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Gebildetes Leben - hermeneutische und bildungstheoretische Zugänge an der Schnittstelle zwischen Kunst und Pädagogik

AutorSusanne Posselt
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl83 Seiten
ISBN9783656337010
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Pädagogik - Kunstpädagogik, Note: 1,0, Pädagogische Hochschule Karlsruhe (Kunst), Sprache: Deutsch, Abstract: Vorbemerkungen zu einem Themenkomplex mit Spannungspotenzialen: 'KunstPädagogik' - 'bildende Kunst' 'Der Mensch ist seine Kunst.' (Asger Jorn. Zitiert nach Steffens, A.: Selbst-Bildung. Die Perspektive der Anthropoästhetik. Oberhausen 2011, S. 11) Theoretische Überlegungen und deren Relevanz für eine pädagogische Praxis in und außerhalb von schulischen Kontexten an der Schnittstelle zwischen Kunst und Pädagogik begleiten mich nun schon von Beginn des Studiums an. Der Laie macht sich gemeinhin wenig Gedanken darüber, ob und wenn ja, was Kunst und Pädagogik gemeinsam haben und worin sie sich unterscheiden. In Zeiten, in denen Bildung an ihrer ökonomischen Verwertbarkeit gemessen wird, hat es die Kunst und somit auch die Kunstpädagogik als scheinbare Nebensächlichkeit im Kanon der Schulfächer schwer, sich in den Curricula der Bundesländer zu halten. Ich möchte einige Fragen an den Beginn dieser Arbeit stellen, um dann in mehreren Schritte den Versuch zu unternehmen, diese systematisch zu klären. (...) Die Relevanz des Gegenstandes steht (also) außer Frage: Bildung betrifft jeden! Nicht nur diejenigen, die sich für ein Studium eines Lehramtes oder einer anderen pädagogischen Fachrichtung entscheiden, müssen sich mit Fragen der Bildung auseinandersetzen. Jeder, der studiert, bildet sich. Es ist Aufgabe und Pflicht jedes Studierenden, in Bildungsprozesse einzutreten. Darüber hinaus müssen wir als zukünftige Lehrerinnen und Lehrer nicht nur in der Lage sein, Bildungsprozesse bei den uns anvertrauten Schülerinnen und Schülern anzustoßen, sondern auch selbst fortwährend in Auseinandersetzung mit sich ständig und immer schneller ändernden Rahmenbedingungen treten. Meine These ist: Nur, wer eigene Bildungsprozesse reflektiert und wer sich intensiv mit der Frage auseinandersetzt, was Bildung eigentlich ist, kann Bildungsprozesse auch bei Schülerinnen und Schülern anstoßen, in Gang setzen. Nur wer den Schmerz wie auch die Lust an der ständigen Auseinandersetzung mit dem Neuen und dem Fremden kennt, die Bildungsprozessen unweigerlich innewohnen, kann in seiner Funktion als Vor-Bild zeigen, dass es sich lohnt, sich dieser Aufgabe zu stellen. Dabei bin ich der Überzeugung, dass insbesondere die aktuelle Kunstpädagogik einen wichtigen Beitrag zum Verständnis und zur Reflexion eigener Bildungsprozesse leisten kann.

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Leseprobe

3   Bildung

 

„Die letzte Aufgabe unseres Daseyns: dem Begriff der Menschheit in unserer Person, sowohl während der Zeit unseres Lebens, als auch noch über dasselbe hinaus, durch die Spuren des lebendigen Wirkens, die wir zurücklassen, einen so grossen Inhalt als möglich, zu verschaffen, diese Aufgabe löst sich allein durch die Verknüpfung unseres Ichs mit der Welt zu der allgemeinsten, regesten und freiesten Wechselwirkung.“[30]

 

„Nicht überall, wo Bildung draufsteht, ist auch Bildung drin. So könnte man salopp die Schwierigkeit beschreiben, die über manche sprachliche Verwirrung hinaus die sachliche Beschäftigung mit Bildung erschwert.“[31] Jedermann und -frau redet von Bildung: Man kann sich diesem Begriff kaum entziehen, ob man nun die tagesaktuelle Politik verfolgt oder sich im privaten Rahmen mit anderen Eltern über Schule und Kinder unterhält: Bildungssystem, Bildungspolitik, Bildungsexperten, Bildungsserver, Bildungsgutscheine, Bildungskonferenzen, Bildungsempfehlungen und Bildungspläne, Bildungswerke, Bildungszentren und Bildungsstätten. Bei so viel versammelter Kompetenz[32] (auch so ein „Unwort“ in der deutschen Bildungslandschaft) muss die Frage gestellt werden, was es mit diesem viel strapazierten Begriff denn eigentlich auf sich hat. Was ist „wa(h)re Bildung“? Oder ist Bildung eine Ware?[33] Bildung ist der vielleicht unklarste Begriff im gegenwärtigen pädagogischen Sprachgebrauch. Im Grunde genomme bräuchte es eine umfassende historisch-kritische Bildungsgeschichte, die den Begriff vor dem Hintergrund der jeweiligen zeitgeschichtlichen Gegebenheiten analysiert und reflektiert. Das kann und soll in diesem Zusammenhang nicht geleistet werden. Es soll jedoch ein Schlaglich auf die unterschiedlichen Entwicklungsstränge und die daraus resultierende Bedeutungsbreite des Begriffes Bildung geworfen werden.

 

Der deutsche Bildungsbegriff[34], für den es in anderen Sprachräumen kein Äquivalent gibt, kann also nicht zeitlos definiert, sondern nur in seiner historisch-systematisch-dynamischen Vielschichtigkeit erschlossen werden.[35] Insbesondere die Unterscheidung von Bildung zu Ausbildung und Erziehung[36], die es in anderen Sprachen in solcher Klarheit nicht gibt, spiegelt die Einzigartigkeit und Komplexität dieses Begriffes wider, der nur vor dem Hintergund historischer und gesellschaftlicher Entwicklungsprozesse in Deutschland zu verstehen ist.[37] Es bietet sich also an, einen kurzen Abriss der historischen Entwicklung der Wortbedeutung zu geben. Wie hat sich der Begriff der Bildung von seinem Auftauchen bis zum heutigen Zeitpunkt entwickelt, welche Bedeutungsverschiebungen hat er möglicherweise erfahren und was muss man unter einem zeitgemäßen Bildungsbegriff verstehen?[38] Exemplarisch sollen hier und da Theoretiker der Bildung zu Wort kommen, die den Bildungsbegriff in besonderem Maße und in ihrer jeweiligen Zeit geprägt haben.

 

3.1 Bildung: eine kleine Begriffsgeschichte

 

3.1.1 Die Bedeutungsbreite des deutschen Wortes Bildung bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts

 

Das Wort Bildung findet sich bereits in den ältesten deutschprachigen Schriftzeugnissen. Schon im Spätalthochdeutschen findet man es in der Form bildunga und im Mittelhochdeutschen als bildunge[39], was so viel wie Bildnis, Gestalt oder (mystisch sinnliche) Vorstellung bedeutet[40]. Der Begriff Bildung und das zugehörige Verb bilden[41] waren zentrale Begriffe für die spätmittelalterlichen Kirchenväter, die hier nicht nur eine der vier traditionellen Tugenden, die imaginatio eingedeutscht, sondern vielmehr den Begriff um ihre mystisch-religiösen Erfahrungen in seiner abstrakten Bedeutung erheblich erweitert hatten.[42]

 

3.1.2 18. Jahrhundert: Bildung und Erziehung als Schlüsselbegriffe der entstehenden Pädagogik im Zeitalter der Aufklärung

 

In der pädagogischen Fachsprache tauchte der Begriff Bildung erstmals in der Mitte des 18. Jahrhunderts im Zusammenhang der entstehenden wissenschaftlichen Pädagogik[43] auf.[44] In dieser Zeit erfuhr der Begriff eine einzigartige und bis in die Gegenwart reichende philosophisch-ästhetische, pädagogische und ideologische Aufladung bis hin zur Überhöhung. Für die Autoren des 18. Jahrhunderts war Bildung dabei meist noch gleichbedeutend mit Erziehung und Ausbildung der Verstandeskräfte. Auch Immanuel Kant (1724-1804) ordnete die Bildung in seiner Schrift „Über Pädagogik“ der Erziehung zu: „Der Mensch ist das einzige Geschöpf, das erzogen werden muß. Unter Erziehung nämlich, verstehen wir die Wartung (Verpflegung, Unterhalt), Disziplin (Zucht) und Unterweisung nebst der Bildung.“ Bildung und Erziehung dienten dazu, den Menschen besser und glücklicher zu machen. Diese Art von Bildung sollte dafür sorgen, dass eine wachsende Zahl besserer Menschen auch die Gesellschaft insgesamt verbessern würde.[45].

 

Das Bildungsverständnis der Philanthropen

 

Für Philanthropen wie Johann Heinrich Campe (1764-1818) war vorrangiges Ziel von Bildung die nutzbringende Eingliederung des Menschen in die Gesellschaft.[46] Hauptsächliche Intention der Pädagogik der Aufklärung war die „Glückseligkeit des einzelnen Menschen“ und des „allgemeinen Erdbodens“. Sie sollte durch eine professionelle Erziehung gefördert werden, für die wiederum ein wissenschaftlich fundiertes und sicheres Wissen erforderlich war. Bildung im Zeitalter der Aufklärung, diente dazu, die „vernünftig angelegten Seelen verständig zu machen“. Sie erfolgte durch Lehre, die Kenntnisse vermitteln und zum Denken bilden sollte. Dabei war unbestritten, dass Bildung innerhalb der bestehenden gesellschaftlichen Klassen und Stände, entsprechend ihrer jeweils unterschiedlich geistigen Vermögen und Bedürfnisse, zu erfolgen hatte.[47] Konsens war: „Der Mensch muß für den Staat gebildet werden; das ist dem strengsten und unwidersprechlichsten Rechte gemäß“.[48]

 

Johann Gottfried Herder: Bildung als zunehmend eigenständiger Begriff

 

Mit Johann Gottfried Herder (1744-1803) gewann der Bildungsbegriff ein stärkeres Eigenleben und grenzte sich zunehmend vom Erziehungsbegriff ab. Für Herder war Bildung nicht mehr gleichzusetzen mit Erziehung oder Lehre, sondern ein eigenständiger und zielgerichteter Prozess, der sich im Menschen selbst ereignete und damit in die Nähe von „Geist“, „Kultur“ und „Humanität“ rückte. Ihm ging es um die Verbesserung der Seelenkräfte und der Humanität des Menschengeschlechts. In seinem Werk „Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit“ betrachtet Herder die Bildung als Werk von Natur und Geschichte, als „Werk des Schicksals“ und „Resultat tausend mitwirkender Ursachen“. Bildung bei Herder ist Geschichte. Der Mensch ist noch nicht Subjekt, sondern Objekt eines Prozesses, dem er sich nicht entziehen kann.[49]

 

Goethe, Hegel und die Bedeutung der Griechen: Bildung um die Jahrhundertwende

 

Um die Jahrhundertwende vom 18. zum 19. Jahrhundert gewann der Bildungsbegriff allmählich seine „klassische“ Ausprägung. Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) schuf mit „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ den Typus des Bildungsromanes und gab dem Begriff der Bildung durch ihn gleichzeitig eine idealtypische Form: In ihm spiegelt sich das Ergebnis eines gewandelten Menschenbildes, aus dem sich neue Erziehungs- und Bildungskonzeptionen heraus entwickelten. Bildung bezog sich fortan nicht mehr nur auf Seele und Geist, sondern auch auf das äußere Erscheinungsbild eines Menschen, seine Gestalt, sein Auftreten und seine Rede. Die antiken Griechen, die nach Ansicht Goethes in der bisherigen...

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