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Geburt und Wiedergeburt

Vollständige Ausgabe

AutorFriedrich Hurter
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl1159 Seiten
ISBN9783849628444
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Friedrich Emanuel von Hurter war ein schweizerisch-österreichischer Historiker. Dies ist seine Autobiografie.

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Leseprobe

Erster Band


 

Mag man es Eitelkeit nennen, vergnügten Blickes, mit wohlgefälligem Bewußtseyn zurückzuschauen auf eine lange Reihenfolge Dahingeschiedener, die aus den Wogen der voranwallenden Menschenalter heraustreten in engere Beziehung zu uns, um gleichsam als gesonderte Strömung durch die uferlose Fluth uns zu tragen; zumal wenn dieselben jeweils unter ihren Zeitgenossen eine andere Stellung eingenommen haben, als bloß an die Scholle Geketteter, für des Lebens zerrinnende Bedürfnisse Wirkender. Wär's eine Eitelkeit, so wäre es eine alte; denn schon Virgil hebt es an einem seiner Helden hervor, daß er

 

prisco de sanguine Sabinorum

 

entstammt seye, und glaubt mit dem Zeugniß:

 

Julius a magno dimissum nomen Julo,

 

den Höchsten seiner Zeit noch höher zu heben. Oder sollte, was an der Gesammtheit eines Volkes natürlich und löblich: frohen Gefühls der Vorfahren zu gedenken, die nicht bedeutungslos im Strom der Zeiten zerronnen, an den Einzelnen es weniger seyn, indeß die Bande zwischen diesen fester, umgränzter und bestimmter sind? Aber mit dem Gewicht, was wir auf solches Bewußtseyn legen, wird zugleich von Geschlecht zu Geschlecht ein Erbe übernommen, dessen Würdigung und Besitznahme von der Verpflichtung, dasselbe zu schirmen, zu wahren, unvermindert, ja, wo immer es geschehen mag, gesichert und vermehrt den Nachkommen zu überliefern, nie sollte getrennt werden. Denn auf welcher Rangstufe das Geschlecht, der Einzelne stehe, da nur ließe sich von Eitelkeit sprechen, wo solche Anerkennung gefordert, nicht aber zuerst geleistet, nicht als unantastbares Fideicommiß wollte gewahrt werden.

Geschlechter, die in manchartiger, jedoch anderer Weise, als blos durch Spate, Hammer, Beil und Scheere, unter den Kreisen, auf die sie angewiesen waren, zu schaffen und zu wirken verstunden, sind in denselben dem Knochengerüste vergleichbar, welches den Körper in allen seinen Theilen trägt, der Zersetzung oder Umbildung weniger blosgestellt ist, bei gesunden Säften jede, durch den Lauf der Natur entstandene, Lücke in neuen Bildungen wieder herstellt. Zieht ihr etwa die Molluskenbildung vor, welche vorwärts neue Ansätze fördert, rückwärts die Fäulniß walten läßt, momentan Menschen auf die Oberfläche der gesellschaftlichen Ordnung treibt, die keine Vorfahren haben, darum meist auch keine Nachkommen erwaren dürfen; Gebilde des Augenblicks, Blasen, die dem Boden entsteigen und platzen, um sofort andern die Stelle einzuräumen? Auch Jenes steht in natürlicher Beziehung zu der ehevorigen organischen Gliederung der Gesellschaft. Dieses ist Ergebniß einer Atomistik, von der man uns vorgeben will, sie seye Krone, Blüthe und Frucht eines gedeihlichen gesellschaftlichen Zustandes. Wer derselben huldigen mag, indeß eine Vergangenheit Anderes ihn lehren konnte und sollte, hat von dieser sich abgetrennt.

Aber so Namen als Abzeichen (Wappen), beide nach der einen Richtung scheidend, nach der andern verbindend, dann der erstern Bedeutung, der letztern Beziehung, verlieren sich in ein Dunkel, in welches der blos trügerische Schimmer der Vermuthung zwar manchmal hineingetragen, Licht dagegen nur äusserst selten gebracht, häufiger, so nicht die Namen durch sich selbst sprechen, nicht einmal jenes gewagt werden kann; am ehesten noch da, wo Laut und Bild die Annahme näherer oder fernerer Verwandtschaft wenigstens unterstützen. Wenn in der Entwicklung und Ausbildung der Sprachen ein Uebergang von dem Sinnlichen zum Uebersinnlichen, eine Vergeistigung der ursprünglichen materiellen Begriffe nicht verkannt werden kann, so möchte schon bei den Römern das allgemeine hortari, als Ermunterung zu jeglicher Thätigkeit, seinen Ursprung in dem entschiedenern Antreiben zu bestimmter That, der Krieger zum Kampf, der Ruderer zur mühevollen Arbeit, der Pferde zum Lauf, der Hunde zur Jagd zu suchen haben; und wer weiß nicht aus seinem Sallust, wie die nächtlichen Feuer und das Gejauchz der numidischen Könige den römischen Kriegern zum Angriffe des folgenden Tages magno hortamento erant? Die nordischen Völker, welche nachmals der lateinischen Sprache entweder blos sich bedienten, wo die anerborene nicht ausreichte, oder zu ihrem Gebrauch dieselbe in neuer Gestaltung ausbildeten, drückten ihr hiemit vielfältig das Gepräge des eigenen Wesens auf, welches der That vor dem Wort den Vorzug gab, die Handlung höher stellte als die Geistesoperation, die derselben vorangeht. So finden wir schon in dem Salischen Gesetz das ursprünglich römische Wort zum ortare umgeschaffen, und in dem Satz: si quis de campo alieno aratrum anteortaverit, dessen Begriff vom bloßen Antreiben in das Vollziehen verwandelt; was die Italiener in ihrem urtare beibehalten haben, die Franzosen in heurter nach beiderlei Sinn anwenden, indem sie es vom Anprall der Schiffe und der Reitergeschwader gebrauchen, wovon sie es wieder zurückwenden zu seiner metaphysischen Bedeutung. Ob aber das deutsche Wort, welches als Zeitwort »hurten« nur im Flamändischen, in der Muttersprache einzig in der Abwandlung hurtig (wohl auch dem alten Buhuxt zu Grunde liegend) vorkömmt, dem lateinischen blos sinn- oder zugleich wurzelverwandt seye, das dürfte kaum mehr sich entscheiden lassen.

Es läge darin der Begriff, dort des Kecken, hier des Behenden, beide vielleicht in demjenigen, dem einst zur Bezeichnung der Name Hurter beigelegt worden, durch Kriegsmuth sich bewährend, das letztere zumal versinnbildet in dem Pfeil des Wappens, der vermuthlich einst auf dem Bogen ruhte, jedoch seit alter Zeit schon in einen halben Mond übergegangen ist. Mir trat, sofort ich Zeichen und deren Bedeutung in innere Verbindung zu setzen vermochte, in dem Pfeil noch ein anderes Sinnbild entgegen: dasjenige des geraden Fluges zwischen Ausgangspunkt und Endziel; also daß die Natur seiner Bewegung wohl rasches Vorandringen, nie aber krumme Linien, Wendungen, Biegungen, gar Zickzack zuläßt. Es war daher bei Anfechtungen, die in politischen Feindschaften, wie in Neckereien, die in religiöser Mißdeutung ihren Grund hatten, ein bisweilen mit besonderer Vorliebe gebrauchtes Bild: der Pfeil habe zwar eine blanke Spitze, jedoch auch ein reines Gefieder, vor Allem aber seye ein anderer Flug, als in gerader Richtung, ihm unmöglich. Hierin mochte er in erschöpfendem Maß die tiefste und unveränderlichste Richtung meines Wesens, Willens und Thun bezeichnen, welche heitern Bewußtseyns jede schiefe oder gehässige Beurtheilung an sich mag vorübergehen lassen. Ob dann wohl der Pfeil seiner Beschaffenheit und seiner Bestimmung nach an sich zu den Trutzwaffen gehört, so hätte dennoch mein ganzes inneres Wesen niemals mir erlaubt, ihn als solche in strengerem Sinne zu gebrauchen; aber zur Abwehr genügt die Schutzwaffe nicht immer, bei abgezwungener Vertheidigung wird zu solcher auch jene. Darum in langem Bedenken über Auswahl eines Wappenspruches, wobei das so leicht sich darbietende, weil dem Zeichen theilweise verwandte: Qui s'y frotte, s'y pique (allerdings zur Distel der burgundischen Herzoge besser passend), aber dennoch einigermaßen herausfordernde, dem, mehr unvermeidlich die Abwehr auferlegenden Parta tueri, erschöpfend zugleich das nach allen Richtungen Gewendete und auf alles Denkbare sich Beziehende andeutend, der Vorzug gegeben ward.

Doch selbst dieses durfte mehr für Andere, mehr auf dasjenige, wozu ich mich gesetzt, oder wessen ich, in Anerkennung der ewigen Gerechtigkeit, mich annehmen zu müssen, erachten mochte, als auf mich selbst Anwendung finden. In Beziehung zur eigenen Person sollte es auf unmittelbar von Gott Empfangenes, oder auf dasjenige beschränkt bleiben, was durch der Vorfahren Fürsorge an mich gelangt ist. Wie in jener erstgenannten Weise, das mögen diejenigen erkennen, die in den ersten Band meiner kleinen Schriften geblickt, und von richtigem Standpunkt die darin enthaltenen Voten über den Heidelbergischen Katechismus, die Synodalreden, die Predigten gewürdigt haben; wie in der andern Weise (vornehmlich die Gesinnungen bewährend), davon zu sprechen wird Gelegenheit in dem Verfolg dieser Selbstbekenntnisse sich ergeben. Der relgiösen Verarmung einerseits und der politischen Zerfahrenheit anderseits hat dieses Parta tueri bisweilen viel Unnöthiges zu schaffen gegeben. Die goldglänzenden Schriftzüge blieben Beiden unentzifferte Runen; wie manchmal glaubten sie nicht, denjenigen, der darin die Signatur seines ganzen innern Seyns, gleichwie seines äussern Thuns, klar und dennoch geheimnißvoll, offen und dennoch für Tausende ein Räthel, wollte hervortreten lassen, zu necken oder zu verwirren, wenn sie es in unreinem Munde zur Lüge werden ließen; vergessend, daß rapta und parta aus den gleichen Lauten zusammengesetzt, das tueri aber, wie für dieses von oben auferlegte Verpflichtung, so für jenes von unten geweckter Naturtrieb seye.

Es sollte aber in der Wahl eines solchen Spruches, sofern derselbe nicht Ergebniß einer hervorragenden That, einer bedeutungsreichen Lebenswendung, einer folgewichtigen Beziehung ist, wenn nicht ein bewegendes Princip, so doch eine vorherrschende Neigung und Richtung bezeichnet, hiemit zwingende Verpflichtung auferlegt werden, dieselbe unter allen Vorkommenheiten und Wendungen des Lebens ohne Wanken zu bethätigen. Damals, als ich jene Wahl traf, waren die Zeiten ruhig, für politische Stürme schien das lebende Geschlecht zu matt, für kirchliche Reibungen über dem Behagen...

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