Sie sind hier
E-Book

Game Studies im Paradigma Virtueller Realität

Eine narratologische Exploration experimenteller Virtual-Reality-Inhalte im Kontext der Oculus Rift Entwicklergemeinschaft

AutorFelix Hanser
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl149 Seiten
ISBN9783668132269
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2015 im Fachbereich Medien / Kommunikation - Forschung und Studien, Note: 1,7, Universität Mannheim (Medien- und Kommunikationswissenschaft), Veranstaltung: Abschlussarbeit des Studiengangs Medien- und Kommunikationswissenschaft (Master of Arts), Sprache: Deutsch, Abstract: Die Computertechnologie Virtual Reality (VR) steht kurz vor ihrer Kommerzialisierung und verspricht die alltägliche Verfügbarkeit einer neuartigen Medienerfahrung, die es erlaubt, sich mithilfe neuer Displaytechnik und der sensorischen Verfolgung von Nutzerbewegungen auf realistische Weise in einer virtuellen Umgebung zu bewegen. In diesem Zusammenhang erfahren in jüngster Zeit kommerzielle Datenbrillen bzw. VR-Brillen (Head-Mounted Display, kurz: HMD) öffentliche Aufmerksamkeit. Mediengeschichtlich betrachtet, handelt es sich um die Einführung einer neuen Mediengattung, deren global-gesellschaftlichen Auswirkungen zwar theoretisch von verschiedenen Wissenschaftlern beschworen werden (vgl. Bühl, 2000; Faßler, 2008), aber empirisch erst noch explizit erforscht werden müssen. Theoretisch ist beispielsweise die Rede davon, dass sich in den kommenden Jahren durch VR-Technologie der 'technologische Kern unserer Gesellschaft' (Bühl, 2000: 17) erneut verändern wird. Im Allgemeinen wird in dieser Abschlussarbeit ein Teil dieses sich anbahnenden sozialen Wandels durch die gesellschaftliche Institutionalisierung von Virtual Reality-Technologie als potenzielles Massenmedium aus der Perspektive der Medien- und Kommunikationswissenschaft untersucht. Genauer leistet die Abschlussarbeit einen ersten, an zeitgenössischer Erfahrung orientierten Beitrag dazu, diese neue Medienform anhand ihrer gegenwärtig öffentlich bzw. kommerziell verfügbaren Medieninhalte zu untersuchen und davon ausgehend mögliche Ausgestaltungen der weiterführenden Etablierung dieser Medientechnologie aufzeigen. Dazu werden veröffentlichte Inhalte in Form von Softwareangeboten für die Oculus Rift VR, eine der ersten kommerziellen VR-Brillen, untersucht. Genauer sollen anhand veröffentlichter Inhalte die Möglichkeiten und Grenzen des Erzählens, der Narrativität, kommerzieller VR-Technik erforscht und Rückschlüsse auf Virtual Reality als potenzielles Unterhaltungsmedium ermöglicht werden. Im Besonderen werden hier die noch nicht konventionalisierten inhaltlichen und gestalterischen Spezifikationen aus einer erzähltheoretischen Perspektive untersucht, welche sich mit einer, der Gegenstandsangemessenheit geschuldeten, transdisziplinären Theorieauswahl bedient. Eine explorative Online-Befragung zur Nutzung und Rezeption von VR-Inhalten für die Oculus Rift (DK2) bildet dabei eine empirische Grundlage der am Medieninhalt orientierten Studie.

Felix Hanser studierte Medienwissenschaft, Soziologie und Rhetorik an der Universität Tübingen (Bachelor of Arts), wobei er sich mit Film, Erzähltheorie, sowie der Nutzung und Rezeption neuer Medienformen wie Augmented Reality aus einer kulturwissenschaftlichen Perspektive beschäftigte. Anschließend studierte er Medien- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Mannheim (Master of Arts) und konzentrierte sich auf Unterhaltungsforschung, Medienpsychologie und Erzähltheorie vor dem Hintergrund der Wechselwirkungen zwischen Medienwandel und Gesellschaftswandel. Felix Hanser lebt und arbeitet in Mannheim als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Team für Informationssysteme in der Medizin- und Biotechnologie des Fraunhofer Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA-PAMB).

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

2. Die Wirklichkeit kommerzieller Head-Mounted Displays


 

Die besondere, präsenzerzeugende Rezeptionsqualität und Situation von Virtual Reality lässt sich auch als Perspektivenverschiebung zwischen Computerspielen, die aus der ersten Person dargestellt werden – First-Person Games wie Ego-Shooter oder First-Person Adventures – und der Oculus Rift VR-Brille, als ein erster Prototyp kommerzieller Head-Mounted Displays für ein Massenpublikum, verdeutlichen. Dabei wird ersichtlich, dass theoretische Betrachtungen zur Rezeptionsperspektive in First-Person Games bereits Eigenschaften beanspruchen, die im direkten Vergleich zur VR-Perspektive jedoch neu diskutiert werden müssen.

 

2.1. Von First-Person Games zu Virtual Reality


 

Stephan Günzel (2012) schreibt der Bild-Perspektive aus der ersten Person mehrere Besonderheiten zu. Die primäre Bildansicht des Ego-Shooters könne als subjektiv und realistisch bezeichnet werden. Die Perspektive des Interaktionsbildes aus der ersten Person ist demnach eine originäre, da sie phänomenologisch nicht aus einer anderen abgeleitet werden kann. Daher spricht Stephan Günzel dem Ego-Shooter als Interaktionsbild die Eigenschaft der Ipseität bzw. Selbstheit als originäres Strukturmerkmal der ersten Person zu, in welcher der Spieler sein Ego/Ich an Stelle der Spielfigur wahrnimmt (vgl. Günzel, 2012: 178). Allerdings setzen First-Person Games stets den Blickmittelpunkt mit einem Interaktionsfokus (siehe Abb. 1)[14] oder dem Zielkreuz einer Schusswaffe gleich (siehe Abb. 2)[15].

 

 

Abbildung 1: First-Person Perspektive des Adventure Games Gone Home (The Fullbright Company, 2014).

 

 

Abbildung 2: Typische Ego-Shooter Perspektive mit der Gleichsetzung des Blickmittelpunkts mit dem Trefferpunkt. Screenshot aus Advanced Warfare (Sledgehammer Games, 2014).

 

Günzel bleibt daher in seiner Beschreibung der Ego-Perspektive sehr allgemein und nicht trennscharf genug, wenn er die subjektive Perspektive im Computerspiel als Simulationsbild zur Verortung des Ichs und seinen Handlungen in einer virtuellen Umgebung, vor dem Hintergrund der phänomenologischen Philosophie von Edmund Husserl und Maurice Merleau-Ponty, einer annähernden Übereinstimmung zur real-subjektiven Perspektive des Spielers gleichsetzt (vgl. Günzel, 2012: 185). Im Vergleich zu einer subjektiven Perspektive mittels VR-Brille erscheint diese Behauptung unspezifisch und greift zu kurz. Jedoch liefert Günzel einen zentralen Punkt zum Vergleich von Ego- und VR-Perspektive, indem er auf den Diskurs zur Differenzierung des Konzepts der Immersion in der Computerspielforschung bezüglich der Grenzverwischung der Bildpräsentation verweist. So lässt sich nach Günzel (2012: 73) das Computerspiel von VR in Relation zum Bild unterscheiden in (a) der materiellen Eigenschaft und (b) einem psychischen Zustand:

 

„Immersion auf der Ebene des Bildträgers liegt etwa in begehbaren Bildsimulationen wie einer CAVE (Cave Automatic Virtual Environment) oder in der Verwendung von Datenbrillen (Head Mounted Display) vor. In beiden Fällen kann der Rahmen als Grenze zwischen Bild und Wirklichkeit nicht mehr selbst gesehen werden“ (Günzel, 2012: 73).

 

Günzel zitiert indessen den Bildtheoretiker Lambert Wiesing, der in diesem Sinne die voll-immersive Eigenschaft der VR-Perspektive beschreibt:

 

„Der Besucher eines Cyberspace kann zwar noch wissen, aber nicht mehr wahrnehmen, dass er sich in einer virtuellen Realität befindet. Die Immersion wird im Fall dieser Technologie vollkommen; die Wahrnehmung einer bildlichen Darstellung hat sich ununterscheidbar an die Wahrnehmung der realen Welt angeglichen“ (Wiesing, 2005: 108).

 

Der grundlegende Unterschied zwischen der Ego-Perspektive von Computerspielen und einer VR-Perspektive besteht damit im Vorhandensein der Bildgrenze: „Spieler können zwar nahe an den Monitor heranrücken oder die Zimmerbeleuchtung ausschalten, aber die Bildbegrenzung lässt sich dadurch allenfalls zurückdrängen, nie aber gänzlich aufheben, wie es etwa bei einem Panoramabild der Fall ist“ (Günzel, 2012: 73). Beim Spielverlauf eines Ego-Shooters handele es sich daher quasi um „erspielte Bilder“ (Bausch & Jörissen, 2005: 347). In der Bildinteraktion (Bild-an-Bild-Reihung) kann so für den Spieler der Eindruck entstehen, er vollziehe eine Bewegung durch die Räume, aber „streng genommen [erfolgt] eine Bewegung des Raumes im Bildrahmen“ (Günzel, 2010: 99).

 

Dieser Bildrahmen wird also durch Virtual Reality aufgelöst, was Stefan Günzel aber als reine Subjektikonologie auch für den Ego-Shooter annimmt: „Rein ist diese deshalb, weil erst im Computerspiel die Perspektive der ersten Person permanent eingenommen wird“ (Günzel, 2010: 100). Es ist wichtig, zu beachten, dass Günzel sich in seiner bildtheoretischen Differenzierung ausschließlich auf Ego-Shooter bezieht. In der Totalität seiner Annahmen wäre der Bezug auf VR-Games jedoch zutreffender. Denn die Perspektive eines Ego-Shooter als dehumanisierte Sichtweise (vgl. Günzel, 2010: 100), die zwar im Raum beweglich aber in Relation zum Körper des Spielers fixiert als „through-the-gunsight-perspective“ (Jenkins & Squire, 2002: 65), wird von VR abgelöst.

 

Zudem muss beachtet werden, dass die subjektive Perspektive in Computerspielen stets eine Figurenperspektive beinhaltet, also „[…] eine durch die Wahrnehmung einer diegetischen Figur geleitete Ansicht“ (Beil, 2012: 181) ist und nicht die subjektive Perspektive des Spielers darstellt. In diesem Sinne bedeutet das Verschwinden der Bildgrenze, hin zu einer potenziell totalen Subjektivierung der Spiel-Perspektive mit einer VR-Brille, auch eine Hinwendung der Aufmerksamkeit des Spielers zu den auf den eigenen Körper bezogenen, psycho-physiologisch schematisierten Selbstwahrnehmung (Körperschema). Diese körperlichen Aspekte bezieht Benjamin Beil (2012) in eine zeitgenössisch differenziertere Spezifizierung der subjektiven Perspektive in First-Person Spielen mit ein, indem er diese als Avatar-Bilder beschreibt.

 

Die First-Person Perspektive in konventionellen Computerspielen beinhaltet also immer die Positionierung des Bildes aus Sicht eines Avatar-Körpers. Im Falle von VR wird dieser Avatar-Körper prinzipiell durch die räumlich schematisierte Eigenwahrnehmung des Spielers ersetzt. Ute Enderlein beschreibt diese Übertragung der Körperbewegung in VR im Detail wie folgt:

 

„Die erste wesentliche Bewegung, die die virtuelle Umgebung tatsächlich als eine Umgebung erfahrbar macht, ist die Drehung des Kopfes (bzw. die Drehung des ganzen Körpers, damit sich der Nutzer umschauen kann). Die Positionen des Kopfes werden über spezielle Trackingverfahren aufgezeichnet und gelten dem Rechner als Eingabebefehle, das visuelle Image entsprechend zu verändern. Die tatsächliche Eigenbewegung des Nutzers (bzw. seines Kopfes) führt also zu jener Wahrnehmung, die er auch aus nichttechnisierten Wahrnehmungspraxen kennt: Das Sichtfeld verändert sich kontinuierlich und in der Bewegung wird eine Rundumsicht möglich. […] Auf dieser Ebene der Navigation dienen also die quasi natürlichen (nicht auf die Technik hin entwickelten) Körperbewegungen dazu, dem Rechner Befehle zu erteilen und die entsprechenden, als realistisch anzusehenden Wahrnehmungen zu ermöglichen“ (Enderlein, 2002: 167).

 

Das ist vor allem dann relevant, wenn der Spieler eine subjektive Kamera-Perspektive einnimmt und keinen Avatar-Körper zur innerspielweltlichen Verortung besitzt. Beispielsweise präsentiert das prototypische VR-Spiel Windlands (Ilja Kivikangas, 2014) für die Oculus Rift keinen Avatar-Körper, wodurch die subjektive Perspektive des Spielers im Mittelpunkt steht (siehe Abb. 3)[16]. Demgegenüber ist es mittlerweile eher die Regel als die Ausnahme von First-Person Spielen, einen Avatar-Körper zur Verortung der Ego-Perspektive zu präsentieren (vgl. Beil, 2012: 189 f.).

 

Im Rahmen dieser Abschlussarbeit wird nun die Perspektive in Computerspielen mit Ego- bzw. First-Person Perspektive begrifflich von der durch VR-Brillen ermöglichten Perspektive unterschieden. Gegenüber der lebensweltlich real-subjektiven Perspektive des Rezipienten realisieren First-Person Games eine quasi-subjektive und VR-Brillen eine hypersubjektive Perspektive.

 

 

Abbildung 3: Stereoskopisch subjektive Perspektive mit der Oculus Rift VR. Eigener Screenshot aus Windlands (Ilja Kivikangas, 2014).

 

Letztere bezeichnet also die real-subjektive Perspektive des Rezipienten, die mit der vermittelten Perspektive eines Avatars gleichgesetzt wird und schließlich durch propriozeptive Körperwahrnehmung konstituiert wird. Zusammenfassend beschreibt an anderer Stelle Rune Klevjer diese Rezeptionssituation auch als virtuelle Verkörperung: „[…] this kind of virtual embodiment is constituted through a unity of action and perception, in a way that makes it hard to say where ‘graphics’ ends and ‘interactivity’ begins“ (Klevjer, 2012: 243 f.).

 

Der Vergleich der Rezeptionssituation...

Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Medien - Kommunikation - soziale Medien

Tatort Tagesschau

E-Book Tatort Tagesschau
Eine Institution wird 50. Format: PDF

»Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der Tagesschau« – seit 50 Jahren beginnt so der TV-Feierabend. Souverän beherrscht die Tagesschau die deutsche Fernsehlandschaft. Je nach Nachrichtenlage…

Datenformate im Medienbereich

E-Book Datenformate im Medienbereich
Format: PDF

Das Buch greift einen sehr aktuellen Themenkomplex auf, denn der Datenaustausch findet zunehmend in komprimierter Form über Netzwerke statt. Es beschreibt Standards für die Datenreduktion und den…

Datenformate im Medienbereich

E-Book Datenformate im Medienbereich
Format: PDF

Das Buch greift einen sehr aktuellen Themenkomplex auf, denn der Datenaustausch findet zunehmend in komprimierter Form über Netzwerke statt. Es beschreibt Standards für die Datenreduktion und den…

Datenformate im Medienbereich

E-Book Datenformate im Medienbereich
Format: PDF

Das Buch greift einen sehr aktuellen Themenkomplex auf, denn der Datenaustausch findet zunehmend in komprimierter Form über Netzwerke statt. Es beschreibt Standards für die Datenreduktion und den…

Virtuelle Welten

reale Gewalt Format: PDF

Die Frage, wie Gewalt und Medien zusammenhängen, lässt sich nicht mit einem Satz oder nur aus einer Perspektive beantworten. Deshalb haben 16 Telepolis-Autoren in 20 Essays ihre Meinung, die…

Virtuelle Welten

reale Gewalt Format: PDF

Die Frage, wie Gewalt und Medien zusammenhängen, lässt sich nicht mit einem Satz oder nur aus einer Perspektive beantworten. Deshalb haben 16 Telepolis-Autoren in 20 Essays ihre Meinung, die…

Weitere Zeitschriften

AUTOCAD & Inventor Magazin

AUTOCAD & Inventor Magazin

FÜHREND - Das AUTOCAD & Inventor Magazin berichtet seinen Lesern seit 30 Jahren ausführlich über die Lösungsvielfalt der SoftwareLösungen des Herstellers Autodesk. Die Produkte gehören zu ...

Baumarkt

Baumarkt

Baumarkt enthält eine ausführliche jährliche Konjunkturanalyse des deutschen Baumarktes und stellt die wichtigsten Ergebnisse des abgelaufenen Baujahres in vielen Zahlen und Fakten zusammen. Auf ...

BEHINDERTEPÄDAGOGIK

BEHINDERTEPÄDAGOGIK

Für diese Fachzeitschrift arbeiten namhafte Persönlichkeiten aus den verschiedenen Fotschungs-, Lehr- und Praxisbereichen zusammen. Zu ihren Aufgaben gehören Prävention, Früherkennung, ...

Berufsstart Bewerbung

Berufsstart Bewerbung

»Berufsstart Bewerbung« erscheint jährlich zum Wintersemester im November mit einer Auflage von 50.000 Exemplaren und ermöglicht Unternehmen sich bei Studenten und Absolventen mit einer ...

Card Forum International

Card Forum International

Card Forum International, Magazine for Card Technologies and Applications, is a leading source for information in the field of card-based payment systems, related technologies, and required reading ...

Courier

Courier

The Bayer CropScience Magazine for Modern AgriculturePflanzenschutzmagazin für den Landwirt, landwirtschaftlichen Berater, Händler und generell am Thema Interessierten, mit umfassender ...

DGIP-intern

DGIP-intern

Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Individualpsychologie e.V. (DGIP) für ihre Mitglieder Die Mitglieder der DGIP erhalten viermal jährlich das Mitteilungsblatt „DGIP-intern“ ...