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E-Book

Georg Wilhelm Friedrich Hegel

Eine Propädeutik

VerlagEdition Erdmann in der marixverlag GmbH
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl544 Seiten
ISBN9783843800853
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis17,99 EUR
Hegel, der Meisterdenker des Deutschen Idealismus, ist der letzte große Systematiker der europäischen Philosophie. Sämtliche Themen der Hegelschen Philosophie, Denken und Natur, Geschichte und Geist, Recht, Religion und Wissenschaft, werden umfassend erschlossen und dem heutigen Leser nahegebracht. Es ist eine persönliche Einladung zum philosophischen Gespräch mit einem der ganz Großen aus der Geschichte des Denkens.

Prof. Dr. Thomas Sören Hoffmann ist Inhaber eines Lehrstuhls für Praktische Philosophie an der Fernuniversität Hagen und hat zuvor an den Universitäten Bonn und Bochum gelehrt. Er wurde 1990 mit einer vergleichenden Arbeit zu Kant und Hegel promoviert und hat sich 1999 mit einer Studie zum Begriff der Natur in der europäischen Philosophie habilitiert. 2007 hat ihm die Universität Oldenburg den Karl-Jaspers-Förderpreis verliehen. Internationale Gastdozenturen und -professuren hatte Hoffmann in Kroatien, Österreich und Argentinien inne.

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Leseprobe

Vorwort zur vierten Auflage


Die vorliegende vierte Auflage dieses Buchs erscheint im 250. Jahr nach Hegels Geburt: in einem Gedenkjahr also, das Anlaß gibt, sich über die in der Tat epochale Bedeutung Rechenschaft zu geben, die unserem Denker zukommt. Daß seine Philosophie eine Zäsur setzen mußte, war Hegel selbst bewußt – und zwar auch dann, wenn er zugleich wie kaum ein anderer in Kontinuität zur gesamten Tradition dachte und denken wollte: Rekapitulation des Gedachten und Reform des Denkens gingen hier Hand in Hand. Dabei sollte zugleich eines der bekanntesten Worte des Denkers über das Verhältnis des Denkens zu seiner Zeit gelten, das da lautet: »Philosophie ist ihre Zeit in Gedanken erfaßt«. Was aber heißt dies?

Man kann dieses Wort in mehrfachem Sinne nehmen – einmal schon so, wie es auf den ersten Blick gemeint zu sein scheint: Daß die Philosophie nämlich nicht, wie in der metaphysischen Tradition der Fall, das Ewige und Zeitenthobene, sondern das historisch Wirkliche zum Thema habe. Philosophie ist dann, wenn auch nicht eine empirische, so doch eine immer auf Empirie bezogene Wissenschaft, die uns bei der »Dechiffrierung« unserer realen Welt, unseres Hier und Jetzt unterstützt. Und in der Tat hat Hegel in allen Bereichen das Denken »historisiert«: Die Philosophie der Kunst wird in bestimmtem Sinne Philosophie der Kunstgeschichte, die der Religion Philosophie der Religionsgeschichte, und auch die Philosophie selbst entfaltet ihren Begriff nach Hegel (ganz anders als etwa noch bei Kant oder Fichte) in und an ihrer eigenen Geschichte, in der sie sich dargestellt findet.

Man kann Hegels Wort über die in Gedanken erfaßte Zeit freilich auch so nehmen, daß man in ihm primär eine Bescheidenheit, eine Selbstrelativierung der Philosophie erkennt: Philosophie faßt allenfalls ihre eigene Zeit in Gedanken, ist deren Ausdruck im Medium des Denkens. Eine konkrete Philosophie »überspringt« ihre Zeit nicht, aber sie wird ihrerseits durchaus durch »die Zeit« überholt – eine »letzte« Philosophie kann es entsprechend nicht geben, nur »temporär« gelingen überzeugende Synthesen, und kein Denker weiß, was der nächste, ihm antwortend oder auch nicht, zu sagen hat. In bestimmter Hinsicht sind beide genannten Deutungen auch richtig: Philosophie »flieht« nach Hegel nicht auf eine Prinzipienebene, sondern betrachtet »Prinzipien« nur im Zusammenhang mit der ihnen immanenten Wirksamkeit und Entfaltung, ihrer historischen Verwirklichung. In genau diesem Sinne ist auch die Philosophie selbst immer eine Verwirklichung des Denkens »hier und jetzt«, der Spuren eben der eigenen Zeit immer ins Gesicht geschrieben sein werden.

Allerdings wäre Hegel nicht Hegel, wenn es in seinem Diktum dann doch nicht durchaus um mehr ginge, als das soeben Gesagte. Hegel möchte die Philosophie weder einfach zu einer empirisch bedingten Wissenschaft machen, noch will er sie einem historistischen Skeptizismus unterwerfen, der immer nur das eine wirklich weiß: daß nämlich die morgige Philosophie eine »andere« als die heutige sein wird. Hegels Pointe ist eine durchaus tiefere, eine komplexere. Sie besteht in der Einsicht, daß es weder eine »Zeit« oder »Epoche« gibt, der nicht eine begriffliche Form entspräche, noch einen im eigentlichen Sinne philosophischen »Begriff« geben kann, der nicht auch auf seine Realisierung, seinen »Vollzug« in der Zeit, verwiese. Eine vergegenständlichte »Zeit« ohne einen korrespondierenden »Begriff« ist allenfalls eine Hypostase des vorstellenden Denkens, eine Imagination, die ihre eigene Genese und Bedingungen nicht mitimaginiert und insoweit auch in einen Fatalismus des bloßen Hinnehmens eben von »herrschenden« Zeitbestimmtheiten verfällt. Ebenso ist ein fixierter »Begriff« ohne »Zeit« ebenfalls nur eine Vorstellung oder ein Abstraktum, gegen den die Philosophie den hier und jetzt vollzogenen, gedachten, sich-realisierenden Begriff zur Geltung bringt, der in seinem »Resultat« eben auch die Spuren seiner (konkreten) Zeitlichkeit zeigt. »Prinzipientheoretisch« gesehen steht dahinter eine »Revolution« des Denkens, die nur wenige der Hegel-Interpreten wirklich erfaßt und entfaltet haben – eine Revolution in der Art und Weise, wie wir logisch das Allgemeine, das Besondere und das Einzelne aufeinander beziehen oder auch unterscheiden – eine »universalien-theoretische« Revolution also, wie es der Fachmann ausdrücken würde. Die weithin herrschende Unterscheidung zwischen einem »Allgemeinen«, das wir in Ideen, Prinzipien, Gesetzesaussagen und Abstraktionsbegriffen ansprechen, auf der einen Seite, und einem »Einzelnen« in Raum und Zeit, auf das wir nur zeigen, das wir nur hinnehmen können, wird von Hegel grundsätzlich unterlaufen: Das Allgemeine und das Einzelne sind vielmehr zwei Pole ein und desselben lebendigen Verhältnisses, das zwischen ihnen oszilliert, wie alles Leben nichts anderes ist als die beständige Oszillation zwischen »dem« Leben und »den« Lebendigen in ihrem je besonderen Verhältnis. Der hier entscheidende Punkt ist der bereits erwähnte: daß Begriff und Zeit notwendig in ihrer logischen Form konvergieren, was an erster Stelle heißt, daß in der Zeit Erscheinendes einen »logischen Code« hat, den die Philosophie expliziert, zugleich aber auch, daß die Gedankenbestimmungen, die die philosophische Logik entfaltet, durch sich selbst auf eine raumzeitliche Verwirklichung hin transparent sind, die insoweit nicht »von außen« an sie herantritt. Man kann dies sehr schlicht auch so sagen: Was in einer »Zeit« geschieht und erscheint, ist Ausdruck und Darstellung einer kategorialen Form, die in ihr herrschend ist und sich auch durch diese Darstellung mit einer anderen kategorialen Form (und Zeit) vermittelt. Epochen haben »logische Profile«, verweisen auf kategoriale Ordnungen, die in ihnen dominieren und nach deren Logik sie sich unweigerlich realisieren. Es sind so – um an ein prominentes Beispiel zu erinnern – niemals die »ökonomischen Verhältnisse«, die das Denken bestimmen, sondern umgekehrt sind es »logische Verhältnisse«, die unter anderem auch die herrschende Ökonomie und Ökonomik einer Zeit dirigieren, ja sie erst möglich machen. Die Logik ist insoweit die Grunddisziplin der Philosophie, und nichts ist so unabdingbar für den Philosophen wie das denkende Studium der logischen Formen, in denen in nuce alles ruht, was Thema der Realphilosophie sein kann. Gleichwohl ist die Philosophie mit der Logik oder Kategorienlehre nicht einfach identisch: Um sich nämlich weiß die Philosophie immer erst dann, wenn sie aus der Zeit zu sich zurückkehrt, das heißt »ihre Zeit«, ihren konkreten Vollzug, »in Gedanken erfaßt«. Das heißt unter dem Strich: Die Lösung der Aufgabe der Philosophie ist – einerseits – unabschließbar, denn die Philosophie hat sich in jedem Denkakt neu als die Reduktion ihrer Zeit auf ihre logische Form und umgekehrt als die Darstellung ihrer logischen Form in zeitlicher Manifestation zu erweisen. Andererseits aber heißt dies auch: Die Philosophie ist ein »unendlicher Kreis« wie das Leben, das doch ein und dasselbe in allen lebendigen Verhältnissen ist und sich durch sie hindurch kontinuiert. Hegels Philosophie ist deshalb, wie es in diesem Buch seit der ersten Auflage in der Überschrift der »Einführung« hieß, auch eine »Philosophie der Freiheit« – ein Satz, der unter anderem auf die These von Franz Ungler verweist, daß »Hegels Logik als die dem Freiheitsbegriff adäquate Fundamentalphilosophie« zu verstehen ist, wie er ebenso bei Bruno Liebrucks anknüpft, der davon gesprochen hat, daß sich der Hegelsche Freiheitsbegriff als »der einzig mögliche und wirkliche« aufzeigen läßt. Auch, was »Freiheit« »wirklich« heißt, ist ohne die Hegelsche »Revolution« im Begriff nicht zu verstehen.

Wie für die zweite und dritte dankt der Verfasser auch für diese Auflage1 einer Reihe von Lesern, die sich bei ihm, sei es mit freundlichen Worten, sei es mit nützlichen Korrekturhinweisen gemeldet haben, wie er ebenso den Herren Helge Köttgen und Bryan-Joseph Planhof in Hagen für die Unterstützung bei der Vorbereitung der Neuausgabe dankt. Die neue Auflage wurde, wie es sich gehört, auf Druckfehler durchgesehen, in den Literaturlisten um ausgewählte Neuerscheinungen der letzten fünf Jahre erweitert und im übrigen für die Zitation, nach dem Vorliegen von GW II, jetzt ganz auf die kritische Werkausgabe als Quelle umgestellt. Möge sie wie ihre Vorgängerinnen dabei helfen, sich einem auch nach 250 Jahren keineswegs »toten« Denker engagiert und lebendig zu nähern!

Wien, im März 2020

Thomas Sören Hoffmann

1 Das vorliegende Werk hat eine zweite Auflage im Jahre 2012, eine dritte 2015 erlebt; als E-Book ist es seit 2013 erhältlich; ebenso wurde es in einer spanischen und einer englischen Übersetzung vorgelegt: Hegel. Una...

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