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E-Book

Gott macht glücklich

und andere fromme Lügen

AutorMarkus Spieker
VerlagSCM Hänssler im SCM-Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl176 Seiten
ISBN9783775171724
Altersgruppe25 – 50
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Markus Spieker zeigt in brillanter Weise auf, wie verkorkst und weit weg vom eigentlichen Kern des Evangeliums unser Denken vielfach ist. Ehrlich und unverblümt vermittelt er Aha-Erlebnisse, die manche dankbar aufnehmen, andere aber energisch zurückweisen werden. Selten hat ein Autor seinen Mitchristen so pointiert den Spiegel vorgehalten. Keine leichte, aber extrem leicht lesbare Kost, die für reichlich Diskussionsstoff sorgen wird.

Dr. Markus Spieker arbeitet als TV-Auslandskorrespondent. Er wurde in Duisburg geboren und studierte in Gießen und Los Angeles Geschichte und Filmwissenschaften.1999 veröffentlichte er seine Dissertation 'Hollywood unterm Hakenkreuz: Der amerikanische Spielfilm im Dritten Reich'. Er ist Autor mehrerer Bücher und schreibt regelmäßig für das evangelische Nachrichtenmagazin 'idea'.

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Leseprobe

Mythos 1: Gott macht glücklich | Oder: Warum die Schwerkraft auch für Christen gilt und ihnen Flügel erst im Himmel wachsen

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Wenn man die Landkarte der Türkei vor sich liegen hat, sucht man die Stadt Nizäa vergeblich. Sie heißt heute Iznik und ist deshalb nur noch Theologen und Märchenfans ein Begriff:

Theologen, weil dort ein bekanntes Glaubensbekenntnis herkommt.

Und Märchenfans, weil dort der kleine Muck geboren wurde.

Ich habe das von Wilhelm Hauff verfasste Märchen als Kind vorgelesen bekommen und später die DEFA-Verfilmung von Wolfgang Staudte gesehen. Aber erst in letzter Zeit ist mir aufgefallen, dass sie wie kaum ein anderes Märchen das Dilemma der menschlichen Existenz beschreibt:

Der kleine Muck ist ein quietschfröhlicher Zwerg mit einem riesigen Kopf. Nach dem Tod seines Vaters, der ihn wegen seiner Hässlichkeit verachtet hat, wird er von den Verwandten aus dem Haus gejagt. Eingepackt in die viel zu großen Kleider seines Vaters macht er sich auf, »um sein Glück zu suchen«. Weil er so naiv ist, von der grundsätzlichen Fürsorglichkeit seiner Mitmenschen auszugehen, ist ihm nicht bange. Als er nach tagelangem Marsch die nächste Stadt erreicht, glaubt er, dass sich bald irgendwo eine Tür öffnen und eine Stimme sagen wird: »Kleiner Muck, komm herein und iss und trink und lass deine Füßlein ausruhen.« Aber die Türen bleiben zu. Er landet schließlich bei der kauzigen Katzenliebhaberin Frau Ahavzi und, nachdem die ihn abserviert hat, beim Sultan. Immer macht er die gleiche niederschmetternde Erfahrung. Er wird belogen, ausgenutzt und zu Unrecht bestraft. Erst einige fantastische Zufälle bescheren ihm das Glück, nach dem er sich ausgestreckt hat.

Die Geschichte des kleinen Muck ist unsere eigene. Genau wie er schleppen wir einen Kopf mit uns herum, der größere Träume enthält, als diese Welt befriedigen kann. Auch wir suchen nach dem Glück und verstehen darunter einen Ort, an dem wir ankommen und ausruhen können, umgeben von Menschen, von denen wir Barmherzigkeit oder sogar Zärtlichkeit erfahren. Leider begegnen wir unterwegs immer wieder Zeitgenossen, die uns mit Lügen und leeren Versprechungen in die falschen Häuser locken. Nachher finden wir uns ausgebrannt und desillusioniert auf der Straße wieder und fragen uns: Wo können wir einkehren? Wer nimmt uns auf? Wer meint es gut mit uns?

Das ist der sozialbiologische Imperativ, mit dem wir auf die Welt kommen: uns möglichst wonnevoll und schmerzfrei durchzuwurschteln. Möglichst lange und gesund leben, eine intakte Familie gründen und ein Haus bauen, in das es nicht reinregnet.

Nicht immer gelingt das, so wie wir es uns vorgenommen haben.

Dass im Leben überall Gefahr und Verführung lauern, ist an sich schlimm genug. Noch schmerzhafter ist die Erkenntnis, dass die Gefahr oft von Menschen ausgeht, die für sich in Anspruch nehmen, im Auftrag Gottes zu sprechen.

Besonders toxisch finde ich die Botschafter des sogenannten »Wohlstandsevangeliums«. Sie behaupten, dass Gott nicht nur einen Heils-, sondern auch einen Businessplan für unser Leben hat.

Ihre Message lässt sich in zwei Kerngedanken zusammenfassen:

Erstens: Gott will dafür sorgen, dass es uns nicht nur spirituell, sondern auch materiell gut geht.

Zweitens: Wir müssen Gott dabei helfen. Indem wir mehr spenden, mehr beten und uns mental neu konditionieren. Es handelt sich gewissermaßen um eine Kofinanzierung. Gott stellt uns ausreichend Mittel zur Verfügung. Wir müssen sie nur abrufen.

Es liegt also an uns.

Mit derselben Masche – nämlich: an die menschliche Eitelkeit und Kontrollsucht zu appellieren – triumphierte die Schlange im Garten Eden.

Heute wird die Irrlehre von der Selbstoptimierung nicht zuletzt von der Pseudo-Religionsgemeinschaft »Scientology« verbreitet. Deren Gründer L. Ron Hubbard, der sich vorher einige Zeit im Umfeld des Satanisten und Sexmagiers Aleister Crowley herumgetrieben hatte, trat 1948 an die Öffentlichkeit.

Vier Jahre später sorgte der New Yorker Pfarrer Norman Vincent Peale mit seinem Buch »Die Kraft des positiven Denkens« für Aufsehen. Dabei handelte es sich nicht wie bei Hubbard um die Scharlatanerie eines machthungrigen Querkopfs. Die Parallelen zwischen beiden Denksystemen sind dennoch unübersehbar.

Im Kern steht die folgende Botschaft:

Verscheuche die negativen Gedanken!

Du musst dir nur selbst vertrauen!

Du kannst es!

Nach wie vor werden diese autosuggestiven Appelle, in unterschiedlichen Dosierungen, von vielen Kanzeln und auf vielen Fernsehkanälen verkündigt. Insbesondere im Land, das sich das »Streben nach Glück« in die Verfassung geschrieben hat: den Vereinigten Staaten.

Die USA sind seit jeher ein ideales Betätigungsgebiet für Trash-Theologen aller Art, wie etwa in Mark Twains »Huckleberry Finn« oder Flannery O’Connors »Die Weisheit des Blutes« nachgelesen werden kann. Dass viele dieser frommen Dummschwätzer von sich und ihrer Botschaft überzeugt sind, macht die Sache nicht besser, sondern bedrohlicher. Denn das eigene Sendungsbewusstsein steigert die Überzeugungskraft der falschen Doktrinen.

Vor ein paar Jahren war ich in der Hochburg der geistlich verbrämten Abzocke zu Besuch. Das Hauptquartier von »Trinity Broadcast Networks« (TBN) liegt in Florida, zwischen Disneyland und dem Einkaufsparadies »Fashion Island«. Hier, in Orange County, dem reichsten Bezirk der USA, wird das erfolgreichste christliche Fernsehprogramm der Welt produziert. Ich hatte schon mehrmals versucht, als Journalist hinter die Kulissen des Senders zu schauen, war aber jedes Mal abgewimmelt worden. »Wir sind von ihren Kollegen böse verbrannt worden«, lautete die Entschuldigung, die sich auf Berichte über Finanz- und Sexskandale bei TBN bezog. Jetzt unterstützte das amerikanische Außenministerium meinen Recherchetrip, und den Regierungsbeamten gelang tatsächlich, mir einen Interviewtermin zu verschaffen: nicht mit den exaltierten Besitzern von TBN, der schrillen Diva Jan Crouch und ihrem Cowboy-Ehemann Paul, sondern einem steifen Stellvertreter. Vorher wurde ich durch eine kitschige Indoor-Rekonstruktion der »Via Dolorosa« geführt. Ansonsten hatten sich die Architekten des riesigen Gebäudekomplexes weniger von Golgatha als von mittelalterlichen Vorstellungen des himmlischen Jerusalem inspirieren lassen. So viel Kunstgold wie bei TBN habe ich sonst nur bei der Weihnachtsdekoration des »KaDeWe« gesehen. Goldverziert war auch das Besteck, das mein Gourmet-Mittagessen verzierte, während mich ein dunkelhäutiger Kellner, der sich als ehemaliger Missionar entpuppte, bediente. Er schwieg devot, während der weißhäutige Vizechef mir die Erfolgsbilanz des Senders vortrug. Das Spendenaufkommen, von dem sich der Sender finanzierte, stieg angeblich permanent an. »Die Leute unterstützen uns, weil wir das Evangelium predigen«, versicherte mir der Manager. Nachdem ich mir ein paar Wochen lang das Programm von TBN angeguckt habe, wurde mir klar, dass damit nicht das Evangelium von Jesus Christus gemeint war. Eher das von Simon, dem Zauberer in der Apostelgeschichte, der den Jüngern das Rezept zum Wunderheilen und Geisttaufen abkaufen will.

In zahlreichen Sendungen, die von TBN ausgestrahlt werden und auch in Deutschland eine beträchtliche Fangemeinde haben, wird der Glaube als Transaktion beschrieben. Erst säen, vorzugsweise in Form von Kreditkartenüberweisungen, dann ernten – Gesundheit, Wohlstand, Ruhm. Die Botschaft von Kenneth Copeland, Benny Hinn und Konsorten lautet: »Wie du mir, so Gott dir.«

Etwas geschmeidiger und ohne den Ballast vieler Bibelstellen formuliert ein anderer Megakirchenpastor und Tele-Evangelist, nämlich Joel Osteen, seine Botschaft. Er predigt – ganz in der Tradition von Norman Vincent Peale – den totalen Optimismus, koste es, was es wolle, und sei es den gesunden Menschenverstand. Mit seinem Markenzeichen, dem blendend weißen Breitwand-Lächeln, verspricht er von den Umschlägen seiner Bücher garantiert zuverlässige Rezepte, »wie man sieben Tage in der Woche glücklicher sein kann«, »wie man seinen Alltag verbessert«, »wie man seinen Glauben aktiviert, seine Träume erreicht und in Gottes Gunst wächst«.

Nicht ganz so radikal und flankiert von durchaus vernünftigen Ansichten ist die Botschaft der weltweit erfolgreichsten Fernsehpredigerin, Joyce Meyer. Über den theologischen Gehalt ihrer Botschaft will ich an dieser Stelle nicht urteilen. Problematisch ist jedenfalls die anthropologische Hauptthese. Der Titel ihres größten Bestsellers ist Programm:

»Das Schlachtfeld der Gedanken: Gewinne die Schlacht in deinem Verstand.«

Mit anderen Worten: Unser Bewusstsein ist der Austragungsort eines Ringens zwischen guten und bösen, positiven und negativen, göttlichen oder satanischen Gedanken. Die primäre Realität existiert nicht draußen, in der Welt, sondern drinnen, in unseren Köpfen. Unsere Gehirne sind die Schaltzentralen der Geschichte. In einem anderen Buch verrät Joyce Meyer »zwölf Strategien, um die Schlacht in deinem Verstand zu gewinnen«. Sie betont vorab: »Ich glaube von ganzem Herzen, dass unsere Gedanken uns führen und den Kurs unseres Lebens bestimmen.« Zu den von ihr aufgelisteten »Power-Gedanken« gehören:

  • »Ich werde nicht in Angst leben.«
  • »Ich lasse mich nur selten beleidigen.«
  • »Ich bin zufrieden und emotional stabil.«
  • »Ich bin selbstdiszipliniert und kontrolliert.«

Klingt gut.

Leider ist Joyce Meyer auf dem Holzweg. Denn Autosuggestion funktioniert nur sehr begrenzt. Tatsächlich wird unser Bewusstsein vor allem von unserem...

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