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Gott auf der Couch

Neues zum Verhältnis von Psychoanalyse und Religion

AutorTilmann Moser
VerlagGütersloher Verlagshaus
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783641065553
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Zwischen Urvertrauen und Zweifel - braucht der Mensch nicht doch Religion?
- Von einer Gottesvergiftung zu einem erträglichen Gott

- 35 Jahre nach dem Klassiker Neues zum Verhältnis von Religion und Psychoanalyse

Tilmann Moser, geboren 1938, Dr. phil., ist Psychoanalytiker und Körperpsychotherapeut. Nach dem Studium der Literaturwissenschaft und der Soziologie sowie einer journalistischen Ausbildung wurde er am Sigmund-Freud-Institut zum Psychoanalytiker ausgebildet Seit 1978 arbeitet er in eigener Praxis mit den Schwerpunkten Psychoanalyse und seelische Spätfolgen von NS-Zeit und Krieg sowie Psychotherapie und Religion/repressive Religiosität.

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Leseprobe
Der verfluchte Kinderglaube – Über die Unlust, versunkenes Gelände zu betreten (S. 93-94)

Der Patient ist ein etwa 40-jähriger Wirtschaftsprüfer, der vor gut zwei Jahren wegen seiner morgendlichen Panikattacken und Antriebsstörungen bei der Arbeit zu mir gekommen ist. Er hat mit sechs Jahren unter tragischen Umständen seine depressive Mutter verloren, seine ältere Schwester starb als Studentin an einer nicht erkannten Lungenentzündung. Es dauerte lange, bis er seiner religiösen Kindheitsgeschichte überhaupt ansichtig werden konnte.

Er versuchte immer wieder, mich auf den Arm zu nehmen, wenn ich in dieser Richtung Fragen stellte: Ich hätte wohl ein neues Forschungsthema. Träume wiesen ihn schließlich darauf hin, dass er einmal ein frommes Kind gewesen war. Schwer fiel ihm das Eingeständnis, dass er sieben Jahre Ministrant war, er betonte auch, dass dieser Dienst ja wohl kaum in wirklicher Andacht vollzogen würde, viel eher waren ihm die Streiche der den Ritus mittragenden Jungenbande in Erinnerung. Und doch schien es, als habe er mit dem Gottesdienst und der Beziehung zu den Geistlichen so etwas wie eine geistige Heimat erlebt.

Es sei übrigens von Seiten des Vaters vollkommen selbstverständlich gewesen, dass er in diesen Verein »einrücke«. Vorsichtig haben wir uns in der letzten Stunde, die etwa die achtzigste war, dem Thema genähert, es hat ihn weiter beschäftigt, und es bestimmt gleich die Stimmung beim Beginn der Stunde, die ich hier kommentiere. Er eröffnet die Sitzung mit verlegen klingenden Sätzen: »Ich merke im Moment, dass ich gerade ganz ..., ich weiß es gar nicht, wie ich es sagen soll, befangen bin und nicht weiß, warum.« Ich drücke meine Vermutung aus: »Wegen der Religion ...«, die in den letzten Wochen Thema geworden ist.

Er antwortet sehr zögernd: »Wahrscheinlich ja. Gerade dieses Nachprüfen der Firmenbilanz, da war ich irgendwie hineinverstrickt, ich habe mit einem sachkundigen Freund telefoniert und auch ein Stück weit eine Lösung gefunden – auf der Sachebene. Die Grübelebene kommt noch dazu, so haben wir beide das genannt, das ist was ganz Spezielles. « Obwohl er sehr kompetent ist, passiert es ihm immer wieder, dass er seine Lösungen anzweifelt und Angst bekommt, er könne einen gravierenden Fehler nicht bemerkt haben.

Dann grübelt er stundenlang, schreckt nachts auf und möchte am liebsten den Beruf aufgeben. Wir sind schon dahintergekommen, dass diese Mischung aus Angst und Grübeln im Zusammenhang mit den »theologischen« Problemen der Beichte aufgekommen ist. Er wusste als Kind oft nicht, ob er nun richtig und gültig und mit der nötigen Reue gebeichtet hatte; wie schwer seine Sünden wogen und ob die Zweifel am Ergebnis der Beichte, die ihn kurzfristig entlastete, nicht schon wieder eine schwere Sünde waren. Ich frage ihn: »Und jetzt fangen die Grübeleien über eine Gottesübertragung an – und über die therapeutische Beichte.«

Er stimmt zu und möchte, für mein Gefühl aus Abwehr gegen die aufkommenden Gefühle, eine »Geschichte« erzählen. Deshalb sage ich: »Nein, lass uns deine Befangenheit untersuchen.« (Das Du stammt aus einer kurzen gesellschaftlichen Situation einige Jahre vor Beginn der Therapie.) Er gibt sich sichtlich einen Ruck und sagt: »Die Sache schnürt mir ein bisschen den Hals zu, und die Tränen steigen mir fast bis in die Augen auf.
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