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E-Book

Gefährliche Kinderarbeit - Leid und Lösung

Was wir wissen - was wir tun müssen

VerlagA7-24 Aumann
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl175 Seiten
ISBN9783942230230
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Laut der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) verrichten mehr als die Hälfte der weltweit 215 Millionen Kinderarbeiter gefährliche Arbeit. Die Grundlage zur Prävention und Beseitigung dieser gefährlichen Kinderarbeit bildet das Wissen um die Konsequenzen der Arbeitsbedingungen auf die Entwicklung der Kinder. Dieses Wissen will das vorliegende Buch der ILO vermitteln. Der Bericht Gefährliche Kinderarbeit - Leid und Lösung. Was wir wissen. Was wir tun müssen. überprüft den aktuellen Kenntnisstand über gefährliche Kinderarbeit und präsentiert eine neue, umfassendere Sicht auf das Ziel, die schlimmsten Formen der Kinderarbeit zu beseitigen. Er hebt die jüngsten, weltweiten Entwicklungen heraus und fasst gleichzeitig die wissenschaftlichen Befunde bezüglich Gesundheit und Wohlbefinden von arbeitenden Kindern zusammen. Neben dieser Offenlegung der Arbeitsbedingungen der Kinder, bietet das Buch allerdings auch konkrete Lösungsmaßnahmen zur Beseitigung von gefährlicher Kinderarbeit an, die global Erfolg versprechen. Bei diesem Buch handelt es sich um die deutsche Übersetzung der englischen Originalausgabe eines Berichtes der Internationalen Arbeitsorganisation im Auftrag der Vereinten Nationen.

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Leseprobe

Im Goldrausch


Es gibt bestimmte Goldminen in Westafrika, über die die Bewohner sagen, dass zwar die Gefahren hoch sind, dafür aber auch die Bezahlung. Und es ist wahr, die Arbeit dort ist hart und gefährlich: die Tunnel und Schächte werden, wenn überhaupt, nur von wackeligen Gerüsten gehalten und können jederzeit einstürzen; niemand hat sich je mit einem Sicherheitsplan auseinandergesetzt, sollten je giftige oder entflammbare Gase aus den Tiefen emporsteigen; es gibt keine Schutzausrüstungen und so arbeiten viele barfuß und ohne Handschuhe. Kurzum, die Arbeitsbedingungen sind erbärmlich und täglich geschehen Unfälle. Die Lebensbedingungen sind mindestens ebenso hart. Wasser ist Mangelware; es gibt weder Kliniken, noch Toiletten oder eine Polizei.

Die Minenarbeiter sehen das Sonnenlicht nur selten, sie treten in die engen Schächte schon vor dem Sonnenaufgang und kommen, während ihres langen Arbeitstages, nur selten an die Oberfläche. Andere wiederum arbeiten unter fast gegensätzlichen Bedingungen. Ungeschützt vor der heißen Sonne zerschlagen sie Steinbrocken zu Kieselsteinen, um diese dann zu Sand zu verarbeiten. Die einzige Gefahr, derer die Arbeiter sich bewusst sind, ist der erstickende Staub, der ihre Lungen nicht mehr verlassen will; die Gefahr, über die sie hingegen nicht viel wissen, sind die Folgen, die Quecksilber auf das Gehirn hat. Und so benutzen sie Quecksilber, um Gold von zerkleinertem Erz zu trennen.

Minen wie diese sind, gemäß Schätzungen der UN,1 für ein Fünftel der Goldproduktion weltweit verantwortlich. Sie produzieren auch Edelsteine für unseren Schmuck und seltene Mineralien für unsere Mobiltelefone. Meist sehr abgelegen und inoffiziell, sind sie außerordentlich gut organisiert. Die Verdopplung des Goldpreises am Weltmarkt, in den letzten Jahren, tat ihr übriges, um das Schürfen nach Gold für die bitterarme Bevölkerung reizvoller und noch gefährlicher zu machen.

Nicht unerwartet befindet sich unter diesen Arbeitern, die von Gold-, Edelstein- und Mineralminen sowie Steinbrüchen magisch angezogen werden, auch ein beträchtlicher Prozentsatz an Kindern – sowohl Mädchen als auch Jungen: Kinder graben, schleppen, zerkleinern Steine und atmen dabei den Staub; Kinder mischen mit bloßen Händen Quecksilber unter das zerkleinerte Erz; Kinder verhandeln mit bewaffneten Käufern über karge Preise für winzige Goldkörner; Kinder haben nicht einmal ordentliches Essen oder Wasser; Kinder verlieren ihre Chance auf Bildung.

Viele von uns haben sich ihre romantische Vorstellung von Kindheit, als eine Zeit der Unschuld, Wunder und Entdeckungen, bewahrt. Andere betrachten sie aus einer praktischeren Perspektive, folgern nämlich, dass die Kindheit und der Übergang in die Arbeitswelt ein modernes, soziales Konstrukt ist, welches in verschiedenen Kulturen Unterschiedliches bedeutet. Ganz allgemein stimmen wir zu, dass etwas an dem oben beschriebenen Szenario entschieden falsch läuft, ob es sich in einer Goldmine, einem Rohrzuckerfeld, einer Textilfabrik, einem Holzbetrieb, einer Baustelle oder einer Müllkippe abspielt. Wenn wir zulassen, dass Kinder in derartigen Situationen leben müssen, geben wir ein kleines Stück unserer Menschlichkeit auf.

Ja, diese Kinder sind arm und der Hungerlohn, den sie mit ihrer Arbeit verdienen, kann helfen ihre Familien zu unterstützen. Ja, die Notwendigkeit von Kinderarbeit steht für ein größeres Problem, zum Beispiel das einer gescheiterten oder manchmal korrupten Infrastruktur ohne bezahlbarem Bildungswesen. Ja, einige Kinder sind sehr erwachsen für ihr Alter und können den physischen und psychischen Druck, den körperliche Arbeit mit sich bringt, verkraften. Ja, einige der Tätigkeiten sind eine Art der Bildung, die ihnen wertvolle Fähigkeiten für das Leben vermitteln können. Aber kein Kind der Welt sollte Quecksilber zu Gold reiben und das entstehende Amalgam einatmen müssen.

Werfen wir einen Blick auf die Fakten und untersuchen die negativen Folgen, die sich durch die Arbeit in genannter Goldmine für den Körper ergeben. Quecksilber, Gift für die Entwicklung des Nervensystems, schadet sowohl den kognitiven, als auch motorischen Fähigkeiten. Die akute Belastung mit Quecksilber – beim Einatmen von Quecksilberdampf – kann zu schweren Schäden am Zentralnervensystem und damit zu Wahn und Selbstmord führen.2 In den Gebieten der Goldminen können Kinder mit Quecksilber auf vielfältige Weise in Berührung kommen: über die Haut beim Mischen von Quecksilber und erzhaltigem Sand; beim Einatmen der Dämpfe bei der Verbrennung (die giftigste und einfachste Form es aufzunehmen); bei der Verdauung durch Rückstände an den Händen; oder durch das Essen von kontaminiertem Gemüse und Obst. Eine Forschungsstudie ergab, dass Kinderarbeiter in Minen höhere Werte der toxischen Metalle aufwiesen, als Erwachsene, obwohl sie sogar weit weniger Kontakt mit Metallen hatten.3

Was bedeutet dies für die Gesundheit? Eine Studie bewies, dass bei Kindern einer Goldmine, ähnlich der beschriebenen Mine, alarmierende Quecksilberwerte in Blut, Urin und den Haaren festgestellt wurden. Neurologische Tests, die diese Kinder im Vergleich zu einer unbelasteten Kontrollgruppe untersuchten, brachten Erschreckendes zutage. Kinder mit Quecksilber Belastung benötigten zweimal so lang, um grundlegende kognitive Tests sowie Reflextests durchzuführen.4 Zudem konnten auch bei Kindern, die nur in der Nähe der Minen lebten, höhere Quecksilber Belastungen festgestellt werden, als bei Kindern, die weiter entfernt wohnten.

Dieses Problem zeigt die weitreichende, große Gesundheitsbedrohung, die von den Bedingungen gefährlicher Arbeit ausgeht.5

Aufgrund ihres schnelleren Stoffwechsels und Wachstums benötigen Kinder mehr Luft, mehr Nahrung und mehr Wasser als Erwachsene. Ein Kind atmet zweimal mehr Luft pro Kilogramm des Körpergewichts ein, als ein Erwachsener. Demzufolge absorbiert es auch viel mehr Gift. Schwere Lasten können lebenslange Deformationen und Behinderungen, wie verkrüppelte Füße, gekrümmte Rücken oder ausgekugelte Schultern zur Folge haben.

Dazu kommt noch die schwere, aber unsichtbare Last des Verantwortungsgefühls für den Rest der Familie, welche einen unermesslich großen Einfluss auf die Fähigkeit eines jungen Menschen hat, zu lernen … und sich zu freuen.

Bis heute haben die psychologischen, sozialen und intellektuellen Einflüsse von gefährlicher Arbeit bei Kindern, z.B. im Bergbau, nicht viel Aufmerksamkeit erhalten. Manchmal nehmen wir auch an, dass Kinder zurecht kommen, wenn sie sich nicht beschweren. Doch oft wollen Kinder gar nicht das Wort ergreifen, aus Angst, sie könnten ihre Arbeit verlieren, oder als dumm gelten. Damit sind sie allen Arten von Ausbeutung ausgeliefert. Wenn Kinder Seite an Seite mit Erwachsenen in Minen arbeiten, sind sie oft das Ziel von verbalem und körperlichem Missbrauch, oder ganz einfach von Betrug und Täuschung.

Der gesetzlose Lebensstil, der so typisch für abgelegene und unkontrollierte Minen ist, bringt sie schon früh mit Alkoholmissbrauch, Spielsucht, Prostitution und Kriminalität in Berührung. Schulen sind praktisch nicht vorhanden. Das Einzige, was die Kinder lernen ist, wie man in einer gesetzlosen Umgebung überleben kann.

Wenn nicht das Quecksilber in der Mine zur Belastung wird, dann gibt es ganz sicher Vorkommen von Mangan oder Blei in einer Schmelzhütte anderswo. Wenn es nicht die bewaffneten Goldkäufer sind, dann sind es die sicheren Schläge von aggressiven Fabrikbesitzern woanders. Wenn es nicht der Minenstaub ist, dann ist es das Siliziumoxid in einem Steinbruch an einem anderen Platz. Wenn es keine lauten oder gefährlichen Maschinen sind, dann sind es bestimmt schwerfällige Traktoren und offen liegende Sägeblätter auf Bauernhöfen anderswo.

Wenn es nicht die Plätze sind, wo gefährliche Arbeit leicht ausgemacht werden kann, dann sind es die unzähligen Kleinstindustrien, wie das Schuhmacherhandwerk, eine Gerberei, ein ausbeuterischer Textilbetrieb, das Recyceln von Autobatterien, Galvanisieren oder das Arbeiten mit Holz, wo gesundheitliche Folgen erst Jahre später sichtbar werden.

Diese Arbeiten sind oft zwar sichtbar – wie z.B. der Verkauf von Blumen inmitten einer stark befahrenen Straßenkreuzung – werden jedoch nicht wahrgenommen und gehen in der Kakophonie des städtischen Lebens unter.

Nicht nur die Zukunft eines Kindes, sondern die der ganzen Gesellschaft steht auf dem Spiel. So wie der einzelne Arbeiter darunter leidet, leidet die gesamte Nation. Eine schlecht ausgebildete Arbeiterschaft führt dazu, dass Produktivität, Gewinne, Investitionen und Gehälter sinken und so der Teufelskreis der Armut fortgeführt wird.

„Es gibt nichts, was man tun könnte“, sagen manche über die allgegenwärtigen Gefahren am Arbeitsplatz, die Kinder erleben. „So sind die Dinge eben.“ Aber wir wissen, dass das nicht stimmt. So mag die Situation zwar...

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