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E-Book

Giacomo Meyerbeer

Der Meister der Grand Opéra

AutorSabine Henze-Döhring, Sieghart Döhring
VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl274 Seiten
ISBN9783406660047
FormatePUB/PDF
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Dieses Buch ist eine Liebeserklärung an einen der größten Opernkomponisten der Musikgeschichte und eine Einladung, den Meister selbst und seine heute viel zu selten aufgeführten Meisterwerke kennenzulernen! Als im Jahr 1791 Meyer Beer als Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie in Berlin geboren wird, ahnt niemand, dass er einmal unter dem Namen Giacomo Meyerbeer die Opernwelt des 19. Jahrhunderts prägen wird. Seine Familie verfügt über die Mittel, dem Knaben eine Ausbildung bei bedeutenden Musikern seiner Zeit angedeihen zu lassen - unter ihnen Zelter und Vogler. Als aufstrebender junger Komponist geht er auf Empfehlung Antonio Salieris nach Italien, wo er sich den Opernstil Gioachino Rossinis auf persönliche Weise aneignet. Meyerbeers 'Crociato in Egitto' lässt bald darauf die Musikbegeisterten in Europa aufmerken. Davon ermutigt, zieht es ihn nach Paris - jene Stadt, die fortan seinen Lebensmittelpunkt bilden wird. Dies bleibt nicht ohne Folgen für sein Familienleben. 1826 heiratet Meyerbeer; doch trotz - oder wegen? - seiner großen Erfolge, dessen ersten er an der Seine 1831 mit 'Robert le Diable' feiert, wird sein privates Glück nie ungetrübt sein. Auch eine zeitweilige Rückkehr nach Berlin, wo er vom preußischen König zum «Königlichen Generalmusikdirektor und Hofkapellmeister» ernannt und mit Orden dekoriert wird, ändert daran nichts. Paris bleibt sein Schicksalsort. Dort reüssiert er zum Star der Salons und lernt musikalische wie intellektuelle Größen seiner Zeit kennen - nicht zuletzt seinen besten Freund und Ratgeber Alexander von Humboldt. In der Lichterstadt aber feiert er vor allem Triumphe mit seinen Opern: 'Les Huguenots' (1836), 'Le Prophète' (1849), 'Le Pardon de Ploërmel/Dinorah' (1859). Und schließlich wird Paris auch der Ort, an dem Meyerbeer stirbt, noch vor der Uraufführung seines letzten Meisterwerks: 'L'Africaine' (1865).

Sabine Henze-Döhring, Professorin für Musikwissenschaft an der Philipps-Universität Marburg, hat Giacomo Meyerbeers Briefwechsel und Tagebücher in einer wissenschaftlichen Ausgabe ediert und kommentiert. Sieghart Döhring war bis zu seiner Emeritierung Professor für Theaterwissenschaft unter besonderer Berücksichtigung des Musiktheaters und Leiter des Forschungsinstituts für Musiktheater an der Universität Bayreuth. Er ist Vorsitzender des Meyerbeer-Instituts (Thurnau).

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Leseprobe

1.
Jugendzeit – Lehrzeit – Reisezeit


Am 5. September 1791 kam in Tasdorf, einer Poststation auf der Route von Berlin nach Frankfurt an der Oder, ein Junge zur Welt: Meyer Beer. Wer hätte ahnen können, dass aus diesem Kind einmal Giacomo Meyerbeer werden würde, einer der bedeutendsten Opernkomponisten seiner Zeit? Der kleine Meyer war der erstgeborene Sohn Amalie und Jacob Herz Beers. Ob Amalie auf dem Weg in ihre Heimatstadt niederkam oder von Berlin aus nach Frankfurt reiste, dem Geburtsort ihres Mannes, ist eine offene Frage. Der Tag der Geburt dieses Kindes war jedenfalls ein sehr glücklicher im Leben des Paars, das am 4. September 1788 in Berlin geheiratet hatte. Jacob Herz war ein Sohn Naphtali Herz Beers, eines sogenannten Schutzjuden, Amalie die älteste Tochter des vermögenden Berliner Geschäftsmannes, Postfuhrunternehmers und Pächters der preußischen Staatslotterie Liepmann Meyer Wulff, Ältester der Berliner Judenschaft. Die Eheleute lebten zunächst in Frankfurt an der Oder, doch als 1789 auf Jacob Herz Beer das Generalprivileg seines Schwiegervaters übertragen wurde, ließ er sich mit seiner Frau in Berlin nieder und leitete seinen unternehmerischen Aufstieg als Kaufmann, Bankier und Besitzer einer in der Heilige-Geist-Straße 4 betriebenen Zuckerraffinerie ein. Es sollte nicht lange dauern, bis Beer sein Unternehmen erweiterte und schließlich zu den wohlhabendsten Bürgern der Stadt zählte. Amalie Beer hingegen wurde als Berliner Salonnière eine Institution. Dem Habitus aufgeklärter jüdischer Familien entsprechend, verbanden sich mit unternehmerischem Erfolg und gesellschaftlicher Anerkennung Bildung und künstlerische Interessen. Daher scheuten Amalie und Jacob Herz Beer, denen im Laufe der Jahre noch drei weitere Söhne geschenkt wurden, keine Anstrengung, für ihre vier Kinder hervorragende Lehrer zu engagieren.

Während der jüngere Bruder und spätere Firmenerbe Wilhelm das Joachimsthalsche Gymnasium besuchte, erhielt Meyer – einige seiner Schulhefte aus den Jahren 1805 bis 1807 sind im Nachlass überliefert – ausschließlich Privatunterricht. In Latein und Griechisch wurde er zum Beispiel seit 1806 fünf Stunden pro Woche von dem später so berühmten Altertumsforscher August Boeckh unterwiesen, der neben seiner Lehrtätigkeit am Seminar für gelehrte Schulen auch Privatunterricht gab. Förmlich als Hauslehrer trat 1807 Aaron Wolfssohn in Meyers Leben, ein vom Geist der Aufklärung geprägter Pädagoge und Schriftsteller, der bereits in den 1790er Jahren in Berlin – ganz im Sinne Jacob Herz Beers – die jüdische Reformbewegung gestärkt hatte. Wolfssohn erzog Meyer zu einer säkularisierten, an gesellschaftlicher wie kultureller Assimilation orientierten Lebensführung und verantwortete seine geistige Gesamtbildung. Meyers erster Klavierlehrer war Franz Lauska, ein angesehener Pianist und Klavierpädagoge, der sich – als Hofpianist aus München kommend – in Berlin niederließ, nachdem er dort 1798 erfolgreich konzertiert hatte. Lauska stand auch in Berlin dem Hofe nahe, unterrichtete preußische Prinzen und Prinzessinnen und wirkte darüber hinaus als Komponist. Bereits im Alter von nur zehn Jahren legte sein junger Schüler Meyer mit einem öffentlichen Auftritt als Pianist Ehre ein: Am 14. Oktober 1801 wirkte er in einem Konzert des Dresdener Violoncellisten Martin Calmus in Berlin mit und erregte mit seinem «vortrefflichen Klavierspiel» Bewunderung, da er «die schweresten Passagen und andere Solosätze mit seiner Fertigkeit bezwingt und einen, in solchen Jahren noch seltnern feinen Vortrag hat».[1] Von nun an trat er regelmäßig in öffentlichen Konzerten auf, oft mit einem Klavierkonzert Mozarts, einer «schweren Sonate» oder in welcher Funktion als Pianist auch immer; mal trug er «an diesem Abend den Preis davon», zumeist – so die renommierte Allgemeine Musikalische Zeitung – spielte er mit «gewohnter Fertigkeit und Eleganz». In dieser Zeit auch lernte er den späteren preußischen König Friedrich Wilhelm IV. kennen, damals noch ein Kind von nicht einmal 10 Jahren, dem er ebenfalls vorspielte: «Nachher gab Meier Beer von seiner Geschicklichkeit auf dem Forte Piano bewunderungswürdige Proben».[2]

Abb. 1 Meyer Beer im Alter von 11 Jahren, Ölgemälde von Friedrich Georg Weitsch (1802)

1805 traten Meyer und sein Bruder Heinrich in die seit 1800 von Carl Friedrich Zelter geleitete Berliner Singakademie ein. Dem inoffiziell 1791, offiziell am 5. November 1793 gegründeten Chor – im damaligen Probensaal der Akademie der Künste wurden vorzugsweise Motetten Bachs, Oratorien Händels und vor allem Carl Heinrich Grauns Der Tod Jesu einstudiert – gehörten zu dieser Zeit 227 Mitglieder an. Der Verein bildete einen Anziehungspunkt für die geistige Elite Berlins. Zelter, von 1805 bis 1807 neben Lauska auch Meyers privater Musiklehrer, führte den Chor zu überregionalem Ansehen. Amalie Beer erkannte indes rasch, dass der Unterricht – Zelter übte mit Meyer das Aussetzen von Chorälen – unzureichend und damit in musikpädagogischer Hinsicht ein Fehlgriff war: «verlohrne» zwei Jahre.[3] So entschloss man sich auf Empfehlung des Berliner Musikdirektors Bernhard Anselm Weber, der von den Beers als Zelters Nachfolger engagiert worden war, den begabten Sohn für zwei Jahre dem bekannten Musikpädagogen und Komponisten Georg Joseph Vogler in Darmstadt anzuvertrauen. Zu dieser Zeit hatte Meyer – wie später die Kinder Fanny und Felix der prominenten Berliner Familie Mendelssohn Bartholdy – erste Gelegenheitskompositionen anlässlich von Privatfeiern zustande gebracht, zum Beispiel eine Kantate zur Geburtstagsfeier seines Großvaters. Nicht anders als die Beers hatten auch Lea und Abraham Mendelssohn Carl Friedrich Zelter zum Musiklehrer ihrer Kinder gewählt, die ebenfalls in jungen Jahren Mitglieder der Singakademie wurden. Amalie Beer und Lea Mendelssohn Bartholdy pflegten gesellschaftlichen Kontakt. Die Beers waren inzwischen in die Spandauer Straße 72 umgezogen, wo sie über repräsentative Räumlichkeiten inklusive eines großen Konzertsaals verfügten. Ende Mai 1811 – Meyer war schon in Darmstadt – wurde dort für den überglücklichen Vater mit 60 Sängern und Instrumentalisten vor 100 Gästen eine Geburtstagskantate seines Ältesten mit einem Text von Aaron Wolfssohn aufgeführt. Lea bewunderte das Beer’sche Haus und freute sich mit der Mutter über den künstlerischen Erfolg ihres komponierenden Sohnes. Und doch – das sei vorweggenommen – hat die musikalische Gleichgestimmtheit der Beer’schen und Mendelssohn’schen Kinder nicht dazu geführt, dass aus ihnen Freunde wurden, wie man es bei Felix und Giacomo hätte erwarten können. Die berühmten Söhne blieben sich zeitlebens fremd. Während Meyerbeer, wie es seine Art war, über die Gründe schwieg und – so geht aus den Lebensdokumenten hervor – unspezifische Aversionen hegte, lehnte Felix, der Ende 1831 in Paris – kurz nach der Uraufführung – Giacomos Sensationserfolg mit Robert le Diable (Robert der Teufel) beigewohnt hatte, dessen Opernrichtung gänzlich ab. Allerdings polemisierte er auch gegen die sehr angesehenen, europaweit etablierten Komponisten Gioachino Rossini und Daniel-François-Esprit Auber. Wenige Monate vor dem Robert-Erlebnis hatte Mendelssohn «unbezwingliche Lust zu einer Oper» verspürt, doch sollte ihm die Vollendung eines solchen Werkes weder bald darauf noch später je gelingen.[4] Während sich Felix und Giacomo also aus dem Wege gingen, blieb zwischen den Familien der gesellschaftliche Umgang gewahrt.

Im März 1810 brach Meyerbeer mit dem zweitgeborenen Bruder Heinrich und dem Hauslehrer Wolfssohn nach Darmstadt auf. Mutter Amalies erster Brief nach diesem Lebenseinschnitt kündet von allseitigem Abschiedsschmerz. Der damals zehnjährige Bruder Michael, ihr Jüngster, soll heftig geweint, immerfort «meine Brüder» geschrien haben und nicht zu besänftigen gewesen sein. Bruder Wilhelm, auch er blieb in Berlin, berichtet vom Trauer tragenden Pudel.[5] Bei allen Anforderungen und Erwartungen, die an die Söhne gestellt wurden, gab es offenbar keinen Mangel an zärtlicher Zuwendung, so dass mit Meyers Abschied aus Berlin eine sehr glückliche und unbeschwerte Kindheit zu Ende ging. In diesem Jahr auch zog Meyer Beer seinen Vor- und Nachnamen zum Künstler- und Familiennamen Meyerbeer zusammen (am 3. Januar 1822 behördlich genehmigt). Er nahm den Vornamen Jacob an, unterzeichnete 1819 die Eidesformel zum Erhalt des Berliner Bürgerrechts mit «Jacob Meyerbeer» und wurde mit Schreiben vom 19. Mai 1826 – wenige Tage vor seiner Hochzeit – befugt, diesen Vornamen weiterzuführen. Davon unabhängig nannte er sich im Ausland «Jacques» oder «Giacomo». Ein Brief an seinen Vater vom 26. September 1822 belegt, dass er in dieser Zeit – wenn auch nicht konsequent – selbst Familienbriefe mit «Giacomo» unterzeichnete. Bereits während seines Italienaufenthalts in den Jahren 1816 bis 1824 setzte sich...

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