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Georg Ludwig Voigt (1827-1891): Eine kritische Nachlese

AutorMario Todte
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl93 Seiten
ISBN9783656526353
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis24,99 EUR
Fachbuch aus dem Jahr 2013 im Fachbereich Geschichte Europa - and. Länder - Mittelalter, Frühe Neuzeit, , Sprache: Deutsch, Abstract: Wenn bei der Geschichte der modernen Renaissanceforschung in disziplingeschichtlicher Hinsicht die Rede ist, so wird Jacob Burckhardt unbestritten bei der Grundlegung dieser historischen Disziplin ein bleibendes Verdienst zuzurechnen sein. Die Aufmerksamkeit, die ihm bis heute zuteil wird, ist mit Recht sehr groß. Dem Mitbegründer, wenn auch auf dem Felde des italienischen Humanismus des 15. Jahrhunderts, Georg Voigt, wird dessen Bedeutung zwar nicht in Abrede gestellt, jedoch ist die Beschäftigung mit ihm weitaus geringer und fällt bisweilen sehr polemisch aus. Diese 'kritische Nachlese' bezieht sich insbesondere auf eine Monographie zu Georg Voigt, die der Verfasser 2004 veröffentlicht hat, die bislang die einzige zu Voigt geblieben ist, und stellt einerseits die Ergebnisser derselben auf den Prüfstand, andererseits aber auch die Rezeption von Voigt im Spiegel seiner Kritiker, zeitgenössischen wie modernen. Letztlich ist es ein Versuch aus der Kritik an Voigts Werk wiederum eine Annäherung an sein Werk und ihn zu suchen. Viele Begriffe, sei es aus der Literaturwissenschaft oder Geschichtswissenschaft, die sich mit der Zeit der italienischen Renaissance und dem Humanismus beschäftigen, nähren den Verdacht, daß Voigts Nachwirkungen größer sind als bislang angenommen.

Geboren wurde ich am 17. Mai 1968 in Naumburg/Saale. Zunächst schloss ich 1988 meine Lehre als Orthopädiemechaniker ab. 1989 beendete ich den Abiturlehrgang an der Volkshochschule Naumburg. September 1989 bis August 1991 diente ich in der NVA bzw. Bundeswehr als Unteroffizier des medizinischen Dienstes. 2000 schloss ich mein Studium der Geschichte/Klassischen Archäologie und Kunstgeschichte mit dem Magister ab. Danach freischaffende Tätigkeit. Meine Veröffentlichungen handeln zumeist über Themen der Leipziger Universitätsgeschichte insbesondere Leipziger Geschichtsprofessoren des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts bzw. Leipziger Korporationen.

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Leseprobe

1. Perspektivenverschiebungstheorie


 

Die Darstellung der Perspektivenverschiebungstheorie erfolgt in einem engeren und einem weiteren Sinne. Diese etwas willkürlich anmutende Unterteilung erfolgt lediglich der Ordnung halber. Die Perspektivenverschiebungstheorie im engeren Sinne ist im wesentlichen Ausgangspunkt der jetzigen Untersuchung, während diese im weiteren Sinne eine Erweiterung durch die Einbeziehung von Interpretationskonzepten zur Renaissance darstellt, wie es in meinem Buch noch nicht erfolgt.

 

1.1. Perspektivenverschiebungstheorie im engeren Sinne


 

Neuere Arbeiten, die Voigt in einem umfassenderen Sinne für die Forschungsgeschichte zur italienischen Renaissance heranziehen, sind leider rar. Von grundlegender Bedeutung hierzu ist hierbei immer noch der Aufsatz von August Buck, „Der Beginn der modernen Renaissanceforschung im 19. Jahrhundert: Georg Voigt und Jacob Burckhardt“, in: Il Rinascimento nell`Ottocento in Italia e Germania (=Annali dell`Istituto storico italo-germanico in Trento, Contributi 3), hrsg. von August Buck und Cesare Vasoli, Bologna -Berlin 1989, S. 23-36. Es ist sehr bedauerlich, daß dieser wichtige Aufsatz bisher (fast) keine Veranlassung gibt, auch über Voigt einmal neu nachzudenken. Es dürfte auch für die Forschung zu Burckhardt überaus förderlich sein.[33] Buck konnte leider das Ergebnis seiner wohl richtigen Einsicht der stärkeren Einbeziehung Voigts in die Bewertung Burckhardts nicht mehr ausbauen, da er kurze Zeit nach dem Erscheinen dieses Aufsatzes verstorben ist. Seit Walter Goetz[34] und Wallace K. Ferguson ist er wohl auch der erste, der Burckhardt und Voigt einer umfassenderen Gegenüberstellung bei seiner Betrachtung unterzieht. Beachtenswert dabei ist jedoch, daß es Buck gar nicht vordergründig um den Vergleich zwischen den beiden Autoren geht, sondern um den Nachweis, inwieweit ihre Ansätze für die heutige Renaissanceforschung noch richtungsweisend sind.[35] Es versteht sich beinahe von selbst, daß dieser Aufsatz nicht nur bei der Entwicklung nachstehender Theorie für meine Studie zu Voigt von 2004 von grundlegender Bedeutung gewesen ist. Erfreulicherweise zeichnet sich doch inzwischen ab, daß die Beschäftigung mit Voigt doch wohl für sinnvoll angesehen wird. Der bereits genannte Aufsatz von Paul F. Grendler ist hierfür Beleg.[36] Es ist hier noch einmal an der Zeit, in Dankbarkeit des Beitrages von Jürgen von Stackelberg[37] zu erinnern, der sehr die Lektüre auch der älteren Renaissanceklassiker einschließlich Voigt angemahnt hat. Die bisherigen Feststellungen zeigen klar, daß eine Rechtfertigung hierfür nicht gegeben werden muß. Wie bereits erwähnt, gibt es Anlaß auf diesen Aufsatz und dessen Einschätzung einmal näher einzugehen. Abgesehen von der Tatsache, daß er die archivalischen Quellen nicht berücksichtigt und somit rein auf der historiographischen Ebene verbleibt[38], so gibt es doch festzuhalten, daß er nicht einfach die alten Einschätzungen wie die von Ferguson wiederholt. Zunächst versucht er eine inhaltliche Bündelung des Stoffes. Nach einer biographischen Schilderung von Voigts Werdegang, die auch auf Voigts Vater Johannes und dessen Bedeutung als Historiker eingeht, prüft er vorrangig Voigts Wiederbelebung des classischen Alterthums. Tatsächlich ist es ja das Werk, worin sich dessen Ansichten zu diesem Zeitalter am deutlichsten ablesen lassen. Auf eine inhaltliche Beschreibung oder gar kritische Auseinandersetzung mit Voigts Pius II. verzichtet er aber ebenfalls. Seine Einschätzung zu Voigt bleibt wesentlich moderater als es u.a. bei Ferguson der Fall gewesen ist. Zu den methodischen Zielen von Voigt und Burckhardt schreibt Grendler folgendes: „A very important difference is the aim and scope the two books. Voigt`s book is solely concerned with the revival of antiquitity, while Burckhardt deals with the Renaissance as a whole.“[39] Im Grunde besagt das den wesentlichsten Unterschied der Werke schlechthin. In jedem Falle reflektiert Grendler, daß Voigt und Burckhardt grundsätzlich methodisch verschiedene Ansatzpunkte und folglich entsprechend verschiedene Zielvorstellungen haben. Er geht mit seinen Schilderungen weiter in die Details. Das hat leider auch heute noch ausgesprochenen Seltenheitswert! So bemerkt er auch im Abschnitt Influence mit Recht: „Scholars often discuss Voigt`s book and Jacob Burckhardt`s Die Cultur der Renaissance in Italien: Ein Versuch of 1860 together, because they see them making identical arguments about the Renaissance. This is not accurate. While they share some views, major differences divide the two.“[40] Das entspricht voll meiner eigenen Feststellung.[41] Seine weiteren Schilderungen sind durchaus mit meiner Perspektivenverschiebungstheorie zu vereinbaren, ja sie sind ihr bemerkenswert ähnlich.

 

Wenn wir Voigts Perspektive näher betrachten, so haben wir zwar eine Verengung der Perspektive auf die von der italienischen gesellschaftlichen Oberschicht ausgehende Bildungsbewegung zu sehen. Die Renaissance ist bei Voigt lediglich der zeitliche Hintergrund für die Entstehung des Humanismus.[42] Hierin stimme ich mit August Buck überein. Jedoch folgende Textstelle ruft doch Zweifel hervor: „Während Voigt, wie der Untertitel Das erste Jahrhundert des Humanismus besagt, sich auf den italienischen Humanismus von 1350 bis 1450 beschränkt, bietet Burckhardt ein Gesamtbild der italienischen Renaissance bis zur Gegenreformation und zum Beginn der Fremdherrschaft. Beide Werke decken sich demnach thematisch dort, wo sie auf dem Hintergrund der Zeitgeschichte den Humanismus in seiner ersten Phase behandeln.“[43]

 

Die Zweifel drücken sich aus in dem, was ich vermisse. Das ist der perspektivische Raum, den die Verfasser einnehmen.

 

Buck versäumt meines Erachtens die Grenzziehung von Burckhardts Perspektive genau festzulegen. Allerdings berücksichtigt Buck, wenn auch nicht mit dem nötigen Nachdruck, daß Voigt u.a. durch die deutschen Studenten in Italien und die Missionen von Enea Silvio in Deutschland hier eine Perspektive eröffnet.[44] Burckhardt läßt diese unbeachtet, weil er in seiner historischen Perspektive in Italien verbleibt. Das verrät schließlich der Titel selbst. Es ist nämlich die europäische Dimension der Umwälzung, welche das Ende des Mittelalters in Europa bedeutet, die bei Voigt überaus deutlich schon in seinem Enea Silvio wird. Stärker tritt sie freilich noch im sechsten und siebenden Buch seiner Wiederbelebung des classischen Alterthums hervor. Da kommen sehr wohl die Einflüsse des Humanismus in Europa, so außer in Italien u.a. in Deutschland, Ungarn, Frankreich, England, zuerst zur Sprache. Weiterhin ist zu beachten, daß der Humanismus in diesen Ländern ja bis in die Reformationszeit und darüber hinaus weiter wirkt. Die Reformation wiederum läßt sich ohne die humanistischen Wurzeln bzw. Träger humanistischen Gedankengutes nicht denken. Wenn gleich auch dieses Glied in seiner Betrachtung weitgehend fehlt, was den Humanismus während der Reformationszeit betrifft, so heißt das nicht, daß dieser Begriff hier nicht mehr gilt in seinem Verständnis.[45] Daran ändert auch nichts die Tatsache, daß er bis auf einige bereits genannte Werke kaum in die Zeit der Reformation kommt. Dafür sprechen nämlich die vielen Rezensionen auf diesem Gebiet von ihm wie auch zum deutschen Humanismus.[46]

 

Auch die Kunst und der Kunstbetrieb findet in seiner Darstellung Erwähnung, wenn auch nur in Florenz. Bei Voigt sind die Architekten, Bildhauer und Maler gewissermaßen Produkte der neuen Bildung. Das soziologische Moment ist die Abhängigkeit der Künstler wie Brunellesco, Ghiberti, Donatello und Lucca della Robbia von der Florentinischen Republik.[47] Die italienische Kunst in anderen Zentren bleibt völlig unberücksichtigt. Das gilt besonders für Süditalien. Süditalien ist bei Voigt nur durch den Hof in Neapel vertreten.[48] Insgesamt wird die Kunst bei ihm doch verhältnismäßig vernachlässigt. Wahrscheinlich aber liegt es an folgendem Grund, wie Buck bemerkt: „Obwohl Voigt „die recht stattliche Literatur über die Erziehung“[49] ausführlich behandelt, sieht er sie – wie später auch Burckhardt – fast nur aus der Perspektive der Vermittlung gelehrten Wissens unter Vernachlässigung ihrer eigentlichen Intension, des Zusammenwirkens der „studia humanitatis“[50] mit dem Ziel der allgemeinen Menschenbildung. Gerade auf dieser Zielsetzung seiner Pädagogik beruht zum großen Teil der Einfluß des italienischen Humanismus jenseits der Alpen, dem Voigt das sechste Buch in der zweiten Auflage seiner Darstellung gewidmet hat.“[51]

 

Bei Burckhardt hingegen soll die Kunst in Italien gewissermaßen zum Pendant zu seiner Kultur der Renaissance in Italien werden. Dieser Ansatz bleibt leider jedoch Torso, obgleich er auch einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Kunst der Renaissance liefert. Sein Cicerone liefert allerdings auch...

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