Master builder” Fritz Leonhardt13
Fritz Leonhardts Bedeutung für die konstruktionsorientierte Baustatik24
Fritz Leonhardt’s importance for the analysis of loadbearing structures25
Fritz Leonhardt. First buildings and projects31
Wirtschaftlicher Wiederaufbau in Stuttgart. Beiträge Fritz Leonhardts zur Schuttverwertung48
Economic reconstruction in Stuttgart. Leonhardt’s contribution to rubble utilization49
Frühe Spannbetonbrücken54
Early prestressed-concrete bridges55
Die Netzwerke Fritz Leonhardts in Österreich66
Fritz Leonhardt’s networks in Austria67
70 Jahre Ingenieurbüro Leonhardt, Andrä und Partner72
70 years engineering consultancy Leonhardt, Andrä und Partner73
Der Stuttgarter Fernsehturm. Ein Prototyp88
The Stuttgart television tower. A prototype89
Wie Fritz Leonhardts Stuttgarter Fernsehturm meinen beruflichen Lebensweg vorzeichnete100
How the Stuttgart television tower by Fritz Leonhardt directed my professional career101
Drahtseilakte. Fritz Leonhardts seilverspannte Brücken106
Tightrope walks. Fritz Leonhardt’s cable bridges107
Fritz Leonhardt. Fußgängerbrücken114
Fritz Leonhardt. Pedestrian bridges115
Die Planung des Olympiadachs in München. Fritz Leonhardts Mitwirkung und Impulse118
Planning the Olympia roof in Munich. Participation and impulses by Fritz Leonhardt119
Fritz Leonhardt und die alten Bauten126
Fritz Leonhardt and the old buildings127
Fritz Leonhardts Erbe. Zum Umgang mit seinen Bauten132
Fritz Leonhardt’s legacy. How to deal with his buildings133
Fritz Leonhardt als Professor und Rektor der Universität Stuttgart140
Fritz Leonhardt as professor and rector of the University of Stuttgart141
Fritz Leonhardt. Wie ich ihn als Rektor erlebt habe146
Fritz Leonhardt. How I have known him as rector147
Meine Zeit mit Fritz Leonhardt. Begegnungen und Erlebnisse150
My time with Fritz Leonhardt. Encounters and experiences151
Fritz Leonhardts Kontakte zur Materialprüfungsanstalt in Stuttgart156
Fritz Leonhardt’s contacts with the materials testing institute in Stuttgart157
Vom Institut für Massivbau zum Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren. Das Institut nach der Emeritierung von Fritz Leonhardt160
From the institute for concrete structures to the Institute for Lightweight Structures and Conceptual Design. The institute after Fritz Leonhardt’s retirement161
Fritz Leonhardt. Etappen eines aktiven Lebens164
Fritz Leonhardt. Stages of an active life165
Der Niet als Ornament. Der »Baumeister« Fritz Leonhardt193
Fritz Leonhardts Bedeutung für die konstruktionsorientierte Baustatik193
Fritz Leonhardt. Erste Bauten und Projekte193
Wirtschaftlicher Wiederaufbau in Stuttgart. Beiträge Fritz Leonhardts zur Schuttverwertung195
Frühe Spannbetonbrücken195
Der Stuttgarter Fernsehturm. Ein Prototyp196
Die Netzwerke Fritz Leonhardts in Österreich196
70 Jahre Ingenieurbüro Leonhardt, Andrä und Partner196
Drahtseilakte. Fritz Leonhardts seilverspannte Brücken197
Fritz Leonhardt. Fußgängerbrücken197
Die Planung des Olympiadachs in München. Fritz Leonhardts Mitwirkung und Impulse197
Fritz Leonhardts Erbe. Zum Umgang mit seinen Bauten197
Fritz Leonhardt als Professor und Rektor der Universität Stuttgart197
Meine Zeit mit Fritz Leonhardt. Begegnungen und Erlebnisse198
Fritz Leonhardts Kontakte zur Material-prüfungsanstalt in Stuttgart198
Allgemeines Literaturverzeichnis199
Schriften von Fritz Leonhardt (Auswahl)201
Bauten und Projekte (Auswahl)209
Autoren214
Authors215
Abbildungsnachweis Illustration credits216

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