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E-Book

Gebrauchsanweisung für Andalusien

3. aktualisierte Auflage 2018

AutorPaul Ingendaay
VerlagPiper Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783492966276
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Die Schönen und die Reichen von Marbella, die Alhambra und die weißen Dörfer; Sonnenbaden, Kitesurfen und Skifahren: Andalusien hat viele Facetten. Kaum eine Region bietet mehr Abwechslung aus Kunst, Kultur und imposanter Naturschönheit als der südlichste Teil Spaniens. Daran sind die Mauren schuld und die Römer, die Maler von Velázquez bis Picasso, die Fußballer und die Flamencotänzer von Sevilla sowie die Frauen von Jaén. Die sind Ihnen kein Begriff? Dann wird es höchste Zeit! Paul Ingendaay kennt sich aus in Andalusien, und er nimmt uns mit auf die Reise an die Costa de la Luz, nach Cádiz und Conil, durch die Sierras und in die wunderschönen Städte von Granada bis Jerez.

Paul Ingendaay, 1961 in Köln geboren, lebt als Schriftsteller und Journalist seit vielen Jahren in Madrid und hat zahlreiche Reisen in den spanischen Süden unternommen. Ausgezeichnet mit dem Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik und dem Aspekte-Preis, liegen von Paul Ingendaay neben seinen Roman 'Die romantischen Jahre' sein Erzählungsband 'Die Nacht von Madrid' und die 'Gebrauchsanweisung für Spanien' im Piper Verlag vor.

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Leseprobe
Reden, feiern, genießen Lange Zeit war Spanien in der Vorstellung seiner Besucher gleichbedeutend mit Andalusien - und Andalusien mit Spanien. Klischee oder Wahrheit, dort wurden ziemlich starke Bilder heraufbeschworen?: von Stierkampf, Zigeunern und Flamencofolklore. Von Abenteurern, dunklen Augen und wildem Temperament. Das Stereotyp des Andalusiers (?und der Andalusierin?!?) hat so viele Jahrhunderte hindurch die Phantasien der übrigen Welt beherrscht, dass der moderne spanische Autonomienstaat, von dem Andalusien nur eine von siebzehn Regionen - und nicht einmal die größte - bildet, kaum dagegen ankommt. Kleine Kostprobe gefällig?? Die jungen andalusischen Frauen, lese ich in einem hundert Jahre alten deutschen Buch, sind »?durchweg anmutige Gestalten mit großen, feurigen, von langen, gebogenen Wimpern beschatteten Augen, üppigem schwarzen Haar, zierlichen Händen und Füßen, reizend in ihrer Art, sich zu kleiden und mit Blumen zu schmücken?«. Verzeihen Sie, dass ich mit den Frauen anfange. Vielleicht hätten erst die Gitarrenspieler oder die Messerstecher kommen sollen. Aber es liegt am Thema. Es geht noch weiter. »?Wer Gelegenheit hatte, eine spanische Tertulia zu besuchen?«, schreibt derselbe Mann, Francisco Fronner, in seinem Buch Land und Leute in Spanien (?1912?), »?wird von der unnachahmlichen Grazie, dem zwanglosen Benehmen und der ungekünstelten Koketterie der Andalusierinnen entzückt sein.?« Vermutlich war der Verfasser Junggeselle und hatte leicht reden. Wir sollten ihn nicht wörtlich nehmen. Doch der Kern stimmt noch heute. Das sind Äußerlichkeiten, werden Sie einwenden. Das dachte ich zuerst auch. Aber dann las ich mit wachsender Faszination weiter und erfuhr in diesem Buch, aus welchen Elementen sich nach Meinung von Francisco Fronner - nennen wir ihn Don Francisco, wenn wir es ehrerbietig meinen, oder Paco, wenn wir ihn zu unseren Freunden rechnen - der andalusische Charakter zusammensetzt. Und ich bewunderte Don Franciscos heute eher selten anzutreffenden Mut zur Verallgemeinerung. Denn die hervorstechenden Eigenschaften des andalusischen Charakters, schreibt er, seien folgende?: »?Sorgloser Leichtsinn, übermütige Fröhlichkeit, Eitelkeit, Putzsucht (?gemeint ist die weibliche Neigung zu aufregenden Kleidern, nicht zum geschrubbten Küchenboden?), Redseligkeit, Prahlsucht, Dünkel, Spottsucht, Neugierde und Leichtgläubigkeit.?« Und jetzt kommt's?: »?Zu diesen teilweise nicht sehr empfehlenswerten Eigenschaften gesellt sich jedoch ein gutmütiges, leicht versöhnliches Wesen, höfliche Zuvorkommenheit und Dienstfertigkeit gegen Fremde (?Don Francisco spricht hier mit dem Selbstbewusstsein des wohlhabenden deutschen Touristen?), wohl auch uneigennützige Gastfreiheit, ungewöhnliche Liebenswürdigkeit im Umgange, scharfer Verstand, gepaart mit rascher Auffassung, und eine überschwängliche orientalische Phantasie.?« Dieses Klischee, das jeder für sich selbst erproben möge, ob an Männern oder Frauen, hat auch sein Gutes. Denn es macht neugierig und hilft der einheimischen Tourismusindustrie. Man könnte sogar sagen?: Andalusier besitzen das ideale Temperament für ein Volk, das sich schon so lange und so ausgiebig bestaunen lässt. Nur einmal, ein einziges Mal, habe ich einen zudringlichen Andalusier erlebt, das war ein Schuhputzer in Granada, der darauf zu bestehen versuchte, meine hellen Sportschuhe mit seiner schwarzen Putztinktur zu behandeln.   Am Vormittag eines warmen Apriltags erlebte ich in Sevilla gleich unter meinem Balkon eine aufschlussreiche Szene. Eine junge Mutter - schlank, hübsch, mit Sommerrock und Strohhut - ging neben ihrer sehr kleinen, mit Sommerkleidchen und Strohhut bekleideten Tochter her. Die Tochter zog oder schob einen Minikinderwagen über den Gehsteig. Vielleicht hatte die Familie einen Ausflug vor, wie es die wohlhabenderen Sevillaner am Wochenende gern tun, viele besitzen Häuser an der Küste. Das Kind war jedoch unendlich langsam, blieb überall stehen und bewegte sich auf diese Weise kaum ein paar Handbreit voran. Die Mutter rief ständig?: »Vamos?! Venga. Que no vamos a llegar?!?« (?Weiter?! Komm schon?! So kommen wir nie an?!?) Die dreißig Meter, die ich beobachten durfte, dauerten Minuten, begleitet von Ermahnungen und eingeflochtenen Koseformeln wie cielo (?wörtlich?: Himmel?) oder cariño (?Schatz?) und was spanische Mütter sonst noch im Repertoire haben. Doch die Frau verlor nie die Geduld, sie feuerte an, mahnte, trieb zur Eile, aber stets mit derselben Intensität, als wäre Drängeln von mittlerer Intensität der Stand-by-Modus ihrer Pädagogik. Ich blieb, solange ich die beiden sehen und hören konnte, auf meinem Balkon und dachte über die beeindruckenden Herdeneigenschaften der andalusischen Mutter nach. Natürlich geht es um Familie, Gruppe, Gemeinsamkeit, fast hätte ich gesagt?: den Stamm. Die Kunst bei alldem ist, nicht die Geduld zu verlieren, wie es unsereinem passieren würde. Wir glauben, wenn man eine Sache drei- oder viermal sagt, müsse es reichen. Falsch?! In Andalusien reicht es nie. Der Charakter der Kommunikation zwischen Mutter und Kind besteht aus einem Dauerton des Mahnens und Antreibens, von dem niemand erwartet, er habe unmittelbare Wirkung. Das Wesen des Lebens ist Wiederholung. Es wäre sinnlos, sich darüber aufzuregen. Dasselbe gilt in anderen Lebensbereichen. Allein aus Lust an der Rhetorik und dem Betriebsgeräusch menschlichen Austausches sagen die Leute die Dinge gern fünfmal, fragen nach, bekräftigen, setzen eine verbale Sahnehaube drauf, und wenn es nur um so etwas Banales wie Ort und Uhrzeit einer Verabredung geht. Reden um des Redens willen?! Es ist kein stilles Land, sondern ein geselliges, das mit Sprache und Gesten Temperatur erzeugt. Dass jemand als Mensch »?heiß?« sei (?cálido?), ist ein hohes Kompliment, denn diese Eigenschaft facht calor humano an, menschliche Wärme. Es gibt eine ganze Batterie spanischer Ausdrücke, die sich auf die Fähigkeit zum Miteinander beziehen. Erwünscht ist, dass jemand cercano sei, »?nahe?«, ohne Dünkel. Von Julio Iglesias sagte mir einmal ein Kellner in Marbella, der ihn beim Essen bedient hatte, er sei campechano, also zugänglich und gebe nichts auf Etikette. In solch einem Augenblick zählt nicht, dass der Schnulzensänger vielfacher Millionär, Besitzer von Häusern und einer Insel in der Karibik ist, sondern, wie er sich den einfachen Leuten gegenüber verhält, die sein Publikum sind. Hochmut, Kälte und Arroganz kommen in Andalusien schlecht an.   Sprechen wir kurz von einer längst zum Klischee gewordenen Eigenschaft, die Deutsche als Ergebnis von Trägheit und mangelnder Systematik deuten könnten?: die Neigung, Dinge auf morgen zu verschieben. Das berüchtigte mañana steht hier nur stellvertretend für alle Zeitangaben, die man in Andalusien hören kann - und auf die man nicht allzu viel geben sollte. Der bestenfalls ungefähre Sinn für Zeitangaben ist einfach ein Faktor, der einzukalkulieren ist. Andererseits lassen sich Verabredungen auch kurzfristig und formlos treffen, lange Vorausplanung stört den andalusischen Sinn für die gelebte Gegenwart. Hat man sich einmal auf die Stunde geeinigt, ist eine Viertel- bis halbe Stunde über der Zeit nicht ungewöhnlich. Wartezeiten anderer Art können sich noch viel gewaltiger strecken. Bedenken Sie, dass es für »?warten?« und »?hoffen?« im Spanischen nur ein einziges Verb gibt?: esperar. Auch wenn man zahlreichen Details des Alltagslebens das Unsystematische abliest, das in der Gesellschaft regiert, auf einem anderen Feld sind die Andalusier kaum zu übertreffen?: der Kunst des Improvisierens. Da längst nicht alles klappt und geplante Aktionen ganz sicher nicht pünktlich beginnen, ist es segensreich, dass die Menschen mit Witz und praktischem Verstand ausgerüstet sind, um sich vom Alltag nicht besiegen zu lassen. Niemand macht sich darüber Sorgen, wenn etwas nicht gut vorbereitet ist, denn auf Einfallsreichtum und Spontaneität kann man in Andalusien immer zählen. Niemand beklagt sich, wenn er warten muss?: Wer Ausdauer hat, wird belohnt. Sicherlich hätte ich nie miterlebt, wie das Kreuz in der Kirche El Cristo del Gran Poder in der Karwoche von Sevilla auf die hölzerne Plattform gehievt wird, wenn ich nicht die vielen Menschen gesehen hätte, die nach 22 Uhr im Regen ohne das geringste Anzeichen schlechter Laune auf den Einlass warteten. Ich habe mich dazugestellt, meinen Schirm aufgespannt und mich die lächerlichen anderthalb Stunden, die das Herumstehen dauerte, sehr angeregt unterhalten.   Als Teil des demokratischen Spanien ist Andalusien eine selbstbewusste Region, die genau weiß, was ihr Weltruhm wert ist. Das meistbesuchte Monument des Landes ist ja nicht etwa der Prado, sondern die Alhambra in Granada. Die quirlige, sinnliche Hauptstadt Andalusiens, Sevilla, wird in Opern besungen. Mit dem Nationalpark Sierra Nevada besitzt die Region den höchsten Punkt der Iberischen Halbinsel, mit dem Surferparadies Tarifa an der Atlantikküste den südlichsten Zipfel Europas, mit der Moschee von Córdoba den bedeutendsten Sakralbau arabischer Kultur auf dem Kontinent. In Andalusien treffen sich nicht nur die verschiedensten Landschaftsformen, vom Hochwald zum Olivenhain, vom ewigen Schnee über den Badestrand bis zur menschenleeren Wüste. Hier ist alles in so verschwenderischer Vielfalt und Größe vorhanden, bestrahlt von Licht, umspielt von üppiger Vegetation, dass man im Grunde gar nicht weiterreisen muss?: Man kann in Andalusien zwanzig Arten von Urlaub machen.
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