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Frühe Bewegungserziehung zur Vorbereitung auf erfolgreichen Schriftspracherwerb

AutorAriane Wolfram
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl76 Seiten
ISBN9783640853663
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis23,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2009 im Fachbereich Pädagogik - Schulpädagogik, Note: 1,3, Universität Erfurt (Erziehungswissenschaftliche Fakultät, Fachbereich Sonder- und Sozialpädagogik), Sprache: Deutsch, Abstract: [...] Von diesem Standpunkt ausgehend, befasse ich mich eingangs meiner Abschlussarbeit mit der Frage, ob kindliche Bewegungsmuster einen wesentlichen Einfluss auf das Lernen bzw. auf den Schriftspracherwerb haben und welche Bedeutung diesem Zusammenhang innerhalb unseres gegenwärtigen Gesellschaftsgefüges und speziell im Thüringer Bildungsplan beigemessen wird. Daraufhin werde ich mich konkreten Zielen der frühen Bewegungserziehung zuwenden, die möglicherweise eine Verbindung zur Entwicklung von Schriftsprache aufweisen. Hierbei fokussiere ich vor allem übergeordnete Ziele, welche die Persönlichkeitsbildung, Sozialkompetenz, die kognitive Entfaltung und gesundheitliche Entwicklung beinhalten. Im Punkt 4 meiner Arbeit zeige ich anhand neurophysiologischer Erkenntnisse die Bedeutung menschlicher Bewegung für die Herausbildung bestimmter Gedächtnisleistungen auf und werde diese anhand eines Beispiels veranschaulichen. Die meisten Entwicklungsschritte im Elementarbereich, zusammen mit dem Erbringen von sensomotorischen Integrationsleistungen, manifestieren sich, meiner Ansicht nach, insbesondere durch das Phänomen des Spielens und durch rhythmische Formungen, die sowohl von außen auf das Kind einwirken, als auch umgekehrt vom Kind selbst entworfen bzw. umgestaltet werden. Welche Potentiale sich hieraus für den Schriftspracherwerb durch Bewegung ergeben, werde ich in den Abschnitten 4.1 und 4.2 hinterfragen. Im darauf folgenden Punkt 5 meiner Arbeit wende ich mich den Grundlagen des Schriftspracherwerbs und dessen Voraussetzungen zu. Gleichermaßen versuche ich hierbei einen Rahmen abzustecken, in welchem Schriftspracherwerb durch Bewegung im Elementarbereich noch genauer fokussiert werden kann. [...] In Form einer Zwischenbilanz werde ich im Punkt 6 meine Erkenntnisse über die Beziehungen von Bewegung zu Sprache und Schrift zusammenfassen und diese anschließend im Entwurf eines Übungskonzeptes als Anwendungsbeispiel mit ausgewählten Förderschwerpunkten, Aufgabenstellungen und Zielsetzungen neu darlegen.

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Leseprobe

3. Bewegungserziehung in der elementaren Bildungsphase


 

Die grobmotorischen Fähigkeiten von Kindern in der elementaren Bildungsphase reichen schon weit über das Rollen, Kriechen, Krabbeln, den Vierfüßlergang, das Sitzen, Stehen usw. der basalen Phase hinaus. Kinder im Elementarbereich versuchen sich zum Beispiel im Laufen, Springen, Werfen, Fangen (vgl. Größing 1993, 165, 169). Auch feinmotorische Fähigkeiten und Fertigkeiten differenzieren sich nun noch weiter aus, wobei vor allem die beiden Sinnestätigkeiten, das Tasten sowie die Kinästhetik, vermehrt und auch gezielter als zuvor mit Bewegungsabläufen einhergehen (Zimmer 2005, 10). Mehr oder weniger versuchen Kinder in dieser Phase ihren Wortschatz weiterzuentwickeln und auf verschiedene Weise durch Bewegungen vielfältig und kreativ umzusetzen. Gezielte motorische Ausdrucksformen suchen sie u.a. im Tanz, in Rollenspielen oder auch im Gestalten von Bildern und Kritzelbriefen. Die vielen von Kindern selbst entworfenen Bewegungsabläufe in dieser Phase, resultieren i.d.R. aus einem hohen Bewegungsüberschuss. Da der Zustand der Erregung bei ihnen noch deutlich stärker ist als ihre Hemmungen, nutzen sie, meist mit viel Enthusiasmus, die verschiedensten Bewegungsmöglichkeiten, um individuelle Erregungszustände auszugleichen. Kommunikation und Selbstdarstellung erfolgen also hauptsächlich über Bewegung (ebd., 4).  Hier bildet sich meiner Ansicht nach eine optimale Grundlage im Zwischenspiel der Fein- und Grobmotorik, Kindern vielseitige Erfahrungen mit Buchstaben, Schrift und Sprache zu gewähren. Ab der späteren primaren Phase verringert sich der Bewegungsdrang wieder, und Bewegung hat möglicherweise einen weniger motivierenden Charakter für den Schriftspracherwerb.

 

Das Verständnis von Bewegungserziehung in der vorliegenden Arbeit beruht auf der Annahme, dass adäquate Bewegungspädagogik Kinder auf dem Weg in ihrer individuellen Entfaltung von Schriftsprache, durch Schaffung von Selbstbildungsmöglichkeiten, Erfahrungsräumen und durch formale Bildungsangebote, nachhaltig unterstützen kann.

 

3.1 Persönlichkeitsbildung


 

Körpererfahrungen, die Kinder in frühen Entwicklungsphasen machen, stellen, so Zimmer (1993, 24), eine wesentliche Grundlage für ihre Identitätsbildung dar. Indem sie die Dinge im Umfeld ertasten, ziehen, schieben, ordnen, stapeln, zerstören, wieder aufbauen usw., entwickeln sie ein Bild von ihren eigenen Fähigkeiten und somit auch von ihren Möglichkeiten und Grenzen – sie konstruieren ihre ganz eigene Wirklichkeit von der Welt, die sie umgibt, und von sich selbst. Abhängig davon, welche Eigenschaften sich ein Kind aus seinen Erfahrungen heraus zuschreibt, wird es sich selbst als „stark“, „schwach“ oder auch irgendwo dazuwischen einordnen. Zimmer (2005) erläutert hierzu:

 

„Um zu einer solchen ‚Theorie‘ über sich selbst zu kommen, stehen ihm [dem Kind] unterschiedliche Informationsquellen zur Verfügung:

 

Beobachtungen des eigenen Verhaltens;

 

Informationen über die sensorischen Systeme;

 

Folgerungen aus der Wirkung des eigenen Verhaltens und dem Vergleichen und sich messen mit anderen;

 

Zuordnen von Eigenschaften durch andere.“ (Zimmer 2005, 25).

 

Und genauan dieser Stelle sollten meiner Ansicht nach auch die Bestrebungen der Bewegungerziehung einsetzen, indem Kinder z.B. zweckmäßige, erlebnisorientierte Bewegungsangebote erhalten, Raum und Zeit für Selbstbeobachtungen vorhanden ist, Kommunikation und Interaktion angeregt und auch das Verhältnis zwischen Erfolg und Misserfolg adäquat beeinflusst wird – stets im Hinblick auf die Bildung eines positiven Selbstkonzeptes des einzelnen Kindes. Dies ist auch eine wichtige Grundlage für die Bereitschaft, sich mit verschiedenen Materialien und Elementen wie Wasser, Schere, Farbe, Stift, Musik, Sportgerät usw. neue individuelle Ausdrucksformen zu verschaffen.

 

3.2 Sozial-Kompetenzerwerb


 

Während Kinder im basalen Entwicklungsprozess noch keinen starken Willen bezüglich der Wahl ihrer Spielgefährten besitzen, wird es für Kinder in der elementaren Bildungsphase zunehmend wichtig unter Freunden zu selektieren, um auch engere Freundschaften eingehen zu können. In der Bewegungserziehung zeigt sich dieses Phänomen vor allem darin, dass es immer wieder Konflikte bei der Partnerwahl für bestimmte Kreis- oder Staffelspiele, bei Partnerübungen usw. gibt. Piaget (1975 u. 2002) prägte für diese recht eigenwillige Entwicklungsphase junger Menschen die Bezeichnung Egozentrismus.  Zimmer (1993) weist in diesem Zusammenhang auf die Gefahr hin, dass einzelne Kinder in dieser Zeit leicht vom Gruppengeschehen ausgeschlossen werden könnten (Zimmer 1993, 34). So entsteht für betroffene Kinder oft auch eine hohe Störanfälligkeit beim Lernen, die gleichzeitig ein Nährboden für Ängste, Aggressionen und Konzentrationsprobleme ist und sich mitunter auch auf den Schriftspracherwerb negativ auswirken kann. Kinder brauchen jedoch auch andere Kinder zur Wissensaufnahme und zum Wissensaustausch, vor allem durch verbale, körperliche oder auch kleine materielle Botschaften (Bilder, Steinchen, Briefe, Basteleien etc.), aber natürlich auch für ein ausgewogenes Gemeinschaftsgefühl, durch das sie sich sowohl frei als auch geborgen fühlen und unbeschwert voneinander lernen können.

 

Die Bestrebungen der Bewegungserziehung hinsichtlich der sozialen Kompetenzen von Kindern sollten darauf abzielen, Einfühlungsvermögen z.B. im Rollenspiel zu entwickeln, ein angemessenes Regelverständnis aufzubauen, Wissensaustausch anzuregen, den Radius der Kontakt- und Kooperationsfähigkeit zu erweitern, Frustrationsgrenzen adäquat auszudehnen und Toleranz bzw. Rücksichtnahme einzuüben (vgl. auch Zimmer 1993, 33).

 

3.3 Kognitive Entfaltung


 

Piaget (1975) zufolge entwickelt sich Intelligenz in der „handelnden Auseinandersetzung des Kindes mit den Objekten seiner Umwelt“, wie u. a. mit Bilderbüchern, Naturmaterialien, Haushaltsgeräten, Sport- und Spielgeräten etc. (Zimmer 1993, 40). Die Sinneswahrnehmungen spielen dabei eine tragende Rolle, sie leiten das Kind dazu an, bestimmte Eigenschaften von Gegenständen zu entdecken und später auch zu interpretieren. So verhelfen z. B. Fühlbücher Kleinkindern dazu, die Wolle von Schafen als weich zu empfinden oder die Zunge des Hundes als klebrig zu identifizieren. Noch eindrücklicher sind allerdings direkte Begegnungen mit Tieren und Umwelt. Das bedeutet gleichzeitig, je vielfältiger und abwechslungsreicher die sachliche Umgebung eines Kindes gestaltet ist, desto mehr Kenntnisse und Erfahrungen kann es sammeln, die es auf dem Weg zur Schriftsprache benötigt – vorausgesetzt, es darf seine Umwelt nicht allein aus der Ferne, vorwiegend auditiv oder visuell kennenlernen. Das andere Extrem, eine Überflutung mit Wahrnehmungsangeboten, sollte hierbei jedoch auch vermieden werden, weil Kinder dadurch schnell überfordert werden, sich vielleicht zurückziehen oder aggressiv reagieren, wenig Vertrauen aufbauen und nicht frei für das Sammeln von Eindrücken und Erfahrungen sind. Aus neurophysiologischer Sicht werden durch die Kombinantion von Sinnestätigkeit und Motorik der Kinder Reize geschaffen, die die Verknüpfung von Nervenzellen und somit die Synapsenbildung (Entstehung von Kontaktstellen im Nervensystem) anregen, wodurch kognitive Vorgänge (z.B. Wort- oder Schriftanalyse) überhaupt erst möglich werden. Die Bildung von Synapsenbildung und somit auch die kognitiven Leistungen eines Menschen werden um so komplexer, je mehr Reize durch die Sinnesorgane zum Gehirn transportiert werden (Zimmer 2006, 40ff).

 

Bestrebungen der Bewegungserziehung im Elementarbereich sollten sich demzufolge darauf konzentrieren, ein Kind auf vertrauensvolle und rücksichtsvolle Weise zu motivieren, die Vielfältigkeit seiner Umwelt durch Bewegung und Wahrnehmung auf seine eigene Weise besser kennenzulernen, um somit Denkprozesse anzuregen, die nicht zuletzt auch für das Erlernen der Sprache und Schrift erforderlich sind.

 

3.4 Gesundheitsförderung

 

Laut Göhner (1996) bestehen sportliche Aktivitäten aus speziellen Bewegungen, bei denen bestimmte Ziele erreicht werden sollen. Diese Ziele untergliedert er weiter in zwei Teilgruppen, in „Sportliche Bewegung als Produkt“ - z. B. Gewichtsreduktion auf ein bestimmtes Maß oder Siegen im Wettkampf und in „Sportliche Bewegung als Prozess“ – wie dauerhaftes Wohlbefinden, allgemein Freude am Schwimmen, Reiten, Skilaufen etc. (vgl. Göhner 1996, 44 und 1992, 27) . Aus Sicht der Gesundheitsförderung sind meiner Meinung nach beide der genannten Bewegungsfunktionen (Produkt vs. Prozess) von hoher Bedeutung, allerdings mit recht unterschiedlicher Gewichtung und mit geringerer Trennschärfe. Wird Gesundheit in Anlehnung an Reuter (2004, 786) als „subjektives Wohlbefinden ohne Zeichen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Störung“ verstanden, so zählt die „Sportliche Bewegung als Produkt“ nur dann zur Gesundheitsförderung, wenn sie mit dem individuellen Wohlbefinden eines Menschen einhergeht. Zimmer (1993) spricht in...

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