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E-Book

Glück kommt von Denken

Die Kunst, das eigene Leben in die Hand zu nehmen

AutorHeidemarie Bennent-Vahle
VerlagVerlag Herder GmbH
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl280 Seiten
ISBN9783451804502
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Selber leben, statt gelebt zu werden, ist gar nicht so einfach. Um sich nicht fremdbestimmen zu lassen, braucht es Selbstbewusstsein, Mut und Vernunft. Heidemarie Bennent-Vahle zeigt, wie wir mitten im rasenden, komplexen Leben innehalten und ins Denken geraten können. Das philosophische Denken, die Fähigkeit zur Selbstdistanzierung und zum nachdenklichen Ausloten der eigenen Situation, eröffnet neue Perspektiven jenseits der gängigen Selbstverwirklichungs-Credos. Lebendig und flott geschrieben, schöpft dieses Buch aus der Fülle der großen Themen: Lebensziele, Partnerschaft, Sex, Erziehung, Älterwerden, Selbstdistanz, Freiheit und das Miteinander mit den anderen. »Das Denken tut dem Menschen gut, wenn er es nämlich selber tut.« Frei nach Wilhelm Busch

Dr. Heidemarie Bennent-Vahle ist Philosophin und Logotherapeutin. Sie führt eine Philosophische Praxis in Henri-Chapelle (Belgien) und ist Mitglied im Vorstand der Internationalen Gesellschaft für Philosophische Praxis.

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Leseprobe

Einleitung


Philosophie ist, worauf man beinahe von selbst gekommen ist.

(Hans Blumenberg)

Wenn das Licht aus dem Raum getragen worden ist und meine Frau nichts mehr sagt – sie ist nämlich schon mit meiner Gewohnheit vertraut –, dann durchforste ich meinen gesamten Tag und gehe meine Taten und Worte noch einmal durch. Ich verhehle mir nichts und übergehe auch nichts. Warum sollte ich auch vor irgendeinem meiner Fehler Angst haben? Ich kann doch sagen: »Sieh zu, dass Du das nicht mehr tust. Dieses Mal verzeihe ich Dir noch.«

(Seneca)

Die meisten Leute ahnen nicht, wie viel besser es ihnen gehen würde, wenn sie hin und wieder einmal sehr gründlich nachdenken würden. In dieser Angelegenheit ist ganz und gar auf eine Diagnose der Philosophin Hannah Arendt zu setzen, die das Denken zur wesentlichen Voraussetzung einer voll entfalteten Vitalität macht. Ohne Denken treiben wir wie narkotisiert durchs Leben und erleiden schlimmstenfalls eine Art seelisch-geistigen Erstickungstod.

Schenkt man einer Reihe von renommierten Beobachtern der gegenwärtigen westlichen Gesellschaften Glauben, so befindet sich eine nicht unerhebliche Zahl von Zeitgenossen in einem Zustand gesteigerter Erschöpfung. Viele fühlen sich überfordert von dem hohen Anspruch, ein erfolgreiches, kreatives und selbstverwirklichtes Leben zu führen, und sacken, ohne es recht zu bemerken, ermattet in sich zusammen, noch bevor das Lebensschiff so recht in Fahrt kommt. Während die einen sich schon früh wie gelähmt, niedergedrückt und verlangsamt fühlen, gleiten andere auf dem Strom sich anbietender Möglichkeiten scheinbar geschmeidig dahin, sind erfolgreich, zielorientiert, sorglos und brechen doch irgendwann in der Mitte des Lebens entzwei – nicht selten ausgelöst durch Trennung, berufliche Bruchlandungen oder Krankheit.

Dass hier das philosophische Nachdenken und nicht allein die therapeutisch angeleitete Selbstreflexion hilfreich sein kann, ist die Kernthese dieses Buches. Ich möchte sogar so wagemutig sein zu sagen, dass in vielen Fällen das Philosophieren nachhaltiger wirkt als jede selbstbezogene Nabelschau, insofern es einen weiteren Bogen spannt und uns dazu verhilft, über den Tellerrand unseres kleinen, schmächtigen Ichs hinauszublicken. Worin aber unterscheidet sich ein philosophisch angeleitetes Leben von einem nichtphilosophischen? Warum ist es heute mehr denn je so anstrengend, ein »philosophisches Leben« zu führen? Und warum sollte man überhaupt ein solches führen, wenn Mühen in Aussicht gestellt werden?

Soll das Denken vitalisierend wirken, so muss wohl mehr damit gemeint sein als die vertraute Hintergrundmusik flüchtiger Gedanken und routinierter Überlegungen, die unser alltägliches Leben permanent begleiten. Auch wenn es erst das Endziel dieses Buches ist, von der Besonderheit und unverzichtbaren Bedeutung des Philosophierens zu überzeugen, so lassen sich jetzt schon zwei Merkmale dieser Denkform absehen. Erstens: Da sie auf ein grundsätzlicheres Nachdenken zielt, ist sie beschwerlich, und man kann sie nicht dauerhaft durchhalten. Es wird also darauf ankommen, den richtigen Moment abzupassen, oder, wenn dieser versäumt wurde, wenigstens jenen zweiten oder dritten Moment zu ergreifen, an dem es noch gelingen kann, den Schaden zu begrenzen. Zweitens: Damit die Verlebendigung des Denkens wirkt, muss man selbst der Urheber seiner Gedanken sein. Frei nach Wilhelm Busch könnte man in humoriger Tonlage formulieren: »Das Denken tut dem Menschen gut, wenn er es nämlich selber tut.«

Was es heißt, etwas selbst zu tun, eigenursprünglich – und nicht außengelenkt, fremdbestimmt oder aus zweiter Hand – zu denken, das soll das zentrale Thema in den letzten Kapiteln dieses Buches sein. Es geht dabei um nicht mehr und nicht weniger als unser Lebensglück. Obwohl es viele hochintelligente, kluge und gebildete Menschen gibt, ist anzunehmen, dass das Denken als praktische Lebenskunst, als Lebensklugheit oder, wie andere sagen, als Lebenskönnerschaft heute nicht besonders hoch im Kurs steht, manchmal nicht einmal bei denen, die es berufsmäßig betreiben, also bei den Philosophen, Geisteswissenschaftlern und Fachexperten. Um dies zu erklären, kann ich auf ein Wort Hannah Arendts verweisen, das uns noch einmal etwas genauer mitteilt, was es mit einem Denken dieser Art auf sich hat: »Das Denken im nichtkognitiven, nichtspezialisierten Sinne als ein natürliches Bedürfnis des menschlichen Lebens (…) ist kein Vorrecht der wenigen, sondern eine stets bereitliegende Fähigkeit jedes Menschen; entsprechend ist die Denkunfähigkeit nicht ein Mangel an Hirn bei den vielen, sondern eine stets bereitliegende Möglichkeit bei jedem – auch bei Wissenschaftlern, Gelehrten und anderen geistigen Spezialisten. Bei jedem kann es dazu kommen, daß er jenem Verkehr mit sich selbst ausweicht, dessen Möglichkeit und Wichtigkeit Sokrates als erster entdeckt hat. (…) Ein Leben ohne Denken ist durchaus möglich; es entwickelt dann sein eigenes Wesen nicht – es ist nicht nur sinnlos, es ist gar nicht recht lebendig. Menschen, die nicht denken, sind wie Schlafwandler.«

In diesem Buch sollen also keine wirkungsvollen Selbsttechniken, Selbstbehauptungsübungen, Finessen und Tricks der Alltagsbewältigung vermittelt werden. Es geht vielmehr darum, im Blick auf wichtige Lebensthemen wie z. B. Liebe, Erziehung oder Alter in den Raum des Nachdenkens einzuladen und dabei verschiedene Grundprobleme der modernen Gesellschaft einzukreisen. Durch ideengeschichtliche Rückblicke werden einige historische Wurzeln unserer zunehmenden Weltentfremdung freigelegt, um damit ein Abrücken vom Zeitgeist anzuregen und erfahrbar zu machen, wie im Fingerzeig auf das Mangelhafte und Unvollkommene ein Eindruck des Richtigen als vorsichtiges Gegenbild aufscheint. Es gilt zu verstehen, dass dieses Richtige sich schwerlich in klare und nicht revidierbare Begriffe fassen lässt, sondern eher einer Intuition des Herzens gleicht, für die wir von Generation zu Generation unabschließbar Sprache und Ausdruck suchen müssen.

Ins Denken zu kommen, meint aber immer auch – im deutlichen Gegensatz zu vielen zeitgeistüblichen Ablenkungsmanövern – eine radikale Konfrontation mit der Begrenztheit unserer Existenz. Diese soll uns nicht »runtermachen«, kleinkriegen oder deprimieren, sondern genau umgekehrt: Sie soll uns mit dem Leben ein wenig mehr versöhnen und uns ermöglichen, gewissermaßen als ganz besonders gute Kenner unserer selbst auf neue, selbstbewusste Weise in die Gemeinschaft mit anderen einzutreten.

Mag es auch gelingen, den Menschen wissenschaftlich präzise zu vermessen und mit psychologischer Kunstfertigkeit einigermaßen verkehrstüchtig zu erhalten, so bedarf es der Philosophie auf vielerlei Weise: 1. um zu verstehen, wer wir sind und wie wir handeln müssen, wenn wir wissen, wie wir »funktionieren«; 2. um zu fragen, wie das Wissen über unsere Funktionsapparate auf ebendieses Funktionieren zurückwirkt; 3. um da weiterzufragen, an den Rändern, Leerstellen und Einzellagen unserer Existenz, wo es keine naturwissenschaftlichen Antworten mehr gibt, und um zu zeigen, dass das nicht sinnlos ist; 4. um uns zu wundern, warum die Menschheit alles in allem im Zuge des wissenschaftlich-technischen Voranschreitens so miserabel und – wie es scheint – in vielen Dingen sogar immer schlechter dasteht, und 5. um uns zu fragen, warum es oft vorkommt, dass eine Einzelperson, die auf vielfältige Weise von Beratern, Experten, Therapeuten angeleitet und umhegt ist, sich dennoch nicht freudvoll in der Wirklichkeit verankern kann.

Dieses Buch ist also nicht für Philosophen von Profession geschrieben, sondern es versucht, wie ich hoffe, einigermaßen allgemeinverständlich, die alltagsbezogene Bedeutung philosophischer Reflexionen vorzuführen. Schon von jeher haben Philosophen erkannt, wie maßgeblich vor allem ein gelingendes menschliches Miteinander für unser Lebensglück ist. Schon Aristoteles bestimmte den Menschen als ein von Natur aus Gemeinschaften bildendes Wesen. Diese soziale Ausrichtung unserer Spezies wird inzwischen von Hirnspezialisten durch die Erforschung des Glücks bestätigt: Beinahe nichts bringt unsere Nervenzellen im sogenannten Lustzentrum so zum Sprühen und Glühen wie die Erfahrung vorbehaltloser Zwischenmenschlichkeit. Im sozialen Kontakt und beim Erlernen neuer Dinge kommen unsere Glücksgehirnströme so richtig in Schwung, während z. B. die elektrisierende Wirkung des Konsums nur von sehr kurzer und flüchtiger Dauer ist.

Man fragt sich sogleich, ob die Lebensbedingungen der modernen Gesellschaft, die uns zu Konkurrenzverhalten, materieller Gier, Leistungsstress sowie raffinierten Rollenstrategien und Selbstinszenierung veranlassen, diesem Glückserleben sehr zuträglich sind. Die Versprechungen und Erwartungen sind hier jedenfalls groß, denn nur so erklärt sich die Karriereversessenheit vieler jungen Menschen. Auch über das Glück ist also nachzudenken. Die Naturwissenschaft sagt uns hier, was der Fall ist, die Philosophie erkundet, was wir damit anfangen können. Sie bringt die Naturwissenschaft oft auch auf die Fragen, anhand derer man weiterforschen könnte. Zum Beispiel könnte man weiterfragen: Macht uns jede Form von Gemeinschaft gleichermaßen glücklich oder gibt es da Unterschiede? Oder noch genauer: Zeigen die Gehirnfeuerwerke Unterschiede, wenn man einbezieht, wer mit welchem Anspruch in welche Gemeinschaftsform eintritt, um sein Glück zu suchen?

Die nun folgenden Ausführungen versuchen auch den gebietsfremden, philosophisch unvertrauten Leser auf behutsame Weise mit einer Reihe philosophischer Gedanken in Berührung zu bringen. Es kann aber nicht darum gehen,...

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