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Grenzen der Staatsverschuldung am Beispiel Deutschlands

AutorBenjamin Hammer
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl88 Seiten
ISBN9783656464723
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis31,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2013 im Fachbereich VWL - Geldtheorie, Geldpolitik, Note: 1,3, Brandenburgische Technische Universität Cottbus (Institut für Wirtschaftswissenschaften), Sprache: Deutsch, Abstract: Staatsverschuldung ist, wie Ottnad (1996, S. 15) feststellt, ein geografisch und historisch universelles Phänomen. 'Die Geschichte der Existenz von Staatswesen ist gleichzeitig eine Geschichte der Staatsverschuldung' (Wagschal, 1996, S. 13). Und die Geschichte der Staatsverschuldung ist wiederum eine Geschichte von Staatsbankrotten, wobei der erste aktenkundige Bankrott auf Dionysius von Syrakus (430-367 v.Chr.) im fünften Jahrhundert vor Christus zurückgeht (Konrad & Zschäpitz, 2010, S. 102-103). Die derzeitige Aktualität begründet sich vor allem mit der Entwicklung der Staatsfinanzen innerhalb der Europäischen Union (EU). So ist die Verschuldung der EU in den letzten zehn Jahren von 61,9 Prozent (2000) auf 82,5 Prozent (2011) gestiegen. Vor allem in Griechenland, Italien, Irland, Island und Portugal liegen die Schuldenstandsquoten mit über 100 Prozent weit über dem von der EU zulässigen Grenzwert (Eurostat, 2013d). Doch nicht nur die hohen und steigenden Schuldenstände werden kritisch gesehen. Die zunehmenden finanziellen Schwierigkeiten einiger EU-Mitgliedstaaten führten zu Rettungspaketen, Hilfszahlungen und Garantien anderer Mitgliedstaaten in dreistelliger Milliardenhöhe, um den Staatsbankrott zu verhindern. Damit drohen für die Geberländer wie Deutschland zukünftig zusätzliche Belastungen für den Staatshaushalt. Der Umfang und die bisher ungebremste Zunahme der Staatsverschuldung innerhalb der EU wirft in der öffentlichen, wissenschaftlichen und politischen Diskussion die Frage nach den Grenzen der Verschuldung auf.

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Leseprobe

2 Grundlagen der Staatsverschuldung


 

2.1 Definition und Abgrenzung


 

Wie wird der Begriff der Staatsverschuldung definiert und wie wird er nach den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) bzw. dem Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG) und der Finanzstatistik abgegrenzt?

 

Definition

 

Unter Staatsverschuldung, auch als öffentliche Verschuldung bezeichnet, wird in dieser Arbeit die öffentliche Mittelbeschaffung durch Kredite verstanden, die mit einer Verzinsungs- und Rückzahlungsverpflichtung verbunden ist (Andel, 1998, S. 392).

 

Die Staatsverschuldung ist neben Steuern, Gebühren und Beiträgen ein weiteres einnahmepolitisches Instrument für den Staat. Im Gegensatz zu regelmäßig fließenden Steuereinnahmen (ordentliche Einnahmen) ist die Staatsverschuldung jedoch eine außerordentliche oder auch vorläufige Einnahme. Vorläufig deshalb, da die Notwendigkeit der Refinanzierung besteht und die Kreditaufnahme zu einem späteren Zeitpunkt zu Zinszahlungen und Tilgungszahlungen führt. Diese müssen dann durch neue Kredite, Steuereinnahmen oder durch Ausgabensenkungen in anderen Bereichen des Staates finanziert werden (Brümmerhoff, 2011, S. 627). Weiterhin handelt es sich bei der Aufnahme von öffentlichen Schulden – im Gegensatz zu laufenden Einnahmen − in der Regel um Einnahmen aus der Beteiligung am marktwirtschaftlichen Prozess. Wenn der Staat also sein fiskalisches Ziel erreichen möchte, muss er sich den aktuellen Marktbedingungen anpassen und kann keinen staatlichen Zwang ausüben (Petersen, 1988, S. 87; Scherf, 2009, S. 397-398).

 

Abgrenzung

 

Um den Begriff der Staatsverschuldung abzugrenzen, ist ein Blick in die Rechnungslegung notwendig. Für die öffentlichen Haushalte werden dabei zwei verschiedene Rechenwerke verwendet: die Finanzstatistik und die VGR bzw. das ESVG, wobei das ESVG weitgehend den VGR entsprechen (Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, 2007, S. 9-12).

 

Die Differenzen zwischen der VGR und der Finanzstatistik beruhen zum einen auf institutionellen und zum anderen auf methodischen Unterschieden (Dietz, 2006).

 

Grundlage für die Zusammenstellung der Daten in den VGR ist das ESVG. Demnach ist der Begriff „Staat“ der Oberbegriff für den Gesamtsektor. Nach institutioneller Abgrenzung gehören zum Sektor „Staat“ einerseits die Gebietskörperschaften, d.h. Bund, Länder, Gemeinden. Darin eingeschlossen sind die Gemeindeverbände, die kommunalen Zweckverbände sowie Sonderfonds der Gebietskörperschaften wie den Lastenausgleichsfonds oder das ERP-Sondervermögen. Andererseits zählen ebenso die Sozialversicherungsträger zum Sektor Staat, wozu insbesondere die Renten-, Kranken-, Unfall-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung und die Bundesagentur für Arbeit gehören (Baßeler, Heinrich, & Utecht, 2010, S. 396; Dietz, 2006, S. 340).

 

In der Finanzstatistik umfasst der Staat dagegen nur die Zentralhaushalte Bund, Länder, Sozialversicherungen und das Sondervermögen des Bundes und der Länder. Der Begriff Staat im Sinne der VGR entspricht finanzstatistisch dem öffentlichen Gesamthaushalt. Daher besteht zwar eine begriffliche Abgrenzung zwischen beiden Rechenwerken, jedoch ist eine vergleichende Darstellung beider Systeme möglich, wenn der öffentliche Gesamthaushalt (alle öffentlichen Haushalte) der Finanzstatistik dem Staat nach den VGR gegenüber gestellt wird (Dietz, 2006, S. 340).

 

Die methodischen Unterschiede zwischen den VGR und der Finanzstatistik beziehen sich auf die Periodisierung und die Abgrenzung von Einnahmen und Ausgaben (Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, 2007, S. 10).

 

Bezüglich der Periodisierung wird die Finanzstatistik auch als Kassenstatistik bezeichnet, da sie die Einnahmen und Ausgaben nach Kassenwirksamkeit (cash basis) erfasst. Das heißt, Ein- und Ausgaben werden zu dem Zeitpunkt erfasst, an dem Ausgaben getätigt bzw. Einnahmen geflossen sind. Die VGR kann man hingegen als Verpflichtungsstatistik bzw. Vermögensänderungsstatistik bezeichnen, da sie das Entstehen von Forderungen und Verbindlichkeiten (accrual basis) abbildet. Insofern ist zwischen einem Finanzierungssaldo – als Differenz von Einnahmen und Ausgaben – nach Finanzstatistik und einem Finanzierungssaldo nach VGR zu unterscheiden (Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, 2007, S. 9-12).

 

Bei der Ermittlung der Einnahmen und Ausgaben des Staatskontos nach den VGR sind zwar die Finanzstatistiken die Grundlage, jedoch werden diese nach den Regeln des ESVG umgerechnet (Dietz, 2006, S. 340-342). Nach den VGR wird dabei strikt zwischen nichtfinanziellen und finanziellen Transaktionen unterschieden. Von Bedeutung sind lediglich die nichtfinanziellen Transaktionen. Finanzielle Transaktionen, die das Nettogeldvermögen (Saldo aus Forderungen und Verbindlichkeiten plus liquide Mittel) des Staates nicht verändern, werden im Gegensatz zur Finanzstatistik nicht zu den staatlichen Einnahmen bzw. Ausgaben gezählt, sondern als saldenneutral betrachtet. Zu diesen rein finanziellen Transaktionen gehören im Wesentlichen: Darlehensgewährungen an den privaten Sektor, Erwerb von Beteiligungen, Tilgungen von Darlehen an den öffentlichen Bereich, Darlehensrückflüsse vom privaten Sektor, Schuldenaufnahmen beim öffentlichen Bereich und Veräußerungen von Beteiligungen. Weitere Differenzen bestehen bei der Bewertung von Schuldenübernahmen und Schuldenerlassen. Während diese Transaktionen in den VGR saldenwirksam als vermögenswirksam bewertet werden, werden sie in der Finanzstatistik nicht berücksichtigt, da keine Kassenwirksamkeit vorliegt (Dietz, 2006, S. 340-342; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, 2007, S. 10).

 

In der Praxis finden beide Rechenwerke Anwendung. Das ESVG ist die methodische Grundlage für die Ermittlung der öffentlichen Schulden und der Haushaltsdefizite nach dem Vertrag von Maastricht und dem Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP). Vor allem für internationale Vergleiche der Höhe der Staatsverschuldung und der Haushaltsdefizite werden die VGR verwendet, da diese, bis auf geringfügige Unterschiede, über eine einheitliche Systematik verfügen und somit vergleichbar sind. Dagegen ist die Abgrenzung der Finanzstatistik für die Schuldenbegrenzung nach Art. 115 GG für den Bund als auch für die entsprechenden Landesverfassungen relevant (Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, 2007, S. 9-10).

 

Da die Unterschiede zwischen den VGR und der Finanzstatistik erheblich sein können, wird an den entsprechenden Stellen dieser Arbeit auf das betreffende Rechenwerk verwiesen.

 

2.2 Struktur und Formen der öffentlichen Verschuldung


 

Die Frage nach den möglichen Gläubigern der Staatsverschuldung sowie nach den verschiedenen Möglichkeiten der öffentlichen Verschuldung lenkt auf die Struktur und die Formen der öffentlichen Verschuldung.

 

Struktur der öffentlichen Verschuldung

 

Der Staat hat als Schuldner grundsätzlich zwei Möglichkeiten zur Kreditbeschaffung bzw. – aufnahme. Das kann zum einen über das Inland (interne Verschuldung) und zum anderen über das Ausland (externe Verschuldung) geschehen (Wellisch, 2000, S. 27). Die Gläubigerstruktur gibt hierbei genau an, bei wem und in welcher Höhe der Staat sich verschuldet hat. Folgende Übersicht (siehe Darstellung 1) zeigt die möglichen Gläubiger: Zum einen kann ein möglicher Gläubiger – im In- als auch im Ausland – das Bankensystem, d.h. die Zentralbank oder die Kreditinstitute sein, oder zum anderen aber Nichtbanken, d.h. öffentliche Körperschaften (z.B. Sozialversicherungen) oder sonstige Geldgeber (z.B. private Haushalte, nicht-finanzielle Unternehmen) (Brümmerhoff, 2011, S. 628; Zimmermann, Henke, & Broer, 2009, S. 160).

 

Darstellung 1: Mögliche Gläubiger des Staates

 

 

Quelle: in Anl. an Zimmermann et al., 2009, S. 160

 

Dabei handelt es sich bei der Zentralbank nur um einen theoretischen Gläubiger. Da die Zentralbank mit zum öffentlichen Sektor zählt, handelt es sich weniger um einen öffentlichen Kredit, sondern vielmehr um eine Geldschöpfungsfinanzierung. Aus diesem Grund ist die Kreditaufnahme bei der Zentralbank innerhalb der EU auch verboten (Bohley, 2003, S. 495-496).

 

Für Deutschland gibt es dazu lediglich eine von der Bundesbank erstellte Statistik. In dieser werden die Gläubigergruppen grob in fünf Kategorien eingeteilt. Die folgende Darstellung (siehe Darstellung 2) gibt Auskunft über die Verschuldung der Gebietskörperschaften nach Gläubigern im Jahr 2012. Generell lässt sich festhalten, dass mit zusammen ca. 83 Prozent insbesondere das Ausland und die inländischen Kreditinstitute die wesentlichen Gläubiger der Staatsschuld sind. Sonstige inländische Nichtbanken sind mit einem Anteil von fast 17 Prozent Gläubiger und mit einem sehr geringen Anteil von unter einem Prozent ist der Staat bei Bundesbank und Sozialversicherungen verschuldet (Deutsche Bundesbank, 2013a, S. 59*). 

 

Darstellung 2:...

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