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Geschichte der Hexenprozesse - Band 2

Vollständige Ausgabe

AutorHeinrich Heppe, Wilhelm Gottlieb Soldan
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl433 Seiten
ISBN9783849627614
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Soldan veröffentlichte 1843 eine Geschichte der Hexenprocesse. Aus den Quellen dargestellt, die schon bald zu einem Standardwerk wurde. Im Sinne des Historismus' Rankescher Prägung rekonstruierte Soldan darin eine ganze Reihe von Fällen und ließ die Quellen ausführlich zu Wort kommen. Es handelte sich dabei um die erste komplexe Darstellung des Themas, die zudem verifizierbar war. Dies ist Band 2 der Fassung, die Soldans Tochter Henriette und sein Schwiegersohn Heinrich Heppe 1880 veröffentlichten und in der sie die konfessionspolitischen Aussagen verschärften und ein Kapitel über die 'Hexerei und Hexenverfolgung im 19. Jahrhundert' hinzufügten. Inhalt: Neunzehntes Kapitel. Cornelius Agrippa Von Nettesheim. Zwanzigstes Kapitel. Die Hexenprozesse In Der Zweiten Hälfte Des Sechszehnten Und In Der Ersten Hälfte Des Siebenzehnten Jahrhunderts In Den Geistlichen Fürstenthümern Deutschlands. Einundzwanzigstes Kapitel. Die Hexenprozesse Von Der Zweiten Hälfte Des Sechszehnten Bis Zum Ende Des Siebenzehnten Jahrhunderts In Den Weltlichen Territorien Deutschlands. Zweiundzwanzigstes Kapitel. Die Hexenprozesse Von Der Zweiten Hälfte Des Sechszehnten Bis Zum Ende Des Siebenzehnten Jahrhunderts Ausserhalb Deutschlands. Dreiundzwanzigstes Kapitel. Bekämpfung Und Vertheidigung Des Glaubens An Hexerei Und Der Hexenverfolgung Während Des Siebenzehnten Jahrhunderts In Deutschland. Vierundzwanzigstes Kapitel. Allmähliche Abnahme Der Prozesse - Balthasar Bekker. Fünfundzwanzigstes Kapitel. Christian Thomasius. Sechsundzwanzigstes Kapitel. Hexenprozesse Des Achtzehnten Jahrhunderts. Aufhören Der Gerichtlichen Verfolgungen. Siebenundzwanzigstes Kapitel. Hexerei Und Hexenverfolgung Im Neunzehnten Jahrhundert. - Die Neuesten Vertreter Des Glaubens An Hexerei. Achtundzwanzigstes Kapitel. Schluss. Fussnoten:

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Leseprobe

ZWANZIGSTES KAPITEL. Die Hexenprozesse in der zweiten Hälfte des sechszehnten und in der ersten Hälfte des siebenzehnten Jahrhunderts in den geistlichen Fürstenthümern Deutschlands.


 

In der Zeit, welche unmittelbar auf den Passauer und Augsburger Religionsfrieden des Reichs folgte, finden wir alle geistlichen Stiftslande desselben von dem Protestantismus so durchdrungen, dass in vielen derselben das evangelische Bekenntniss geradezu herrschend geworden war. In der Mitte der zweiten Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts beginnt aber in allen geistlichen Fürstenthümern Deutschlands die hierarchische Reaktion einzutreten. Die Werkzeuge derselben waren die damals in alle unter geistlicher Herrschaft stehenden Lande hereingerufenen Jesuiten — oder die „spanischen Priester“, wie das Volk die Fremdlinge nannte, — die zunächst durch Errichtung von Volksschulen, durch gelegentliche Besitzergreifung von Pfarreien und durch die mannigfachen Mittel der inneren Mission ihrem Ziele, der Ausrottung des Protestantismus, immer näher zu kommen suchten. Doch genügten diese friedlichen Mittel zur Erreichung des Zweckes nicht; es musste auch mit Gewalt vorgegangen und durchgegriffen, es musste die Ketzerei durch Ausrottung der Ketzer aus dem Lande geschafft werden, und das hierbei sich am meisten empfehlende und den besten Erfolg versprechende Verfahren war das der Identifizirung oder Vermengung der Ketzerei mit der Hexerei.

 

Wir fassen daher, um uns diese Vorgänge klar zu machen, diejenigen geistlichen Fürstenthümer ins Auge, über welche uns Nachrichten bezüglich der Hexenverfolgung vorliegen.

 

Im geistlichen Kurfürstenthum Trier war einst der Kurfürst-Bischof Johann (v. Baden), des Trithemius Freund, von Innozenz VIII. wiederholt zum Beginne der Hexenverfolgung aufgefordert und gedrängt worden. Johann hatte jedoch dieses Ansinnen mit der Erklärung zurückgewiesen, dass es in seinem Lande keine Hexen gebe, wesshalb, so lange er lebte, im Kurfürstenthum Trier keinerlei Hexenverfolgung vorkam. Hernach drang auch hier die reformatorische Bewegung ein. Trarbach bekannte sich 1558 ganz entschieden zur Augsburgischen Confession, und mit Berufung auf ihre angebliche Reichsfreiheit erklärte sich auch die Stadt Trier für dieselbe. Kaspar Olevian, ein geborener Trierer (der einige Jahre später [1563] mit Zacharias Ursinus den Heidelberger Katechismus verfasste), predigte in der Hospitalskirche zu Trier die evangelische Lehre, und die Rathsherrn und Zünfte hielten fast sämmtlich zu ihm[38]. Kurfürst Johann V. (v. d. Leyen), der die Reichsfreiheit der Stadt nicht anerkannte und dieselbe infolge des Anschlusses der Bürgerschaft an die Reformation verlassen hatte, musste daher seine Rückkehr in dieselbe mit Gewalt erzwingen. Wieder im Besitz der Regierungsgewalt begann nun der Kurfürst dieselbe alsbald in der wüstesten Weise zu gebrauchen. Der protestantische Gottesdienst ward ein für allemal untersagt, Todesurtheile und Landesverweisungen machten bald die Führer der evangelischen Bewegung für immer unschädlich, und den Jesuiten, welche der Kurfürst 1560 nach Trier berief, wurde das Weitere überlassen. Mit reichlichster Dotation wurden dieselben von vornherein bedacht, — um sie in Trier recht heimisch zu machen[39]. Indessen steigerte sich dadurch nur die Unzufriedenheit und das Misstrauen[40]. Politische Streitfragen kamen hinzu; es drohte ein Aufstand. Koblenz, welches ebenfalls für sich Reichsunmittelbarkeit in Anspruch nahm, musste 1561 mit Gewalt zum Gehorsam gebracht werden, und noch war der Kurfürst mit der Pacifizirung seiner gegen ihn aufgebrachten Stände beschäftigt, als er 1567 eines plötzlichen Todes starb. Sein Nachfolger Jakob III. (v. Elz) führte gegen die Stadt den sogenannten Bohnenkrieg, der nur durch kaiserliches Gebot geendigt wurde. Vor dem nunmehr ernannten Schiedsgerichte führte die Sache der Stadt der Doktor Kyriander, den die trierischen Geschichtschreiber als einen schlauen Ketzer bezeichnen, der unter der Maske einer historischen Deduction die Geistlichen, Erzbischöfe und Päpste verspottet und verleumdet habe. Kaiser Rudolph II. unterwarf endlich Trier der Landeshoheit des Kurfürsten. Als dieser einzog, ritt an der Spitze des Zuges ein Koch, einen Schaumlöffel von der Länge eines Spiesses in der Hand haltend. Dreimal umkreiste er den Marktbrunnen, schäumte denselben ab und spritzte das Wasser oder den Schaum auf die umstehende Menge, um symbolisch anzudeuten, dass die Stadt abgeschäumt werden müsse. „Doch, — bemerkt der trierische Historiograph, hat man geglaubt, dass diess ohne Genehmigung des Kurfürsten von Andern angestellt gewesen sei“. Wie dem auch sein mag, — zum Abschäumen hatte Jakob weder Zeit noch Gelegenheit; er sah sich bis zu völliger Erledigung der Angelegenheit einen kaiserlichen Commissär zur Seite gestellt und starb wenige Monate nach seinem Einzuge. Es folgte Johann VI. (1581). Die Gesta Trevirorum rühmen ihn als einen klugen, frommen und demüthigen Mann, dessen Aeusseres eher einen Pfarrer, als einen Kurfürsten verrathen habe. Als die um der Religion willen zerfallenen Fürsten ihn zum ersten Male auf dem Reichstage sahen, sollen sie, entzückt von seinem Benehmen, gesagt haben: „Wenn alle geistlichen Fürsten wären, wie dieser, so könnten wir uns bei ihrem Rathe beruhigen.“ Von diesem sanften und demüthigen Manne erzählt nun der Geschichtschreiber weiter: „In der Stadt Trier wucherte noch das von Kaspar Olevianus und Andern gesäete Unkraut der Ketzerei, wovon wir oben im Leben Johann's V. erzählt haben; es war durch den Krieg genährt worden, und Jakob hatte es in den wenigen Monaten, die zwischen dem Kriege und seinem Tode lagen, nicht ausrotten können. Um nun dasselbe zu vertilgen, ächtete Johann VI. durch ein Edikt alle diejenigen, welche nicht binnen einer bestimmten Anzahl von Wochen zur orthodoxen Lehre zurückkehren würden (doctrinam sanam non admitterent). Manche bekehrten sich. Johannes Biener, Goldschmiedmeister, und etliche Andere dagegen wurden aus der Stadt vertrieben; unter diesen auch des Kaspar Olevianus Mutter, welche die den Frauen nöthige Heilkunst verstand, Johannes Steus und Lorenz Streichart, die beiden Drommeten des Bürgerkriegs, und Mehrere vom gemeinen Volk. Die Leichname von Coppenstein und Prück durften nicht innerhalb der Mauern begraben werden; — und so wurde die Stadt gereinigt. Durch gleiches Edikt und gleichen Eifer säuberte er auch Koblenz von der Ketzerei. Dessgleichen verbannte er auf eine ziemlich harte Weise (duro satis modo) die Juden aus der trierischen Erzdiöcese.“

 

Diess geschah in den Jahren 1583 und 1584, und wir finden nach dieser Zeit im Trierischen allerdings keine Edikte gegen die Protestanten mehr. Wer aber will es glauben, dass durch einige Verweisungen der bis dahin so hartnäckige Protestantismus mit Stumpf und Stiel ausgerottet worden sei? Zumal in einem Lande, dessen Fürst durch die Steuern, die er den verarmten, von Freund und Feind ausgesogenen Unterthanen auferlegte, sich verhasst machte[41] und die Jesuiten im Uebermaasse beschenkte[42]. Den letzteren flossen vom Volke nur sparsame Almosen zu[43]; sie hatten aber den Bau einer prachtvollen Kirche begonnen. Was half es, die heimlichen Protestanten aufzuspüren, zu überführen und zu verbannen? Ihr Vermögen blieb dann gesetzlich den Erben. Das Haus des Kaspar Olevianus musste der Kurfürst, als er es zum Amthause machen wollte, käuflich an sich bringen[44]; dagegen zog er wenige Jahre später das Vermögen des wegen Zauberei verurtheilten Schultheissen Flade ein und schenkte es an die Kirchen. Die Inquisiten mussten bekennen, dass ihr Zauberwesen sich von dem Einfalle des protestantischen Albrecht von Brandenburg herschreibe[45]. Gerade seit jener Zeit waren protestantische Regungen bemerklich gewesen. Denjenigen, welche gegen die Hexenprozesse sprachen oder schrieben, traten die Jesuiten entgegen, welche die Reformation und die Zauberei in so enge Wechselbeziehung, wie wir oben bei Delrio gesehen haben, zu bringen verstanden. Zweifeln wir noch, dass die grosse Hexenverfolgung zu Trier, die im Jahr 1586 ausbrach, zum Theil nur Fortsetzung der Verfolgung des Protestantismus und eines von jenen Mitteln war, welche der Scharfsinn der Jesuiten ergründet hatte, um die Aufgabe zu lösen, wesshalb sie ins Land gerufen waren?

 

Von Lothar, dem Nachfolger Johann's, sagt der Geschichtschreiber: „Das Erzbisthum fand er bei seinem Regierungsantritt in geistlicher Hinsicht ruhig, von keiner Ketzerei zerrissen, in zeitlicher aber erschöpft, was der Unfruchtbarkeit der vorhergehenden Jahre zuzuschreiben ist.“ Woher diese Unfruchtbarkeit rührte, wissen wir bereits von Linden.

 

Die Bemühungen des (uns schon bekannten) Ketzerrichters Binsfeld hatten es dahin gebracht, dass das Land einer Wüste glich, und das Vermögen der Begüterten in die Hände der Gerichtspersonen und des Nachrichters überging. Es sind daselbst nicht bloss gemeine Leute, sondern auch Doktoren, Bürgermeister, Kanoniker und andere Geistliche verbrannt worden. Laut amtlicher Nachrichten bestiegen aus etwa zwanzig Dörfern in der nächsten Umgegend der Hauptstadt in kaum sieben Jahren (1587 bis 1593) dreihundertachtundsechzig Personen den Scheiterhaufen, von Hinrichtungen in der Stadt selbst ist hierbei keine Rede[46].

 

Die Geschichte anderer katholischer Stifte lässt uns im Wesentlichen denselben Verlauf der Dinge erkennen, wie in Trier.

 

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