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Geschichten vom Dachboden 3

Teil 2 eines Soldatenschicksals aus Dortmund-Hörde im 1.Weltkrieg

AutorMarc Brasil
Verlagneobooks Self-Publishing
Erscheinungsjahr2017
ReiheGeschichten vom Dachboden 3
Seitenanzahl362 Seiten
ISBN9783742768612
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis1,99 EUR
Dieses Buch ist die Fortsetzung von 'Geschichten vom Dachboden 2 - Auf Spurensuch vor 100 Jahren'. Motiviert durch mehr als 100 interessierte Leser für mein erstes Buch erzähle ich die Geschichte des Kriegsteilnehmers Wolfgang Schucht und seiner Familie in der Zeit des Ersten Weltkriegs weiter. Stets haben mich Berichte über archäologische Grabungen und Recherchen zu vergangenen Ereignissen und Menschenleben fasziniert. Wenn es durch wissenschaftliche Forschungsarbeiten gelang, Geschichte zu rekonstruieren, über welche sich längst der Schleier der Zeit gelegt hatte, so fesselte mich deren Publikation. Es entstand der Wunsch auch selbst dazu beitragen zu können, diesen Schleier ein wenig zu lüften. Mein Betätigungsfeld als Hobby-Historiker sind dabei die Lebensläufe von Personen und Familien, welche in der Zeit des Ersten Weltkriegs lebten. Menschen, die in einer ereignisreichen Zeit existierten, deren Vita mitreißende Höhen und Tiefen aufweisen und spannende Wendungen vollziehen und deren Namen doch niemand mehr kennt. Menschen, deren bescheidener Nachlass ein Bündel Papier ist, welches so oft in die Hände verschiedener Sammler zerstreut wird damit dieses letzte Zeugnis auslöscht. Kein Nachkomme existiert mehr, der sich für diese Ahnen interessiert, kein Grabstein steht in einem Friedhof und gibt letzte Kunde von deren Dasein, ein Leben wie viele andere Millionen Erdenbürger, die die Geschichte verschlungen hat und nie wieder ausliefern wird. Durch zeit- und kostenintensive Forschungsarbeit kann ich einigen Weltenbürgern dieses Schicksal ersparen. Deren bewegtes Leben wird durch Veröffentlichung als Buch und Archivierung in der Deutschen Nationalbibliothek mit Vergabe einer ISBN-Nummer auch noch in vielen Jahren interessierten Lesern zur Verfügung stehen.

Marc Brasil, geboren 1969 in Erlangen, interessiert sich seit seinem 13.Lebensjahr für Geschichte rund um den 1.Weltkrieg. Auf einem Flohmarkt wird er auf Feldpost aufmerksam und erlernt die altdeutsche Schreibschrift Kurrent. Die Schicksale der Familien, welche er den Korrespondenzen entnehmen kann, fesseln ihn auch während seines Studiums der Elektrotechnik und späteren Arbeitslebens. 2016 veröffentlicht er ein erstes transkribiertes Feldpostkonvolut, danach folgen weitere Publikationen.

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Leseprobe

Alles kommt anders


Während Wolfgang täglich auf seine Versetzung nach Magdeburg wartet, um über eine Weiterbildung Reserve-Offiziersanwärter zu werden, geht es ihm von Minute zu Minute schlechter. Plötzlich plagen ihn Gliederschmerzen und rasende Kopfschmerzen. Dabei setzt hohes Fieber, Schüttelfrost und Brechreiz ein und ein starkes Schwächegefühl fesseln ihn ans Bett. Von Kameraden wird er schließlich auf einem Ochsenkarren durchs Gebirge zur nächsten Krankensammelstelle gebracht. Zwei Tage nach seiner letzten Karte schreibt er von dort einen kurzen Brief an seine Eltern.

 

30.4.17

Liebe Eltern!

Erstens kommt alles anders und zweitens als man denkt. Anstatt nach Magdeburg komme ich vorläufig mal ins Lazarett, was ich nach bald drei Jahren ja auch mal kennenlernen muss und zwar mit Malaria. Der gelbe Satan hat mich endlich doch geholt, na es ist aber nicht so schlimm, macht euch keine Sorgen, es ist nur maleria tertia – na und nicht die gefürchtete tropica. Dumm ist es nur, dass ich vorläufig nun doch nicht fortkomme. Die Päckchen sind alle angekommen bis Nummer 70. 1000 herzlichen Dank. Der Kuchen hat mir wunderbar geschmeckt, auch der Glühwein und die Zigarren. Gestern als ich fortkam habe ich noch schnell ein großes Paket mit Büchern nach Hause gesandt, damit sie mir nicht verloren gehen, nur die meisten englischen habe ich behalten. Ist mein Schmalz inzwischen eingetroffen? Hoffentlich. Martha Boos hat mir neulich auch einen Kuchen geschickt, Feldheims eine Wurst und Tante Emma 100 Zigaretten. Meine Anschrift kann ich euch noch nicht mitteilen, denn hier liege ich nur vorübergehend an einem Krankensammelpunkt, Hoffmannstal unweit Miletkonso am Vardar. In den letzten Tagen war hier wieder ziemlich was los, am Doiran und auch bei Bogoroditza und am Vardar. Na, ein ander Mal mehr, vorläufig herzlichen Gruß, Wolf.

 

2.5.17

Liebe Eltern!

Also seit heute bin ich nun hier im „Feldlazarett“ Raprowo bei Dedeli und werde wahrscheinlich die nächsten vier Wochen auch hier bleiben. Ihr könnt mir also an die umstehende Anschrift schreiben und in Anbetracht meiner Krankheit will ich auch mal ausnahmsweise Päckchen nicht verweigern. Dieser Brief wird euch nun wohl spätestens bis zum 10ten erreichen, da dürft ihr höchstens bis zum 16ten bis 18ten Päckchen abschicken und Briefe etwa bis zum 20ten bis 22ten. Meine schöne Sache mit Magdeburg wird mir nun wohl an der Nase vorbeigehen. Na, aber wenn ich entlassen werde und zum Trupp zurückkomme, werde ich ein Gesuch zwecks Versetzung zur Artillerie einreichen. Am 26ten vorigen Monats bekam ich plötzlich das gelbe Fieber: Kopfschmerzen, schrecklichen Schüttelfrost und Brechanfälle. Die nächsten Tage hatte ich dann Fieber bis zu 41°. Dann gab es jeden Tag 1 ½ Gramm Chinin und das Fieber ließ nach. Nun fühle ich mich eigentlich ganz wohl, nur steckt die Krankheit noch in meinen Knochen und soll durch Chinin und Ruhe mal gründlich ausgetrieben werden. Deshalb bleibe ich solange hier und werde dann ebenfalls für einige Wochen noch nach Vranje, Nisch oder Üsküp zur Erholung kommen. Jetzt kommt man selten noch mit Malaria nach Deutschland, immerhin könnte es so ein Stabsarzt vom Lazarett natürlich machen. Wenn ich erst in Vranje oder Nisch bin, kannst du mal an den betreffenden Herrn schreiben, ich werde dir die Anschrift mitteilen, möglich dass es sich machen lässt. Du musst betonen, dass ich nicht nach Deutschland, sondern zum Ersatztruppenteil zur Artillerie wolle, dass es mir darum zu tun ist, weil beim Trupp keine Aussichten sind usw., usw. Natürlich werde ich das den Herren auch selber vorzutragen suchen. Sonst noch alles beim alten. Tausend herzliche Grüße euer Wolf.

 

3.5.17

Liebe Eltern!

Anbei noch einige kleine Nachträge dessen was ich am meisten benötige. Zunächst ein Stückchen Seife und Zahnpasta, bitte kein Odol, das lässt sich nicht so gut unterbringen und kann leicht entzweigehen oder auslaufen. Und dann bitte was Lesbares, ich schicke alles wieder „heeme“. Conan Doyle! Ullstein! Aber möglichst solche, die ich noch nicht kenne, neu erschienen! Herzlichen Gruß, Wolf.

 

8.5.17

Meine lieben Eltern!

Weil ich so sehr viel Zeit habe und weil ich absolut nicht weiß, wie ich sie totschlagen soll, denn immer lesen und lesen ist auch ein Übel, so will ich euch des öfteren schreiben, denn ich weiß ja, dass es euch Spaß macht. Obwohl es mit einigen Schwierigkeiten verbunden ist, denn neben mir sitzen „a paar Bayern“ und tarocken, wobei sie mit den Fäusten auf den Tisch trommeln, dass das ganze Bett wackelt. Ich will dennoch mein Möglichstes tun. Von der ziemlich umfangreichen Bibliothek habe ich mich in letzter Zeit mit zwei Schriftstellern beschäftigt, die meiner Ansicht nach zu den allerbesten gehören, die ich kenne, ich meine Fontane und den Schweden Gustaf af Geijerstam, ich weiß nicht ob ihr schon von ihm etwas gehört habt, in Fischers Sammlung ist es mehrfach vertreten. Wie kläglich nimmt sich dagegen dein „spezieller Freund“ Karl May aus, lieber Papa, den ich mir der Wissenschaft halber auch mal wieder vorgenommen habe. Gottseidank, dass ich ihn als Junge nie in die Finger bekommen habe, um mir den Geschmack an ihm zu verderben, denn im Alter bis 14 kann man tatsächlich noch nicht solchen Schund vom Guten unterscheiden. Traurig ist es nur, dass tatsächlich sogar Zeitschriften deutscher Volksschullehrer ihn immer wieder und wieder in Schutz nehmen und sich anerkennend über ihn aussprechen. Dabei kann ein Blinder mit dem Stock fühlen, wie dieser Mann seine Bücher geschrieben hat. Ich sah ihn deutlich vor mir, zur Rechten irgendwelche Reiseerzählungen bekannter Forscher, etwa Sven Hedins, Livingstones und anderer, zur Linken Meyers Konversationslexikon und vor sich eine große Landkarte und dann immer lustig darauf los von Kairo nach Timbuktu, dass es man nur so rappelt. Alle halbe Seite ein Kampf auf Leben und Tod, alle zwei Seiten eine Gefangennahme durch hundertfache Übermacht und alle vier Seiten eine kühne Flucht. Und dabei immer dies widerlich Moralische, wovon sogar bessere Leute wie Cooper zum Beispiel reichlich viel bringen. Kurz und gut zum Kotzen. Wie wunderbar sind da doch Fontanes Sachen gegen. Wenn man die Handlung aus so einen Roman nehmen sollte, so ergäbe das in den meisten Fällen höchstens einen ganz kleinen, dürren Satz, und doch, wie spannend, wie wahr ist das Ganze geschrieben. Das sind doch Menschen, die da vor einem auftauchen, scharf umrissen, in wunderbarer Klarheit. Selbst Gustav Freytag, Dümas, Viktor Hugo (Spott!) mit ihrem ganzen Wust von geschichtlichem Klimbim reichen nicht annähernd an ihn heran. Ich habe das Gefühl, als wenn das alles nur mehr oder minder gute technische Kniffe sind. Sie brauchen für ihre Helden das bunte Kleid, die Schminke und die Bühnenbeleuchtung und diese wirken in demselben Maße unnatürlich, wie Schauspieler auf der Bühne mir immer unnatürlich wirken, vielleicht weniger ihres Spiels halber, als vielmehr des papiernen Hintergrundes wegen. Fontanes und auch jenes Schweden Menschen brauchen diesen Hintergrund nicht, sie treten frei und natürlich zu einem, als wenn ein Freund den Freind trifft mitten auf der Straße oder im Hause, im Freien, im Alltagsleben.

Hier an der Front geht es in letzter Zeit auch ziemlich lebhaft zu, fast kein Tag vergeht ohne das Verwundete eingeliefert werden. Was der Feind damit bezwecken will, ist mir schleierhaft, denn Munitiun kann er doch unmöglich im Überfluss haben seit dem U-Boot-Krieg und erreichen tut er auch nichts. Morgens um 6 Uhr sind jetzt gewöhnlich schon mindestens 24° im Schatten, was auch nicht gerade zur Gemütlichkeit beiträgt. Unsere U-Boote haben im April ja auch wieder gut gearbeitet. Ob sie uns noch in diesem Jahr den Frieden bringen? Ich weiß nicht, wenn ich auf ihre Tätigkeit blicke, so kann ich mich nie eines ganz eigenartigen Gefühls verwehren. Etwa so, als wenn einem Forscher, der bis in die letzten Geheimnisse der Natur eingedrungen ist, der den Erdgeist beschworen hat im wahrsten Sinne des Wortes, für den es nichts Übernatürliches mehr gibt – wenn solch einem Manne plötzlich ein Wunder, ein unerklärliches Phänomen erscheint. Denn tatsächlich muss doch ein jeder einsehen, dass „sie“ uns kriegen würden nicht durch Hunger, sondern durch erdrückende Übermacht zu Lande, durch die konföderierten Völker der Erde, wenn nicht in 12ter Stunde diese lumpigen U-Boote gleichsam durch eine übernatürliche Macht uns in die Hände gegeben worden wäre, so dass der tückisch abgeschossene Hungerpfeil mit seiner ganzen verderblichen Wirkung auf den Schützen zurückspringt. Nun will ich damit zwar absolut nicht sagen, dass ich so vermessen wäre, mir alles erklären zu können nach monistischem Schema, ich halte es hierin vollkommen mit Goethe und Pilatus: „Das sind Flachköpfe, die keine Geheimnisse mehr anerkennen wollen auf dieser Erde“ und „Was ist Wahrheit?“, aber schließlich wehrt man sich doch mit seinem gesunden Menschenverstand gegen alles Übersinnliche und ich kann mir nicht helfen, diese U-Bootrettung hat etwas derartiges an sich, etwas jenseits aller Berechnung liegendes und mir deshalb Gruseliges. Hols der Kuckuck, mit herzlichen Gruß, Wolf. Übrigens möchte ich noch hinzufügen, dass ich zwar F. H. A. Hoffmann ganz gerne gelesen habe, sonst aber diese Leute bedaure, die am hellen Tage Gespenster sehen!

 

Wolfgang geht es zur Freude seiner Eltern im Lazarett zunehmend besser. Endlich erreicht ihn auch wieder ein Brief seines Vaters.

 

Hörde, 12.5.17

Mein lieber alter Junge!

Das war eine rechte Freude, dein Brief von gestern. Die Bilder sind sehr schön, sammle nur möglichst viele. Ich habe dir einen Filmpack gesandt,...

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