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E-Book

Gebrauchsanweisung für Düsseldorf

2. aktualisierte Auflage 2012

AutorHarald Hordych
VerlagPiper Verlag
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783492950213
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Wie übersteht man die fünfte Jahreszeit, wo feiert das Volk, wann kütt d'r Zoch? Und was wäre Düsseldorf ohne Köln? Liebevoll-ironisch nähert Düsseldorffan Harald Hordych sich der am leidenschaftlichsten gepflegten Städtefeindschaft in Deutschland. Der eigentlichen Heimat derKünstler, Werber und Kreativen. Der Brauhaus-Dreifaltigkeit aus Uerige, Füchsen und Schumacher. Spannender Architektur am Medienhafen; dem Leben am und mit dem Rhein. Tokios kleiner Schwester. Schloss Benrath, Kaiserswerth und Neuss.Der Butzenscheibenromantik und der Wiege des deutschen Punk. Der sprichwörtlichen Frohnatur und dem unausrottbaren Schickimicki-Vorwurf. Und dem Geheimnis, wie Altbier seit jeher alle Schichten und Generationen zusammenbringt.

Harald Hordych, 1961 in Nordhessen geboren, ist Redakteur im Ressort »Gesellschaft und Wochenende« der Süddeutschen Zeitung und erfolgreicher Buchautor. Seine »Gebrauchsanweisung für Düsseldorf« liegt im Piper Verlag vor.

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Leseprobe

Einleitung


Was ist bloß mit dir los, Düsseldorf? Landeshauptstadt von Nordrhein-Westfalen, Sitz bedeutender Unternehmen, seriös bis in die Rheinturmspitze – und doch ein Fall für die Couch, für den Therapeuten, der immer wieder fragen muss: Warum bist du dir so sicher, dass die Leute dich nicht mögen? Was wirft man dir denn eigentlich vor? Sagen wirklich alle, du seist großmäulig, eingebildet, oberflächlich? Wo ist denn dein sprichwörtliches Selbstbewusstsein?

Dann ist es still im Zimmer, die Uhr tickt. Aus einer Kneipe schallt ein Lied auf die Straße. Es ist das Altbierlied, gebrüllt von den »Toten Hosen«. Der Therapeut wiegt den Kopf, der Patient wippt mit den Füßen. Beide lächeln geheimnisvoll, versunken in Erinnerungen. Dann steht der Patient ruckartig auf. Rückt seine Krawatte gerade, schaut dem Therapeuten fest ins Gesicht und sagt: Ich muss zurück zu meinen Geschäften! Der Therapeut lächelt ein leises, verständnisvolles Lächeln. Und klopft dem Patienten beim Hinaustreten auf die Schulter, was er sonst nie tut. Da dreht sich der Patient in der Tür noch einmal um, verzieht das Gesicht zu einem fulminanten Lächeln und sagt laut, vielleicht eine Spur zu laut: »Is dat Läwe nit herrlech?«

Und der Therapeut antwortet: »Mer losse uns dat Läwe nit vermeese.«

Eine Gebrauchsanweisung für Düsseldorf aus der Feder von jemandem, der sich selbst nur als Wahldüsseldorfer bezeichnen darf? Der erst von woanders dort hin- und dann nach 20 Jahren wieder weggezogen ist? Frechheit, sollte man meinen. Aber wenn man etwas wirklich will, findet man immer gute Gründe. Meine sind: Eine spät entwickelte, dafür aber umso belastbarere Zuneigung zu einer Stadt, die ich mit 21 erst kennengelernt habe. Und eine große Verwunderung, als ich beim Piper Verlag für seine schöne Gebrauchsanweisungsreihe einen entsprechenden Vorschlag machte (in dem Glauben, es wäre längst ein Buch solcher Art geplant) und mich fragen lassen musste, wozu man denn in Gottes Namen ein Düsseldorf-Buch brauche? Es gebe doch schon eines über Köln und ein anderes über das Ruhrgebiet.

Das hat Düsseldorf nicht verdient, dachte ich.

Und schwieg. Selbst wenn er seiner Stadt den Rücken zugewandt hat, wird der Düsseldorfer nicht gern verschmäht, das ist er nicht gewöhnt. Düsseldorfer stehen der Welt positiv gegenüber, da dürfen sie wohl von der Welt das Gleiche erwarten. Als Jahre später doch der Auftrag folgte, dieses Buch zu schreiben, war nicht nur der zeitliche Abstand zu meiner Wahlheimatstadt gewachsen, sondern auch meine Zuneigung zu ihr. Vielleicht auch aus Trotz.

Doch durfte ich den Piper-Leuten böse sein? Das sind Münchner, Nicht-Düsseldorfer. Die Reaktion war typisch. Düsseldorf wird gern auf die leichte Schulter genommen. Hamburg, Berlin und München streiten sich seit Jahr und Tag darum, welches die tollste Stadt von ganz Deutschland ist. Frankfurt am Main ist immer der Buhmann, aber zumindest in der Diskussion. Köln ist der ewige Geheimtipp – allerdings nur bei den Kölnern. Der Osten genießt einen gewissen Respekt, man will schließlich niemanden kränken. Und Düsseldorf? Hat wenigstens ein unverwechselbares Image.

Aber was für eins! Ein glattes, schickes. Wie ein Geschäft, wo alles viel zu teuer und pompös aussieht, andererseits aber Karnevalsfummel verkauft werden. Und Ölschinken, auf denen man nichts erkennen kann – moderne Kunst! Angeberhaft und albern. Im Laufe der Jahre habe ich eine Erfahrung gemacht: Wenn der Name Düsseldorf fällt, ist die Reaktion immer dieselbe, besonders im Süden. Die Leute werden fröhlich, jedenfalls im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Sie schmunzeln. Wenn sie nicht gar bis über beide Ohren grinsen.

Düsseldorf ist der kürzeste Witz, den man in Deutschland erzählen kann. Allein dafür hat es sich gelohnt, aus der Stadt wegzuziehen. Zu sagen, dass man aus Düsseldorf kommt, löst mit Sicherheit Gekicher aus. Versuchen Sie mal, mit »Bremen« oder »Essen« oder »Wuppertal« oder »Hannover« gute Laune zu verbreiten – da fangen die Leute allenfalls an zu weinen (im Fall von Bremen übrigens zu Unrecht). Düsseldorf ist ein Wort wie ein Aufputschmittel. Gratis zu haben. Als ich im Rahmen einer Recherche für einen Artikel über das legendäre Münchner Oktoberfest-Varieté »Schichtl« öffentlich geköpft werden sollte, fragte mich der Henker nach meiner Herkunft. Wahrheitsgemäß nannte ich Düsseldorf.

15 Vorstellungen dieses Varietés habe ich miterlebt. Ich war der einzige Geköpfte, bei dem die Zuschauer sofort jede Zurückhaltung aufgaben. Sie zeigten lachend mit dem Finger auf mich und stießen laute verzückte Schreie aus. Als sie sich schließlich wieder eingekriegt hatten, stimmten sie ein Lied an. Sie ahnen welches? Dazu gleich mehr.

Das ist der Fluch Düsseldorfs. Aber ist es nicht auch seine große Chance? Die Stadt hat sich ein paar Klischees erobert, die peinlich sein mögen, aber zumindest sind sie alles andere als langweilig. Andere Städte sollten sie darum beneiden. »Schickimicki« zum Beispiel. Oder dieser Schlager von Dorthe Kollo, der schon über 40 Jahre alt ist, aber immer noch in unseren Gehirnen rumtobt wie gestern: »Wärst du doch in Düsseldorf geblieben, schöner Playboy, du wirst nie ein Cowboy sein.« Genau. Ein feiner Mann fällt in Arizona vom Pferd. Er stammt aus Düsseldorf. Mehr braucht eine Stadt nicht, um sich für alle Zeiten lächerlich zu machen.

Doch das ist nicht alles. Eitel und oberflächlich zu sein, ist das eine. Aber dann auch noch mit der Werbeformel von der »längsten Theke der Welt« anzukommen, ausgerechnet dort, wo andere deutsche Städte ihr Rathaus, wenn nicht ihren Dom haben, das muss man erst mal bringen. Gemessen an der Seriosität, die man von der Landeshauptstadt als »Schreibtisch des Ruhrgebiets« eigentlich erwarten dürfte, ist diese ins Land hinausposaunte Leichtlebigkeit schon ein besonderer Fall.

Übrigens ist das Rathaus natürlich auch mitten im Zentrum, nur läuft man in Düsseldorf einfach daran vorbei, weil es zwar schöner, aber kaum größer ist als die Kneipen drum herum. 200 Kneipen auf einem Haufen machen jedweden Hort weltlicher oder geistlicher Ordnung unsichtbar.

Nie werde ich vergessen, wie ich einem zur Ungeduld neigenden Münchner einmal von Düsseldorf erzählen wollte und abkürzungshalber die »längste Theke der Welt« erwähnte. Der gequälte Blick, den er mir zuwarf, war ein weiterer Impuls für dieses Buch. Es mag vielleicht behämmert sein, sich so einen Slogan einfallen zu lassen. An sich ist die Altstadt aber gar nicht so übel. Sie werden davon lesen.

Düsseldorf haut also mächtig auf die Pauke, macht sich größer, als es ist, und findet sich ganz toll. Dabei ist es doch, wie der Name schon sagt, nur ein Dorf! Spätestens an diesem Punkt des Gedankengangs würde man das Reiseticket am liebsten wieder abgeben, falls man nicht zu einem Kegelklub oder zur deutschen Künstlerelite gehört. Was aber steckt hinter diesen Klischees? Wie passt das alles zusammen?

Mit 591 000 Einwohnern noch das Dorf zu sein, das man in seinem Namen trägt, überschaubar, eng und ungefährlich, zugleich aber mit großsprecherischen Attributen beschwert, die sonst eher Weltstädten angehängt werden. Werbung, Mode, Kunst, die normalerweise das Geschäft von Metropolen sind, gehören für Düsseldorf zum Tagesbetrieb – nicht nur beim Angeben, sondern auch beim Arbeiten. Für eine Stadt, die sechs Mal kleiner ist als Berlin, finde ich das bemerkenswert. Düsseldorf hält sich auf halsbrecherische Weise zwischen volkstümlich und glamourös, zwischen ganz klein und ganz groß, zwischen bescheiden und überheblich. Man muss sich vor Augen halten, was das für eine Aufgabe ist: Selbstverwirklichung zwischen Dorf und Weltstadt, zwischen Kappes Hamm und New York.

Düsseldorf kriegt das hin, irgendwie, auf seine eigene, irgendwie lustige Art und Weise, aber es klappt. Ist das nicht unglaublich sympathisch? Und anregend?

Aus einem gewissen Abstand bekommt man diesen Widerspruch besser mit als in Düsseldorf selbst, wo er tagtäglich gelebt wird. Irgendwann sagt man sich: Hallo! Leute! Aufwachen! Düsseldorf ist mehr als Schickimicki, als die Kö, die Altstadt und jahaaa, Karneval. Auch wenn nur ein paar Meter das eine vom anderen trennen und dazwischen einige der besten Hotels Deutschlands liegen, auf halbem Weg zwischen einem sehr feinen Supersnob-Boulevard und einem sehr lauten Ballermann-Boulevard. Schon an der nächsten Straße endet diese Altstadt, und es beginnt eine neue, die vollkommen anders ist.

Was Düsseldorf ausmacht, ist seine Vielseitigkeit. Man sagt, in großen Städten ist viel Leben, weil dort viele Menschen sind. Das mag sein, aber oft bekommt man davon nicht viel mit, es sei denn, man mietet sich ein Taxi und rast den ganzen Tag von einem Stadtteil zum nächsten, um möglichst viele verschiedene »Gesichter« einer Stadt zu sehen. Nein, meine Damen und Herren, sparen Sie sich das Taxigeld, kommen Sie nach Düsseldorf, und entdecken Sie seine Klischees neu.

Wenn Sie Spaß an einer Direktheit, Offenheit und Quirligkeit haben, die vielleicht typisch rheinisch, aber gewiss nicht typisch deutsch ist, dann sind Sie hier richtig.

Ja, Düsseldorf ist lebensfroh. Aber nicht, weil sich die Leute den ganzen Tag Witze erzählen würden, sondern weil hier alle auf engem Raum aufeinander losgelassen werden, aber dabei trotzdem nicht schlecht gelaunt, sondern eher sehr munter werden. Düsseldorf mag Menschen. Auch solche, die die Stadt für total bekloppt halten und mit dem wahren, nämlich ihrem eigenen Düsseldorf, im Grunde nichts zu tun haben.

Gleich noch mal: Düsseldorf mag Menschen. Ein...

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