Sie sind hier
E-Book

Fünfzehn Jahre in Amerika

AutorMarg. Lenk
VerlagBookRix
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl138 Seiten
ISBN9783730913659
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis2,99 EUR
Da das schlichte Büchlein 'Aus meiner Kindheit' ganz wider mein Erwarten freundliche Aufnahme gefunden hat, möchte ich die vielfach ausgesprochene Bitte um eine Fortsetzung nicht ganz unerfüllt lassen. Da aber meine Jugendzeit sehr ruhig verlief und in ihrer Schilderung Wiederholungen unvermeidlich sein würden, ziehe ich vor, unser Leben in Amerika, schlicht, wie es in meiner Erinnerung lebt, zu schildern. Coverbild: © Kvocek / Shutterstock.com

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

2. Im gastfreien Hause


Endlich, endlich erreichten wir freiere Gegend; der Kondukteur winkte uns und sprach: „Jefferson avenue and Miami street“.

Nun begannen unsere Herzen stark zu klopfen! Wie würde der Empfang sein in Professor Walthers Haus? Wie würde sich seine Frau zu mir stellen? Vornehm und sehr gelehrt stellte ich sie mir vor.

Schön und frei war es ringsum. Breite, mit Bäumen eingefasste Straßen, sehr hübsche, von Gärten umgebene Häuser, und dort stand ja das stattliche Konkardia-College, das wir schon oft im Bilde gesehen; nicht weit davon die schöne, in gotischem Stil gebaute mittelgroße Kirche. Ringsum lagen die Professorenwohnungen; Professor Walthers Häuschen war damals wohl das bescheidenste.

Das hübsche, überaus saubere gekleidete Mädchen, das auf unser Klopfen erschien, rief ganz erfreut:

„O, da sind Sie ja schon! Wir erwarteten Sie erst am Abend. Gleich will ich Herr Professor rufen!“ Damit führte sie uns in ein rührend einfaches Wohnstübchen und lief eilig die Treppe hinauf.

Nach wenig Minuten trat ein Mann ein, dessen Bild mir bisher mehr Scheu als Vertrauen eingeflößt hatte.

Jetzt strahlten seine Augen von Liebe und Freude, er breitete die Arme aus und schloss meinen Mann, der vor Erregung weinte, an sein Herz. Es war ein frommes, treues, edles Herz; und die hier geschlossene Freundschaft hielt an bis zum Tode.

Dann reichte er auch mir die Hand und nannte mich eine tapfere Frau, was ich freilich nicht immer gewesen war. Nun rief er zur Tür hinaus:

„Kathrine! Holen Sie schnell meine Frau; sie ist im Nähverein. Und kochen Sie gleich Kaffee!“

Bald kam die liebe Frau mit kurzen, raschen Schritten gelaufen, im grauen Kleid, weißen Schürzchen und sehr bescheidenen schwarzen Spitzenhäubchen.

Wie heimisch klang mir die echt sächsische Sprache, in der sie uns aufs Herzlichste begrüßte:

„Wir geht’s auf Staten Island? Was macht Klärchen? Wie verlief die Seereise?“

So waren wir noch denselben Abend daheim in dem Hause, das ich mir so fremd, vornehm und etwas steif vorgestellt hatte.

Wohl sechs Wochen, vielleicht noch länger, genossen wir die Gastfreundschaft dieser herrlichen Menschen.

Mein lieber Mann stürzte sich mit Feuereifer in theologische Studien, besuchte oft die Vorlesungen im College und machte eine Menge interessante Bekanntschaften.

Ich war weniger befriedigt; ja, ich fühlte mich zurückgesetzt und war etwas eifersüchtig auf die ganze Missourisynode.

Bisher hatte mein Mann fast alles, was ihn innerlich bewegte, mit mir besprochen; ja, auf der langen Reise und in der davor liegenden Zeit großer Aufregung hatte er niemand gehabt, dem er sein beschwertes Herz ausschütten konnte als mich.

Hier traf er Männer, die nicht nur ganz eines Sinnes mit ihm waren, sondern ihm eine Fülle geistiger und geistlicher Schätze mitteilen konnten.

Gern hätte ich recht viel vom amerikanischen Haushalt gelernt, doch meinte unsere liebe Wirtin, das werde sich alles von selbst finden; lehren lasse es sich nicht. Immerhin sah ich ihr vieles von den flinken, geschickten Händen ab; nur in die Geheimnisse des Brotbackens ließ sie niemand blicken und war daher nicht unschuldig an den seltsamen Produkten der Backkunst, die ich später als Erstlingsversuche lieferte.

Dagegen nahm sie meine Hilfe beim Nähen gern an und ich durfte die unzähligen Knopflöcher der sechs feinen Herrenhemden machen, die sie eben unter der Hand hatte. Dem Herrn Professor aber war’s außerm Spaß, dass ich express übers Meer gekommen sei, um seine Extravaganzen zu frönen. Damit meinte er die große Zahl der Knopflöcher.

Wenn wir so fleißig zusammen saßen, erzählte die liebe, sehr gescheite Frau gern allerlei aus ihrem vielbewegten Leben.

„Vor dem Kriege“ und „nach dem Kriege“ war ihr stetes Stichwort. Sie meinte, vor dem Kriege habe schlichte Einfachheit, gute Sitte, und in deutschen Häusern auch die liebe deutsche Sprache geherrscht; jetzt nehme Kleiderpracht, Unbotmäßigkeit der Jugend und das leidige Englischschwatzen mehr und mehr überhand.

Nun, jedenfalls war ihr eigenes Haus vor diesen schädlichen Einflüssen bewahrt geblieben.

Am liebsten und anschaulichsten erzählte sie von jener großen Auswanderung unter Führung des böhmischen Predigers Stephan, an der sie ja selbst teilgenommen.

Sind auch ihre Worte meinem Gedächtnis im Laufe der Zeit entschwunden, so ist mir doch ihre Weise so unvergesslich geblieben, dass ich wohl wagen darf, sie redend einzuführen.

„Als ich ein junges Mädchen war“, begann sie, „stand es in Sachsen mit der Kirche gar übel, da fast überall nur Vernunftreligion gepredigt, Jesus als der ‚Weise von Israel‘, aber nicht als Heiland der Seelen dargestellt, und das Wort der Heiligen Schrift nicht mehr als unfehlbar gehalten wurde.

Da trat in der kleinen böhmischen Gemeinde in Dresden der Prediger Stephan auf, mahnte gewaltig zur Buße und pries den Glauben an Christum als einzigen Weg zu Seligkeit an.

Bald ward sein Kirchlein zu klein, die Menge der Zuhörer jedes Alters und Standes zu fassen, sodass er die Gottesdienste an Sommerabenden in seinem Garten halten musste.

Allerlei Schwarmgeisterei mag wohl in seinen Predigten mit unterlaufen sein; auch fesselte er die Zuhörer viel zu sehr an seine Person, nahm Geschenke und allerlei Ehrenbezeugungen an, die ein rechter Prediger von sich weist.

Da ihm besonders die Jugend zulief, mag bei den Abendversammlungen manches Ungehörige vorgefallen sein, sodass sie endlich verboten und Stephan sein Amt genommen wurde.

Da stellte er sich als Märtyrer dar und sagte, Gott habe ihn berufen, seine Anhänger nach Amerika zu führen, um dort ein neues Zion zu gründen.

Durch seine große Redegabe und sein sicheres Auftreten betört, fielen in kurzer Zeit wohl 700 Personen diesem abenteuerlichen Plane zu. Nicht etwa dummes, zusammengelaufenes Volk, sondern meist wackere Leute, die es für Gottes Ruf hielten. Einige Pastoren, Kandidaten und andere studierte Männer waren auch dabei. Freilich fehlte es auch nicht an jungem, schwärmerischem Volk.

Stephan aber nahm alles auf, was kam, auch kaum dem Kindesalter entwachsene Burschen und Mädchen, die ihre Heimat verstohlen verlassen hatten ohne Einwilligung der Eltern. Niemand erkannte daraus, dass solch ein Mann unmöglich ein Diener Gottes sein könne!

Was jeder an Geld mitbrachte, ward in eine gemeinschaftliche Kasse getan, die Stephan verwaltete.

Mein lieber Mann zog auch mit, auch mein Bruder mit mir jungem Ding und noch andern Verwandten. Jetzt wäre ein solches kaum mehr möglich; damals aber gab’s noch keinen Telegraphen, keine Eisenbahn, und das Auffinden von Ausreißern war eine mühsame Sache.

Dazu kam, dass Stephan große Eile hatte, sein Volk zu entführen. In Bremerhaven wurden fünf Schiffe gemeldet, und bald ging’s hinaus in die See.

Eines dieser Schiffe, die ‚Amalia‘, ward nie mehr gesehen, und sie ist wohl mit Mann und Maus gesunken. Mit dieser ‚Amalia‘ sollte mein Mann fahren, fand aber keinen Platz mehr und wurde vom ‚Johann Georg‘ aufgenommen. Ja, Gott wollte ihn erhalten, vielen zum Segen!

Stephan fuhr mit dem ‚Olbers‘ und betrug sich schon auf See höchst herrschsüchtig, begehrte und nahm von allem das Beste für sich und tyrannisierte die Leute wie ein Türke! Wohl mögen schon damals einige irre an ihm geworden sein, wagten es aber nicht zu sagen.

In New Orleans landeten wir alle und fuhren nun den Mississippi hinauf bis St. Louis, wo ein Teil von uns sich niederließ und bald das tägliche Brot fand. Meines Mannes älterer Bruder Hermann ward ihr treuer Seelsorger.

Aber der größte Teil der Gesellschaft folgte Stephan nach einer Landstrecke in Missouri, die Perry County genannt war. Dort bauten wir uns an mit unsäglicher Mühe und großen Beschwerden, von denen ich nicht viel reden will.

Ach, da bluteten viele Hände, die bisher nur das Buch und die Feder geführt, beim Graben, Hacken, Bäume fällen und Wände aufrichten!

Stephan aber pflegte die Ruhe, ließ sich bedienen, aß und trank und betrug sich nicht wie ein Pastor, sondern wie ein Sultan und Tyrann! Seine Hütte nannte er einen Saustall und verlangte, man solle ihm zuerst einen bischöflichen Palast bauen! Auch kommandierte er die Leute ganz unerträglich in Sachen, die er gar nicht verstand.

Da ward man mehr und mehr irre an ihm, fragte die Einzelnen aus, die in seiner nächsten Umgebung lebten und überzeugte sich endlich mit Schrecken, dass er kein Heiliger, sondern ein schändlicher Heuchler sei, der im Stillen der Sünde diente!

Von der allgemeinen Kasse hatte er schon auf der Reise und in St. Louis 4000 Taler für sich verschwendet! Der Jammer und das Herzeleid, das nun über uns kam, ist unbeschreiblich.

Die jungen Pastoren mahnten ihn ernstlich zur Buße, aber ganz umsonst. Er blieb verstockt und war wohl schon längst im Vaterland ein Erzheuchler gewesen. Da blieb nichts anderes übrig, als ihn fortzuschaffen.

So fuhr man ihn in einem Kahn über den Strom und setzte ihn an einer Stelle aus, die der...

Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Esoterik - Astrologie - Spiritualität

Wer war ich im Vorleben?

E-Book Wer war ich im Vorleben?
Die positive Wirkung spiritueller Rückführungen - Mit zahlreichen Fallbeispielen Format: PDF/ePUB

Lebenshilfe aus der Vergangenheit von Ursula Demarmels - Vorwort von Dr. Michael Newton, Geleitwort von Michael Aufhauser.Der Glaube an die Wiedergeburt ist so alt wie die Menschheit. Durch die…

Wer war ich im Vorleben?

E-Book Wer war ich im Vorleben?
Die positive Wirkung spiritueller Rückführungen - Mit zahlreichen Fallbeispielen Format: PDF/ePUB

Lebenshilfe aus der Vergangenheit von Ursula Demarmels - Vorwort von Dr. Michael Newton, Geleitwort von Michael Aufhauser.Der Glaube an die Wiedergeburt ist so alt wie die Menschheit. Durch die…

Das authentische Reiki

E-Book Das authentische Reiki
Wirksame Hilfe bei den körperlichen und seelischen Problemen der heutigen Zeit Format: ePUB/PDF

Reiki ist eine uralte Methode zur Aktivierung universaler Lebensenergie. Diese Energie, die allem Lebendigen innewohnt, stellt eine besondere Form von Lichtenergie dar. Es handelt sich um die…

Das authentische Reiki

E-Book Das authentische Reiki
Wirksame Hilfe bei den körperlichen und seelischen Problemen der heutigen Zeit Format: ePUB/PDF

Reiki ist eine uralte Methode zur Aktivierung universaler Lebensenergie. Diese Energie, die allem Lebendigen innewohnt, stellt eine besondere Form von Lichtenergie dar. Es handelt sich um die…

Das authentische Reiki

E-Book Das authentische Reiki
Wirksame Hilfe bei den körperlichen und seelischen Problemen der heutigen Zeit Format: ePUB/PDF

Reiki ist eine uralte Methode zur Aktivierung universaler Lebensenergie. Diese Energie, die allem Lebendigen innewohnt, stellt eine besondere Form von Lichtenergie dar. Es handelt sich um die…

Glückszauber

E-Book Glückszauber
Durch Weiße Magie auf der Sonnenseite des Lebens Format: ePUB

Ein zauberhaftes Leben nach Wunsch gestaltenWas bedeutet Glück? Für die meisten von uns sicherlich Gesundheit, Liebe, inneren und äußeren Reichtum. Seinem Glück mithilfe der Götter oder der Magie auf…

Glückszauber

E-Book Glückszauber
Durch Weiße Magie auf der Sonnenseite des Lebens Format: ePUB

Ein zauberhaftes Leben nach Wunsch gestaltenWas bedeutet Glück? Für die meisten von uns sicherlich Gesundheit, Liebe, inneren und äußeren Reichtum. Seinem Glück mithilfe der Götter oder der Magie auf…

So krieg' ich ihn wieder

E-Book So krieg' ich ihn wieder
Bezaubern Sie Ihren Ex durch magische Man(n)ipulation Format: ePUB/PDF

Mit magischer Power das Liebesfeuer neu entfachenDas Buch schlechthin, um treulose Männer zur Umkehr zu bewegen - mit den besten und wirksamsten Mitteln der Magie, um die Liebe des Verflossenen neu…

Weitere Zeitschriften

Archiv und Wirtschaft

Archiv und Wirtschaft

"Archiv und Wirtschaft" ist die viermal jährlich erscheinende Verbandszeitschrift der Vereinigung der Wirtschaftsarchivarinnen und Wirtschaftsarchivare e. V. (VdW), in der seit 1967 rund 2.500 ...

Baumarkt

Baumarkt

Baumarkt enthält eine ausführliche jährliche Konjunkturanalyse des deutschen Baumarktes und stellt die wichtigsten Ergebnisse des abgelaufenen Baujahres in vielen Zahlen und Fakten zusammen. Auf ...

Card Forum International

Card Forum International

Card Forum International, Magazine for Card Technologies and Applications, is a leading source for information in the field of card-based payment systems, related technologies, and required reading ...

DULV info

DULV info

UL-Technik, UL-Flugbetrieb, Luftrecht, Reiseberichte, Verbandsinte. Der Deutsche Ultraleichtflugverband e. V. - oder kurz DULV - wurde 1982 von ein paar Enthusiasten gegründet. Wegen der hohen ...