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E-Book

Glück ist in der kleinsten Hütte

Unser Traum vom Tiny House

AutorNicole Dau
VerlagPiper Verlag
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783492993982
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Noch vor einem Jahr drehte Nicole einfach die Heizung höher, wenn ihr kalt war - heute geht sie raus, um Holz für den Kamin zu hacken. Damals traf man sich in der Bar gleich nebenan - heute sitzen sie und ihr Mann lieber mit Freunden um ein Lagerfeuer und bestaunen die Sterne. War Nicole früher oft ausgebrannt und müde, hat sie heute nur dann Augenringe, wenn der Hahn morgens um fünf zu krähen anfängt. Was als Schnapsidee zweier Großstädter begann, wurde für Nicole und Carsten zum Upcycling-Traum mitten in der Natur: In vielen Stunden Handarbeit verwandelten sie einen alten Bauwagen in ein gemütliches Zuhause vor den Toren Hamburgs und wurden damit zu Vorreitern der Tiny-House-Bewegung, die immer mehr Anhänger findet.

Nicole Dau (33) studierte Geowissenschaften in Freiburg im Breisgau und Bremen. Über den Wissenschaftsjournalismus gelangte sie in den PR-Bereich, wo sie heute als Beraterin und Trend Scout für eine Kommunikationsagentur in Hamburg tätig ist. Zusammen mit ihrem Mann Carsten und drei Meerschweinchen lebt sie in ihrem selbst gebauten Tiny House im Wendland bei Hamburg.

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Leseprobe

Mein brummendes Wohnzimmer


Vor dem Rauch, dem Leben auf dem Land und im Tiny House ist einfach alles irgendwie festgefahren. Jeder Tag fühlt sich gleich an. Ich wohne mit Carsten in einer kleinen Zweizimmerwohnung in Hamburg, mitten in Altona, und habe eine 40-Stunden-Woche in einer Agentur. Am Anfang ist es spannend. Der Irgendwas-mit-Medien-Job, das trendige Szeneviertel, an jeder Ecke coole, kleine Bars und Lädchen mit coolem, kleinen Nippes. Immer ist etwas los, ein buntes Treiben aus Menschen. Doch dann gehen ein paar Jahre ins Land, und etwas in mir ändert sich. Ich gehe nicht mehr in die Bars und auch nicht mehr in die Lädchen. Das bunte Treiben wird zu einem anstrengenden, hektischen Rauschen. Ich habe das Gefühl, nur noch vor dem Computer zu sitzen, und selbst am Wochenende ist es höchstens ein bisschen Haushalt, ein bisschen Einkaufen, vielleicht mal noch die Freunde treffen. Aber auch dazu habe ich kaum noch Lust und Energie. Das ist ohnehin das Hauptproblem. Wo ist auf einmal meine Energie hin? Früher konnte ich kaum still sitzen, wollte immer losziehen, Menschen treffen, Abenteuer erleben. Stattdessen bin ich auf einmal zu dem geworden, was ich bei anderen Menschen immer anprangere: ein selbstmitleidiges Opfer meiner Unfähigkeit, das Leben in die eigene Hand zu nehmen. Dieses ständige Nörgeln und Unzufriedensein, ohne jemals wirklich etwas daran zu ändern. Wie war das nur passiert? Ich hatte auch schon zuvor immer mal Phasen, in denen ich mich nicht mehr wohlfühlte. Mein Patentrezept dagegen: umziehen, alle Brücken abreißen, neuer Ort, neue Wohnung, neuer Job. Alles auf Anfang und wieder neue Erfahrungen sammeln. In zweiunddreißig Lebensjahren bin ich bereits elfmal umgezogen. Diesmal fühlt sich diese Option aber falsch an. Ich finde Hamburg eigentlich trotz der Hektik nach wie vor interessant. Auch mein Job gefällt mir, nur eben nicht in diesem zeitintensiven Ausmaß. Dadurch habe ich auf einmal eine örtliche Bindung, die ich früher so nicht kannte – auch durch Carsten. Als Heilpraktiker für chinesische Medizin hat er sich über die Jahre schließlich seinen Patientenstamm in Hamburg aufgebaut. Außerdem: Was wäre denn die Alternative? Gibt es einen anderen Job, den ich machen möchte? Und wie sähe der aus? Wo will ich leben? Kurz und knapp: Wie soll es weitergehen? Einfach den Kopf in den Sand stecken oder sich lieber wie ein Erdmännchen neugierig aufrichten und Ausschau nach dem nächsten Coup halten, oder Feind, was eben gerade da ist? Ich wähle das Erdmännchen. Ich schaue mich um und spüre, dass ich gerne Hilfe hätte, vielleicht auch einfach nur einen Schubs in die richtige Richtung. Etwas, das mich aufrüttelt.

»Du bist eigentlich die Königin des Waldes, versteckst dich aber unter dem Deckmantel eines Gnoms«, höre ich Alex sagen. Ich strecke mich und blinzle. Wie war das gerade? Bis eben lag ich noch auf einer Liege, während Alex mit den Händen über meinen Körper gefahren ist und mir dabei Fragen stellte. Wie fühlt sich das an? Atmest du tief durch, oder hältst du die Luft an? Wenn ich deine Schläfen berühre, spürst du etwas an deinen Füßen? Glaubst du, dass dir als Kind ein Engel mit den Flügeln über das Gesicht gestrichen hat? Na gut, den letzten Teil füge ich in Gedanken hinzu. Ich bin etwas nervös. Alex ist Körpertherapeutin. Ihre Methode nennt sich Cranio-Sakral-Therapie. Ich hatte vor meiner Zeit auf Alex’ Liege noch nie etwas davon gehört. Aber auf der Suche nach meinem Schubs landete ich bei ihr. Sie strahlt Ruhe aus, Fröhlichkeit und hat ein offenes Lachen. Ich bin mir nicht ganz sicher, was sie da tut. Ich erzähle ihr davon, dass ich unglücklich bin und nicht weiß, wie ich das ändern kann. Dass ich wütend bin, weil ich mir albern und wehleidig vorkomme. Dass ich noch wütender werde, weil ich nicht weiß, was ich tun muss, um mich nicht mehr so zu fühlen. Sie nickt, hört sich meine Sorgen an, stellt ihre Fragen. Sie fragt nicht, ob ich eine schwere Kindheit hatte oder was andere Therapeuten vielleicht sonst so fragen würden. Das ist gut. Ich bin bei ihr, weil ich nicht gerade der größte Fan von Psychotherapien bin. Ich freue mich, wenn sie anderen helfen. Ich bin aber ein sehr stark körperlich, eher haptisch orientierter Mensch und brauche mehr als nur ein Gespräch, damit sich neue Ideen und Gedanken in mir wirklich entwickeln können. Die Cranio-Sakral-Therapie ist anders als eine Psychotherapie. Sie hat sich aus der Osteopathie entwickelt und verfolgt das Ziel, durch verschiedene Handgriffe den Energiefluss im Körper wieder in sein Gleichgewicht zu bringen. Irgendwie so. Ich bin kein Experte darin. Das klingt erst einmal alles etwas esoterisch. »Die Königin des Waldes«, sag ich da nur. Schon klar. Aber es bleibt nicht bei diesem plakativen Spruch. Wir unterhalten uns viel, und sie hilft mir zu verstehen, was mich treibt und bremst. Sie hilft mir auch zu sehen, dass ich innerlich eigentlich doch ganz gut weiß, was ich will und wer ich bin. Unsere Gespräche entwickeln sich hin zu einer Art Jobcoaching. »Was ist dir das Wichtigste an deinem Job?«, fragt sie. Ich muss nicht überlegen. Na was schon? Vielseitigkeit, Abwechslung. Sie grinst nur. Ich werde rot und winke ab. Das sagt wahrscheinlich jeder. Aber nein. Sie grinst, weil es zu meinem Wesen passt. Die meisten anderen sagen: Sicherheit. Sicherheit? Mein Stichwort! Auf keinen Fall soll das mein oberstes Lebensziel werden! Niemals! Ich will etwas ändern, jetzt, bevor ich auch zu einem Sichherheitsjünger werde. Was habe ich zu verlieren? Ich bin doch sowieso nicht glücklich, es kann doch nur besser werden. Das Tiny House sehe ich noch nicht. Es wird mich später finden. Aber ich sehe einen Wunsch, den ich mir schon seit langer Zeit erfüllen wollte. Einen Bulli. Ein motorisiertes Stück Freiheit.

Schon bevor Instagram & Co. das Vanlife-Hashtag etablierten, fand ich die Vorstellung, mit einem Bulli die Welt zu entdecken, einfach magisch. Totale Flexibilität, keine Pläne – das pure Abenteuer. Alex verabreicht mir den Schubs, den ich brauche, und bringt mir meine Energie zurück. Ich will jetzt wieder impulsiv sein und handeln. Ich will mir das zurückerobern, was mich ausmacht. An die Stelle von Fröhlichkeit, einer »Einfach-mal-machen«-Attitüde, Begeisterungsfähigkeit und Zuversicht sind in den letzten Monaten immer mehr Sarkasmus, Ironie und Misanthropie getreten. Ja gut, ein wenig gehört das auch zu meinem Wesen. Was würde ich nur ohne Ironie machen? Das Leben wäre trist. Aber ab einem gewissen Punkt schwappt es schnell in Bitterkeit über. Dann wird es traurig, und darauf habe ich, salopp ausgedrückt, einfach keinen Bock. Mit achtzig kann ich immer noch bitter werden. So mit Katzen und Nachbarskinder anmotzen. Das wird klasse.

Zurück zum Wesentlichen: der Bulli. Vielleicht klingt das höchst unspektakulär. Wow! Sie kauft sich ein Auto, ist ja mal was ganz anderes! Aber ehrlich gesagt: Genau das ist es! Nach über drei Jahrzehnten auf diesem Planeten ist dies mein erstes, eigenes Auto. Was soll ich sagen? Ich war immer ein Stadtkind. Was willst du da groß mit einem Auto? Es gibt den öffentlichen Nahverkehr, Züge, Carsharing, Mitfahrgelegenheit und so weiter und so fort. Kein Grund, sich mit einem eigenen fahrbaren Untersatz unnötig zu belasten. Bei dem krassen Verkehr bin ich selbst mit dem Fahrrad schneller, und außerdem findet man in der Stadt nie einen Parkplatz. Doch mir geht es nicht mehr nur um ein normales Auto. Ich will eines, das groß genug ist, um darin schlafen zu können. Vielleicht sogar, um darin zu leben. Es macht einfach nur Spaß, im Netz die bunte Bulli-Parade (Autos, nicht den Comedian) zu bestaunen. Soll es ein VW sein oder doch ein Ford? Die haben ja auch ein paar coole Vans. Aber so ein T4 hat schon was. Die perfekte Größe, um auch entspannt durch den Stadtverkehr zu kommen, aber mit langem Radstand auch genug Platz zum Schlafen und Leben. Na gut, ein T4 also. So mit Campingausstattung im California-Modell sind die aber ganz schön teuer. Das hätte ich gar nicht gedacht. Dabei sind die doch auch schon zwanzig Jahre oder älter. Dennoch zehntausend Euro extra nur für ein paar Einbauschränke, Gasherd und Kühlschrank? Das ist eine Ansage. Am besten finde ich ja die Anzeigen »Für Bastler« oder wenn einfach nur eine ganze Reihe von zu behebenden Mängeln aufgelistet ist. Nee, sorry, Freunde, aber als Autojungfrau habe ich einfach nicht genug Ahnung davon, als dass ich mir gleich zu Beginn ein halb fahrunfähiges Teil aussuche. Uh, was haben wir denn da? Baujahr 2000, metallicblau, ein bisschen PS, um auch wenigstens den einen oder anderen Lkw mal versägen zu können – und der lange Radstand! Super, ein bisschen mehr Platz, um unser ganzes Geraffel einzupacken. Mit der U-Bahn sind es gerade mal zwanzig Minuten zum Halter in Hamburg. Den muss ich mir ansehen. Also den Bulli, nicht den Halter. Der Besitzer und junge Kitesurfer trifft Carsten und mich am Auto. Er und seine Kumpel würden nun doch nicht mehr so oft ans Meer fahren, dass sich so ein Bulli für ihn lohnen würde. Na gut, dann lass uns doch mal eine Runde mit dem Schmuckstück um den Block fahren. Ich steige ein und denke mir: Jetzt verstehe ich, was die Leute immer mit dem hohen Sitzen haben. Bei mir geht es zwar nicht um vermeintliche Alterserscheinungen und die herannahende Hüftarthrose, aber es ist irgendwie hammer, so von oben auf die anderen Verkehrsteilnehmer zu schauen. Muhaha, ich komme mir jetzt schon total mächtig vor. Okay, erst mal wieder ein bisschen beruhigen. Motor an und ... Ähm, wie geht der denn an? Ach so, der hat einen Startknopf. Wo? Hier unten? Ja klar, das wusste ich natürlich. Ich komme mir schon gleich ein bisschen weniger mächtig vor. So ist das im Leben, von wegen hohes Ross. Aber ich kann es fühlen, ich bin jetzt schon verliebt. Ich nehme...

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