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E-Book

Gott und die Bibel

AutorPeter Müller
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783170234765
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis23,99 EUR
The bible is, to a large extent, an intertextual work. This applies both to the Old Testament and the New Testament respectively, but also especially in regards to the link between the New and Old Testament. For this reason, it is very important to discover crosslinks. These crosslinks are being explored based on text examples & from the Torah, the records, the prophets, the gospel, the Pauline and Deutero-Pauline letters and the Revelation. As well as questions of the historic interpretation of the bible (for example fourfold exegesis, literal interpretation), fundamental biblical didactic problems are explored, and examples of the treatment of biblical texts in lessons are offered.

Prof. Dr. Peter Müller teaches the New Testament and religious pedagogy at PH Karlsruhe.

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Leseprobe

3.         Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde (Gen 1,1)


Wo kommen wir her? Wo ist der Anfang von allem? Hat sich alles „von selbst“ entwickelt? Gab es einen Big Bang, mit dem alles angefangen hat? Aber was war davor? Alles durcheinander, chaotisch? Oder hat (ein) Gott alles genau ausgemessen und geschaffen? Zu allen Zeiten haben Menschen über den Ursprung der Welt und ihren eigenen Ursprung nachgedacht. In diesem Kapitel geht es darum,

−  die Schöpfungstexte in Gen 1–3 und ihre Bedeutung für die biblische Botschaft kennenzulernen;

−  die Rede von der Schöpfung und Gott als Schöpfer nachzuvollziehen;

−  in diesem Zusammenhang auch das Menschenbild der Bibel zu bedenken

−  und Hinweise auf die Umsetzung des Schöpfungsgedankens im Unterricht zu geben.

Es liegt auf der Hand, dass es vom Beginn der Welt keine Berichte gibt. Die „Schöpfungsberichte“ sind keine Dokumentationen, sondern Vorstellungen vom Anfang. Die Menschen, die sie aufgeschrieben haben, waren davon überzeugt, dass der urzeitliche Anfang zugleich Hinweise darauf gibt, wie die eigene Gegenwart verstanden werden kann. Texte, die solche Beziehungen herstellen, nennt man Ätiologien*.

3.1        Geschichten vom Anfang


Die ersten 11 Kapitel des Buches Genesis bezeichnet man als Urgeschichte. Was hier erzählt wird, liegt aller datierbaren Geschichte voraus. Die eigentlichen Schöpfungsgeschichten stehen in Gen 1–3. Der erste Text (Gen 1,1–2,4a, im Folgenden Gen 1) erzählt von der Erschaffung der Welt in sechs Tagen und von einem anschließenden Ruhetag; die zweite (Gen 2,4b–3,24, im Folgenden Gen 2f.) ist eine Erzählung vom Menschen im Garten Eden und von der Vertreibung daraus. Wenn man die beiden Geschichten miteinander vergleicht, sind Unterschiede und sogar Widersprüche unübersehbar:

Die Unterschiede beziehen sich auf die Vorstellung von der Welt (vor und nach der Schöpfung), vom Menschen und von Gott; Die beiden Schöpfungstexte können nicht zusammen konzipiert worden sein. Es sind ursprünglich selbständige Texte, sie stammen aus verschiedenen Milieus und setzen unterschiedliche Akzente. Der erste Bericht ist durch das Tagesschema klar gegliedert.

Gen 1,1–5 Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. 2 Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser. 3 Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. 4 Und Gott sah, dass das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis 5 und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag.

Am Anfang steht nicht nichts, sondern Unordnung: Nach Gen 1,2 ist die Welt „wüst und leer“ (tohu wa-bohu). Die Vorstellung vom urzeitlichen Chaos, das durch Götter oder einen Gott geordnet wird, ist im Alten Orient mehrfach anzutreffen. Die Urflut (tehom V. 2) hat bedrohlichen Charakter, was sich später in der großen Flut Gen 6–9 zeigt; aber Gott setzt dem Wasser eine Grenze (vgl. Hi 38,8–11; Ps 104,6f.). Im Anschluss werden sechs Schöpfungstage beschrieben, an denen Licht (1,3–5), Himmel (1,6–8), Land und Meer sowie Pflanzen (1,9–13), Sonne, Mond und Sterne (1,14–19), Vögel und Wassertiere (1,20–23) und schließlich Landtiere und Menschen (1,24–31) geschaffen werden. Das ursprüngliche Chaos muss nach und nach einer lebensdienlichen Ordnung weichen. Die Bewertungen „und Gott sah, dass es gut war“ laufen auf die Bestätigung V. 31 hinaus: „Und siehe, es war sehr gut.“

Die einzelnen Tage sind gleich aufgebaut: Auf eine Spruchformel („und Gott sprach“), ein Wort Gottes („es werde“) und das Konstatieren des Vollzugs („und es geschah so“) folgen eine Handlung/Benennung („Gott machte bzw. nannte“), eine Bewertung („dass es gut war“) und die Tageformel („aus Abend und Morgen der … Tag“). Abweichungen von diesem Schema finden sich besonders in V. 22 und 28. In V. 22 werden die (Wasser-)Tiere und Vögel gesegnet, in V. 28 die Menschen. Sie sollen fruchtbar sein und ihren Lebensraum füllen; die Menschen sollen zudem über die Tiere und die ganze Erde herrschen. Dass dieser Herrschaftsauftrag als Segen formuliert wird, zeigt, dass nicht an schrankenlose Herrschaft gedacht ist, sondern an ein segensreiches Wirken der Menschen als Statthalter Gottes.

Der siebte Tag trägt besonderes Gewicht (2,2f.): An ihm ruht Gott von all seinen Werken. Das wird in zwei fast gleich lautenden Sätzen hervorgehoben; dazwischen findet sich ein Segen des Ruhetags selbst: „Und Gott segnete den siebten Tag und heiligte ihn.“ Die Schöpfung ist erst vollständig mit diesem Tag. Das Substantiv Sabbat findet sich im hebräischen Text nicht, wohl aber das ähnlich klingende Verb šabat, das „aufhören“ bedeutet. So wird eine Beziehung zum Sabbat angedeutet. Überhaupt tritt der Aspekt der Zeit hervor: Am Anfang, sieben Tage, Abend und Morgen – die Zeit und ihre Rhythmisierung ist ein wesentliches Element des ersten Schöpfungsberichts.

Der zweite Schöpfungstext (Gen 2f.) erzählt von den Anfängen.

Gen 2,7–9 Da machte Gott der HERR den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen. 8 Und Gott der HERR pflanzte einen Garten in Eden gegen Osten hin und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hatte. 9 Und Gott der HERR ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, verlockend anzusehen und gut zu essen, und den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen.

Bereits der Urzustand wird anders gedacht als in Gen 1. Hier ist nicht von einer Urflut die Rede, sondern von trockenem Land. Zuerst wird aus Erde der Mensch gemacht. Im Hebräischen liegt ein Wortspiel vor: Der Mensch (adam, kein Name, sondern Gattungsbezeichnung) ist von der Erde (adama) genommen, er ist ein „Erdling“. Er wird in den Garten hineingesetzt, der ihm als Lebensraum dient und den er nach 2,15 bebauen und bewahren soll.1 Danach erschafft Gott die (Land-)Tiere, denen der Mensch die Namen zuweist. Da sie kein wirkliches Gegenüber sind, wird – erst jetzt – die Frau geschaffen (ischa – Männin, vom isch – dem Mann genommen). Die Gefährtin wird von ihm willkommen geheißen (V. 23). V. 24 folgert daraus die Zusammengehörigkeit von Mann und Frau, und so wird deutlich, dass die Erzählung diese allgemein menschliche Erfahrung begründet (Ätiologie*).

Nun greift die Erzählung auf das Motiv der beiden Bäume zurück (2,9), von denen in 3,1ff. zunächst nur der Baum der Erkenntnis aufgenommen wird. Die folgende Szene wird meist als „Sündenfall“ bezeichnet. Der Begriff Sünde kommt aber noch nicht vor. Die Menschen verstecken sich nicht vor Gott, weil sie gegen sein Gebot verstoßen haben, sondern weil sie erkennen, dass sie nackt sind. Es ist diese neue Erkenntnis, die die Menschen von Gott entfernt. Sie erkennen sich gegenseitig in ihrer Körperlichkeit, gewinnen die Fähigkeit zur Unterscheidung von Gut und Böse und merken, dass sie zum Bösen fähig sind. Diese Erkenntnis bringt ihnen einen Zuwachs an Leben, aber auch Verantwortung und die Möglichkeit des Scheiterns. Sünde im moralischen Sinn ist nicht im Blick. Die mythologischen Motive der Erzählung (z. B. Gott als Töpfer; die Schlange kann sprechen; das Essen einer Frucht bewirkt Erkenntnis) zeigen, dass es nicht um datierbare Geschichte geht, sondern um eine alle Menschen betreffende Zeit, in der das Wesen des Menschen zutage tritt.

Mit ihrem Streben nach und dem Gewinn von Erkenntnis können die Menschen nicht in dem Garten bleiben, den Gott für sie gepflanzt hat. 3,22 begründet dies mit der Befürchtung Gottes, dass die Menschen auch noch vom Baum des Lebens essen und unsterblich werden könnten. Diese Erklärung ist nachgetragen. Die „paradiesische“ Existenz ist bereits mit der Erkenntnis von Gut und Böse aufgehoben. Zwar sorgt Gott auch weiterhin für die Menschen (V. 21), aber die unmittelbare Nähe Gottes ist ihnen nun verschlossen.

3.2        Kontexte


Die beiden Texte stehen nicht für sich. Die sogenannte Toledot-Formel (toledot – „dies ist die Abfolge der Himmel und der Erde“) schließt in Gen 2,4 den ersten Schöpfungstext ab; sie findet sich auch in 5,1ff. (Genealogie von Adam bis Noah), 6,9f. (Genealogie Noahs) und 10,1ff. (Söhne Noahs); ab 11,10 wird das Geschlecht Sems beschrieben, das auf...

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