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E-Book

Gerinnungshemmer

Anleitung zur Selbstkontrolle des INR-Wertes

AutorGerhard Hiendlmayer
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2006
Seitenanzahl184 Seiten
ISBN9783170294783
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Leicht verständlich klärt dieses Buch nicht nur grundlegende Fragen rund um die Blutgerinnung und Gerinnungshemmer, sondern bietet auch die wichtigsten Hintergrundinformationen zu Erkrankungen wie venöse Thrombosen, Herzinfarkt und Herzrhythmusstörungen. In erster Linie widmet sich das Buch der Technik der INR-Bestimmung mit Hilfe der verschiedenen Heimgeräte. Dabei wird großer Wert auf das Aufzeigen möglicher Fehlerquellen bei Messung und Auswertung gelegt, ergänzt durch praktische Tipps, die dem Anwender eine korrekte Dosierung seiner Medikamente erleichtern.

Dr. Gerhard Hiendlmayer war Oberarzt am Katharinenhospital und am Bürgerhospital in Stuttgart. Heute ist er als niedergelassener Laborarzt in Augsburg tätig.

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Leseprobe

2 Bei welchen Erkrankungen müssen Gerinnungshemmer genommen werden?


2.1 Arterielle thromboembolische Erkrankungen: Entstehung, Verlauf und Behandlung


Gerade in unserer zivilisierten Welt, die oft eine ungesunde Lebensweise mit sich bringt, wie z. B. üppiges Essen, Rauchen und Bewegungsmangel, häufen sich die so genannten kardiovaskulären Erkrankungen, d. h. Herz- und Gefäßerkrankungen, die größtenteils durch atherosklerotische Veränderungen an den Gefäßen bedingt sind.

Hierher gehören die bekannten Krankheitsbilder wie der Herzinfarkt, der Schlaganfall oder die arteriellen Durchblutungsstörungen der Beine. Da bei diesen Erkrankungen immer eine erhöhte Gerinnungsneigung mitspielt, müssen zur Therapie oder zur Vermeidung eines Wiederauftretens einer Thrombose meistens Gerinnungshemmer eingenommen werden.

2.1.1 Die Entstehung der Atherosklerose


Die Atherosklerose (im Volksmund Arterienverkalkung genannt) ist ein degenerativer Vorgang, der mehr oder weniger stark an allen Arterien beginnen kann und zu einer Verhärtung und Querschnittsverringerung der betroffenen Arterien führt. Als Auslöser bzw. begünstigend wirken dabei die bekannten Risikofaktoren: Rauchen, hoher Blutdruck, hohe Fettwerte (insbesondere das Cholesterin), Übergewicht und die Zuckerkrankheit.

Die genaue Ursache der Atherosklerose ist noch nicht vollständig geklärt. Die Entstehung und das Fortschreiten der Atherosklerose ist ein sehr komplexer Vorgang, der über Jahre und Jahrzehnte läuft. Dabei kommt es zuerst zu winzigen Verletzungen der Blutgefäßwand (Abbildung 14). Die Antwort auf diese Schädigung ist sehr komplex und neue Untersuchungen zeigen, dass das Einwandern von Monozyten und Lymphozyten, also Entzündungsvorgänge, eine große Rolle spielen. Diese setzen Botenstoffe frei und aktivieren das Immunsystem. So genanntes LDL-Cholesterin wird eingelagert und in der Struktur modifiziert.

Abb. 14: Entstehung der Atherosklerose (aus: Müller-Brühl, U./Diehm, C.: Angiologie. W. Kohlhammer, Stuttgart 1991)

Dadurch kommt es zu einer Umwandlung von Makrophagen (Fresszellen) in Schaumzellen. Im weiteren Verlauf kommt es zu einer immer stärkeren Einlagerung von Fett und Kalk. Es setzen Gerinnungsprozesse ein, d. h. Fibrinogen wird in Fibrin umgewandelt und lagert sich zusammen mit Thrombozyten an der Gefäßwand an. Auch Bindegewebszellen und Muskelzellen vermehren sich im Bereich dieser Einlagerungen. Daraus resultiert eine Verhärtung der inneren Schicht der Gefäße und deren Einengung.

Bei weiterem Fortschreiten der Atherosklerose wird der innere Durchmesser der Arterien immer kleiner und die Durchblutung der betroffenen Organe immer schlechter. Letztendlich kann es durch einen Embolus (losgelöstes und wanderndes Gerinnsel) zu einem Verschluss eines Gefäßes und dadurch zu einer massiven Durchblutungsstörung des betreffenden Organs oder einer Extremität kommen.

Bei genetisch bedingten Erkrankungen, die mit einem sehr hohen Cholesterinspiegel einhergehen, treten atherosklerotische Veränderungen schon nach der Pubertät auf. Personen, die an diesen Fettstoffwechselstörungen leiden, können schon ab dem 20. Lebensjahr einen Herzinfarkt bekommen. Da die medikamentöse Therapie der zu Grunde liegenden Erkrankung leider sehr unbefriedigend ist, wird in einigen Zentren versucht, durch regelmäßiges Entfernen des Blutfettes die Erkrankung zum Stillstand zu bringen. Die Patienten müssen dabei wöchentlich an eine »Blutwaschmaschine« angeschlossen werden, ähnlich den Dialyseapparaturen beim kompletten Nierenversagen. Dabei wird ihr überschüssiges Cholesterin aus dem Blut gewaschen.

Die Stellen, an denen die Atherosklerose bevorzugt auftritt, finden Sie übersichtlich zusammengefasst in der Tabelle 3. Oft sind es gerade die Gefäßabgänge und Gefäßaufzweigungen, da hier Strömungsturbulenzen und Gefäßwandschädigungen häufiger anzutreffen sind. Bei Patienten im hohen Lebensalter oder bei Patienten, die an der Zuckerkrankheit leiden, sind allerdings die kleineren Gefäße am meisten betroffen.

Tab. 3: Bevorzugte Lokalisationen der Atherosklerose

Halsschlagader

Herzkranzgefäße

Beckenarterien (insbesondere in der Nähe der Gabelung)

Oberschenkelarterien

Unterschenkelarterien

2.1.2 Die allgemeinen Risikofaktoren für die Atherosklerose


Wie schon erwähnt ist die Atherosklerose eine multifaktorielle Erkrankung, d. h., dass mehrere, verschiedene Ursachen für die Entstehung dieser Erkrankung verantwortlich sind.

Sehr viele klinische und labormedizinische Studien wurden zur Erforschung dieser Ursachen durchgeführt.

Die wichtigsten allgemeinen Risikofaktoren sind Bewegungsmangel, Übergewicht, Bluthochdruck, Zuckerkrankheit (Diabetes) und Rauchen.

Risikofaktor Nummer eins für die Atherosklerose ist das Zigarettenrauchen.

Personen, die ein Päckchen Zigaretten täglich rauchen, haben gegenüber Nichtrauchern ein 3- bis 5-fach höheres Risiko, an einer Verengung der Herzkranzgefäße zu erkranken. Interessanterweise nimmt bei den Patienten, die das Rauchen beenden, das Risiko eines plötzlichen Herztodes rasch ab und erreicht schon nach einjähriger Abstinenz das Risikoniveau von Nichtrauchern.

Beim Diabetes Typ 2 (Zuckerkrankheit im Erwachsenenalter) kommt es auf Grund des hohen Zuckerspiegels und wahrscheinlich des höheren Insulinspiegels zu einer Stimulierung der Atherosklerose. Außerdem liegt auch oft ein Bluthochdruck vor. Untersuchungen belegen, dass die häufigste Todesursache beim Diabetes Typ 2 der Herzinfarkt und andere arterielle Thrombosen sind. Im Vergleich zu Nicht-Diabetikern ist die Sterblichkeit tatsächlich 3- bis 5-mal so hoch. Auch die Anzahl der Schlaganfälle durch Gefäßverschlüsse ist um einiges höher.

Wiederum ist der Diabetes Typ 2 oft die Folge eines hohen Übergewichts. Das Übergewicht bewirkt aber für sich alleine schon ein bedeutend häufigeres Auftreten von arteriellen Thrombosen wie Herzinfarkt und Schlaganfall. Diese Patienten sind meistens durch eine verminderte körperliche Aktivität in einem schlechten körperlichen Trainingszustand. Eine Erhöhung der Aktivität wirkt sich dagegen immer positiv auf die Herz-Kreislauf-Erkrankungen und den erhöhten Blutdruck aus.

Der Bluthochdruck ist wahrscheinlich das häufigste Gesundheitsproblem in den zivilisierten Ländern. Die Ursachen dafür sind sehr vielfältig und in vielen Fällen auch nicht bekannt (essenzielle Hypertonie). Diese Patienten haben eine verkürzte Lebenserwartung, meistens bedingt durch eine beschleunigte Atherosklerose. In der Regel führt der Bluthochdruck, auch wenn er nur mittelmäßig ausgeprägt ist, nach sieben bis zehn Jahren zu Gefäßkomplikationen.

2.1.3 Spezifische Risikofaktoren im Blut


Im Blut des Patienten können folgende Risikofaktoren für das Entstehen und Fortschreiten der Atherosklerose gemessen werden:

Cholesterin und LDL-Cholesterin

Das Cholesterin im Blut ist bekanntermaßen ein wichtiger Risikofaktor für die Atherosklerose. Wie in der Framingham-Studie und anderen großen Studien nachgewiesen, ist ein Anstieg mit einem erhöhten Risiko für alle atherosklerotischen Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall und Thrombosen in den Beinen verbunden.

Zur genauen Risikoabschätzung sollten bei erhöhtem Cholesterin immer auch die aussagekräftigen Unterfraktionen LDL-Cholesterin und HDL-Cholesterin bestimmt werden. Während das HDL-Cholesterin eher eine schützende Wirkung an den Gefäßen entfaltet, ist eine langfristige Erhöhung des LDL-Cholesterins ein nicht zu unterschätzender Risikofaktor. Genaue Analysen zeigen, dass die LDL-Cholesterin-Konzentration sogar der wichtigste Indikator für die Herzkranzgefäßerkrankung und den Herzinfarkt ist. Das Risiko nimmt auch noch weiter zu, wenn andere Faktoren zusätzlich vorhanden sind. Nach der Göttinger Studie GRIPS haben Patienten mit bereits durchgemachtem Herzinfarkt und einem LDL-Cholesterin über 160 mg/dl ein eindeutig erhöhtes Risiko, einen weiteren Herzinfarkt zu erleiden.

Die Richtwerte für LDL-Cholesterin werden je nach Alter, Geschlecht und zusätzlichen Risiken unterschiedlich angegeben, aber generell kann man ab 160 mg/dl von einem erhöhten LDL-Cholesterin ausgehen, das gesenkt werden sollte. Liegen allerdings noch weitere Risikofaktoren wie Übergewicht, Diabetes oder Hochdruck vor, sollte das LDL-Cholesterin auf entsprechend niedere Werte eingestellt werden.

Als Therapiemaßnahme sollte immer zuerst versucht werden, die Ernährung und die Lebensgewohnheiten umzustellen. Erst wenn dies nicht wirksam ist, sollte eine medikamentöse Behandlung mit den so genannten Cholesterinsenkern begonnen werden.

Lipoprotein (a)

Lipoprotein (a) ist ein Molekülkomplex, der aus einem Proteinanteil und einem Fettanteil besteht. Es hat Ähnlichkeit mit dem LDL-Cholesterin und schädigt wie dieses in höherer Konzentration die Gefäßwand. Insbesondere erhöht Lipoprotein (a) das Risiko von atherosklerotischen Erkrankungen von Männern (weniger von Frauen), die schon andere Risikofaktoren haben.

Abb. 15: Lipoprotein (a)
Aufbau aus Lipiden (innerer Kern) und zwei Proteinketten Apo B-100 und Apo (a) (außen) (Abdruck mit freundlicher Unterstützung von Baxter)

Lipoprotein (a) hat von der Proteinstruktur her auch starke Ähnlichkeiten mit Plasminogen. Es wird deshalb angenommen, dass es an den gleichen Stellen wie Plasminogen »andockt« und...

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