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Geschlecht, Familie, Sexualität

Die Entwicklung der Kritischen Theorie aus der Perspektive sozialwissenschaftlicher Geschlechterforschung

AutorBarbara Umrath
VerlagCampus Verlag
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl409 Seiten
ISBN9783593441566
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis30,99 EUR
Der Band bietet die erste profunde Rekonstruktion der Entwicklung der Frankfurter Schule aus feministischer Perspektive und eröffnet damit neue Anschlussmöglichkeiten für die Gesellschafts- wie Geschlechtertheorie. Basierend auf Schriften von Horkheimer, Adorno, Marcuse, Fromm u.a. wird gezeigt, wie Geschlechterverhältnisse, Familie und Sexualität in der Kritischen Theorie reflektiert wurden. Dabei deckt die Studie nicht nur Schwächen auf, die durch feministische Theorie und Geschlechterforschung bearbeitet wurden. Sie skizziert auch, wie sich Desiderate feministischer Theorie mithilfe der Kritischen Theorie gesellschaftstheoretisch fassen lassen.Barbara Umrath hat Erziehungswissenschaften, Soziologie und Psychologie studiert. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geschlechter-Studien des TH Köln.Inhalt 1. Einleitung 11 Aufbau des Buches 19 Hinweise für Leser*innen 21 2. Die Geschlechterthematik in der Rezeption der Kritischen Theorie 25 Zur Darstellung des grundlegenden Ansatzes der Kritischen Theorie 27 Die Geschlechterthematik in der Einführungsliteratur und den Studien zu Geschichte und Entwicklung der Kritischen Theorie 31 Die Geschlechterthematik in der Rezeption Herbert Marcuses 38 Überblick über die geschlechterthematische Rezeption der Kritischen Theorie 41 (Homo-)Sexualität in der Rezeption der Kritischen Theorie 45 Schwerpunkte der feministischen Rezeption Kritischer Theorie 48 Perspektivverschiebungen in der feministischen Rezeption 51 Vorgehensweise und Material 58 3. Geschlecht, Geschlechterdifferenz und patriarchale Geschlechterordnung als Momente der bürgerlichen Gesellschaft 65 Die Debatten zu Mutterrecht und Männerbund als Bezugspunkte der Kritischen Theorie 70 Horkheimer zur Genese und Wirkmächtigkeit des Charakters 75 Fromm zur Historizität und Gesellschaftlichkeit der menschlichen ?Triebnatur? 81 Das Mutterrecht und die Notwendigkeit einer historisch- materialistischen Situierung psychoanalytischer Überlegungen in der bürgerlich-vaterrechtlichen Gesellschaft 85 Die patriarchale Geschlechterordnung als konstitutives Moment bürgerlicher Gesellschaft und die affektive Abwehr der Mutterrechtstheorie 87 Fromms dialektisches Verständnis von Emanzipation 89 Psychische Veränderung als genuiner Bestandteil von Emanzipation 92 Gleichheit, Differenz und die Notwendigkeit eines alternativen Verständnisses von Geschlecht 94 Bedingungslose Mutterliebe und psychische Bisexualität 99 Zwischen Konkurrenz und ?Kolonialisierung?: Löwenthal zum Verhältnis von Erwerbs- und Privatsphäre 105 Zum emanzipatorischen Potenzial der Liebe 108 Adornos These der Entwicklung spezifisch weiblicher bürgerlicher Züge 111 Odysseus oder: Die Konstitution des bürgerlichen Subjekts in herrschaftsförmigen Klassen-, Geschlechter- und Naturverhältnissen 115 Problematisierungen der ?Emanzipation der Frau? in der spätbürgerlichen Gesellschaft 127 Horkheimers Sorge um das Schwinden von Sorge 130 Marcuses Emanzipationsperspektive: Androgynität und feministischer Sozialismus 133 Adornos Analyse von Weiblichkeit und Männlichkeit als Produkt ?männlicher? Gewalt 139 Das Ringen um und mit (Geschlechter-)Differenz bei Adorno und Horkheimer 142 Zusammenfassung 146 4.

Barbara Umrath hat Erziehungswissenschaften, Soziologie und Psychologie studiert. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geschlechter-Studien des TH Köln.

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Leseprobe
1. Einleitung Die sogenannte Frankfurter Schule, auch bekannt als Kritische Theorie, kann als eine der einflussreichsten geistes- und sozialwissenschaftlichen Theorieströmungen des 20. Jahrhunderts gelten. In zeitgenössischer Geschlechterforschung wird auf diese allerdings eher selten zurückgegriffen. Jene auf den ersten Blick irritierende Diskrepanz wird verständlich, wenn man die bis dato vorliegende Sekundärliteratur genauer betrachtet. Insgesamt dominiert dort eine Darstellung, derzufolge sich die Kritische Theorie mit der Geschlechterthematik allenfalls am Rande auseinandergesetzt hat. Die dezidiert feministische Rezeption kritisierte die analytischen ?Werkzeuge? der Frankfurter Schule als unzureichend für ein Verständnis von Geschlechterverhältnissen. Die vorliegende Studie entwickelt demgegenüber eine andere Möglichkeit der Rezeption. So wird in den Kapiteln 3 bis 5 eine Geschichte der Frankfurter Schule entfaltet, in der Auseinandersetzungen mit der Geschlechterthematik als integraler Bestandteil der Entwicklung Kritischer Theorie erkennbar werden. Gezeigt wird, dass die Kritischen Theoretiker(-innen) sich über all die Jahrzehnte ihres Schaffens mit Geschlechterverhältnissen befasst haben, wie diese kritische Auseinandersetzung genau aussah, an welche Theorien und Denker(-innen) dafür angeknüpft wurde und zu welchen Einsichten die Kritische Theorie gelangte. Gegenüber dem Gros der bisherigen feministischen Rezeption verfolgt die vorliegende Arbeit damit ein anderes Anliegen. Wie in Kapitel 2 noch genauer dargestellt wird, war die feministische Rezeption, die im Zuge der Entwicklung von Frauen- und Geschlechterforschung ab den frühen 1970er-Jahren einsetzte, über weite Strecken von einer kritischen Abarbeitung geprägt. Dabei ging es stets auch um das Verhältnis von feministischer und Kritischer Theorie: Wie eng kann feministische Theorie sich an die Kritische Theorie anlehnen? Wie viel Abgrenzung tut not? Prägnant zum Ausdruck kommt dieses Ringen im Titel eines Aufsatzes von Gudrun-Axeli Knapp aus dem Jahr 1996, der da lautet 'Traditionen - Brüche: Kritische Theorie in der feministischen Rezeption'. Insgesamt waren die feministischen Zugriffsweisen von einer Mischung aus kritischer Abarbeitung und dem Bestreben nach Weiterentwicklung und Aktualisierung geprägt. Die vorliegende Studie ist hingegen in erster Linie rekonstruktiv angelegt. In ihrem Vordergrund steht nicht die feministische Weiterentwicklung und Aktualisierung der älteren Kritischen Theorie. Vielmehr sollen deren Auseinandersetzungen mit der Geschlechterthematik vor dem Hintergrund heutiger Geschlechterforschung detailliert rekonstruiert werden. Dabei wird deutlich werden, dass letztere nicht nur in mancherlei Hinsicht über die ältere Kritische Theorie hinausgeht, sondern diese auch umgekehrt Impulse für eine stärker gesellschaftstheoretische Ausrichtung von Geschlechterforschung zu geben vermag. Dominierte in der bisherigen feministischen Rezeption ein kritisch-aktualisierender Zugriff, soll es in der vorliegenden Arbeit darum gehen, die Texte der Kritischen Theorie selbst stärker zum Sprechen zu bringen und ihnen Gehör zu schenken. Dies bedeutet nicht, dass nun endlich einmal dargelegt würde, wie die Kritische Theorie ?tatsächlich? über Geschlechterverhältnisse nachgedacht hat, was ihre verschiedenen Vertreter(-innen) ?wirklich? gemeint haben. In der Formulierung des Zum-Sprechen-Bringens und Gehörschenkens ist bereits das dialogische Moment der Rekonstruktion angedeutet. Wie jeder Rekonstruktion wohnt somit auch der folgenden ein konstruktives Element inne. Ohne dieses würden sich Rekonstruktionen erübrigen, wären sie doch Wiederkäuen des immer Gleichen, nicht eine mögliche Quelle neuer Erkenntnisse. Das bedeutet zugleich, dass keine Rekonstruktion voraussetzungslos ist. So stehen im Hintergrund der vorliegenden Rekonstruktion Begriffe, Analysen und Fragestellungen heutiger Geschlechterforschung. Sie prägen das Erkenntnisinteresse an der Kritischen Theorie und machen auf diese Weise das konstruktive Moment des Rekonstruktionsprozesses aus. Anders formuliert ist es die grundlegende These dieser Arbeit, dass sich erst mit den Begriffen und Erkenntnissen heutiger Geschlechterforschung rekonstruieren lässt, wie genau die Kritische Theorie sich mit Geschlechterverhältnissen auseinandergesetzt hat. Es bedarf einer entsprechend informierten Perspektive, um (a) über einschlägige Überlegungen und Einsichten nicht hinweg zu lesen sowie (b) deren Produktivität und Grenzen näher zu bestimmen. Ausgegangen wird in der vorliegenden Arbeit damit erstens von einer grundlegenden Einsicht neuerer Geschlechterforschung: Der Erkenntnis, dass Zweigeschlechtlichkeit ein zentrales Strukturelement moderner Gesellschaften darstellt. Wenn die bisher vorliegenden Darstellungen der Kritischen Theorie - wie in Kapitel 2 anhand von Einführungsliteratur und Studien zu Geschichte und Entwicklung der Kritischen Theorie gezeigt wird - darauf hinauslaufen, die Geschlechterthematik sei nicht bzw. kaum Gegenstand Kritischer Theorie gewesen, kann dies aus Perspektive heutiger Geschlechterforschung nicht einfach als Aussage über die Behandlung entsprechender Fragen durch die Kritische Theorie genommen werden. Vielmehr ist ein Zusammenhang zwischen jenem Befund zu vermuten und dem, was im Zentrum der Aufmerksamkeit der jeweiligen Rezipient*innen steht und was nicht in den Blick kommt bzw. stillschweigend vorausgesetzt wird. Denn dass eine Theorie der modernen Gesellschaft nicht umhin kommt, sich mit der (historisch-gesellschaftlich zu verstehenden) ?Tatsache? der Zweigeschlechtlichkeit auseinanderzusetzen, liegt aus Perspektive der Geschlechterforschung auf der Hand. Im Folgenden wird daher näher zu fragen sein, wie, auf welche Weise und in welcher Form dies in der Kritischen Theorie geschah - implizit oder explizit, unwillkürlich oder reflektiert, affirmativ oder kritisch. Die Kritische Theorie vor dem Hintergrund heutiger Geschlechterforschung zu rekonstruieren, bedeutet zweitens einen Unterschied zu bisherigen feministischen Lesarten. Wie in Kapitel 2 noch ausführlich dargestellt wird, wurde die Kritische Theorie weniger aus der Perspektive der Geschlechterforschung betrachtet, die erst um 1990 deutlichere Konturen annimmt, denn aus einer frauenforschenden Perspektive. Damit lag der Schwerpunkt der Betrachtung weniger auf der wechselseitigen Konstituierung von Männlichkeit und Weiblichkeit oder gar der Konstitution von Geschlecht(lichkeit) überhaupt, sondern auf der Frage nach der Darstellung von Frauen und deren Erfahrungen. Demgegenüber fragt die vorliegende Arbeit danach, wie die Kritische Theorie die Kategorie Geschlecht und Geschlechterdifferenz verstanden hat, da sich erst auf dieser Basis klären lässt, wie die Darstellungen von Frauen bzw. Weiblichkeit zu verstehen sind. Sich der Kritischen Theorie aus der Perspektive heutiger Geschlechterforschung zuzuwenden, heißt drittens, den Fokus nicht isoliert auf Geschlechterverhältnisse zu legen, sondern diese in ihrer Verflechtung mit anderen Macht-, Herrschafts- und Ungleichheitsverhältnissen zu betrachten - eine Einsicht, die sich im Zuge der ab Anfang der 2000er-Jahre auch in der deutschsprachigen Frauen- und Geschlechterforschung intensiv geführten Debatten um ?Intersektionalität? zunehmend durchgesetzt hat und heute als zentraler Bestandteil des Selbstverständnisses von Geschlechterforschung gelten kann. Greift eine isolierte Betrachtung von Geschlechterverhältnissen somit zu kurz, ist im ?intersektionalen? Selbstverständnis insbesondere für sozialwissenschaftliche Geschlechterforschung die Herausforderung angelegt, sich zu einer kritischen Gesellschaftstheorie weiterzuentwickeln, deren Gegenstand komplexe, ineinander verflochtene Mechanismen von Herrschaft, Macht und Ungleichheit sind. Es geht um die Entwicklung einer gesamtgesellschaftlichen Perspektive, die etwa Klasse und Geschlecht nicht nur als ?Kategorien? versteht, die in ihrer Interdependenz Identitäten und Gruppen konstituieren, nicht nur als Bestandteile eines interaktiven ?doing difference? (West & Fenstermaker 1995), sondern entsprechenden Verflechtungen zugleich auf der Ebene gesellschaftlicher Verhältnisse, in diesem Fall: von Produktionsweise und Geschlechterordnung, nachgeht. Wie diese anspruchsvolle Aufgabe zu bewältigen ist, kann bislang als eine weitgehend offene Frage gelten. In der vorliegenden Arbeit soll daher besonderes Augenmerk darauf gelegt werden, welche Perspektiven auf die konstitutive Verflechtung verschiedener Macht-, Herrschafts- und Ungleichheitsverhältnisse sowie die damit einhergehenden Subjektivierungsweisen die ältere Kritische Theorie entwickelt hat. Viertens wird in aktueller Geschlechterforschung seit einigen Jahren rege diskutiert, wie die Entwicklungen gegenwärtiger Geschlechterverhältnisse einzuschätzen sind. Jüngste Anlässe hierfür bieten das Erstarken des Rechtspopulismus und ein breiterer öffentlicher Diskurs, in dem die positive Bezugnahme auf einzelne Aspekte feministischer und sexueller Emanzipationsbewegungen nicht selten einhergeht mit Prozessen der ?Veranderung? und der Artikulation rassistischer Forderungen. Grundlegende Einigkeit besteht dahingehend, dass Fragen, Positionen und Forderungen, die von feministischen Bewegungen ab Ende der 1960er-Jahre artikuliert wurden, Eingang in das Selbstverständnis breiterer Bevölkerungskreise, in Organisationsentwicklung, politische Entscheidungsprozesse und öffentliche Diskussionen gefunden haben. Umstritten ist hingegen, was die zu beobachtende Integration feministischer Positionen in den gesellschaftlichen und politischen Mainstream bedeutet und wie weitgehend sich die Geschlechterverhältnisse in diesem Zuge verändert haben. Zugespitzt formuliert: Haben wir es vor allem mit einem Bedeutungsverlust der Kategorie Geschlecht, einer ?Vereinnahmung? feministischer Kritik oder einer ?Illusion der Emanzipation? zu tun? Vor diesem Hintergrund soll danach gefragt werden, wie die Kritische Theorie die Geschlechterverhältnisse ihrer Gegenwart beschreibt, welche Veränderungen sie beobachtet und wie sie diese deutet. Insbesondere wird der Blick darauf gerichtet, welches Verständnis von Emanzipation sich in den Arbeiten der Kritischen Theorie findet. Letzteres legte nahe, aus dem umfangreichen Werk der Frankfurter Schule für die Rekonstruktion solche Arbeiten auszuwählen, die es erlauben, die Reflexion gesellschaftlicher Entwicklungen durch die Kritische Theorie zu verfolgen. Dies führte dazu, Schriften zu Familie (Kapitel 4) bzw. zu Sexualität und Sexualmoral (Kapitel 5) besondere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, da beide Themenkomplexe von der Kritischen Theorie über den Verlauf mehrerer Jahrzehnte immer wieder aufgegriffen werden. Eine solche thematische Fokussierung stand zu Beginn der Studie keineswegs fest, sondern ist selbst bereits Resultat des Forschungsprozesses. Für die Schwerpunktsetzung auf Familie sprachen zudem zwei weitere Gründe: Zum einen sind einzelne Aufsätze zur Familie von feministischer Seite sehr intensiv rezipiert worden. Die einschlägigen Arbeiten der Kritischen Theorie zu rekonstruieren - und das deutlich umfassender, als bisher geschehen -, erlaubt damit, Unterschiede zwischen einer frauen- bzw. geschlechterforschenden Lektüre hervortreten zu lassen. Zum anderen steht Familie seit vielen Jahrzehnten im Zentrum einer eigenen Bindestrich-Soziologie, während ihr in kritischer Gesellschaftstheorie bis heute vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit zukommt. Angesichts dieser Diskrepanz schien es fruchtbar, die Arbeiten der Kritischen Theorie genauer in den Blick zu nehmen, betrachtete diese Familie doch bereits in den 1930er-Jahren als einen geeigneten ?Zugang? zu einer kritischen Gesellschaftstheorie. Eine etwas anders gelagerte Diskrepanz sprach für den Fokus auf Auseinandersetzungen der Kritischen Theorie mit Sexualität und Sexualmoral. Hier war es die Beobachtung, dass Sexualität zwar in zeitgenössischer Geschlechterforschung eine zentrale Rolle spielt, anders als Familie aber bis dato vergleichsweise selten als Gegenstand der Soziologie behandelt wird. Für die Kritische Theorie hingegen stellten Sexualität und Sexualmoral nichts weniger als einen ?Schlüssel? zum Verständnis von Gesellschaft dar. Die Auseinandersetzung mit den einschlägigen Arbeiten der Kritischen Theorie vermag insofern dazu beizutragen, diese Themen selbstverständlicher als bislang üblich als genuine Gegenstände der Soziologie zu erkennen. Insgesamt bewegt sich die vorliegende Studie im Spannungsfeld von disziplinären, in diesem Fall: soziologischen, Fragestellungen und interdisziplinären Zugangsweisen, wie sie sowohl für die Kritische Theorie als auch für Frauen- und Geschlechterforschung charakteristisch sind. In terminologischer Hinsicht kennzeichnend ist eine ständige ?Übersetzungsarbeit? zwischen dem begrifflich-analytischen Instrumentarium der älteren Kritischen Theorie und dem einer jüngeren Frauen- und Geschlechterforschung. Auf diese Weise verfolgt die Arbeit nicht zuletzt das Anliegen, an der Kritischen Theorie interessierte und mit dieser vertraute Leser*innen an Fragestellungen und Perspektiven der Geschlechterforschung heranzuführen sowie umgekehrt Leser*innen aus dem Feld der Geschlechterforschung, die bisher wenig mit der Kritischen Theorie in Berührung kamen, einen Zugang zu dieser zu eröffnen. Aufbau des Buches Das auf die Einleitung folgende Kapitel 2 beginnt mit einer ausführlichen Betrachtung der Geschlechterthematik in der Rezeption der Kritischen Theorie. Besonderes Augenmerk gilt dabei der feministischen Rezeption. Insgesamt wird deutlich werden, dass eine Studie dazu, wie die Geschlechterthematik in der Kritischen Theorie verhandelt wurde, bis dato aussteht. Diese Forschungslücke schließt die vorliegende Arbeit. Deren methodische Vorgehensweise, die in enger Auseinandersetzung mit der bisherigen Rezeption entwickelt wurde, sowie das ihr zugrunde liegende Material werden zu Abschluss des zweiten Kapitels näher beschrieben. Die Kapitel 3 bis 5 bilden den Hauptteil des Buches. In ihnen werden die Auseinandersetzungen der Kritischen Theorie mit der Geschlechterthematik vor dem Hintergrund heutiger Geschlechterforschung detailliert rekonstruiert und diskutiert. Als erstes Kapitel des Hauptteils kommt Kapitel 3 zugleich die Funktion zu, grundlegend in das Denken der Kritischen Theorie einzuführen. Inhaltlich geht es dabei zum einen um die Frage, wie die Kritische Theorie Geschlecht und Geschlechterdifferenz verstanden hat. Herausgearbeitet wird deren dezidiert historisch-materialistischer Zugang - aber auch dessen Grenzen. Zum anderen wird gezeigt, dass die Kritische Theorie die patriarchale Geschlechterordnung als ein konstitutives Moment der bürgerlichen Gesellschaft verstanden hat. Die Frage der Emanzipation wird in Kapitel 3 mit besonderem Fokus auf die ?Emanzipation der Frau? aufgenommen, um in den beiden folgenden Kapiteln weiter vertieft zu werden. Kapitel 4 befasst sich mit den Arbeiten der Kritischen Theorie zu Familie. Hier wird erstens dargestellt, wie ausführlich man sich am Institut für Sozialforschung gerade in den 1930er-Jahren mit patriarchalen Geschlechter- und Generationenverhältnissen in der Familie und Gesellschaft beschäftigt hat. Zweitens wird dem Problemzusammenhang, den die Kritische Theorie zwischen (patriarchalen) Familien- und Geschlechterverhältnissen auf der einen, autoritären Tendenzen auf der anderen Seite sieht, genauer nachgegangen. Gegenstand von Kapitel 5 sind schließlich die Auseinandersetzungen der Kritischen Theorie mit Sexualität und Sexualmoral. Herausgearbeitet wird, dass diese der bürgerlichen Gesellschaft ein zutiefst ambivalentes Verhältnis zu Sexualität, Sinnlichkeit, Lust, Glück und Genuss bescheinigt. Zugleich diagnostiziert die Kritische Theorie eine zunehmende Liberalisierung der Sexualmoral im Zuge der Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft, die jedoch von Emanzipation in einem emphatischen Sinne unterschieden wird. Insgesamt wird im Hauptteil deutlich werden, dass die Analyse von Geschlecht, Familie, Sexualität und Sexualmoral von der Kritischen Theorie als eine genuine Aufgabe kritischer Gesellschaftstheorie verstanden wurde. Aus Sicht heutiger Geschlechterforschung werden jedoch auch Grenzen im spezifischen Zugriff der Kritischen Theorie erkennbar. Eine Grenze, die sich dabei durchgängig zeigen wird, ist die einer eher episodischen statt systematischen Berücksichtigung von Geschlecht, Geschlechterdifferenz und Geschlechterverhältnissen. Die einzelnen Kapitel des Hauptteils folgen einem ähnlichen Aufbau. Jedes Kapitel beginnt mit einem kurzen Überblick über zentrale Gedanken und Thesen, die im Mittelpunkt der weiteren Ausführungen stehen, sowie einer knappen Beschreibung des Materials, anhand dessen diese rekonstruiert werden. Dem folgt eine kurze Skizze der ?diskursiven Traditionsstränge? (Opitz 2006), vor deren Hintergrund die Texte der Kritischen Theorie zu verstehen sind. Daran schließt sich die detaillierte Rekonstruktion an. Diese verfolgt in loser Chronologie, stets beginnend mit Arbeiten aus den 1930er-Jahren und von dort fortschreitend zu Schriften aus späteren Jahrzehnten, die Entwicklung bestimmter thematischer Motive bei verschiedenen Autor(inn)en aus dem Kreis der Kritischen Theorie. Deren Überlegungen werden weder systematisch verglichen noch synthetisiert, sondern nebeneinander gelesen. Auf diese Weise entsteht ein spannungsvoller Dialog, der erst als Gesamtes ein Bild davon ergibt, wie die Geschlechterthematik in der Kritischen Theorie verhandelt wurde. Am Ende eines jeden Kapitels werden wesentliche Überlegungen noch einmal zusammengefasst, Querverweise zu anderen Kapiteln hergestellt sowie Einsichten und Grenzen aus der Perspektive heutiger Geschlechterforschung festgehalten. Im abschließenden Kapitel 6 werden zentrale Ergebnisse der Arbeit knapp rekapituliert. Besonderes Augenmerk wird dabei zum einen der Frage gelten, welche anderen Akzentuierungen und Neu-Bewertungen in der Wissenschaftsgeschichtsschreibung zur Kritischen Theorie angebracht scheinen. Zum anderen wird skizziert, wie der Dialog zwischen feministischer und Kritischer Theorie über die vorliegende Studie hinaus fortzusetzen wäre.

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