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Geschichte des Zölibats

AutorGeorg Denzler
VerlagVerlag Herder GmbH
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783451816468
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis10,99 EUR
Der Amtszölibat als Pflichtgesetz für Priester der katholischen Kirche ist eine Existenzfrage, nicht nur für die persönlich Betroffenen. Der katastrophale Priestermangel betrifft die Kirche insgesamt. Ist der Pflichtzölibat ein ehernes Gesetz oder ein historisches Relikt? Entstehung und Entwicklung des Zölibatsgesetzes sind für viele, die darüber hitzig und kontrovers diskutieren, weithin unbekannt. Angesichts vieler falscher oder schiefer Ansichten zur - zugegeben - komplizierten Geschichte des Zölibats vermittelt Georg Denzler ohne jeden Zorn, aber nicht ohne Eifer sachliche Information und nüchterne Beurteilung einer Geschichte, die mehrere Jahrhunderte umspannt. Ein engagiertes und kompetentes Buch, dessen Autor am Ende gesteht: 'Wenn ich der katholischen Kirche etwas Böses wünschen sollte, wäre es dies: dass sie die Zölibatsverpflichtung ihrer Priester unter allen Umständen und gegen alle Widerstände als eisernes Gesetz aufrechthält. Doch ich wünsche es nicht, und zwar im Interesse der Kirche Jesu Christi und aller Menschen, für die diese Kirche da sein soll.'

Georg Denzler, Dr. theol., geb. 1930, em. Professor für Kirchengeschichte an der Universität Bamberg, Herausgeber der renommierten Reihe 'Päpste und Papsttum', zahlreiche Publikationen. Lebt in Breitbrunn/Obb.

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Leseprobe

I.
Priesterbild im Wandel


Bevor wir nach der Entstehung, Entwicklung und aktuellen Geltung der priesterlichen Ehelosigkeit fragen, soll der Wandel im Verständnis von Wesen und Aufgabe des Priesters skizziert werden. So sonderbar es klingen mag, ein Blick in die Geschichte zeigt bereits deutlich: Priesterbild und Priesterzölibat bedingen einander weithin.

Das alttestamentliche Priestertum fand im Neuen Testament keine Fortsetzung. Mit dem Sühnetod Jesu Christi, des einzigen Hohenpriesters, war das Priestertum zu Ende gegangen. Der Begriff, den wir deutsch mit Priester (griech. presbyteros, d. h. Älterer) wiedergeben, bezeichnet im hebräischen kohen, im griechischen hiereus und im lateinischen sacerdos den aus dem profanen Bereich ausgesonderten und einem heiligen Stand angehörenden Kultbeauftragten, dessen Hauptaufgabe im Darbringen des Opfers besteht. Dieser Begriff bezieht sich aber im ganzen Neuen Testament nirgends auf die Apostel und ihre Mitarbeiter. „Kein einziger Apostel wird im Neuen Testament als Priester bezeichnet, von keinem Apostel spricht ein neutestamentlicher Text als von dem Leiter einer Herrenmahlfeier. Keinem Presbyter oder Episkopen wird eine besondere Vollmacht und Verantwortung für den Gemeindegottesdienst ausdrücklich zugesprochen.“1 Unter den Mitgliedern der Kirche als des neuen Gottesvolkes gab es anfangs keine wesentlichen Unterschiede. Sie alle zusammen waren das Volk (griech. laos), d. h. Laien. Die einzelnen Kirchengemeinden hatten zwar Vorsteher (Episkopen bzw. Presbyter) und Diener (Diakone) mit jeweils eigenen Aufgaben, aber keine Kultpriester wie in den Tempeln der Heiden oder im Jerusalemer Tempel. „Das Neue Testament kennt weder geweihte Personen noch eigene Kultorte, weder Opferhandlungen noch heilige Zeiten der Christen.“2 Noch fehlte also der Priester im kultisch-sacerdotalen Sinn.

Doch je weiter dieser jesuanische Ursprung aus den Augen verschwand, desto mehr erfuhren die kirchlichen Dienste eine Interpretation, welche dem Neuen Testament fremd ist. Ein qualitativ neuer Sprung erfolgte im 3. Jahrhundert: Man begann zwischen Priestern (jetzt nicht mehr im Sinn des früheren Presbyter!) und Laien klar zu unterscheiden. Auf diese Weise traten zwei Stände ins Leben, von denen der des „qualifizierten“ Amtsinhabers den des „gewöhnlichen“ Laien bald weit übertraf. Diesen Sachverhalt bringt der dem Neuen Testament selbst fremde Begriff Hierarchie (griech. hiera archä = heilige Herrschaft) zum Ausdruck. Während die ersten Christen mit dem Brotbrechen und Brotessen beim Gottesdienst noch ihre Distanz zum Opferkult und Priestertum in Jerusalem bekundeten, erlebte das Amt des Aufsehers (Episkopos) ebenso wie das des Ältesten (Presbyter) vom 3. Jahrhundert an eine spezifisch priesterliche (sacerdotale) Umdeutung, die sich auch auf die Lebensführung des (neuen) Priesters auswirken mußte. Diese neue Sicht erhielt im Hochmittelalter ein theologisches Fundament durch die scholastische Lehre, dass die Ordination (Priesterweihe) ein „unauslöschliches Siegel“ (Charakter) einprägt, mit dem eine seinsmäßige Veränderung in der Person des Empfängers verbunden ist.

Erste Spuren dieser höchst bedeutsamen Entwicklung finden sich schon in einem um das Jahr 96 verfassten Brief, der allein Klemens von Rom zugeschrieben wird, obwohl die Christengemeinden in Rom und in Korinth zu dieser Zeit noch kollegiale Leitungen besaßen. Diesem Schreiben ist zu entnehmen, dass die wichtigste Aufgabe des Vorstehers, wie schon beim alttestamentlichen Priester, in der Darbringung der Opfergaben besteht. In diesem Klemens-Brief haben wir übrigens das erste Zeugnis für einen kirchlichen Amtsträger in der Rolle des Opferpriesters. Unter diesem Aspekt verstärkte sich in der nächsten Zeit die Verbindung zwischen Synagoge und Kirche. „Hippolyt, Tertullian, Cyprian, die syrische Didaskalia, Origenes wenden alttestamentliche Titel und Kultvorschriften unmittelbar und ohne erkennbare Hemmungen auf Bischöfe, Presbyter, Diakone und ihren Dienst in der Kirche an.“3 Die Erhöhung des kirchlichen Amtsträgers zum „sacerdos“ (anfangs Bezeichnung für jeden Priester, später nur noch für den Bischof) bewirkte eine Degradierung der übrigen Gemeindemitglieder, die fortan im betonten Gegensatz zu den Klerikern (d.h. Auserwählten) „Laien“ genannt werden. Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass nur Inhaber des sacerdotalen Amtes zur Leitung der Gottesdienste befähigt und berechtigt sind. Mit dieser Differenzierung setzte nach Meinung des Neutestamentlers Paul Hoffmann eine verhängnisvolle Entwicklung ein; denn: „Die Idee eines von den übrigen Gemeindemitgliedern unterschiedenen Klerikerstandes, für den eine besondere ontologische Verfaßtheit kraft der Weihe (character indelebilis) und der alleinige Führungsanspruch oder eine heilsmittlerische Kompetenz postuliert wird, findet im Zeugnis des Neuen Testaments keine Stütze.“4 Der Gemeindevorsteher wurde bis zu dieser Zeit unter Handauflegung und Gebet in sein Amt eingesetzt (ordiniert), jetzt empfängt er eine heilige Weihe, d. h. er wird geweiht (konsekriert) und damit für immer aus dem Bereich der Laien herausgenommen und gleichzeitig in die Welt des Heiligen eingegliedert.

Bezeichnenderweise läßt sich um diese Zeit eine wachsende Zurückdrängung der Frauen erkennen, die ihren männlichen Geschlechtsgenossen bei der Verkündigung des Evangeliums und der Feier der Eucharistie in den anfänglichen Hausgemeinden bis dahin wohl nicht nachgestanden waren. Priesterinnen gab es bei den Griechen wie bei den Römern, bei den Kelten ebensowie bei den Germanen. Doch je höher der Mann im Zeichen des Patriarchats stieg, desto tiefer sank die Frau, bis sie schließlich, aus „Amt und Würden“ verdrängt, den Männern, das heißt den männlichen Priestern, das Monopol in der Kirche überlassen mußte. Parallel dazu beobachten wir eine aus gnostisch-dualistischem Gedankengut erwachsene Geringschätzung des weiblichen Geschlechts, das, weil immer mehr auf der Seite des Bösen angesiedelt, dem männlichen Geschlecht als unheilvoll erscheinen mußte und deshalb so weit wie möglich ganz gemieden werden sollte. All dies führte dazu, dass die christlichen Gemeinden bald nur noch von Männern, mit Vorliebe von zölibatären Männern, geleitet werden durften.

Das gewandelte priesterliche Amtsverständnis kann sich endgültig durchsetzen, „als seit der Zeit Konstantins der Klerus der christlichen Gemeinden durch die staatliche Privilegierung wie die heidnischen Priesterschaften Steuerfreiheit erhält, nach und nach den heidnischen Priesterschaften gleichgestellt und schließlich diesen vorgezogen wird“.5 Von besonderer Bedeutung für unser Thema ist die Tatsache, dass diese Sakralisierung des Priesteramtes konkrete Auswirkungen auf das Leben der Priester zeitigte. Weil der heilige Dienst nur noch von „Geheiligten“ (Konsekrierten) versehen werden durfte, erwartete man jetzt, dass diese Priester, ihrem heiligen Dienst entsprechend, auch ein heiliges Leben führten. Und Heiligkeit bedeutete zuerst Reinheit im Sinn sexueller Enthaltsamkeit, gleichgültig, ob in einer Ehe oder ohne Ehe. Der eingeschlagene Weg mündete schließlich in die Forderung dauernder Enthaltsamkeit nach dem Empfang der höheren Weihe.

Provozierend auf die Lebensform des Priesters wirkten außerdem Denken und Leben der Asketen, die sich in der Kirche schon früh hoher Achtung erfreuen konnten. Der Kirchenhistoriker Ernst-Ludwig Grasmück dürfte recht haben mit der Feststellung, dass der Gedanke der Ehelosigkeit „ausschließlich über das Asketentum – ganz gleich, ob bei den Gebildeten neuplatonisch oder darüber hinaus anachoretisch bestimmt – in den Klerus“ eingedrungen sei.6

Bei der Entfaltung dieses neuen Priesterverständnisses geriet allmählich ganz in Vergessenheit, dass nach dem neutestamentlichen Brief an die judenchristlichen Hebräer das alttestamentliche Priestertum ein für allemal beendet sein sollte und die Kirche keinen neuen Opferkult und folglich auch keine neuen Opferpriester mehr brauchte, weil Jesus Christus als der „eine erhabene Hohepriester“ durch seinen Tod die ewige Erlösung für alle Zeiten bewirkt hat und als der einzige Fürsprecher für die Kirche bei Gott bis zum Ende der Zeiten eintritt (Hebr 4,14 – 5,10).

Diese ursprüngliche Auffassung scheint sich im Mönchtum am längsten gehalten zu haben. Es ist ohnedies zweifelhaft, ob die Mönche zur Zeit des hl. Benedikt († ca. 547), des Gründers des nach ihm benannten Benediktinerordens, schon die Eucharistie oder hl. Messe gefeiert haben (falls ja, dann sicher nur an Sonn- und Festtagen). Benedikt selbst war kein Priester, und die meisten seiner Mönche auch nicht. „In der Zeit des heiligen Benedikt ermahnte man die Mönche, zwei Arten von Menschen aus dem Wege zu gehen: Bischöfen und Frauen, da ein Bischof den Versuch unternehmen würde, den Mönch zum Priester zu machen, und eine Frau würde es darauf anlegen, ihn zum Heiraten zu bringen.“7

Die Theologen des 4. und 5. Jahrhunderts konzentrierten das „Heilige“ in zunehmendem Maß auf das Priesterliche, was zur Folge hatte, dass die Person des Priesters in einem Nimbus erstrahlte, der von seiner Weihe ausging. Vor allem Johannes Chrysostomus führte mit seinem Traktat „Über das Priestertum“ (386) die Sakralisierung des Klerus auf himmlische Höhe. „Was nämlich das Priestertum betrifft“, lesen wir darin, „so wird es zwar auf Erden verwaltet, nimmt jedoch den Rang himmlischer Einrichtungen...

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