Sie sind hier
E-Book

Von Giraffen und Wölfen: Gewaltfreie Kommunikation in Theorie und Praxis

AutorJuliane Strätz, Karin Eck, Maria Reitzki, Sabrina Jung
VerlagScience Factory
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl130 Seiten
ISBN9783656837565
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis24,99 EUR
Ist das Wort tatsächlich mächtiger als das Schwert? Dr. Marshall B. Rosenberg entwickelte mit der 'Gewaltfeien Kommunikation' (GfK) eine Methode, um zwischenmenschliche Konflikte und Missverständnisse zu bewältigen: ganz friedlich und einfühlsam, nur mithilfe von Sprache. Dieses Buch erläutert Rosenbergs Strategie ausführlich und vergleicht sie mit anderen Ansätzen zur Konfliktlösung, wobei die Autoren Vor- und Nachteile der GfK herausarbeiten. Praktische Beispiele und die Frage nach der Alltagstauglichkeit der Gewaltfreien Kommunikation runden das Buch ab. Aus dem Inhalt: - Psychologische Grundlagen, - Kommunikationsmodelle im Vergleich: klientzentrierte Psychotherapie nach Rogers, das Satir-Modell, Neurolinguistisches Programmieren und das Vier-Seiten-Modell nach Schulz von Thun, - GfK der Geschlechter und in der Schule

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

Die Gewaltfreie Kommunikation nach Rosenberg


Da die GfK unbekannter ist als manch andere Kommunikationstheorie, sollen im Folgenden die Grundannahmen der GfK, ihre Entstehung und Funktionsweise sowie ihre Besonderheiten erläutert werden.

 

Die Entstehung der Gewaltfreien Kommunikation


Die Entwicklung der Gewaltfreien Kommunikation geht auf den jüdischstämmigen Amerikaner Dr. Marshall B. Rosenberg zurück. Ihre Geschichte beginnt im Sommer 1943, als der achtjährige Rosenberg zusammen mit seiner Familie nach Detroit, Michigan umzieht. Zu dieser Zeit entbrennt in der Stadt ein Rassenkrieg, der viele Opfer fordert. Als Rosenberg nach dem Rassenkrieg die für ihn neue Schule besucht, wird er aufgrund seines Namens und seiner Abstammung von Mitschülern verprügelt.[58] Dieses Ereignis lässt Rosenberg zwei Fragen nachgehen, die seit diesem Zeitpunkt sein Leben bestimmen:

Was geschieht genau, wenn wir die Verbindung zu unserer einfühlsamen Natur verlieren und uns schließlich gewalttätig und ausbeuterisch verhalten? Und umgekehrt, was macht es manchen Menschen möglich, selbst unter den schwierigsten Bedingungen mit ihrem einfühlsamen Wesen in Kontakt zu bleiben?[59]

Seither sucht Rosenberg nach der Erkenntnis, warum Menschen sich gewalttätig verhalten und wie andere es wiederum schaffen, in noch so herausfordernden Situationen auf Gewalt verzichten zu können.

Auf seinem Bildungsweg studiert Rosenberg zunächst klinische Psychologie, um der Klärung seiner beiden lebensbestimmenden Fragen näher zu kommen[60] und promoviert im Jahr 1961 an der Universität von Wisconsin.[61] Anschließend nimmt er das Studium der vergleichenden Religionswissenschaften auf[62], wird 1966 mit Anfang 30 jedoch zum offiziellen Prüfer in klinischer Psychologie ernannt.[63] Zu der Zeit, als er in St. Louis eine psychologische Praxis leitet, beginnt seine konkrete Arbeit an der GfK.[64] Seine Tätigkeit in der Praxis bricht er zwischenzeitlich jedoch ab, als er sich nicht länger mit dem Zwang, Patientenberichte zu verfassen, abfinden kann. Er kündigt und ist eine Zeit lang als Taxifahrer tätig.[65]

Bei der Erforschung seiner Fragen stößt Rosenberg auf den enormen Einfluss der Sprache und des Gebrauchs von Wörtern auf die Fähigkeit, einfühlsam zu bleiben.[66] Mit dem Bewusstsein, welch große Rolle Kommunikation in Konfliktsituationen spielt, entwickelt er im Lauf der Jahrzehnte seine eigene Art des Sprechens und Zuhörens, die uns „dazu führt, von Herzen zu geben, indem wir mit uns selbst und mit anderen auf eine Weise in Kontakt kommen, die unser natürliches Einfühlungsvermögen zum Ausdruck bringt.“[67] Diese Methode bezeichnet er als Gewaltfreie Kommunikation auf der Basis des Begriffs ‚Gewaltfreiheit’, wie Gandhi ihn versteht:[68] Demnach entfaltet sich unser einfühlendes Wesen, „wenn die Gewalt in unseren Herzen nachlässt“[69]. Denn Rosenberg empfindet die menschliche Sprechweise oft als gewalttätig, da sie häufig zum eigenen Leid oder zur Verletzung anderer führt.[70]

 

Mit den Jahren findet eine stetige Weiterentwicklung der GfK statt, sodass die in den 60er Jahren folgenden GfK-Trainings, die Rosenberg zur Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit durchführt[71], sowie die weitere jahrelange Erfahrung 1984 schließlich zur Gründung des Center for Nonviolent Communication (CNVC) in Sherman, Texas führen. Mittlerweile, mithilfe einer Vielzahl an Trainerteams und Organisatoren, hat sich das CNVC ein weltweit angewandtes Ausbildungsprogramm aufgebaut.[72]

Dieser Entwicklung liegt die Absicht zugrunde, die Kommunikation der Menschen untereinander zu verbessern, um ein friedlicheres Zusammenleben und Lösen von Konflikten zu ermöglichen.[73] Die im Laufe der Jahre gefestigten Kommunikationsprobleme der Menschen, ob im Zweierkonflikt, im Streit in einer Gruppe oder zwischen ganzen Nationen, sollen einer Sprache, die vom Herzen aus spricht[74], weichen. Rosenberg sieht es dabei als seine Mission an, „eine Welt zu schaffen, in der jedermanns Bedürfnisse erfüllt sind“[75]. Sein Konzept beruht dabei auf der Überzeugung, dass Menschen nicht von Natur aus gewalttätig sind.[76]

 

Das Grundmodell der Gewaltfreien Kommunikation


Das Grundmodell der GfK basiert auf einem humanistischen Menschenbild, wonach alle Menschen grundsätzlich als gut angesehen werden und im Grunde die gleichen Bedürfnisse haben[77]. In der Hauptsache wollen sie zum Wohlergehen anderer beitragen, solange sie dieses freiwillig tun können.[78] „Nicht die unterschiedlichen menschlichen Bedürfnisse sind im Konflikt miteinander, sondern die Strategien, die wir einsetzen, um sie zu erfüllen“[79], sagt Rosenberg. Demnach gibt es keine schlechten Menschen, sondern ihre Taten drücken lediglich ihre unerfüllten Bedürfnisse aus.

Im Zentrum der GfK stehen zwei Fragen, die sich die Menschen, wie Rosenberg annimmt, immer wieder stellen: „Was ist in uns lebendig?“[80] und „Was können wir tun, um das Leben schöner zu machen?“[81] An dieser Stelle wird bereits deutlich, dass es in der GfK nicht darum geht, seine Ziele zu erreichen oder Konfliktlösungen herbeizuführen, sondern mit sich selbst und anderen in einen herzlichen, intensiven Kontakt zu treten und zwischenmenschliche Beziehungen zu verbessern. In folgendem Zitat wird diese Absicht nochmals verdeutlicht:

Unser Ziel und das Ziel der Gewaltfreien Kommunikation ist nicht, zu bekommen, was wir wollen, sondern Verbundenheit zwischen Menschen herzustellen, die dazu führt, daß [sic] die Bedürfnisse aller berücksichtigt werden. So einfach und gleichzeitig so komplex ist das.[82]

 

Das Grundmodell der GfK, das anfangs durch seine Einfachheit besticht, dann aber in der Umsetzung die eigentliche Schwierigkeit erkennen lässt,[83] besteht zunächst aus zwei Teilen: Im ersten Teil geht es um das eigene offene Ausdrücken, um das Ich in der Methode. Der zweite Teil beinhaltet das empathische Aufnehmen des anderen, die Seite des Du.[84] Durch dieses abwechselnde Geben und Nehmen innerhalb des Vorganges entsteht ein Kommunikationsfluss, der die GfK zu einer prozessorientierten[85] Kommunikationstechnik macht.[86] Dabei werden moralische Urteile, Kritik, Bewertungen und Vergleiche ausgelassen, da Rosenberg von ihnen glaubt, sie trügen zu gewalttätigem Verhalten bei.[87] Außerdem sieht Rosenberg Urteile, Kritik, Diagnosen und Interpretationen des Verhaltens anderer Menschen als „entfremdete Äußerungen unserer eigenen, unerfüllten Bedürfnisse“[88] an. Wirft eine Frau ihrem Mann beispielsweise vor: „Du liebst deine Arbeit mehr als mich“, so kann hinter dieser Äußerung ein unerfülltes Bedürfnis nach Nähe stecken.[89] Er bezeichnet die Art von Kommunikation, die ein Denken in Kategorien wie ‚richtig/falsch’ über andere Menschen impliziert, als „lebensentfremdende Kommunikation“[90]. Der Mensch soll nicht aus Angst, Scham, Schuld- oder Pflichtgefühl heraus handeln[91], sondern weil er seinen Mitmenschen Gutes tun will, „aus dem Wunsch heraus, von Herzen zu geben“[92]. Daher werden in der GfK weder Strafen, noch Lob oder Komplimente ausgesprochen.[93] Zudem soll sich der Mensch seiner alltäglichen Wahlmöglichkeiten bewusst werden, anstatt sie durch die so genannte Traumtötersprache, die Wörter wie ‚müssen’ und ‚sollte’ enthält, zu verschleiern.[94] Auch auf Analysen und Etikettierungen anderer Menschen soll in der GfK verzichtet werden, da sie angeblich lediglich zu sich selbst erfüllenden Prophezeiungen führen.[95] Stattdessen formuliert Rosenberg seine Motivation zu „lebensbereichernden Interaktionen“[96] folgendermaßen:

Wenn wir von Herzen schenken, dann tun wir das aus der Freude heraus, die immer dann entsteht, wenn wir das Leben eines anderen Menschen bewußt [sic] bereichern.[97]

 

Die vier Komponenten

Damit die GfK von ihren Nutzern erfolgreich angewendet werden kann, gibt Rosenberg einzelne Komponenten vor, die das Gespräch gewaltfrei verlaufen lassen sollen. Diese beziehen sich auf den bereits erwähnten ersten Teil der GfK; es handelt sich dabei im Einzelnen um folgende Bestandteile:

1. Beobachtung

2. Gefühl

3. Bedürfnis

4. Bitte[98]

Diese vier Komponenten können somit als Grundgerüst der GfK verstanden werden.

 

Im ersten Schritt wird dabei eine Beobachtung, z.B. darüber, was der andere gesagt oder getan hat, was einen selbst stört oder aber was gefällt, geäußert. Dabei kommt es darauf an, diese Beobachtung nicht mit einer Bewertung oder Beurteilung zu vermischen.[99] Eine beobachtende Äußerung wäre z.B.: „Du kommst eine halbe Stunde nach der verabredeten Zeit.“...

Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Medien - Kommunikation - soziale Medien

Tatort Tagesschau

E-Book Tatort Tagesschau
Eine Institution wird 50. Format: PDF

»Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der Tagesschau« – seit 50 Jahren beginnt so der TV-Feierabend. Souverän beherrscht die Tagesschau die deutsche Fernsehlandschaft. Je nach Nachrichtenlage…

Datenformate im Medienbereich

E-Book Datenformate im Medienbereich
Format: PDF

Das Buch greift einen sehr aktuellen Themenkomplex auf, denn der Datenaustausch findet zunehmend in komprimierter Form über Netzwerke statt. Es beschreibt Standards für die Datenreduktion und den…

Datenformate im Medienbereich

E-Book Datenformate im Medienbereich
Format: PDF

Das Buch greift einen sehr aktuellen Themenkomplex auf, denn der Datenaustausch findet zunehmend in komprimierter Form über Netzwerke statt. Es beschreibt Standards für die Datenreduktion und den…

Datenformate im Medienbereich

E-Book Datenformate im Medienbereich
Format: PDF

Das Buch greift einen sehr aktuellen Themenkomplex auf, denn der Datenaustausch findet zunehmend in komprimierter Form über Netzwerke statt. Es beschreibt Standards für die Datenreduktion und den…

Virtuelle Welten

reale Gewalt Format: PDF

Die Frage, wie Gewalt und Medien zusammenhängen, lässt sich nicht mit einem Satz oder nur aus einer Perspektive beantworten. Deshalb haben 16 Telepolis-Autoren in 20 Essays ihre Meinung, die…

Virtuelle Welten

reale Gewalt Format: PDF

Die Frage, wie Gewalt und Medien zusammenhängen, lässt sich nicht mit einem Satz oder nur aus einer Perspektive beantworten. Deshalb haben 16 Telepolis-Autoren in 20 Essays ihre Meinung, die…

Weitere Zeitschriften

Gastronomie Report

Gastronomie Report

News & Infos für die Gastronomie: Tipps, Trends und Ideen, Produkte aus aller Welt, Innovative Konzepte, Küchentechnik der Zukunft, Service mit Zusatznutzen und vieles mehr. Frech, offensiv, ...

FileMaker Magazin

FileMaker Magazin

Das unabhängige Magazin für Anwender und Entwickler, die mit dem Datenbankprogramm Claris FileMaker Pro arbeiten. In jeder Ausgabe finden Sie von kompletten Lösungsschritten bis zu ...