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Geschichte der Epigonen

Vollständige Ausgabe

AutorJohann Gustav Droysen
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl551 Seiten
ISBN9783849610906
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis2,99 EUR
Im dritten Band seiner Reihe 'Geschichte des Hellenismus' behandelt der Historiker Droysen die Zeit von ca. 270 bis 221 vor Christus.

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Erstes Buch


 


Erstes Kapitel


 

Geographische Grundlage – Die Entwicklung aus dem Lokalen – Die griechische Bildung – Alexanders Stellung – Städtegründungen – Das Reich der Lagiden – Das Reich der Seleukiden – Indien – Atropatene – Kleinasien – Die Galater – Makedonien – Die Griechen – Epeiros – Rückblick – Die Griechen in Sizilien und Italien

 

 

Überblickt man das geschichtliche Leben der alten Welt, so zeigt es sich räumlich in zwei große Kreise gesondert, deren Mitten von ebenso entgegengesetzter Charakteristik sind wie ihre Peripherien.

 

Von der Westseite des Indus bis Armenien hin erstreckt sich ein mächtiges Hochland, in seinen inneren Gesenken Wüste, rings umrandet von meist wasserreichen Gebirgswällen, der Heimat kriegerischer Bergvölker. In der Nordostecke verketten sich die Randgebirge dieses Hochlandes mit den Riesengebirgen des hohen Asiens, während sie sich im Westen, gleichsam zu einem Knoten verschürzt in den Landschaften Armeniens, nach Norden, Westen und Süden hin in die Gebirgszüge des Kaukasus, Kleinasiens und Syriens abzweigen. An den Abhängen jenes iranischen Hochlandes wiederholt sich in merkwürdiger Gleichförmigkeit die Bildung von Doppelströmen mit ihren reichen Tieflandschaften: im Westen die Fruchtländer des Euphrat und Tigris, durch eine Wüste getrennt von der arabischen Halbinsel; – im Osten der Indus und Sadlatsch, die Hauptadern des reichen Fünfstromlandes, durch eine Wüste getrennt von dem Herzland des brahmanischen Indiens; beide, das indische wie das aramäische Tiefland, dem Meere des Südens zugewandt; – im Norden der Oxos und Jaxartes, die im Altertum ihre Wasser in das einst umfangreichere Kaspische Meer ergossen, die Ströme des baktrischen Tieflands, gen Mitternacht durch die Wüste skythischer Horden geschlossen; – endlich das kleinere Tiefland des Kur und Araxes, eingeklemmt zwischen Armenien und dem Kaukasus, vom Schwarzen Meere durch Gebirge getrennt, zum tieferen Kaspischen Meere hinabgesenkt. So lagern sich diese vier reichen Stromlandschaften um jene medisch-persische Mitte, die wie eine Burg, wie eine Akropolis geschaffen scheint, die um sie her liegenden Tiefen zu beherrschen. Eigentümlich ist hier überall die geringe Ausbildung der maritimen Verhältnisse: verschlammte Strommündungen, untiefe Meere, Sandküsten hindern den überseeischen Verkehr an den wenigen Seeküsten, die es hier gibt; wo wirtbare und hafenreiche Gestade, bleiben sie unbenutzt; der kontinentale Charakter ist typisch für das medisch-persische Asien.

 

Anders der westliche Bereich der geschichtlichen Alten Welt. Wie um jene Gebirgsmitte Asiens ringsher hinabgesenkte Stromländer, so hier um ein offenes, wirtliches Meer ringsum hineinragende Gebirgsbildungen, bald im eintönigen Charakter afrikanischer Hochstrecken, bald in der bunten Mannigfaltigkeit hellenischer Buchten und Inseln gestaltet; wie dort die Kulturländer geschieden sind durch eine schwer zu erklimmende, von räuberischen Stämmen umhauste, innerlich öde Mitte, so drängt hier alles zu dem konzentrierenden und verbindenden Element des Meeres, zum Verkehr herüber und hinüber, zum gegenseitigen Ausgleich. Aber die Nordküsten dieses Mittelmeeres sind ungleich reicher geformt und gegliedert als die südlichen, die afrikanischen. Hier im Süden folgt dem vorragenden Gebirge bald weite glühende Wüste, oder sie zieht sich hinab bis an die Küste selbst, oder ein einsamer Strom flutet in enggeschlossener, von der Wüste umdrohter Felsrinne zu seichten Mündungen hinab; dort im Norden des Meeres erhebt sich hinter den weit vorragenden Inseln und Halbinseln, hinter den tief eindringenden Meeresbuchten eine breite Alpenzone, da und dort von Strömen durchbrochen, in hohen Paßwegen zu übersteigen, jenseits neue Gesenke, unzählige Ströme, die zu anderen nicht fernen Meeren hinabführen; es sind die vorgebildeten Räume einer späteren Geschichte, und wie sich jene Mitte des Ostens anlehnt an ein größeres, noch kontinentaleres, man möchte sagen geschichtsloses Ostland, so öffnet sich das Mittelmeer zu dem weiten westlichen Ozean, dessen Buchten eben jene Ströme empfangen, jene Länder späterer Geschichte umspülen.

 

So gehen die beiden Kreise des Ostens und Westens nach ihren Gegensätzen auseinander. Aber wo sie sich berühren, wie merkwürdig sind sie da ineinander verschlungen! Ägypten und Kleinasien, die syrische Küste und Griechenland, das sind die Länder dieser bedeutsamen Zwischenstellung.

 

Am Saume der afrikanischen Wüste, in den Tempelstaaten der ägyptischen Götterfetische dämmert das früheste Licht geschichtlicher Erinnerung: siegend zogen die Pharaonen gen Osten, gen Kolchis, zum Hellespont, uralte Denkmale geben noch davon Kunde; aber Ägyptens Größe ist schon dahin, als erst das geschichtliche Leben der anderen Völker erwacht; Afrika hat aus sich keine neue geschichtliche Kraft zu entwickeln vermocht.

 

Wie Ägypten nach Afrika, so leitet Kleinasien nach Europa hinüber; wie Ägypten eintönig und in sich geschlossen, so ist Kleinasien in reicherer Küstenbildung offen und zugänglich, im Inneren voller Gebirgszüge und Hochebenen, ein Tummelplatz des Völkerdrängens zwischen Asien und Europa, unter mannigfachen Stämmen zerrissen, in steter Oszillation zwischen dem Osten und Westen, nie in sich zu einer Einheit erstarkt.

 

Ganz zu Asien gehört die syrische Küste, ganz zu Europa Hellas, aber beide greifen hinüber in die entgegengesetzten Kreise. Jahrhunderte hindurch beherrschen die Punier das Mittelmeer; Beduinen des Meeres, schweifen und verkehren sie nach allen Küsten nah und fern; blühend setzt sich Phoinikien in seinen Kolonien Karthago, Spanien, den Inseln fort, während es selbst in seiner Heimat dahinstirbt. Und Griechenland wieder, nachdem es in unbeschreiblicher Regsamkeit gen Ost und West an allen Küsten umher unzählige Schößlinge gepflanzt, dringt es kämpfend und erobernd nach dem zentralen Hochland Iran vor, siedelt sich an in jener hohen Feste so gut wie in den Tiefländern umher, erfüllt auch Kleinasien, auch Syrien und Ägypten, beherrscht von Asien und Afrika her das Ostbassin des Mittelmeers, wie Karthago das westliche. Es ist die seltsamste Kreuzung; jener alte Gegensatz Asiens und Europas scheint seine Rollen vertauscht zu haben; das Ursprüngliche, natürlich Gegebene ist von dem Resultat der Geschichte überwunden und außer Bedeutung gesetzt.

 

Dann erhebt sich Rom zur Herrschaft über Italien; wie ein Keil drängt es sich zwischen den punischen Westen und den hellenistischen Osten. Wenn es endlich über beide den Sieg errungen, ist auch die zentrale Feste Westasiens von einem neuen Volke überwältigt; wie Rom über das Bassin des Mittelmeers, so herrschen die Parther vom Indus bis Armenien. Wieder sind es die beiden großen Kreise, in welche die Geschichte sich teilt, aber ihre Füllung wie ihr Bereich ist verändert; und nach langem unruhigen Schwanken drängen von Norden her die Germanen, von Süden her die Araber vor, um die Schwerpunkte des geschichtlichen Lebens völlig zu verrücken.

 

So im allgemeinsten Überblick die geographischen Verhältnisse, wie sie dem Gesamtverlauf der Alten Geschichte zugrunde liegen. Aber noch auf eine andere Weise greifen die geographischen, die lokalen Bestimmungen wesentlich ein. Auf ihnen ruht der heidnische Charakter des Altertums.

 

In den bezeichneten Bereichen finden wir ursprünglich, so weit die geschichtliche Erinnerung zurückreicht, die Völker, die einzelnen Stämme in entschiedener Sonderung, voneinander unabhängig, in bestimmt umgrenzten Gebieten; sie sind wie ein Produkt dieses Landes, dieses Bodens, gleichsam naturgeschichtlich mit ihm verwachsen; das menschliche Dasein, noch in das Leben der Natur verschlungen, empfängt von ihr seine Richtung, seinen Typus. Wer will das erste Erwachen des Geistes beschreiben? Mit dem ersten Wort schon ist er da; in geheimnisvoller Ähnlichkeit ist ihm des Wortes Klang für das, was es bedeutet; er bildet sich um sich her seine eigene Daseinssphäre. So beginnt er diese Natur, wie sie um ihn und an ihm ist, für sich zu erwerben. Aber sie allein noch ist es, woher er erwirbt, wohin er wirkt. Den Gefahren, die sie bietet, den Bedürfnissen, die sie weckt, ähneln die Mittel, mit denen ihnen begegnet wird; die Nahrung, die Lebensweise, die Sitte ist von ihr bestimmt; sie ist der Boden, auf dem der Geist emporwächst, der mütterliche Schoß, von dem er sich loszuringen trachtet. Woher auch immer die Ahnung höherer, göttlicher Mächte stammt, sie will für sie einen Ort, eine Gestalt, ein Dasein. Dort in dem Wirken und Schaffen der Natur sind sie, werden sie angeschaut, dorther ist ihr Name, ihr Bild; sie selbst sind wieder nur eine Fassung, ein Wort für diese Natur, für diese umgebende Heimatlichkeit. Und diese Mächte sind es, von denen die Ordnung des Lebens, die Gesittung gegründet heißt; sie haben die Gesetze gegeben, den Staat gegründet; er steht wie jeder einzelne in ihrer Obhut; der Dienst, in dem sich ihre Gläubigen vereinen, durchdringt das Leben des einzelnen wie das Staatsgesetz und die bürgerliche Ordnung vollkommen. So vereint sich mit der lokalen Geschlossenheit die innigste Verschmelzung von Staat und Religion; und damit vollendet sich die spröde konzentrische Sonderung jedes einzelnen Volkes. Auf sich gewandt, innerhalb seines Bereiches, mit eigener, auf dem eigenen Boden erwachsener Kraft gestaltet es die unmittelbaren, noch gebundenen Bestimmungen des eigenen, naturbestimmten...

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