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E-Book

Gesundheitspolitik und Politikberatung

Eine vergleichende Analyse deutscher und kanadischer Erfahrungen

AutorFalko Brede
VerlagDUV Deutscher Universitäts-Verlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl411 Seiten
ISBN9783835091443
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis49,99 EUR
Falko Brede vergleicht historische und aktuelle Beratungsprozesse in der Gesundheitspolitik in Kanada und Deutschland. Die Studie analysiert die Entwicklung des Politikfeldes an Hand der deutschen Rürup- und der kanadischen Romanow-Kommission.

Dr. Falko Brede promovierte bei Prof. Dr. Rainer-Olaf Schultze an der Philosophisch-Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Augsburg.

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Leseprobe
Teil I: Politikberatung und gesundheitspolitischer Wandel (S. 7)

1. Policy-Lernprozesse und politischer Wandel

In der wissenschaftlichen Debatte über die Reform(un)fähigkeit moderner westlicher Gesellschaften rückte in den vergangenen Jahren vermehrt die Sozialpolitik ins Zentrum des Erkenntnisinteresses. In zahlreichen Abhandlungen über die historische Entwicklung der Sozialpolitik bzw. sozialpolitischer Institutionen wird hierbei auf das hohe Maß institutioneller Stabilität dieser Einrichtungen auch über fundamentale Umbrüche in politischen Systemen hinweg verwiesen.

Diese Rigidität wird in einigen Abhandlungen auch mit dem Begriff der Pfadabhängigkeit institutioneller Entwicklungsprozesse umschrieben (vgl. Pierson 2000c, Mahoney 2000 und Thelen 1999). Mit der Betonung der Bedeutung „ererbter" Prozeduren und Institutionen (vgl. auch Scharpf 2000a: 768) verweist das Pfadabhängigkeitskonzept insbesondere auf die unzureichende Erklärungsreichweite rein funktionalistischer Deutungen.

Jedoch existieren derzeit nur wenige Ansätze, die eine Erklärung dafur liefern können, unter welchen Bedingungen bestimmte „Erblasten" oder Pfade eine dominierende Wirkung im jeweiligen Politikfeld ausüben. Die Analyse sozialer Lernprozesse kann diesbezüglich nützliche Anregungen liefern (vgl. Hall 1990 und 1993).

Geht man davon aus, dass die historische Entwicklung eines Politikfeldes die bestehende Bandbreite möglicher Reformoptionen beeinflusst, so fällt der Blick unweigerlich auf die Rolle von Lernprozessen. Hall hat in Anknüpfung an Ausführungen von Heclo (vgl. Heclo 1974) zur Analyse dieser Prozesse das Konzept des social learning entwickelt. Als social learning bezeichnet Hall „[...] a deliberate attempt to adjust the goals or techniques of policy in response to past experience and new information.Learning is indicated when policy changes as the result of such a process." (Hall 1993: 278)

Folglich lsst sich etwa die gesamte Geschichte der Sozialpolitik als institutioneller Lernprozess auffassen (vgl. Wiesenthal 2003: 35). Ganz allgemein geht es beim policy-Lernen um die Beantwortung der Frage, wie Erfahrungen und Informationen policy-relevantes Verhalten der Akteure in einem Politikfeld verändern. Hierbei sind die Möglichkeiten des policy-Lernens selbstverständlich stark von den Eigenheiten des Themas bzw. des Problems abhängig (vgl. Sabatier 1988: 135).

Hall unterscheidet zwecks einer differenzierten Analyse des Einflusses von social learning zwischen Wandlungsprozessen erster, zweiter und dritter Ordnung. Diese Prozesse unterscheiden sich insbesondere durch die Tiefe der Lernerfahrungen. Während bei Wandel erster Ordnung lediglich die Instrumente zur Durchsetzung von Politik durch Erfahrungen verbessert werden, werden bei Wandel zweiter Ordnung auch die Instrumente der Politikdurchsetzung hinterfragt und im Lernprozess einer kritischen Überprüfung unterzogen. In den Worten von Hall:

„We can call the process whereby instrument settings are changed in the light of experience and new knowledge, while the overall goals and instruments of policy remain the same, a process of first order change in policy. [...] when the instruments of policy as well as their settings are altered in response to past experience even though the overall goals of policy remain the same, might be said to reflect a process of second order change." (Hall 1993: 278f).

In beiden Fällen werden zwar die Instrumente der Politikfeldgestaltung einer Überprüfung unterzogen (bei Wandel erster Ordnung werden sie weiterentwickelt bzw. ihre Anordnung verändert, bei Wandel zweiter Ordnung werden neue Steuerungsinstrumente gewählt, jedoch findet nur bei Wandel dritter Ordnung ein radikaler Bruch mit bisherigen Traditionen und eine tief greifende Neugestaltung im jeweiligen Politikfeld statt (vgl. Schultze/Zinterer 1999: 883).
Inhaltsverzeichnis
Danksagung6
Inhaltsverzeichnis8
Abbildungsverzeichnis14
Abkürzungsverzeichnis16
Einleitung17
Teil I: Politikberatung und gesundheitspolitischer Wandel23
1. Policy- Lernprozesse und politischer Wandel23
2. Modelle wissenschaftlicher Beratung der Politik27
3. Funktionen politikberatender Gremien31
4. Die Besetzung von Beratungsgremien34
5. Einfluss von Politikberatung37
6. Öffentlichkeitsbezug von Politikberatung42
7. Politikberatung und gesundheitspolitische Reformen45
Teil II: Die Rolle politikberatender Gremien in der Entwicklung des kanadischen Gesundheitssystems49
1. Einleitung49
2. Strukturmerkmale des kanadischen Gesundheitssystems57
4. Gesundheitspolitik in Kanada nach dem Ersten Weltkrieg64
5. Das National Health Grants Program72
6. Saskatchewan als Keimzelle des kanadischen Gesundheitssystems73
7. Der Hospital Insurance and Diagnostic Services Act75
8. Der Saskatchewan Medical Care Insurance Act77
9. Die Royal Commission on Health Services80
10. Veränderungen im Finanzierungssystem95
11. Das Health Services Review Committee97
12. Der Canada Health Act102
13. Sozialpolitik in Kanada nach 1984105
14. Die Einführung des Canada Health and Social Transfer109
15. Das National Forum on Health113
16. Das Social Union Framework Agreement122
17, Der First Ministers' Accord vom September 2000124
18. Resümee: Gesundheitsreformen und Politikberatung in Kanada127
Teil III: Die Commission on the Future of Health Care in Canada131
1. Beratungsgremien und Reformdebatte im Vorfeld der Einsetzung131
2. Die Einsetzung der Kommission135
3. Die Besetzung der Kommission140
4. Die erste Beratungsphase142
6. Der Öffentlichkeitsbezug der Kommissionsarbeit148
7. Veröffentlichung und Diskussion über den Zwischenbericht151
8. Die zweite Beratungsphase und die Vorbereitung des Abschlüssberichts153
9. Vorstellung des Abschlüssberichts, Inhalt und Reaktionen162
11. Konkurrierende Politikberatungsgremien: Romanow versus Kirby?178
12. Resümee: Die Romanow- Kommission - eine weitere erfolgreiche Royal Commission?183
Teil IV: Die Rolle politikberatender Gremien in der Entwicklung des deutschen Gesundheitssystems189
1. Einleitung189
2. Die Entstehung des deutschen Gesundheitssystems195
3. Fortentwicklung des Gesundheitssystems in der Weimarer Republik199
4. Beständigkeit und Wandel während der nationalsozialistischen Diktatur200
5. Die Restauration des Gesundheitssystems nach 1945202
6. Erste Reformansätze und das Scheitern der Blankschen Gesundheitsreformen205
7. Die Sozialenquete- Kommission207
8. Die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen212
9. Der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen220
10. Die Enquete- Kommission „ Strukturreform der gesetzlichen Krankenversicherung"236
11. Das Gesundheits- Reformgesetz246
13. Die Reformdebatte nach dem Gesundheits- Strukturgesetz256
15. Resümee: Gesundheitsreformen und Politikberatung in Deutschland261
Teil V: Die Kommission Nachhaltigkeit in der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme265
1. Hintergründe und Vorgeschichte der Einsetzung265
2. Die Einsetzung der Kommission267
3. Die Besetzung der Kommission271
4. Organisation der Kommissionsarbeit278
5. Der Beginn der Arbeit der Kommission279
6. Beratungsverlauf und Medienberichterstattung bis April 2003286
7. Zwischenbericht zur Reform der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung292
8. Der weitere Beratungsverlauf298
9. Vorstellung des Abschlussberichts, Inhalt und Reaktionen300
10. Medienberichterstattung und Öffentlichkeitsbezug306
11. Die wissenschaftliche Arbeit der Kommission311
12. Einfluss der Kommissionsergebnisse314
13. Konkurrierende Politikberatungsgremien: Rürup versus Herzog?318
14. Resümee: Die Rürup- Kommission - eine Fortsetzung der deutschen Politikberatungstradition?323
Teil VI: Fazit331
1. Politikberatung und Gesundheitsreformen in Kanada und Deutschland332
2. Romanow- und Rürup- Kommission im Vergleich337
3. Ausblick345
Primärquellen und Dokumente349
Bibliographie359
Interviewte Personen Kanada413
Interviewte Personen Deutschland414
Anhang415
1. Commission on the Future of Health Care in Canada415
2. Kommission Nachhaltigkeit in der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme421

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