Sara Paßquali
Bitches and Bottles
Die Hypermaskulinisierung im Hip Hop Video
Einleitung
Der Drang nach einer Wissenschaft, der die "Geschlechts- und Herrschaftsstrukturen" erklärt, besteht schon immer. Seit Beginn der Menschheitsgeschichte spielt die "Differenzierung zwischen dem biologischen und dem kulturellen Geschlechterbegriff" eine Rolle. Mit der Zeit wurde erkannt, dass das Geschlecht ein historisch wandelbares, soziokulturelles Phänomen ist. Begriffe wie "Mann" und "Frau" werden von der herrschenden Gesellschaftsdoktrin in Abhängigkeit definiert. "Hierarchisierend, hegemonisierend, ein- und ausgrenzend, bleibt das Geschlecht jenseits von Emanzipationsbestrebungen eine identitätsbestimmende Macht". Schon in der Bibel wird der Zusammenhang von Mann und Frau so zitiert: „Und Gott der Herr baute ein Weib aus der Rippe, die er von dem Menschen nahm, und brachte sie zu ihm.“ (Zitat: 1. Mose 2.22). Die Unterwerfung der Frau wird in mehreren Stellen der Bibel beschrieben. So heißt es weiter: „Und dein Verlangen soll nach deinem Manne sein, aber er soll dein Herr sein“ (Zitat: 1. Mose 3.16). Die Hierarchie ist im Christentum festgeschrieben, so gilt Gott, Christus, Mann und Weib. Wobei noch zu erwähnen ist, dass die Frau nicht nur zuunterst, sondern überdies noch still und stumm steht. Auch außerhalb der biblischen Tradition findet man bei den größten Denkern den "männlichen Patriarchalismus" stets wieder. So schreibt Aristoteles in der Nikomachischen Ethik, dass das Maß des Menschen der Mann sei. Auch Jean-Jacques Rousseau entwirft in Werk Emile ein eindeutiges Geschlechterbild. So wird beschrieben, dass die Frau mehr Witz besäße, der Mann jedoch den Geist, somit beobachtet die Frau, während der Mann denkt. Über viele Jahrhunderte besteht immer das eine Bild, der männliche Körper ist zu einer Symbolgestalt des Geistigen geworden, während der weibliche Körper die Symbolgestalt des Körperlichen/Sterblichen, der Sexualität darstellt.
Wie weit diese Strukturen immer noch vorherrschend sind, wird sich in der späteren Analyse der ausgewählten Musikvideos aus der "Hip Hop" Szene zeigen. Die ausgewählten Videos sollen die Stilisierung der Hypermaskulinisierung im "Hip Hop Video" zeigen. Des Weiteren sollen die dazu konträren Stilisierungen der Hyperfeminisierung gegenübergestellt werden. Musikvideos sind schließlich eine mediale Konzeption und in der Regel gesellschaftlich normiert, damit ist ein Grund gegeben, für eine intensive Beschäftigung und wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema. Dies wirft einige Fragen auf. Zum Beispiel ist es zu hinterfragen, warum die Texte derart frauenverachtende Inhalte besitzen (müssen)? Oder die übertriebene Darstellung der "Persona" im Video, die eindeutige und immerwährende Verteilung der Geschlechterrollen? Woher kommt die Dominanz der männlichen "Persona" und woher die Unterwerfung der weiblichen "Persona"? Auch soll geklärt werden, an welche Zielgruppe sich diese spezifische Musik richtet ? Oder sind die Verherrlichung von Gewalt und der abwertende Sexismus Frauen gegenüber schon "mainstreamartig" verbreitet und sozial anerkannt? Um zu einem fundierten Abschluss zu kommen, werden zunächst Grundbegriffe der "Queer Theory" definiert und verknüpft. Auch wird es eine kurze Einführung über die Geschichte und die Entstehung des "Hip Hops" geben. In der Analyse wird bei den Videos auf Hypermaskulinität eingegangen und eine relevante Motivik und Bedeutung für die Theorie dargelegt. Sodass zum Abschluss geklärt werden kann, ob es eine Bedeutung der Kommerzialität und Wirkung auf Geschlechterkonzeptionen gibt.
Theoretischer Teil
Gender/ Begehren/ Performativität nach Butler
Mit den Definitionen von "sex" und "gender" setzt sich der Wissenschaftsbereich der Gender Studies oder auch Queer Theory genannt, auseinander. Diese Wissenschaft analysiert unter anderem die "Ungleichheit der Geschlechter oder der Geschlechterdifferenz" sowie "Geschlechtsidentität(en) und deren soziale Konstruktion beziehungsweise Dekonstruktion". Um 1960 verbreitete sich der Begriff "gender" und verfestigte sich nach und nach im akademischen sowie politischen Bereich. Der amerikanische Psychologe Robert J. Stoller verwendete den Begriff "gender" 1968 zur "Differenzierung sozialer und biologischer Geschlechtsidentität". Er wollte beweisen, "dass Geschlechtsidentitäten postnatal erworben werden". "Gender" diente außerdem den angloamerikanischen Feministinnen und Frauenforscherinnen seit den siebziger Jahren zur "scharfen Trennung von Biologie und Gesellschaft sowie von Natur und Kultur". "Gender" wurde dem biologischen Geschlecht ("sex") gegenübergestellt und darüber hinaus als dem "Geschlechtskörper übergestülpter Rollen- und Merkmalskatalog" definiert, der je nach Kultur und Epoche stark variiert. Dies war ein Anlass um die Äußerung von Simone de Beauvoirs umfassend zu thematisieren und theoretisieren. 1949 sagte sie, "die Frau werde nicht als Frau geboren, sondern zur Frau gemacht". Die "Gender Studies" widmen sich den "vorherrschenden Normensystem, das die unterschiedlichen Rollen, Positionen, Möglichkeiten und die Macht bestimmt, die jedem Geschlecht zuerkannt werden kann" (vgl. Steffen 2006: 12-13).
Die Frage nach angeborenen und anerzogenen Geschlechtsmerkmalen wird mit dem –einen- Ansatz angegangen, welcher in "sex" und "gender" differenziert. "Sex" beschreibt die biologischen Körpermerkmale, die Frauen und Männer voneinander unterscheiden. Das Geschlecht wird bei der Geburt also anhand körperlicher Kriterien (Genitalien, Chromosomensatz) zugeordnet. "Gender" hingegen bezieht sich auf die "gesellschaftlich und kulturell vermittelten Geschlechterbilder". Darunter sind Verhaltenserwartungen zu verstehen, welche dem jeweiligen Geschlecht zugeschrieben werden und sich sowohl bewusst als auch unbewusst für das ganze Leben verinnerlichen. In diesem Zusammenhang entstand der Begriff des "doing-gender", der jene Vorgänge beschreibt, nach denen Individuen selbst stetig neue kulturelle Geschlechtsunterschiede herstellen und verfestigen. "Doing-gender" fokussiert typisch weibliche und männliche Verhaltens- und Handlungsweisen von Individuen, welche dazu beitragen, dass sich "Weiblich- und Männlichkeitsbilder" kontinuierlich fortsetzen. Denn "kulturelle Bilder von Mädchen/Frauen sowie Jungen/Männern produzieren sich immer wieder neu" (vgl. Bronner & Behnisch 2007: 13-14).
Butler lehnt eine strikte Trennung zwischen "sex" und "gender" ab, denn "sex" wird erst durch "gender" und durch den Diskurs der (Zwangs-) Heterosexualität konstituiert.
Dadurch entsteht der Begriff der intelligiblen Geschlechter, diese stellen einen zirkulären Zusammenhang zwischen Geschlechtsidentitäten, Geschlechtskörper und Sexualität dar. In dieser Darstellung wird das umfasst, was Butler die performative Dimension des Geschlechts nennt. Des Weiteren betont sie, dass das Geschlecht keine vordiskursive anatomische Gegebenheit sein kann. Butler fügt außerdem mit "desire" einen weiteren Begriff neben "sex" und "gender" hinzu. Sie verlangt, dass das Empfinden zwischen "sex", "gender" und "desire" getrennt werden solle, ähnlich wie bei der Trennung bei Kant von Naturkausalität und Freiheit. Sie lehnt damit radikal die Uniformierung von Geschlechtsidentitäten aus heterosexueller Sichtweise ab. Sie kommt zu dem Entschluss, dass eine Person eine Geschlechtsidentität (gender) –Mann oder Frau- ist, und zwar kraft ihres anatomischen Geschlechts (sex) und ihres psychischen Selbstgefühls, deren hervorstechendste das sexuelle Begehren (desire) ist. Wobei Begehren als Qualität dargestellt wird, ohne bleibende Substanz, wie zum Beispiel Lachen, Glück und Lust (vgl. Villa, 2003: 59).
Butlers Theorie zum Diskurs handelt von der "Verschränkung von Subjekt und Macht", hierbei geht sie von der Annahme einer "Wirkmächtigkeit von Diskursen und der performativen Kraft von Sprache aus", diese Ansätze leitete Butler von Michel Foucault und John Austin ab. Diskursive und sprachliche Macht ist das "fundamentale Konstruktionsprinzip der Wirklichkeit" (vgl. Bublitz 2010: 8).
Ihre daraus entwickelte These, dass Körper nicht unabhängig von kulturellen Formen existieren. Auch wenn sie als naturgegeben erscheinen, sind sie das "Konstrukt normativer Ideale". Das bedeutet, dass in dem performativen Modell von Geschlecht die Kategorien männlich und weiblich als Produkt einer Wiederholung von Sprechakten und Handlungen verstanden werden und nicht als "natürliche oder unausweichliche Materialisierungen" (vgl. Bublitz 2010: 23).
Der Diskurs bei Butler beschäftigt sich mit der Frage nach dem "Verhältnis von Subjekt, Körper und Macht". Bedeutend ist hierbei, dass Worte Macht besitzen. Zum Beispiel wird der biologische Körper aus der Begriffssubstanz herausgeschafft, das heißt, dass Materie und Körper als apriorische Voraussetzungen von Sprache oder allgemeiner Zeichen infrage gestellt werden. So definiert Butler den Begriff des Diskurses, angelehnt an Focault, folgendermaßen:
„Diskurs ist nicht bloß gesprochene Wörter, sondern ein Begriff der Bedeutung; nicht bloß, wie es kommt, dass...