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Frommes Feindbild Frau

Die Idee der Närrin bei Albert Joseph Conlin. Eine Studie zur germanistischen und volkskundlichen Erzählforschung

AutorVeronika Hofmann
VerlagHerbert Utz Verlag
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl336 Seiten
ISBN9783831609154
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis31,99 EUR
Kaum jemand kennt die umfangreichen Narrenbücher des katholischen Priesters und Schriftstellers Albert Joseph Conlin, die am Ende des Barockzeitalters in den Jahren 1705–1711 im Raum Augsburg entstanden sind. Auch die Germanistik hat Conlins Werk bisher von der wissenschaftlichen Betrachtung ausgeschlossen. Dies mag an der heute vergessenen Gattung der Kompilationsliteratur, an den Plagiatsvorwürfen oder der volkstümlichen und teilweise derben Sprache liegen.
Dass sie aber doch der Betrachtung lohnen und eine wertvolle Quelle für kulturgeschichtliche Ansätze und Fragestellungen der Erzählforschung sind, zeigt die vorliegende Untersuchung. Darin wird erstmalig die Biographie des Autors, die Entstehungsgeschichte seiner Werke und die Quellenlage gründlich aufgearbeitet. Ein Katalog der zitierten Autoren sowie der erzählten Schwankgeschichten macht das Werk Conlins für die weitere Forschung nutzbar.
Conlin wollte mit seinen Büchern unterhalten und belehren. Welche Moralvorstellungen seinen typisierten Narrendarstellungen zugrunde liegen und welches Frauenbild sich daraus ergibt, wird im zweiten Teil des Buches anschaulich erläutert.

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Leseprobe
6 Zusammenfassung und Ausblick (S. 233-234)

Die vorliegende Arbeit verfolgte im wesentlichen drei Erkenntnisziele: das Leben und Wirken des Autors Albert Joseph Conlin sollte dargestellt, sein Werk für die Forschung erschlossen und das Frauenbild in den Närrinnen analysiert werden. Dabei wurde deutlich, daß der Wert der Untersuchungsgegenstände weniger in ihrer Originalität als vielmehr in der Fortsetzung lange bestehender Traditionen liegt. Mit seinen Narrenbüchern griff Conlin eine jahrhundertealte, christlich geprägte Literaturgattung wieder auf und verschaffte ihr zu einer Zeit noch einmal Beachtung, in der die Religion langsam ihren allumfassenden Einfluß auf die Lebensgestaltung der Menschen zu verlieren begann.

Das Material für seine Kompilationen stammte ebenfalls aus alten und anerkannten Quellen, die vornehmlich zum Fundus des Barockpredigers gehörten. Aus ihnen schuf er geschlechtsspezifische Verhaltenslehren, denen ein streng religiöser Kodex und Wertekanon zugrunde liegt. Durch den reichen Schatz an Erzählungen und Beispielen aller Art wurde die asketische Grundhaltung aber gemildert und ein Unterhaltungsaspekt hinzugefügt.

Sie machen das Werk auch für die Erzählforschung interessant, da mit den Narrenbüchern eine weitere Station des Weges vieler Geschichten gefunden ist. Die Tradierung volkstümlichen Geschichtengutes ist auch darin lebendig und regt zu weiteren Forschungsarbeiten an. Der Autor selbst erscheint durch einige biographische Details und seine Arbeitsweise zwielichtig, seine Lebensgeschichte konnte aber die Situation der auf dem Land wirkenden Weltgeistlichen um 1700, deren Horizont und Nöte erhellen. Die Entstehungsgeschichte seiner Werke gab zudem Aufschluß über die Buchproduktion der damaligen Zeit.

Das Frauenbild, das sich aus seinen Schriften ableiten läßt, ist konservativ bis reaktionär. Conlin setzte es aus pseudo-naturwissenschaftlichen, mythologischen und theologischen Komponenten zusammen, die mit dem eigentlichen Objekt seiner Betrachtung oft wenig oder kaum etwas zu tun haben. Im Ergebnis konstruiert er – bewußt oder unbewußt – ein Feindbild,925 das wie alle Feindbilder der Abgrenzung von der anderen und Stabilisierung der eigenen Gruppe dient. Als Kriterium für seine Gruppeneinteilung dient ihm dabei das Geschlecht, heraus kommt die Opposition von Mann und Frau.

Fromm wird das Feindbild dadurch, daß es den religiösen Vorschriften entspricht. Conlin zeigt damit beispielhaft, wie die patriarchalische Gesellschaftsordnung über religiöse Normen gestützt und ihr weiteres Bestehen zu sichern versucht wurde. Auch damit reiht Conlin sich in eine lange literarische Tradition ein, deren Dichotomien – an die jeweiligen kulturellen und gesellschaftlichen Gegebenheiten angepaßt – in die weitere Zukunft hinein reichen. Auch die Gender-Forschung hat erkannt, dass die Verweisung der Frau auf das Haus (passiv und emotional) und des Mannes auf die Berufswelt (aktiv, rational) keine Erfindungen der Aufklärung sind."
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Inhalt6
Vorwort und Dank8
1 Einleitung10
1.1 Forschungsstand, Zielsetzung und Methode10
1.2 Positionierung Conlins in der Geschichte der Narrenliteratur25
2 Der Autor und sein Gesamtwerk59
2.1 Conlins Leben und Wirken59
2.2 Die Narrenbücher Conlins75
2.2.1 Entstehungsgeschichte und äußere Gestaltung75
2.2.2 Formale Aspekte88
3 Die Quellen der Närrinnen112
3.1 Plagiierte Quellen der Närrinnen114
3.1.1 Die Schriften Abraham a Santa Claras114
3.1.2 Conlins eigene Schriften120
3.1.3 Weitere Quellen121
3.1.4 Fazit123
3.2 Zitierte Quellen der Närrinnen126
3.2.1 Geistliches Schrifttum131
3.2.2 Antike Quellen145
3.2.3 Wissenschaften und Dichtung151
3.2.4 Fazit157
4 Antike und christliche Grundlagen des Frauenbildes bei Conlin159
4.1 Die Frau als minderwertiges Wesen159
4.2 Die Frau als Verursacherin allen Übels165
4.3 Stellung und Handlungsoptionen der Frau172
4.4 Frauenlob und Frauenehre176
4.5 Fazit180
5 Wesen und Rolle der Frau bei Conlin183
5.1 Körper und äußere Erscheinung184
5.2 Liebe und Sexualität193
5.3 Ehestand und Familie206
5.4 Hauswirtschaft und Besitz219
5.5 Kirche und Religion222
5.6 Gesellschaftliches Leben227
5.7 Fazit231
6 Zusammenfassung und Ausblick234
Anhang A: Verzeichnisse236
A.1 Abbildungsverzeichnis236
A.2 Abkürzungsverzeichnis238
A.3 Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur239
Anhang B: Bibliographie244
B.1 Quellen244
B1.2 Weitere Quellen245
B.2 Sekundärliteratur255
B.3 Literaturgeschichten271
B.4 Nachschlagewerke272
B.5 Internet276
Anhang C: Quellenregister277
C.1 Plagiierte Textstellen277
C.2 Zitierte Quellen281
Anhang D: Katalog der Exempel295

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