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E-Book

Gemeinsames Leben

AutorDietrich Bonhoeffer
VerlagBrunnen Verlag Gießen
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl144 Seiten
ISBN9783765574023
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Dietrich Bonhoeffer gründete die erste evangelische Kommunität mit gemeinsamem Leben im 20. Jahrhundert - das Bruderhaus des Predigerseminars der Bekennenden Kirche. In 'Gemeinsames Leben', seinem meistverkauften Buch, schreibt er über den Wert gemeinsamer geistlicher Übungen. Dabei zeigt er sich als Pionier der Bibel-Meditation und als Vorkämpfer für die Erneuerung der evangelischen Beichte. 'Gemeinsames Leben' - ein geistliches Übungsbuch, das jeder gelesen haben sollte, der in der Gemeinschaft mit anderen Christen lebt - sei es in einer Kommunität, in der Gemeinde, dem Hauskreis, aber auch in der Familie. In seiner Einführung erzählt Peter Zimmerling vom Leben im Bruderhaus, erklärt die Hintergründe und theologischen Besonderheiten und die Bedeutung für unser geistliches Leben heute.

Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) war ein lutherischer Theologe, profilierter Vertreter der Bekennenden Kirche und am deutschen Widerstand gegen den Nationalsozialismus beteiligt. Er war Leiter des Predigerseminars der Bekennenden Kirche in Finkenwalde und schloss sich ab 1938 dem Widerstand um Admiral Wilhelm Franz Canaris an. 1940 erhielt er zunächst Rede-, ab 1941 auch Schreibverbot. 1943 wurde er verhaftet und am 9. April 1945 als einer der letzten NS-Gegner, die mit dem Attentat vom 20. Juli 1944 in Verbindung gebracht wurden, im KZ Flossenbürg hingerichtet. (Quelle Wikipedia)

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Leseprobe

Gemeinschaft


Siehe, wie fein und lieblich ist es, dass Brüder einträchtig beieinander wohnen“ (Ps 133,1). Wir wollen im Folgenden einige Weisungen und Regeln betrachten, die uns die Heilige Schrift für das gemeinsame Leben unter dem Wort gibt.

Es ist nichts Selbstverständliches für den Christen, dass er unter Christen leben darf. Jesus Christus lebte mitten unter seinen Feinden. Zuletzt verließen ihn alle Jünger. Am Kreuz war er ganz allein, umgeben von Übeltätern und Spöttern. Dazu war er gekommen, dass er den Feinden Gottes den Frieden brachte. So gehört auch der Christ nicht in die Abgeschiedenheit eines klösterlichen Lebens, sondern mitten unter die Feinde. Dort hat er seinen Auftrag, seine Arbeit. „Die Herrschaft soll sein inmitten deiner Feinde. Und wer das nicht leiden will, der will nicht sein von der Herrschaft Christi, sondern er will inmitten von Freunden sein, in den Rosen und Lilien sitzen, nicht bei bösen, sondern bei frommen Leuten sein. O ihr Gotteslästerer und Christi Verräter! Wenn Christus getan hätte als ihr tut, wer wäre immer selig geworden?“ (Luther)

„Ich will sie unter die Völker säen, dass sie in fernen Landen mein gedenken“ (Sach 10,9). Ein zerstreutes Volk ist die Christenheit nach Gottes Willen, ausgestreut wie ein Same, unter alle Reiche auf Erden“ (5Mose 28,25). Das ist ihr Fluch und ihre Verheißung. In fernen Landen, unter den Ungläubigen muss Gottes Volk leben, aber es wird der Same des Reiches Gottes in aller Welt sein.

„Und ich will sie sammeln, denn ich will sie erlösen“, „sie sollen wiederkommen“ (Sach 10,8.9). Wann wird das geschehen? Es ist geschehen in Jesus Christus, der starb, dass „er zusammenbrachte die Kinder Gottes, die zerstreut waren“ (Joh 11,52), und es wird zuletzt sichtbar geschehen am Ende der Zeit, wenn die Engel Gottes die Auserwählten sammeln werden von den vier Winden, von einem Ende des Himmels bis zum andern (Mt 24,51). Bis dahin bleibt Gottes Volk in der Zerstreuung, zusammengehalten allein in Jesus Christus, eins geworden darin, dass sie, ausgesät unter die Ungläubigen, in fernen Landen Seiner gedenken.

So ist es in der Zeit zwischen dem Tod Christi und dem Jüngsten Tag nur wie eine gnädige Vorwegnahme der letzten Dinge, wenn Christen schon hier in sichtbarer Gemeinschaft mit andern Christen leben dürfen. Es ist Gottes Gnade, dass sich eine Gemeinde in dieser Welt sichtbar um Gottes Wort und Sakrament versammeln darf. Nicht alle Christen haben an dieser Gnade teil. Die Gefangenen, die Kranken, die Einsamen in der Zerstreuung, die Verkündiger des Evangeliums in heidnischem Lande stehen allein. Sie wissen, dass sichtbare Gemeinschaft Gnade ist. Sie beten mit dem Psalmsänger: „denn ich wollte gern hingehen mit dem Haufen und mit ihnen wallen zum Hause Gottes mit Frohlocken und Danken unter dem Haufen derer, die da feiern“(Ps 42,5). Aber sie bleiben allein, in fernen Landen ein ausgestreuter Same nach Gottes Willen. Doch was ihnen als sichtbare Erfahrung versagt bleibt, das ergreifen sie umso sehnlicher im Glauben. So feiert der verbannte Jünger des Herrn, Johannes der Apokalyptiker in der Einsamkeit der Insel Patmos „im Geiste am Tage des Herrn“ (Offb 1,10) den himmlischen Gottesdienst mit seinen Gemeinden. Er sieht die sieben Leuchter, das sind seine Gemeinden, die sieben Sterne, das sind die Engel der Gemeinden, und in der Mitte und über dem allen den Menschensohn, Jesus Christus, in der großen Herrlichkeit des Auferstandenen. Der stärkt und tröstet ihn durch sein Wort. Das ist die himmlische Gemeinschaft, an der der Verbannte am Auferstehungstage seines Herrn teilnimmt.

Die leibliche Gegenwart anderer Christen ist dem Gläubigen eine Quelle unvergleichlicher Freude und Stärkung. In großem Verlangen ruft der gefangene Apostel Paulus „seinen lieben Sohn im Glauben“ Timotheus in den letzten Tagen seines Lebens zu sich ins Gefängnis, er will ihn wiedersehen und bei sich haben. Die Tränen des Timotheus, die beim letzten Abschied geflossen waren, hat Paulus nicht vergessen (2Tim 1,4). Im Gedanken an die Gemeinde in Thessalonich betet Paulus „Tag und Nacht gar sehr darum, dass ich sehen möge euer Angesicht“ (1Thess 3,10), und der alte Johannes weiß, dass seine Freude an den Seinen erst vollkommen sein wird, wenn er zu ihnen kommen kann und mündlich mit ihnen reden statt mit Briefen und Tinte (2Joh 12). Es bedeutet keine Beschämung für den Gläubigen, als sei er noch gar zu sehr im Fleische, wenn es ihn nach dem leiblichen Antlitz anderer Christen verlangt. Als Leib ist der Mensch erschaffen, im Leibe erschien der Sohn Gottes um unsertwillen auf Erden, im Leibe wurde er auferweckt, im Leibe empfängt der Gläubige den Herrn Christus im Sakrament, und die Auferstehung der Toten wird die vollendete Gemeinschaft der geist-leiblichen Geschöpfe Gottes herbeiführen. Über der leiblichen Gegenwart des Bruders preist darum der Gläubige den Schöpfer, den Versöhner und den Erlöser, Gott Vater, Sohn und Heiligen Geist. Der Gefangene, der Kranke, der Christ in der Zerstreuung erkennt in der Nähe des christlichen Bruders ein leibliches Gnadenzeichen der Gegenwart des dreieinigen Gottes. Besucher und Besuchter erkennen in der Einsamkeit aneinander den Christus, der im Leibe gegenwärtig ist, sie empfangen und begegnen einander, wie man dem Herrn begegnet, in Ehrfurcht, in Demut und Freude. Sie nehmen voneinander den Segen als den Segen des Herrn Jesus Christus. Liegt aber schon so viel Seligkeit in einer einzigen Begegnung des Bruders mit dem Bruder, welch unerschöpflicher Reichtum muss sich dann für die auftun, die nach Gottes Willen in täglicher Gemeinschaft des Lebens mit andern Christen zu leben gewürdigt sind! Freilich, was für den Einsamen unaussprechliche Gnade Gottes ist, wird von dem täglich Beschenkten leicht missachtet und zertreten. Es wird leicht vergessen, dass die Gemeinschaft christlicher Brüder ein Gnadengeschenk aus dem Reiche Gottes ist, das uns täglich genommen werden kann, dass es nur eine kurze Zeit sein mag, die uns noch von der tiefsten Einsamkeit trennt. Darum, wer bis zur Stunde ein gemeinsames christliches Leben mit andern Christen führen darf, der preise Gottes Gnade aus tiefstem Herzen, der danke Gott auf Knien und erkenne: Es ist Gnade, nichts als Gnade, dass wir heute noch in der Gemeinschaft christlicher Brüder leben dürfen.

Das Maß, in dem Gott die Gabe der sichtbaren Gemeinschaft schenkt, ist verschieden. Den Christen in der Zerstreuung tröstet ein kurzer Besuch des christlichen Bruders, ein gemeinsames Gebet und der brüderliche Segen, ja ihn stärkt der Brief, den die Hand eines Christen schrieb. Der eigenhändig geschriebene Gruß des Paulus in seinen Briefen war doch wohl auch ein Zeichen solcher Gemeinschaft. Andern ist die sonntägliche Gemeinschaft des Gottesdienstes geschenkt. Wieder andere dürfen ein christliches Leben in der Gemeinschaft ihrer Familie leben. Junge Theologen empfangen vor ihrer Ordination das Geschenk gemeinsamen Lebens mit ihren Brüdern für eine bestimmte Zeit. Unter ernsten Christen der Gemeinde erwacht heute das Verlangen, sich in den Ruhepausen ihrer Arbeit für einige Zeit mit andern Christen zu gemeinsamem Leben unter dem Wort zusammenzufinden. Gemeinsames Leben wird von den heutigen Christen wieder als die Gnade begriffen, die es ist, als das Außerordentliche, als die „Rosen und Lilien“ des christlichen Lebens (Luther).

Christliche Gemeinschaft heißt Gemeinschaft durch Jesus Christus und in Jesus Christus. Es gibt keine christliche Gemeinschaft, die mehr, und keine, die weniger wäre als dieses. Von der kurzen einmaligen Begegnung bis zur langjährigen täglichen Gemeinschaft ist christliche Gemeinschaft nur dieses. Wir gehören einander allein durch und in Jesus Christus.

Was heißt das? Es heißt erstens, dass ein Christ den andern braucht um Jesu Christi willen. Es heißt zweitens, dass ein Christ zum andern nur durch Jesus Christus kommt. Es heißt drittens, dass wir in Jesus Christus von Ewigkeit her erwählt, in der Zeit angenommen und für die Ewigkeit vereinigt sind.

Zum ersten: Christ ist der Mensch, der sein Heil, seine Rettung, seine Gerechtigkeit nicht mehr bei sich selbst sucht, sondern bei Jesus Christus allein. Er weiß, Gottes Wort in Jesus Christus spricht ihn schuldig, auch wenn er nichts von eigener Schuld spürt, und Gottes Wort in Jesus Christus spricht ihn frei und gerecht, auch wenn er nichts von eigener Gerechtigkeit fühlt. Der Christ lebt nicht mehr aus sich selbst, aus seiner eigenen Anklage und seiner eigenen Rechtfertigung, sondern aus Gottes Anklage und Gottes Rechtfertigung. Er lebt ganz aus Gottes Wort über ihn, in der gläubigen Unterwerfung unter Gottes Urteil, ob es ihn schuldig oder ob es ihn gerecht spricht. Tod und Leben des Christen liegen nicht in ihm selbst beschlossen, sondern er findet beides allein in dem Wort, das von außen auf ihn zukommt, in Gottes Wort an ihn. Die Reformatoren haben es so ausgedrückt: Unsere Gerechtigkeit ist eine „fremde Gerechtigkeit“, eine...

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