Sie sind hier
E-Book

Goodbye Arschgeweih

Von der Kunst, beschissene Tätowierungen zu vermeiden

AutorDaniel Krause
VerlagHeyne
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783641145330
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Der erste umfassende Tattoo-Ratgeber, geschrieben von Deutschlands bekanntestem Tätowierer Daniel Krause
Dieses Land braucht dringend Aufklärung in Sachen permanenter Körperschmuck, denn das liebste Ausdrucksmittel unserer Individualität - mehr als 30 Prozent der 18- bis 35-Jährigen sind tätowiert - treibt viel zu oft viel zu scheußliche Blüten. Doch per Laser entfernte Arschgeweihe müssen nicht sein, sagt Daniel Krause, Deutschlands prominentester Tätowierer, wenn man nur ein paar einfache Regeln befolgt. Krause zeigt, wie dehnbar der Begriff Hygiene ist, und erzählt höchst unterhaltsam, was er in 20 Jahren Tattoo-Geschäft an geschmacklichen Entgleisungen erlebt hat.

Daniel Krause ist Deutschlands bekanntester Tätowierer, berühmt geworden ist er mit seiner Sendung Berlin sticht zu bei DMAX und als Darsteller bei Berlin Tag und Nacht. Mittlerweile hat er sein eigenes Format im Sat.1 Frühstücksfernsehen, wo er den Tattotrends rund um den Globus folgt. Auch im Radio ist Krause aktiv, wöchentlich berichtet er bei Energy aus seinem Tattoo-Kosmos.

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

Ein Tätowierer schreibt ein Buch und nennt es »Goodbye Arschgeweih«? Klingt nach Selbstverleugnung, Nestbeschmutzung oder Blasphemie, oder? Mag sein. Mein Kumpel Mark Benecke, der in diesem Buch später noch ausgiebiger zu Wort kommen wird, meinte außerdem, dass die jüngere Generation den Titel gar nicht verstehen würde, weil sie den Arschgeweih-Trend nicht selbst miterlebt habe und deshalb nicht wisse, was damit überhaupt gemeint sei. Auch das mag sein. Also, liebe Kiddies: bei einem Arschgeweih handelt es sich um ein symmetrisch geschwungenes Tribal, das sich Tausende von Frauen im Zuge der frühen Tattoo-Welle zu Beginn dieses Jahrtausends auf den Steiß haben tätowieren lassen. Damals war das neu, es war erotisch, und es war mutig. Die Trägerinnen des Arschgeweihs waren die Sexsymbole des Millenniums. Dann stellten sie nach fünf Jahren fest, dass das Motiv aus der Mode war und inzwischen weniger mit Individualität als mit inflationärem Proll-Chic zu tun hatte. Also sind sie in Scharen zu ihren Tätowierern gerannt, um sich die Dinger abdecken oder weglasern zu lassen. In diesem Zusammenhang hat sich der spöttische Ausspruch »Goodbye Arschgeweih« zum geflügelten Wort entwickelt. Erst stand auch ich ihm skeptisch gegenüber. Warum ich ihn mittlerweile differenzierter betrachte, erzähle ich gleich, vorweg gibt es ein kleines Krause-Gleichnis:

Mein letztes Arschgeweih hab ich vor fünf Jahren gestochen. Da war der Trend schon vorbei und das Motiv bereits eine Lachnummer. Eines Tages kamen zwei aufgebrezelte Mädels in den Laden: Pinkfarbener Pulli, Baseballmütze, Goldkettchen, hochgestemmte Brüste, Lipgloss-Schmollmünder, Power-Nails und Platin-Blondierung. Es gab also einiges zu gucken, sodass ich das quasienglische Begrüßungsgefasel der Ersten zunächst nicht richtig mitbekam und erst reagierte, als die Zweite mir mit rudimentären Deutschkenntnissen ein »Pfeil« entgegenschleuderte.

Ich: »Äh, was? Pfeil?«

Sie: »Pfeil auf Arsch, Spitze zu Loch. Hahahahaha!«

Laut lachend holte sie einen Zettel aus ihrem Louis-Vuitton-Täschchen und präsentierte die Fotokopie eines verästelten Tribal-Dreiecks. Dann drehten sich beide Mädels um, streckten ihren Hintern raus und deuteten der jeweils anderen auf den Steiß. Die neckische Geste war mir genauso vertraut wie das Motiv. Mit der kleinen Besonderheit, dass mir beides seit mindestens fünf Jahren nicht mehr untergekommen war. Ganz ehrlich: Ich hab mich reflexmäßig nach einer versteckten Kamera umgeguckt. Inzwischen finde ich es fast schon schade, dass keiner mitgefilmt hat, denn der Dialog, der sich anschließend ergab, hätte für jede Menge Gelächter sorgen können. Ich selbst fragte immer wieder ungläubig, ob die beiden es wirklich ernst meinten mit dem Motiv und der Körperstelle, die beiden dachten dagegen, ich flirte mit ihnen, und gaben Kauderwelsch-Antworten, die irgendwo zwischen Kichersprech, Russisch, Englisch und gebrochenem Deutsch anzusiedeln waren. Nach zehn Minuten hatte ich zumindest so viel mitbekommen: Die Mädels waren russische Nutten, die erst vor einem Monat in Berlin gelandet waren und den Tattoo-Wunsch aufrichtig ernst meinten. Ich kam mir ein bisschen vor wie zu alten DDR-Zeiten, wo die Trends aus dem Westen auch immer erst mit fünf Jahren Verspätung ankamen, sodass sie in der BRD schon längst wieder vorbei waren. Vielleicht hatte es aber auch einfach mit dem Eigensinn der Frauen zu tun. Ich habe ihnen bestimmt zehnmal das Wort »out« vorgebetet, doch sie antworteten jedes Mal, indem sie vehement den Kopf schüttelten und mir einen Vogel zeigten. Irgendwann gab ich auf, und sie bekamen ihre Arschwippen. Und sie scheinen Anklang gefunden zu haben: In den folgenden Wochen hatte ich jedenfalls noch drei Déjà-vus mit ähnlichen Frauen, weil die beiden Grazien ihre Kolleginnen vorbeischickten. Ein bisschen kam ich mir vor wie das letzte Einhorn, das inmitten eines tosenden Modernisierungssturms in seinem Elfenbeinturm sitzt und den Ritualen einer überkommenen Tradition frönt. Ich sah sogar schon die Schlagzeile vor mir: »Daniel Krause: Der letzte Arschgeweih-Mohikaner Deutschlands«. So weit kam es dann doch nicht, dafür komme ich jetzt endlich zu dem Punkt, auf den ich eigentlich hinauswollte: dem Titel dieses Buches:

In dem »Goodbye« steckt ganz viel drin. Der Aufstieg und Fall des Sexsymbols Arschgeweih steht nicht nur für das höhnische Gelächter, das sich viele für ihren »Fehltritt« anhören durften und noch dürfen. Im Gegenteil, für mich steht es für den Beginn einer Bewegung. Man muss sich mal vor Augen führen, was seitdem alles passiert ist: Aus einem Trend ist ein Massenphänomen geworden – und aus einem Standardmotiv eine komplett neue Kunstform. Im Klartext: Wenn das Arschgeweih nicht irgendwann mal über den Ärschen der Frauen gelandet wäre, hätten wir heute keinen Tattoo-Boom, keinen New-School-Style und keine Auseinandersetzung mit dem Thema, die in allen gesellschaftlichen Schichten geführt wird. In grauer Vergangenheit musste ja auch erst mal das Rad an den Pferdewagen gebaut werden, um irgendwann zu dem Fahrkomfort weiterentwickelt zu werden, den wir heute mit schicken Porsches oder BMWs erleben dürfen. Wenn man so will, war das Arschgeweih das Rad am Pferdewagen, während die New-School-Motive von heute die BMWs und Porsches der Tattoo-Kunst sind.

Insofern steht »Goodbye Arschgeweih« auch für das Abschiednehmen von Klischees: Indem man sich von dem Standardmotiv verabschiedet, muss man auch alte Tattoo-Vorurteile über Bord schmeißen. Dass Menschen mit Tattoos alle Kriminelle, Prolls, Aussätzige oder Idioten sind, passt einfach nicht zu der Tatsache, dass inzwischen über zehn Millionen Tätowierte in Deutschland rumlaufen, unter denen sich nicht nur Partykids und Türsteher tummeln, sondern auch Wissenschaftler, Doktoren, Anwälte und Professoren. Tattoos sind Mainstream, Zeitgeist und ein Teil heutiger Lebensrealität. Das muss auch die Generation der Über-Fünfzigjährigen, die einerseits die Eliten unseres Landes stellt und andererseits die genannten Klischees verwaltet, erkennen und akzeptieren, sonst ist sie bald abgemeldet und wird selbst zum Arschgeweih unserer Gesellschaft – eine Lachnummer, die entweder veräppelt oder verschämt versteckt wird. Es sei denn, sie entwickelt sich weiter.

Und damit ein paar tröstende Worte an alle, die das Tribal auf ihrem Steiß bereuen oder verfluchen: Ihr seid nicht allein. Ich habe jeden zweiten Tag Frauen, die in den Laden kommen und erst mal zehn Minuten um den heißen Brei herumreden, bis sie mit dem »Unfall« auf ihrer Rückseite herausrücken. Die meisten dieser Frauen haben sich so viel von anderen Menschen reinreden lassen, dass sie den Bezug zu der Motivation verloren haben, mit der sie sich das Ding ursprünglich haben stechen lassen. Objektiv betrachtet ist das Arschgeweih eine sehr erotische Tätowierung, die die weibliche Silhouette betont und sich einer traditionellen Tattoo-Ästhetik bedient. Für so was muss sich sicher keiner schämen, genauso wenig wie dafür, dass man ein sexy Rebell sein wollte, denn genau das war man vor zehn oder fünfzehn Jahren mit einer Arschwippe.

Hinzu kommen Statistiken, die besagen, dass Leute, die sich – egal ob heute oder vor fünfzehn Jahren – für ein Tattoo entscheiden, eine bessere Lebensqualität haben. Sie fühlen sich anders, sie pflegen sich anders, sie haben mehr Spaß, und sie vögeln viel mehr als der Spießer mit der blanken Haut. Die meisten werden dank der Wippe also eine Zeit mit intensiverem Körpergefühl, besserem Sex und mehr Beachtung erlebt haben, die ihnen auch der größte Spötter nicht nehmen kann. Dass diese Zeit vorbei ist, hat in der Regel weniger mit dem Arschgeweih zu tun als damit, dass nicht nur die Tattoos, sondern auch ihre Träger älter geworden sind. Da verschieben sich Prioritäten und Geschmäcker, und am Ende scheinen die Ideale von damals lächerlich und altmodisch. Oft ist das zynisch und unfair und irgendwie masochistisch, denn wer seine Jugend verleugnet, wird im Alter nie zur Ruhe kommen.

Fühlst du dich schon besser? Gut so. Denn ich habe gute Nachrichten für alle, die sich immer noch über ihr Arschgeweih grämen: Ich denke, dass der Trend wiederkommt. Wenn sogar die Marmor-Washed-Jeans, die bis über den Bauchnabel gehen, ihren Weg zurück ins Modeverständnis junger Hipster-Mädchen gefunden haben, dann sollte es die Arschwippe allemal schaffen. Erst werden sie sich Leute als Bad-Taste-Gag oder aus Protest gegen den Überkonsum von Tattoos stechen lassen, und irgendwann lassen sich davon andere inspirieren, die wiederum eine neue Welle lostreten. Spätestens dann sind alle, die noch ein echtes Vintage-Tattoo auf dem Steiß haben, die endcoolen Säue, die den Originaltrend mitbegründet haben.

So lange willst du nicht warten? Verständlich und auch nicht schlimm. Denn Arschgeweihe bieten die besten Voraussetzungen für Umzeichnungen, die die ursprüngliche Herkunft des Tattoos vergessen lassen. Bei Tribals kann man immer die Formen verlängern, man kann Ranken über die Seite und die Pobacken laufen lassen, man kann Wellen draus machen und ein Schiff drauf setzen, man kann Hunde- oder Katzenköpfe drumrum stricken und so weiter. Hat bei mir im Laden alles schon stattgefunden. Ehemalige Arschgeweih-Queens sind dadurch zu Botschafterinnen der neuen Flächen-Tattoos geworden, und der vermeintliche Fehltritt wurde zur Chance. Super gelaufen – aber nicht unbedingt der Normalfall. Deshalb kommen wir nach der Ehrenrettung des Arschgeweihtrends nun zum Untertitel dieses Buches, der auf die Geheimnisse der »Kunst, beschissene Tätowierungen zu vermeiden«, hinweist. Ihnen wollen wir uns auf den kommenden Seiten widmen. Teilweise werde ich sie an meinen eigenen Erfahrungen mit dem Phänomen Tattoo...

Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Gesellschaft - Männer - Frauen - Adoleszenz

Die Sehnsucht nach einer verlogenen Welt

E-Book Die Sehnsucht nach einer verlogenen Welt
Unsere Angst vor Freiheit, Markt und Eigenverantwortung - Über Gutmenschen und andere Scheinheilige Format: ePUB

Freiheit und Eigenverantwortung statt Ideologie und Bürokratie - Günter Ederer analysiert auf Basis dieser Forderung die existenziellen Probleme unserer Gesellschaft: Bevölkerungsrückgang,…

Die Sehnsucht nach einer verlogenen Welt

E-Book Die Sehnsucht nach einer verlogenen Welt
Unsere Angst vor Freiheit, Markt und Eigenverantwortung - Über Gutmenschen und andere Scheinheilige Format: ePUB

Freiheit und Eigenverantwortung statt Ideologie und Bürokratie - Günter Ederer analysiert auf Basis dieser Forderung die existenziellen Probleme unserer Gesellschaft: Bevölkerungsrückgang,…

Mitten im Leben

E-Book Mitten im Leben
Format: ePUB/PDF

Die Finanzaffäre der CDU hat nicht nur die Partei und die demokratische Kultur der Bundesrepublik in eine ihrer tiefsten Krisen gestürzt, sondern war auch der Auslöser für Wolfgang Schäubles Verzicht…

Mitten im Leben

E-Book Mitten im Leben
Format: ePUB/PDF

Die Finanzaffäre der CDU hat nicht nur die Partei und die demokratische Kultur der Bundesrepublik in eine ihrer tiefsten Krisen gestürzt, sondern war auch der Auslöser für Wolfgang Schäubles Verzicht…

Klartext.

E-Book Klartext.
Für Deutschland Format: ePUB/PDF

Streitbarer Querulant, umstrittener Politiker, Nervensäge, wandelndes Medienereignis - all das und mehr ist Jürgen Möllemann. Nach langem Schweigen redet das Enfant terrible der deutschen Politik zum…

Klartext.

E-Book Klartext.
Für Deutschland Format: ePUB/PDF

Streitbarer Querulant, umstrittener Politiker, Nervensäge, wandelndes Medienereignis - all das und mehr ist Jürgen Möllemann. Nach langem Schweigen redet das Enfant terrible der deutschen Politik zum…

Klartext.

E-Book Klartext.
Für Deutschland Format: ePUB/PDF

Streitbarer Querulant, umstrittener Politiker, Nervensäge, wandelndes Medienereignis - all das und mehr ist Jürgen Möllemann. Nach langem Schweigen redet das Enfant terrible der deutschen Politik zum…

Weitere Zeitschriften

FREIE WERKSTATT

FREIE WERKSTATT

Die Fachzeitschrift FREIE WERKSTATT berichtet seit der ersten Ausgaben 1994 über die Entwicklungen des Independent Aftermarkets (IAM). Hauptzielgruppe sind Inhaberinnen und Inhaber, Kfz-Meisterinnen ...

küche + raum

küche + raum

Internationale Fachzeitschrift für Küchenforschung und Küchenplanung. Mit Fachinformationen für Küchenfachhändler, -spezialisten und -planer in Küchenstudios, Möbelfachgeschäften und den ...

Das Grundeigentum

Das Grundeigentum

Das Grundeigentum - Zeitschrift für die gesamte Grundstücks-, Haus- und Wohnungswirtschaft. Für jeden, der sich gründlich und aktuell informieren will. Zu allen Fragen rund um die Immobilie. Mit ...

die horen

die horen

Zeitschrift für Literatur, Kunst und Kritik."...weil sie mit großer Aufmerksamkeit die internationale Literatur beobachtet und vorstellt; weil sie in der deutschen Literatur nicht nur das Neueste ...

elektrobörse handel

elektrobörse handel

elektrobörse handel gibt einen facettenreichen Überblick über den Elektrogerätemarkt: Produktneuheiten und -trends, Branchennachrichten, Interviews, Messeberichte uvm.. In den monatlichen ...