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Geschichte des frühen Christentums

AutorFriedhelm Winkelmann
VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl128 Seiten
ISBN9783406661525
FormatePUB/PDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,49 EUR
Wer etwas von den Grundlagen des Christentums und den vielfältigen Ausgangspositionen für die spätere Kirchengeschichte verstehen will, kann von einer Betrachtung seiner Anfänge nicht absehen. In dieser frühen Zeit erfolgten die entscheidenden Weichenstellungen für die weitere Entwicklung des Christentums. Alle christlichen Konfessionen bekennen sich zu den ersten Jahrhunderten der Kirchengeschichte als ihrem Fundament, sprechen ihnen mit Recht eine normative Bedeutung zu, betrachten sie als eine Richtschnur für die Kontrolle und Erneuerung der eigenen Entwicklung, als die Grundlage theologischer Diskussion und Verständigung in der christlichen Ökumene. So ist es eine zentrale und bedeutende, in der Darstellung höchst faszinierende Zeit, die in dem vorliegenden Band behandelt wird.

Friedhelm Winkelmann, Jahrgang 1929, arbeitete von 1955 bis 1991 auf den Gebieten der Kirchengeschichte, Patristik und Byzantinistik an der Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Von 1991 bis 1996 lehrte er als Professor für Kirchengeschichte an den Universitäten Heidelberg, Rostock und Tübingen. Er hat zahlreiche Publikationen zur frühen und byzantinischen Kirchengeschichte vorgelegt.

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Leseprobe

I. Die Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten


1. Missionsziele und -motivationen in urchristlicher Zeit


Das nach dem Jahre 70 in Syrien geschriebene Matthäusevangelium schließt mit einem Missionsbefehl:

„Darum geht hin und macht alle Völker zu meinen Jüngern. Tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu halten, was ich euch geboten habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage, bis diese Weltzeit sich vollendet.“ (28, 19f.) Diese Auffassung repräsentiert jedoch schon eine spätere Entwicklungsstufe und ist nicht die Meinung der ersten urchristlichen Gemeinden in Palästina. Diese besaßen vielmehr kein auf die Missionierung der ganzen Welt ausgerichtetes Ziel. Sie verstanden sich als eine innerjüdische Reformbewegung bei voller Einhaltung der jüdischen kultischen und ethischen Verpflichtungen, also des jüdischen Gesetzes, der Thora. Die Botschaft, daß mit Jesus der erwartete Messias bereits gekommen sei, galt dem „Hause Israel“. Diese Situation spiegelt sich zum Beispiel deutlich in den Jesusworten, die nur im Matthäusevangelium 10, 5f. und 15, 24 bewahrt wurden, wider: „Geht nicht auf den Abweg zu den Heiden, betretet auch keine Stadt der Samariter! Geht vielmehr zu den verlorenen Schafen aus dem Hause Israel“ und „Er [Jesus] antwortete: ‚Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt‘“. Der Missionsgedanke war dem Christentum also von Anfang an zu eigen, nicht aber war ursprünglich eine Ausbreitung über die jüdische Gesellschaft hinaus geplant.

Die Erfolge unter den Juden waren aber sehr gering. Dagegen fand das Christentum gerade in der nichtjüdischen hellenistischen Welt Interesse und Verbreitung. Eine Begrenzung allein auf thoratreue Juden war in einer vom Hellenismus geprägten Welt, mit ihrem lebhaften geistigen Austausch, ja gar nicht möglich. Jüdische Pilger aus der Diaspora versammelten sich an den hohen Festtagen in Jerusalem. So konnte die neue jüdische Sekte auch hellenistisch geprägten Diasporajuden nicht verborgen bleiben, die ihre Kenntnisse unter Juden und Nichtjuden im Reich weiter verbreiteten. Dieser neuen Situation hatte man sich zuerst in der christlichen Gemeinde der syrischen Metropole Antiocheia gestellt und sich hier um einen Konsens zwischen christlichen Juden und Nichtjuden bemüht. Von Antiocheia ging auch die erste gezielte Heidenmission aus. Und von dieser Gemeinde war auch der Apostel Paulus entscheidend geprägt.

Von den sich aus solchen Anforderungen ergebenden Problemen für die eigene christliche Identitätssuche der urchristlichen Gemeinden, von den Spannungen und Zerreißproben zwischen den unterschiedlichen Konzeptionen der thoratreuen Judenchristen, der thorafreien Judenchristen und der Heidenchristen bieten die Apostelgeschichte und die Paulusbriefe ein gutes Bild. Von der Vereinbarung auf dem Apostelkonzil in Jerusalem im Jahre 48/49 berichten uns Apostelgeschichte 15 und das 2. Kapitel des Galaterbriefes des Paulus. Die Judenchristen Jerusalems waren vor allem durch den Herrenbruder Jakobus, Petrus und Johannes, die antiochenische Gemeinde durch Barnabas und Paulus vertreten. Als Ergebnis wurde den Heidenchristen die Befolgung der kultischen Vorschriften der Thora erlassen, nicht jedoch die Einhaltung der moralischen jüdischen Grundsätze. Bei einem Besuch von Jakobus und Petrus in Antiocheia kam es dann aber doch in dieser Frage zu einer Spaltung der Gemeinde, so daß Paulus nun seine eigenen Wege ging. In bitterem Ton berichtete Paulus im Galaterbrief darüber.

Welches sind die Motivationen für die Mission? Es ist die Vermittlung des Heilsangebotes, von dessen Einmaligkeit man zutiefst überzeugt war. Umstritten ist in der Forschung, ob die Aussagen im Matthäusevangelium 24, 14 „Und diese Botschaft vom Reich (Gottes) wird in der ganzen Welt verkündigt werden allen Völkern zum Zeugnis. Und erst dann wird das Ende kommen“ und im Markusevangelium 13, 10 „Denn allen Völkern muß zuvor [vor dem Kommen des Herrn] die Heilsbotschaft verkündigt werden“ die ursprüngliche Motivation wiedergeben oder erst einem späterem Stadium der Entwicklung zuzuordnen sind, als für die Verzögerung des Kommens des Gottesreiches eine Erklärung gesucht wurde. Dieses Motiv spielte jedenfalls schon sehr früh eine Rolle.

2. Missionsmethoden


Am Anfang stand also weder eine allgemein akzeptierte Zielstellung der christlichen Mission noch eine einheitliche Methode. Das Markusevangelium läßt uns prophetische Wanderprediger in Palästina erkennen: „Da rief er [Jesus] die Zwölf zu sich, sandte sie zu zweien aus und gab ihnen Macht über die unreinen Geister und wies sie an, nichts mit auf den Weg zu nehmen außer einem Stab, kein Brot, keinen Ranzen, kein Geld im Gürtel, nur mit Sandalen an den Füßen, und ‚Zieht nicht zwei Hemden an!‘ Und er sagte zu ihnen: ‚Wo ihr in ein Haus eingekehrt seid, da bleibt, bis ihr den Ort verlaßt! Und wo man euch in einem Ort nicht aufnimmt und euch nicht hören will, da geht fort und schüttelt den Staub von euren Füßen – ihnen zum Zeugnis.“ (6, 7–11) Namen von Missionaren und andere Missionsmethoden überliefern uns die Apostelgeschichte und die Paulusbriefe, doch bleibt ein großer Teil der Missionare für uns namenlos und unbekannt. Die weitaus besten Informationen haben wir über den Apostel Paulus, zum einen weil seine Briefe auf private, organisatorische, praktische Probleme eingehen, zum anderen weil Lukas, der Verfasser der Apostelgeschichte, aus dem paulinischen Kreis stammte.

In seinem Brief an die christliche Gemeinde zu Rom schrieb Paulus über seine Strategie: „Und so habe ich von Jerusalem aus ringsum bis nach Illyrien die Christusbotschaft vollstreckt. Dabei habe ich meine Ehre dareingesetzt, Christus nicht dort zu verkündigen, wo sein Name schon genannt ist. Denn ich will nicht auf fremdem Fundament bauen … Vielfach bin ich zwar gehindert worden, zu euch zu kommen. Doch jetzt hält es mich nicht mehr in den hiesigen Gebieten. Schon seit vielen Jahren verlangt es mich, zu euch zu kommen, um bis nach Spanien zu gelangen.“ (15, 19f. 22–24) Paulus hatte drei große Missionsreisen unternommen, die ihn von Antiocheia nach Zypern, nach Kleinasien, nach Makedonien, Illyrien und in die Peloponnes führten. Jetzt wandte er sich der westlichen Reichshälfte zu, bis an deren westliche Grenze er vorstoßen wollte. Diese Absicht konnte er nicht mehr realisieren, da er wohl Anfang der 60er Jahre in Rom hingerichtet wurde.

Seine Zielstellung war erstaunlich weitsichtig. Zwar reichte sie nicht über die Grenzen des Imperium Romanum hinaus zu den Barbarenvölkern, doch war es ein umfassender Plan, der Paulus von vielen anderen Missionaren unterschied. In der Frage, ob diese Strategie sich bereits in der Gemeinde Antiocheias herausgebildet und Paulus sie von dort übernommen hatte oder ob sie erst von Paulus im Laufe der Zeit und aufgrund seiner Erfahrungen entwickelt wurde, scheint mir die letzte Annahme angemessener zu sein. Ausgeschlossen aus dem Plan des Paulus blieben Ägypten, Nordafrika, der Osten und die nördlichen Teile des Reiches. Der Grund ist wohl darin zu suchen, daß dort bereits andere Missionare tätig waren. Paulus suchte Neuland.

Seine Mission orientierte sich an den großen, bedeutenden Städten. Sie waren entweder Handelszentren oder Knotenpunkte der großen Straßen oder Hafenstädte oder Verwaltungszentren der Provinzen. Es seien hier nur Ephesos, Thessalonike, Philippi und Korinth hervorgehoben. Paulus als Städter, geboren in Tarsos in Kilikien, Inhaber des römischen Bürgerrechts, einen städtischen Handwerksberuf (Zeltmacher) ausübend, war am Land wenig interessiert, kannte wohl auch dessen Probleme kaum und konzentrierte seine Aktivität deshalb ganz selbstverständlich auf die großen Städte. In diesen schuf er sich einen örtlichen Mitarbeiterstab, der für die weitere Betreuung der Gemeinden und für die Ausbreitung in der Region zuständig war. Er selbst verfolgte eine großflächige Streuung des Evangeliums. Wenn die ganze Welt vom Evangelium gehört hatte, war seiner Meinung nach der Zeitpunkt der Wiederkehr Christi erreicht. Daher die Eile und das Großflächenprinzip des Paulus. Erfolge hatte er vornehmlich unter den dem Judentum zuneigenden heidnischen oder rein heidnischen Familien. Sie bildeten den Kern sowohl für die Sammlung als auch für die weitere Ausbreitung der Gemeinde.

An diesem Missionsprinzip hat sich in der gesamten vorkonstantinischen Zeit nichts Grundlegendes geändert. Folglich überwog in dieser Epoche der urbane Charakter des Christentums. Doch drang das Christentum von den Städten aus in je nach den Regionen unterschiedlicher Weise auch auf das Land vor, wie Inschriften und literarische Belege bezeugen. Aber dem Land wurde kirchlicherseits eben doch nur eine untergeordnete Rolle zugebilligt. Die einflußreichen Bischofssitze und Gemeinden waren in den Städten. Erst als sich die Asketen seit dem dritten Jahrhundert in wüste oder ländliche Gebiete zurückzogen, wirkte das Christentum wesentlich intensiver auf das Land ein. Auch blieb die Mission eine Aufgabe des einzelnen Christen,...

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