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E-Book

Gewaltprävention in der Schule

AutorJudith Scherer
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2006
Seitenanzahl53 Seiten
ISBN9783638536776
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis18,99 EUR
Vordiplomarbeit aus dem Jahr 2004 im Fachbereich Pädagogik - Pädagogische Psychologie, Note: 1,3, Universität Bielefeld, Sprache: Deutsch, Abstract: Gewalttätiges und aggressives Verhalten von Kindern und Jugendlichen in der Schule ist ein Thema, mit dem wir nahezu täglich, zumeist durch die Medien, konfrontiert werden. Zu Beginn des Jahres 2004 gab es den erschreckenden Fall eines 16-jährigen Berufsschülers, den vier Mitschüler über Monate hinweg in der Schule gequält und mit einer Kamera dabei gefilmt haben, um die Bilder ins Internet zu stellen. Die Gewalttaten wurden eher zufällig aufgedeckt und Lehrer und weitere Mitschüler behaupteten, in den ganzen Monaten nie etwas bemerkt zu haben. Dieser Fall und weitere, die immer wieder in den Medien intensiv und dramatisierend dokumentiert werden, haben mich veranlasst, mich mit dem Thema 'Gewalt in der Schule' näher zu befassen. Für mich stellte sich zunächst die Frage, wie Gewalt in der Schule, abgesehen von diesen extremen Einzelfällen, auftritt und welche Schüler und Schulformen betroffen sind.

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Leseprobe

2. Definitionen von Aggression und Gewalt


 


2.1 Erklärungsebenen menschlichen Verhaltens


 

Bei der Definition des Begriffs Aggression möchte ich mich auf die psychologischen Sichtweisen stützen.

 

Zunächst möchte ich aber die verschiedenen Erklärungsebenen für menschliches Verhalten darstellen, das auch die Klassifikation von aggressivem Verhalten ermöglicht (vgl. Bierhoff/Wagner 1998, S. 4).

 

Die Menschen verhalten sich in vielen verschiedenen Situationen aggressiv, deshalb ist es sehr schwer, dafür eine einheitliche Erklärung zu finden. Um diese verschiedenen Situationen und damit die verschiedenen Formen des aggressiven Verhaltens zumindest grob einteilen zu können, wird das System von Willem Doise (1986) benutzt, welches dieser entwickelt hat, um „[...] bei der Erklärung menschlichen Verhaltens mindestens vier Erklärungsebenen auseinanderzuhalten“ (Bierhoff/Wagner 1998, S. 4).

 

Die erste Erklärungsebene ist die der intraindividuellen Erklärungen. Beispiele hierfür sind Theorien, die das Verhalten in intrapsychischen Prozessen begründet sehen, unter anderem starke physiologische Erregung oder Ärger (ebd.).

 

Die zweite Erklärungsebene nach Doise ist die Ebene der interpersonalen Erklärungen. Dies bedeutet, dass aggressives Verhalten durch zwischenmenschliche Interaktionen entstehen kann, wenn beispielsweise die Beteiligten die Situation unterschiedlich bewerten und sich dadurch missverstehen (ebd.).

 

Die dritte Erklärungsebene nach Doise ist die intergruppale Ebene. Dies ist der Fall, wenn verschiedene Gruppen aufeinandertreffen und nur aufgrund der unterschiedlichen Gruppenzugehörigkeit aggressives Verhalten gegeneinander zeigen (ebd.)

 

Die letzte Erklärungsebene nach Doise ist die ideologische Ebene. Diese besagt, dass die Gesellschaft vorgibt, welches Verhalten „[...] erlaubt oder gar erwünscht [...]“ (ebd.) ist und somit Einfluss auf das Erscheinen von Aggression nimmt (ebd., S. 4f.)

 

Zwar lässt sich kaum ein Verhalten eindeutig nur einer Erklärungsebene zuordnen, aber die Ebenen ermöglichen es, verschiedene Theorien einzugliedern und somit ein gewisses Maß an Übersichtlichkeit zu schaffen (ebd.,  S. 5).

 

2.2 Definitionen von Aggression


 

Eine sehr schlichte Definition von Aggression gibt Buss (1961): „‚a response that delivers noxious stimuli to another organism‘“ (zit. n. Bierhoff/Wagner 1998, S. 5). Diese Definition bietet durch ihren Ursprung in der Verhaltenstheorie den Vorteil, dass alle Größen „unmittelbar beobachtbar“ (ebd.) sind. Nachteilig wirkt sich allerdings aus, dass lediglich die physische Aggression erfasst wird. Zudem würden laut dieser Definition beispielsweise auch schmerzhafte Arztbehandlungen als Aggression gelten (ebd.).

 

Eine Definition, die einen behaviouristischen Ursprung hat, stammt von Dollard, L.W. Doob, N.E. Miller, Mowrer und Sears (1939). Sie behaupten: „‚Aggression ist eine Verhaltenssequenz, deren Zielreaktion die Verletzung einer Person ist, gegen die sie gerichtet ist‘ (in der Übersetzung von Selg, 1982)“ (zit. n. Bierhoff/Wagner 1998, S. 5). Aus dieser Definition geht hervor, dass Aggressivität durch ihre Zielgerichtetheit mit Absicht geschieht (ebd.).

 

Eine Erweiterung dieser Definition vollzogen beispielsweise Werbik & Munzert (1978), die als Aggression ein absichtliches Verhalten sehen, welches zur Schädigung oder Verletzung einer anderen Person führt (ebd.).

 

Eine recht ausführliche Definition von Aggression liegt von Bandura (1979) vor: „‚ ein schädigendes und destruktives Verhalten [...], das im sozialen Bereich auf der Grundlage einer Reihe von Faktoren als aggressiv definiert wird, von denen einige eher beim Beurteiler als beim Handelnden liegen‘“ (zit. n. Bierhoff/Wagner 1998, S. 5). Diese Definition sagt aus, dass die geltenden Werte und Normen über die Benutzung des Begriffs Aggression entscheiden. Da diese nicht für jeden Kontext allgemeingültig sind, ist Aggression demzufolge auch kein absolut definierbarer Begriff, sondern vom jeweiligen „Bezugssystem“ (ebd.) abhängig (ebd., S. 5f.).

 

Eine ebenfalls sehr ausführliche Definition des Aggressionsbegriffs stammt von Zillmann (1979). „Eine Aktivität [ist] dann als Aggression zu definieren, wenn von der handelnden Person versucht wird, einer anderen Person körperlichen Schaden oder physischen Schmerz zuzufügen, und wenn das Opfer gleichzeitig danach strebt, eine solche Behandlung zu vermeiden[1] (vgl. auch Baron und Richardson, 1994)“ (ebd., S. 6). Da in dieser Definition auch einbezogen wird, dass die Aggression des Täters gegen den Willen des Opfers ist, schließt sie Fälle aus, in denen das Opfer die Verletzung selbst wünscht, „beispielsweise sadistische sexuelle Praktiken“ (ebd.).

 

Neben diesen unterschiedlichen Definitionen von Aggression haben Berkowitz (1993) und Zillmann (1979) auch mehrere Aggressionstypen unterschieden.

 

Die verschiedenen Typen lauten: offensiv versus defensiv, unprovoziert versus provoziert, instrumentell versus impulsiv und physisch versus symbolisch.

 

Die Paarung offensiv-defensiv sagt aus, dass Aggression entweder dem Angriff oder der Verteidigung dient (ebd.).

 

Die Paarung unprovoziert-provoziert ist oft problematisch, da an einem Konflikt beteiligte im Alltag oft unterschiedlich bewerten, ob eine Provokation vorliegt oder nicht. Meist reagieren dann beide Parteien aggressiv, da sie sich durch die Aggression des jeweils anderen provoziert fühlen und sehen ebenfalls beide ihr eigenes Verhalten als gerechtfertigte Vergeltung an (ebd.).

 

Bei der Paarung instrumentell-impulsiv deckt sich die instrumentelle teilweise mit der unprovozierten Aggression, beispielsweise wenn das aggressive Verhalten der eigenen Bereicherung dient. Die impulsive Aggression dagegen dient lediglich dem Wunsch des Täters, andere „zu verletzen und zu quälen“ (ebd., S. 6), beispielsweise offensichtlich unbegründete Angriffe von Gangs auf Passanten (ebd.).

Die Paarung physisch-symbolisch erfasst nur die unterschiedliche Aggressionsausführung: physische Aggression äußert sich in körperlichen Konflikten, symbolische Aggression dagegen steht für verbale Konflikte (ebd.).

 

2.3 Definitionen von Gewalt


 

Der Unterschied zwischen Gewalt und Aggression besteht hauptsächlich darin, dass in der Psychologie vermehrt der Begriff Aggression verwendet wird und als Gewalt nur extreme Formen der Aggression gelten (Berkowitz 1993, zit. n. Bierhoff/Wagner 1998, S. 6).

 

Weiterhin gilt die Unterscheidung von Aggression als impulsives und Gewalt als nutzenorientiertes Verhalten, also eine Form der instrumentellen Aggression (Bierhoff/Wagner 1998, S. 6).

 

Gewalt muss nicht durch physische Aggression gekennzeichnet sein, sie kann auch schon bei der Einschränkung der persönlichen Freiheit vorliegen. In der Psychologie wird in diesen Fällen aber bevorzugt der Begriff Machtausübung verwendet (ebd., S. 6f.).

 

In der politischen Gewaltdiskussion tritt, ähnlich wie bei den Aggressionsbegriffen, eine Unterscheidung der Gewaltformen auf, nämlich in personale und strukturelle Gewalt. Gibt es eine konkret zu benennende handelnde Person, spricht man von personaler Gewalt, im anderen Fall von struktureller Gewalt (ebd., S. 7).

 

Den Begriff strukturelle Gewalt und somit auch die Unterscheidung von der personalen Gewalt habe ich an dieser Stelle angeführt, um eine möglichst vollständige Definitionsbandbreite zu erreichen. Bei meinen weiteren Ausführungen möchte ich allerdings die in 2.2 dargestellten Aggressionsformen als Grundlage sehen, da ich den Schwerpunkt meiner Arbeit auf interpersonale bzw. intergruppale Konflikte lege. Die Institution Schule, als ebensolche ein möglicher Ort für strukturelle Gewalt, ist lediglich der Handlungsort von Aggression und Gewalt, es werden die Konflikte zwischen einzelnen Personen (ggf. Gruppen) betrachtet, nicht die Institution selbst als gewaltausübend.

 

Wenn ich in den folgenden Kapiteln den Begriff Aggression bzw. Gewalt verwende, sehe ich als Basis die bereits in 2.2 erläuterte Definition von Zillmann (1979): „Eine Aktivität [ist] dann als Aggression zu definieren, wenn von der handelnden Person versucht wird, einer anderen Person körperlichen Schaden oder physischen...

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