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E-Book

Girly

Wie mich mein Pferd heilte - und wie ich heute Pferde heile

AutorManfred Weindl
VerlagKailash
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783641209643
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Manfred Weindl ist Polizist mit Leib und Seele, als ihn ein Zwischenfall im Dienst aus der Bahn wirft: Er stürzt in eine tiefe Depression und muss schließlich seinen Job an den Nagel hängen. Auf dem Höhepunkt seiner Krise kauft er eine Stute, Girly - obwohl er nie zuvor auf einem Pferd gesessen hat. Durch Girly bekommt Weindl wieder Zugang zu seinen verschütteten Gefühlen, kann sich Stück für Stück aus seiner Depression befreien. Und er entdeckt, dass in ihm das Talent schlummert, verhaltensauffällige Pferde zu heilen. Seine Feinfühligkeit, so erkennt er, ist keine Schwäche, sondern seine größte Stärke.
Weindls Geschichte erzählt von der Kraft des Selbstmitgefühls, der Chance von Krisen - und sie beweist, dass es nie zu spät ist seine Träume zu leben.

Manfred Weindl arbeitete 25 Jahre lang als Polizist, davon 18 Jahre in Passau. 2007 schied er aus dem Polizeidienst aus. Nachdem er die Anglo-Araber-Stute Girly gekauft hatte, entdeckte er sein Talent für Pferdekommunikation. Im Jahr 2011 gründete er die Firma G.e.K.o.-Verhaltenstherapie für Pferde und entwickelte sein Programm 'Sprachkurs: Mensch - Pferd'. Mittlerweile hat er mehr als tausend Pferde behandelt. Mit seiner Familie lebt Manfred Weindl in Salzweg in Niederbayern.

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Leseprobe

1

Spür dein Ziel.

Der Anruf kommt spät, gegen zehn Uhr abends.

»Bin ich beim Pferdeflüsterer?«, fragt eine weibliche Stimme. Sie klingt gepresst, wie geschockt. Ich kann heraushören, dass etwas Schlimmes vorgefallen sein muss. »Mein Hengst. Der Avalon. Er ist schwierig, aber so etwas hat er noch nie getan, ich kann es mir gar nicht erklären, es ist furchtbar!«

»Was ist furchtbar? Was hat er getan?«

Die Frau stockt. Es kostet sie Mühe, die Wahrheit auszusprechen. »Avalon hat ein anderes Pferd totgetreten. Er ist völlig ausgerastet, niemand konnte ihn bändigen. Sie müssen kommen, Herr Weindl, bevor noch mehr passiert.«

Sie nennt mir eine Adresse in Kaufbeuren. Gut drei Stunden Autofahrt, schätze ich. Wir verabreden uns für den nächsten Morgen um acht Uhr. Bis dahin, sagt die Frau, steht Avalon isoliert in seiner Box. Eine Hochsicherheitsbox, betont sie. Niemand wird sich Avalon nähern. Nicht dass er noch einen Menschen tottritt.

Als ich auflege, fragt meine Frau Evi: »Ein Notfall?«

Sie kennt sich mit Pferden ebenfalls gut aus, aber vor allem kennt sie sich mit mir gut aus. Oft gebe ich Anrufern unentgeltliche Tipps am Telefon, wenn das möglich ist, ohne das Pferd zu begutachten. Hier ist es mit Ratschlägen allerdings nicht getan. Es geht um Leben und Tod, und Evi hat das gleich gespürt. Ich erzähle ihr, was ich erfahren habe. So mache ich das immer. Wir sind seit 30 Jahren verheiratet und haben in dieser Zeit gemeinsam so viel gemeistert, dass es für mehrere Leben reichen könnte. Im Grunde genommen kommt das der Wahrheit auch ziemlich nahe: Ich bin mittlerweile in meinem zweiten Leben angekommen, in dem als Pferdeflüsterer. Es unterscheidet sich von meinem ersten Leben als Polizist, als Alkoholiker, als körperliches Wrack mit 23 überstandenen Operationen so sehr, dass wohl kein Romanautor diesen extremen Gegensatz erfinden könnte. In all dieser Zeit war Evi stets an meiner Seite, und ich kann mit Fug und Recht sagen: Wäre sie es nicht gewesen, wäre ich heute nicht hier. Dann würde ich jetzt nicht an meinem Schreibtisch sitzen, mit ihrem Foto und das unserer drei Jungs neben dem Computer, um meine Geschichte in Worte zu fassen. Ich hätte keines der mittlerweile mehr als 1.500 Pferde behandelt. Und ich wäre nach diesem abendlichen Anruf nicht losgefahren, um einen schwierigen Fall zu lösen.

Ich mag es, den Tag früh zu beginnen. Wir leben in Salzweg, in der südöstlichsten Ecke Deutschlands. Die Grenzen zu Tschechien und Österreich sind kaum einen Steinwurf entfernt. Passau, in gut fünfzehn Autominuten erreichbar, ist die nächstgrößere Stadt und gleichzeitig geliebte Heimat. Als ich in den Wagen steige, freue ich mich bereits wieder auf die ersten Kilometer der vor mir liegenden Strecke. Wie oft bin ich schon von Salzweg nach Passau gefahren, und trotzdem geschieht es jedes Mal: Sobald ich die Serpentinen unter die Räder nehme, die oberhalb der Halser Ilzschleifen hinab ins Tal der Ilz führen, schlägt mein Herz höher. Wie schön, dass das jetzt wieder so ist. Als ich psychisch erkrankt war, konnte ich nirgendwohin mehr fahren, nicht einmal die kurze Strecke nach Passau.

Der Fluss Ilz entspringt im Nationalpark Bayerischer Wald, und sein moorreiches dunkles Wasser vermischt sich in Passau mit dem blauen Wasser der Donau und dem grünen des Inn. Wasser und Passau – das sind zwei Worte, die sich nicht trennen lassen. Als ich aus dem Tunnel unterhalb der Veste Oberhaus fahre, leuchtet mir das Wasser entgegen: Donau, Inn und Ilz vereinigt, an dieser Stelle mehr See als Fluss. Dahinter erhebt sich die Stadt. Die italienisch anmutenden Gebäude aus der Renaissance im ersten Licht der aufgehenden Sonne, überstrahlt von den gewaltigen Kuppeln des St.-Stephans-Doms. Wie müssen erst die Menschen im Mittelalter gestaunt haben, wenn sie diese Stadt betraten – eine der prächtigsten Städte des Heiligen Römischen Reiches –, wo selbst mir bei ihrem Anblick regelmäßig ein Schauer den Rücken hinabfährt. Und so schwelge ich in Erinnerungen, während mein Blick über die am Kai vertäuten Flusskreuzfahrtschiffe schweift: Da drüben habe ich mit meinen Eltern, meinem Bruder und meiner Schwester gelebt, bis die Schanzlbrücke gebaut wurde und das Wohnhaus dafür zu weichen hatte. Dort ist eine der vielen Volksschulen, die ich besuchen musste. Ja, musste, denn meine Schulzeit gehört nicht zu den schönen Erinnerungen. Und in diesem Haus … eine dunkle Wolke legt sich über meine Gedanken. In diesem Haus hat sich ein verzweifelter Familienvater umgebracht und eine Frau und vier kleine Kinder zurückgelassen. Er gehört zu den vielen, vielen toten Menschen, die mich in meinem Leben als Polizist manchmal selbst an den Rand einer Depression trieben, und am Ende dann sogar weit über diesen Rand hinaus. Erst in diesem Beruf ist mir bewusst geworden, wie viele Menschen in Deutschland durch Selbstmord ihr Leben beenden. Die jüngsten Zahlen sind erschreckend: In unserem Land sind es mehr als 10.000 Menschen pro Jahr. Das sind fast doppelt so viele wie durch Verkehrsunfälle, Drogen, Aids und Gewaltverbrechen zusammen. Dazu kommen über 100.000 Selbstmordversuche, bei Frauen fünfmal häufiger als bei Männern. In Berlin stirbt täglich ein Mensch durch Selbstmord. Oft ist eine Depression der Grund dafür.

Man sagt, nur wer Depressionen aus eigener Erfahrung kennt, kann auch darüber sprechen, und deshalb werde ich das tun. Denn diese schwarze Wolke, die meinem Dasein lange Zeit jede Freude, jede Farbe und jedes Licht entzog, trug ebenfalls dazu bei, dass ich heute Pferde so gut verstehen kann. Nichts von dem, was ich durchlebt und erlitten habe, war umsonst. Doch sagt sich so etwas in der Rückschau einfach. Wer von der Depression gepackt wird, kann nicht mehr an das Morgen denken. Für ihn besteht das Heute nur noch aus Unmöglichkeiten. Häufig genug wählt dieser unglückliche Mensch den scheinbar letzten Ausweg. Ich selbst habe ebenfalls einmal vor dieser finalen Entscheidung gestanden.

Doch jetzt wische ich all diese Gedanken beiseite. Heute, in meinem Leben als erfolgreicher Pferdeflüsterer, gelingt mir das auch. Ich konzentriere mich darauf, was vor mir liegt: erst 300 Kilometer auf der A92 zurücklegen, danach eine Aufgabe, auf die ich mich trotz aller Schwierigkeiten freue. Avalon, ein Hengst am Rande des Wahnsinns. 500 Kilogramm Muskeln, Kraft und Energie, gepaart mit einem hellwachen Pferdeverstand, aber massiv verstört durch was auch immer. Ich werde die Menschen, die ich dort antreffe, erst einmal nicht nach Ursachen fragen. Ich werde Avalon selbst fragen. Und er wird mir seine Antworten geben, da bin ich mir sicher. Dann werde ich ihm sagen, was ich zu sagen habe. Das geschieht nicht mit der uns Menschen verständlichen Sprache. Es geschieht durch Körpersprache, Blicke und dem minimalen, leisen Einsatz meiner Stimme. Was sie sagt, ist nicht so entscheidend, als wie sie es sagt. Avalon, dieser stolze Hengst, dessen Vorfahren 55 Millionen Jahre länger auf der Erde lebten als die Gattung Mensch, wurde von uns aus seinem ursprünglichen Habitat gerissen. Wir machten aus einem Flucht- und Herdentier ein Nutztier. Allein das ist für die meisten Pferde verwirrend. Und kennen wir das nicht selbst? Wenn wir verwirrt sind, ist die Krise nicht weit. Bei Pferden sind das die Augenblicke, wo mein Telefon klingelt. Es sind die Augenblicke, in denen der Pferdeflüsterer auf den Plan treten soll. Wo immer ich hinkomme, kümmere ich mich zunächst um ein Pferd im Ausnahmezustand. Doch danach kümmere ich mich um die Menschen – denn sie sind es, die eine falsche Entscheidung getroffen haben. Aus seiner Sicht macht ein Pferd immer alles richtig. Es handelt rein instinktiv. Deshalb liegen die Fehler bei uns Menschen. Wir denken nicht wie ein Pferd, sondern vermenschlichen es stattdessen. Da ich mich selbst mit falschen Entscheidungen gut auskenne – mein erstes Leben lässt grüßen – kann ich Pferd und Mensch etwas flüstern.

Ich schaue auf das Navi und lese die Ankunftszeit ab: 7:50 Uhr. Zeit für Musik. Ich schiebe eine CD ein und lausche meinem Sohn Alex, einem begabten Folk-Sänger. Ich lächele. Zwar bin ich nicht auf der Route 66 unterwegs, sondern auf der A98, aber es fühlt sich fast so an. Die Riffs seiner Western-Steel-Gitarre im Ohr, die blitzenden Sonnenstrahlen über den Ausläufern der Bayerischen Alpen im Auge und den ganz besonderen Duft eines rassigen Pferdes bereits in der Nase: Wer hätte gedacht, dass mein Leben eines Tages so glücklich sein würde? Ich ganz bestimmt nicht.

Als ich auf dem Hof ankomme, werde ich bereits erwartet. In der ganzen Aufregung hat die Anruferin gestern Abend ihren vollständigen Namen nicht genannt. Jetzt stellt sie sich als Luise Bargmann vor. Sie sieht aus, als habe sie die ganze Nacht nicht geschlafen. Der Eigentümer des Hofes ist da, und eine weitere Frau, in deren Augen Tränen stehen. Es ist ihr Pferd, das totgetreten wurde. Obwohl ich gerne ohne detaillierte Vorkenntnisse den Hengst aufgesucht hätte, denn ich will einen unverfälschten Blick auf die Gegebenheiten, setzt mich Luise Bargmann ins Bild. Es sprudelt geradezu aus ihr heraus. Avalon ist ein 8-jähriger Haflinger-Hengst. Haflinger sind im Allgemeinen ehrgeizig und leistungsbereit, zeichnen sich aber auch durch Ruhe und Besonnenheit aus. Ausgerechnet ein Exemplar dieser Rasse hat ein anderes Tier totgetreten?

Das Opfer ist einer der beiden Wallache, die mit Avalon zusammen gehalten wurden, bestätigt Luise. »Er hat ihn in die Ecke gedrängt und ihm derart zugesetzt, dass wir ihn einschläfern mussten. Wir konnten nichts dagegen tun. Seither tritt Avalon nach jedem, der sich ihm nähert. Sie können unmöglich zu ihm rein.«...

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