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Gelebte Hierarchien

Mikropolitische Arrangements und organisationskulturelle Praktiken am Beispiel der Polizei

AutorAnja Mensching
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl346 Seiten
ISBN9783531908496
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis54,99 EUR
Die Arbeit leistet einen Beitrag zur empirischen Organisationsforschung im Allgemeinen und zur Polizeiforschung im Besonderen. Sie entwirft einen empirischen Zugang zu den Alltagspraktiken in Organisationen und zu den diesen Praktiken zugrunde liegenden Organisationskulturen. Seit den 1970ern sind innerhalb der deutschen Polizeiforschung die Verhältnisse zwischen den Beamten einerseits und den Bürgern und Tatverdächtigen sowie der Öffentlichkeit andererseits umfangreich untersucht worden. Bislang wurden jedoch die polizeilichen Binnenverhältnisse, insbesondere vor dem Hintergrund der praktizierten Hierarchiebeziehungen, kaum analysiert.


Anja Mensching ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Arbeitsbereich Qualitative Bildungsforschung der Freien Universität Berlin.

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Leseprobe
3 Polizeiliche Organisationskulturen – jenseits von Befehl und Gehorsam (S. 70-71)

3.1 Die Polizei als Organisation mit Gewaltlizenz

Die innere Sicherheit ist nicht erst seit dem 11. September 2001 eines der meist diskutierten und medial besonders wirkungsvoll inszenierten Themen. Für die Organisation Polizei bedeutet diese thematische Fokussierung der Öffentlichkeit auf Fragen der inneren Sicherheit nicht zuletzt, dass ihr Alltagshandeln unter besonderer Beobachtung steht und sie als (oftmals alleiniger) Garant für die öffentliche Sicherheit mehr denn je gefragt ist. Polizei und innere Sicherheit sind demnach – zumindest was den Diskurs angeht – ein untrennbares Zwillingspärchen. Neben anderen Institutionen des Gemeinwesens, wie z. B. Behörden, Schulen oder Verbänden, die sich mehr und mehr für Sicherheitsfragen im lokalen Raum engagieren (community policing), kultiviert die Polizei die allgemeinen Unsicherheiten des Lebensalltages (vgl. Feltes 1995, S. 127).

Da sie eine der wichtigsten Adressatinnen von Ängsten, Konflikten und Regelungsbedürfnissen der Bürger ist und zudem in präventiver Hinsicht den Bürger vor möglichen Opferwerdungen schützen möchte, verstärkt sie diesbezügliche Ängste zugleich und führt sie immer wieder in das öffentliche Bewusstsein zurück (vgl. Kreissl 1987, der dies am Beispiel von Präventionsansätzen plausibilisiert). Wie weit der polizeiliche Auftrag reicht, zeigt sich u. a. an der Tatsache, dass Polizei Kriminalitätsfurcht auch dort abbauen helfen soll, wo es auf der Ebene der tatsächlichen Wahrscheinlichkeit, Opfer einer kriminellen Handlung zu werden, keine Entsprechung gibt.

Die Polizei als Organisation mit Gewaltlizenz76 sieht sich mit den verschiedensten Erwartungen von unterschiedlichsten Absendern konfrontiert. Als Rund-um-die-Uhr- Einrichtung für Jedermann muss sie sich mit den vielfältigsten Konfliktlagen auseinandersetzen und ist dazu mit spezifischen und immer wieder kontrovers diskutierten Befugnissen (z. B. Identitätsfeststellung, Durchsuchung von Personen und Sachen, Ingewahrsamnahme) ausgestattet. Die Polizei tendiert dabei dazu, den ihr zugebilligten Mitteln mehr Aufmerksamkeit zu schenken als den erstrebten Zielen. „Die Polizei wird nicht tätig, um bestimmte Aufgaben zu erfüllen, sie greift vielmehr immer dann ein, wenn Gefahren und Angriffe drohen. Sie definiert sich mehr instrumentell als funktional." (Waldmann 1977, S. 68, Hervorhebungen im Original)

Der Polizei wird ein brisanter Auftrag zugemutet, der „im Kern gegen das Projekt einer demokratischen und zivilen Gesellschaft gerichtet erscheint, obwohl er das Projekt gerade empirisch sichern soll: Polizei ist mit der Ausführung des Gewaltmonopols beauftragt, um das Demokratische und die zivile Gesellschaft zu sichern – hierin liegt das Paradoxe, aber auch das Bedeutsame, das Grundlegende ihres gesellschaftlichen Auftrages" (Ohlemacher 2000c, S. 13). Ihr genereller Auftrag bezieht sich einerseits darauf, Straftaten zu verhindern und zu verfolgen, andererseits Gefahren für die öffentliche Sicherheit und bzw. oder Ordnung abzuwehren, wobei dann umfassend diskutiert wird, was unter den Begriffen Sicherheit und Ordnung inhaltlich eigentlich zu verstehen sei. Durch die Medien spektakulär über Verbrecherjagden, Razzien, Vorgehen bei Demonstrationen u.ä. unterrichtet, sehen Bürger die Polizei oft in ihrem Image als „soziale Kontrolleure par excellence" (Funke 1990, S. 34).

Dabei ist die Verfolgung und Verhinderung strafbarer Handlungen nicht bloß nur ein kleiner Teil der alltäglichen Arbeit der Gewaltmonopolisten (vgl. u. a. Feltes 1988, S. 136, Funk 1990, S. 115, Steffen 1990, S. 32), sondern zudem Ausdruck eines ebenso symbolischen Auftrages: „Entgegen der öffentlichen Meinung und entgegen des politisch ausnutzbaren Stereotyps ist die Polizei nicht dazu da, die Gesellschaft von Kriminalität zu befreien, sondern sie ist dazu da, der Öffentlichkeit das Vertrauen zu geben, dass sie dazu in der Lage und willens ist." (Behr 2003b, S. 225)
Inhaltsverzeichnis
Ein Wort vorweg5
Einleitung10
1 Organisation & Organisieren – theoretische Einredungen314
2 Organisation & Kultur – organisationale Ausblendungen46
3 Polizeiliche Organisationskulturen – jenseits von Befehl und Gehorsam7570
4 Praktizierte Sub- und Supraordinationen90
5 Spielerische Arrangements der gelebten Hierarchien250
6 Zusammenfassung & Ausblick317
ANHANG327
Literaturverzeichnis338

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