Die Unerfahrenheit vieler Anleger bei der Beurteilung der Parameter für die Optionsscheinbewertung hat nicht selten zu Verlusten oder falsch eintretenden Prognosen geführt[56]. Somit werden in diesem Kapitel sowohl die Bewertung von Optionsscheinen, als auch die Einflussfaktoren auf den Optionsscheinpreis untersucht, um dem Anleger ausreichende Kriterien zur Auswahl eines Optionsscheines zur Verfügung zu stellen. Um eine objektive Bewertung von Optionsscheinen möglich zu machen, bedient man sich in der Finanzwelt statischer Kennzahlen, wovon folgende die wichtigsten sind:
Innerer Wert
Zeitwert
Aufgeld bzw. Agio
Break - Even bzw. Gewinnschwelle
Hebeleffekt[57].
Um Investitionen in Optionsscheine tätigen zu können, ist es für den Anleger unbedingt erforderlich, die theoretischen Hintergründe sowie die Berechnungen hinsichtlich der Optionsscheinkennziffern zu verstehen und die Ergebnisse interpretieren zu können. Somit gewinnt der Anleger vor dem Kauf eine Vorstellung über das Risiko und die mögliche Wertentwicklung des Optionsscheins. Der Anleger sollte sich beim Vergleich von Optionsscheinen hinsichtlich der Kennzahlen jedoch darüber im Klaren sein, dass nur der Vergleich gleich ausgestatteter Optionsscheine sinnvoll ist, da bereits geringe Änderungen hinsichtlich der Optionsscheinmerkmale diese Kennzahlen stark beeinflussen.
Zusätzlich werden in diesem Kapitel Faktoren dargestellt, die angeben, wie sich die Veränderung eines Einflussparameters auf den Optionsscheinpreis auswirkt. Zu diesem Zweck werden die so genannten Sensitivitätsfaktoren untersucht.
Am Ende dieses Kapitels wird ein Zahlenbeispiel eines Optionsscheins eingeführt, das den Aussagegehalt der vorgestellten Kennziffern im Zusammenhang erläutert.
Der Optionsscheinpreis setzt sich aus zwei Komponenten zusammen, aus dem inneren Wert und dem Zeitwert[58]. Diese beiden Bestandteile werden nun separat voneinander betrachtet, wobei zunächst der innere Wert untersucht wird.
Unter dem inneren Wert versteht man „die positive Kursdifferenz zwischen Basispreis (Strike Price) und gegenwärtigem Marktkurs des zu Grunde liegenden Basiswerts bei Puts, bzw. zwischen dem gegenwärtigen Marktkurs des zu Grunde liegenden Basiswerts und dem Basispreis (Strike Price) bei Calls[59].“ Der innere Wert wird anhand folgender Formeln berechnet:
In Kapitel 2.1 wurde bereits veranschaulicht, dass der Anleger keine Pflicht zur Ausübung seiner Option hat. Wenn man sich also die Formel zur Berechnung des inneren Wertes eines Call - Optionsscheins betrachtet, fällt auf, dass dieser nie negativ werden kann. Dies resultiert aus der Tatsache, dass der Anleger auf die Ausübung des Optionsrechts verzichtet, wenn der Basispreis höher als der Kurs des Basiswerts ist[60]. Ein Call - Optionsschein wird also nur einen inneren Wert aufweisen, falls der Basispreis kleiner als der Kurs des Basiswerts ist[61], während es beim Put - Optionsschein genau umgekehrt ist. Somit liegt der Optionsschein „in the money“, wenn der innere Wert größer oder gleich null ist und „at the money“, wenn der Basispreis gleich dem Kurs des Basiswerts ist[62]. Zur Bewertung des inneren Wertes muss noch gesagt werden, dass dieser nur bei Optionsscheinen zu berechnen ist, die jederzeit ausgeübt werden können, d.h. bei Optionsscheinen des Amerikanischen Typs[63].
Da es jedoch durchaus möglich ist, dass auch „out of the money“ - liegende Optionsscheine einen Wert besitzen, muss noch ein weiterer Parameter zur Bestimmung des Optionsscheinpreises existieren, nämlich der Zeitwert[64]. Der Zeitwert ist ein „Unsicherheitsaufschlag“, der unter anderem die Wahrscheinlichkeit von Kursschwankungen des Basiswerts bis zur Fälligkeit des Optionsscheins widerspiegelt[65]. Die Höhe des Zeitwerts wird hauptsächlich durch die Parameter Restlaufzeit des Optionsscheins und Volatilität (Häufigkeit und Intensität von Kursschwankungen des Basiswerts während einer bestimmten Zeit) des Basiswerts beeinflusst, wobei grundsätzlich folgende Feststellung getroffen werden kann: Je kürzer die Restlaufzeit des Optionsscheins und je niedriger die Volatilität des Basiswerts ist, desto niedriger fällt der Zeitwert des Optionsscheins aus[66]. Dies ist dadurch zu erklären, dass die Chance, dass der Optionsschein im Geld endet und somit einen inneren Wert aufweist, umso höher ist, je länger die Restlaufzeit des Optionsscheins ist[67]. Bei kürzer werdender Restlaufzeit hingegen nimmt der Zeitwert ab[68]. Um den Zeitwert rechnerisch zu erhalten, subtrahiert man den inneren Wert vom Optionsscheinkurs[69]. Als Formel dargestellt sieht dies folgendermaßen aus:
Bei Optionsscheinen, die „out of the money“ liegen, existiert, wie zuvor erwähnt, kein innerer Wert. Bei Optionsscheinen, die „in the money“ liegen, ist hingegen der Zeitwert nahe Null oder gar nicht vorhanden[70]. Je näher also der Verfalltag des Optionsscheins rückt, desto mehr besteht der Wert des Optionsscheins nur noch aus dem inneren Wert[71]. Übt der Anleger also seine Option, die „in the money“ liegt, am Verfalltag nicht aus, sondern verkauft sie zuvor, so realisiert er durch den frühzeitigen Verkauf zusätzlich zum inneren Wert der Option den Zeitwert. Dieser ginge ihm beim Ausüben der Option am Ende der Laufzeit verloren ginge[72].
Als weitere statische Kennzahl kann das Aufgeld (Agio) genannt werden. Hier muss zwischen Call - Optionsschein und Put - Optionsschein unterschieden werden. Beim Call - Optionsschein zeigt das Aufgeld, um wie viel teurer der Erwerb des Basiswerts durch Kauf eines Kaufoptionsscheins und sofortige Ausübung dieses Rechts gegenüber einem Direkterwerb des Basiswerts wäre[73]. Das Aufgeld beim Put - Optionsschein hingegen gibt an um wie viel teurer der Verkauf des Underlying nach Ausübung des Optionsrechts gegenüber dem direkten Verkauf des Underlying wäre. Nach diesen Definitionen zeigt das Aufgeld, um wie viel Prozent der Basiswert des Optionsscheins bis zum Fälligkeitstag steigen muss, damit der Anleger keinen Verlust seines eingesetzten Kapitals realisiert. Das Aufgeld wird anhand folgender Gleichungen berechnet:
Bei der Höhe des Aufgeldes spielt dabei die Restlaufzeit des Optionsscheins eine wesentliche Rolle, denn je länger diese ist, desto höher ist auch das Aufgeld.
Bevor sich ein Anleger für einen Optionsschein entscheidet, muss er abwägen können, wie weit sich der Kurs des jeweiligen Underlying nach oben oder nach unten bewegen muss, damit er einen Gewinn realisiert oder zumindest die Kosten für seine Investition decken kann[74]. Somit muss eine weitere statische Kennzahl untersucht werden, nämlich der Break - Even - Kurs, oder zu Deutsch Gewinnschwelle. Dieser Kurs ist dann erreicht, wenn der Anleger bei der Ausübung seines Optionsrechts die Anschaffungskosten für die Optionsscheine und die ihm berechneten Transaktionskosten egalisieren kann[75]. Falls der Optionsschein jedoch verkauft wird, anstatt das Optionsrecht auszuüben, kann der Anleger nur dann einen Gewinn erzielen, wenn der Verkaufserlös die Anschaffungskosten des Optionsscheins zuzüglich der angefallenen Transaktionskosten abdeckt[76]. Die Formel zur Berechnung des Break - Even - Kurs lautet wie folgt:
Der Break- Even - Kurs kann zusätzlich ausdrücken, um wie viel Prozent der Optionsscheinkurs steigen muss, um einen Gewinn zu erwirtschaften. Dies wird in einem Praxisbeispiel am Ende des Kapitels näher erläutert.
Eine wichtige und die wahrscheinlich bekannteste statische Kennzahl für Optionsscheine ist der so genannte Hebel, der im Folgenden erklärt werden soll. Der Preis des Optionsscheins steht in enger Beziehung zum Preis des Basiswerts, wobei der Optionsscheinpreis in der Regel in Relation zum Basiswert um ein Vielfaches geringer ist[77]. Die Folge daraus ist, dass sich sowohl jeder Kursanstieg, als auch jeder Kursverlust des Basiswerts überproportional auf den Kurs des Optionsscheins auswirkt. Somit partizipiert ein Optionsscheinanleger überdurchschnittlich hoch an Kursgewinnen, aber auch an Kursverlusten[78]. Dieser Effekt wird als “Hebelwirkung“ bezeichnet. Der Hebel zeigt dem Anleger, um wie viel Prozent sich der Kurs des Optionsscheins verändert, wenn sich der Kurs des Basiswerts um ein Prozent verändert[79]. Die Formel zur Berechnung des Hebels lautet wie folgt:
Beträgt der Hebel bspw. Fünf, so ist das Ergebnis folgendermaßen zu interpretieren: Der Optionsschein erfährt eine fünf -...